Vorlesung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) Sommersemester 2016 1
1 Gegenstand der Vorlesung Wiederholung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 2
Völkerrechtliches Gesellschaftskollisionsrecht hat nach Art. 3 Nr. 2 EGBGB Vorrang vor dem autonomen deutschen Internationalen Gesellschaftsrecht Anwendung steht unter dem genuine link-vorbehalt (Schutz vor Missbrauch) in extrem gelagerten Ausnahmefällen ist eine Korrektur der staatsvertraglichen Anerkennung möglich keine Anwendung des Staatsvertrages, wenn die Gesellschaft über die Gründung im Vertragsstaat hinaus zu diesem über keine tatsächlichen, effektiven Beziehungen verfügt und geschäftliche Aktivitäten allein in D entfaltet allerdings: irgendwelche Aktivitäten sind ausreichend Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 3
Autonomes deutsches Gesellschaftskollisionsrecht Gilt für alle sog. Drittstaatengesellschaften Drittstaatengesellschaften = Gesellschaften, für die weder EU-Recht: Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV EWG-Recht: Art. 31, 34 EWRV Völkerrecht: Völkerrechtliche Kollisionsregeln gelten Art. 3 EGBGB: Gesellschaftsstatut bestimmt sich nach autonomen deutschen Gesellschaftskollisionsrecht = Sitztheorie Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 4
Art. 3 EGBGB Soweit nicht 1. unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Union... 2. Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, maßgeblich sind, bestimmt sich das anzuwendende Recht bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat nach den Vorschriften dieses Kapitels (Internationales Privatrecht) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 5
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person allerdings grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staates maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt. Das gilt auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat wirksam gegründet worden ist und sodann ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die einmal erworbene Rechtsfähigkeit setzt sich nicht ohne weiteres in Deutschland fort. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates fortbesteht und ob sie nach deutschem Recht rechtsfähig ist. (BGHZ 153, 353) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 6
keine Verallgemeinerung der Gründungstheorie/ Überseeringentscheidung dies ist schon aus Gründen richterlicher Selbstbeschränkung mit Blick auf Pläne zur Kodifikation des Internationalen Gesellschaftsrechts rechtspolitisch nicht geboten Zuzugsfälle: Qualifikation nach modifizierter Sitztheorie ( Wechselbalgtheorie ) Umqualifizierung in inländische Personengesellschaft Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 7
Schweizer Gesellschaften Schweiz: weder Mitglied der EU noch des EWR, noch gilt ein Staatsvertrag OLG Hamm: Anwendung der Gründungstheorie auf Schweizer Gesellschaften BGH (Trabrennbahn): Sitztheorie Sitztheorie = zentrale Kollisionsregel des autonomen deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts schweizerische Gesellschaft gilt im Zuzugsfall als aufgelöst = Umwandlung in inländische Personengesellschaft Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 8
Pläne des deutschen Gesetzgebers RefE für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen (7.1.2008) geht auf Vorschlag des Deutschen Rates für IPR zurück Art. 10 Abs. 1 EGBGB-E: Anknüpfung an Registrierungsort: Gründungstheorie Art. 10 EGBGB-E (1) Gesellschaften, Vereine und juristische Personen des Privatrechts unterliegen dem Recht des Staates, in dem sie in ein öffentliches Register eingetragen sind. Sind sie nicht oder noch nicht in ein öffentliches Register eingetragen, unterliegen sie dem Recht des Staates, nach dem sie organisiert sind. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 9
Kritik Flucht aus der unternehmerischen Mitbestimmung Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen aufgrund der vorgeschlagenen gesellschaftsrechtlichen Qualifikation des Firmenrechts jüngere Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit: von radikaler Ablehnung der Sitztheorie kann keine Rede sein Versuche zur die Regulierung seitens der Kommission: stellen Informationsmodell infrage (Abschaffung gesellschaftsrechtl. RL) Rechtfertigung umfassender Niederlassungsfreiheit nach dem Konzept der EuGH-Rechtsprechung wird die Grundlage entzogen erst Stopp durch Beschluss des Europäischen Parlaments vom 21.5.2008 Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 10
Exkurs: Pläne auf europäischer Ebene Kodifikation des internationalen Gesellschaftsrechts durch eine Verordnung Beschluss des Europäischen Parlaments vom 14.6.2012: Aufforderung an die Kommission zur Ausarbeitung eines entsprechenden Verordnungsvorschlages Das Europäische Parlament... wiederholt seine Forderung an die Kommission, einen Gesetzgebungsvorschlag vorzulegen, in dem Maßnahmen festgelegt werden, durch die die grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften innerhalb der EU erleichtert werden soll (14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur grenzüberschreitenden Verlegung von Unternehmenssitzen)... Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 11