Ferienkurs Analysis 2 für Physiker. Differentialgleichungen. Tobias Ried

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Lineare Differentialgleichungen

Transkript:

Ferienkurs Analysis 2 für Physiker Differentialgleichungen Tobias Ried E-mail address: tobias.ried@ph.tum.de

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) 2.. Systeme linearer DGLs mit konstanten Koeffizienten 2.2. Die Matrixexponentialfunktion 2 2.3. Lösung von Anfangswertaufgaben 3 2.4. Zur Berechnung des Matrixexponentials 4 2.5. Lösungsfundamentalsystem 2.6. Inhomogene lineare DGL-Systeme mit konstanten Koeffizienten 2.7. Separierbare Differentialgleichungen, Existenz und Eindeutigkeit 2 Übungen 5 Literaturverzeichnis 9 iii

Kapitel 2 Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) Differentialgleichungen treten in vielen physikalischen Fragestellungen auf. Ihre einfachsten Vertreter sind die gewöhnlichen Differentialgleichungen, welche im Folgenden näher behandelt werden. 2.. Systeme linearer DGLs mit konstanten Koeffizienten Definition 2.. Sei n N und α,..., α n K, dann heißt (2.) α n y (n) + + α y + α y = homogene lineare DGL n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten α,..., α n (α n ). Eine Lösung von 2. ist jede auf einem Intervall definierte n-mal differenzierbare Funktion y : I K, für die gilt (2.2) α n y (n) (t) + + α y (t) + α y(t) = t I Satz 2.2. Jede Lösung von 2. ist unendlich oft differenzierbar und eindeutig auf ganz R fortsetzbar. Zu einer systematischeren Behandlung der linearen Differentialgleichungen (vor allem gekoppelter Systeme von linearen DGLs) führt man Gleichung 2. in die Form

2 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) (2.3) y = Ay über mit y = ( y, y,..., y (n )) und..... (2.4) A =............. α α n α α n... α n 2 α n α n α n Definition 2.3. Sei allgemeiner A K n n, dann heißt (2.5) y = Ay, y =. lineares System gewöhnlicher Differentialgleichungen erster Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Lösung ist jede auf einem offenen Intervall I definierte differenzierbare Abbildung (2.6) y : I K n mit y (t) = Ay(t) t I 2.2. Die Matrixexponentialfunktion Zur Lösung eines Systems linearer DGLs erster Ordnung benötigt man die Matrixexponentialfunktion (2.7) exp(a) = e A A k := = E n + B + B2 k! 2 + B3 +... 3! k= Um die Frage der Konvergenz dieser Reihe zu beantworten, muss man zunächst eine Metrik auf dem Raum der Matrizen mit Einträgen aus K einführen. Diese ist gegeben durch die Definition 2.4 (Operatornorm auf K m n ). Sei. eine Norm auf K n bzw. K m, dann definiert (2.8) B := sup Bx x K n x für B K m n die Operatornorm auf K m n. Übung 2.5. Zeigen Sie, dass durch 2.8 wirklich eine Norm definiert ist. Satz 2.6 (Eigenschaften der Operatornorm). Seien B K m n, C K l m und x K n. Dann gilt: y y n

2.3. Lösung von Anfangswertaufgaben 3 () Bx B x (2) CB C B (3) Die Abbildung K l m K m n K l n, (C, B) CB (Matrixprodukt) ist stetig. Mit der Operatornorm wird K n n zu einem normierten Raum (K n n,. ). Satz 2.7. Sei B K n n. Bezüglich der induzierten Metrik in (K n n,. ) konvergiert die Reihe B k (2.9) exp(b) = k! absolut mit k= (2.) exp(b) exp( B ) Es sollen einige Rechenregeln der Matrixexponentialfunktion angeführt werden. Satz 2.8. Für alle A, B, C K n n gilt () exp() = E n und exp(r n n ) R n n (2) Funktionalgleichung: Aus AB = BA folgt e A e B = e A+B (3) Die Abbildung R K n n, t e ta ist beliebig oft differenzierbar mit d dt eta = e ta A = Ae ta (4) Ist C invertierbar, so gilt (5) det e B = e tr B (6) exp(b) = exp(b) e C AC = C e A C 2.3. Lösung von Anfangswertaufgaben In der Physik interessante Problemstellungen sind oft von der Form (2.) y = Ay mit y(t ) = y K n für einen vorgegebenen Zeitpunkt t R. Dies nennt man eine Anfangswertaufgabe (AWA). Satz 2.9. Die Anfangswertaufgabe 2. hat die eindeutige auf ganz R fortgesetzte Lösung (2.2) y(t) := e (t t )A y t R

4 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) 2.4. Zur Berechnung des Matrixexponentials In den vorhergehenden Abschnitten wurde die Lösung des Systems y = Ay auf die Berechnung des Matrixexponentials exp(a) zurückgeführt. Die Berechnung des Matrixexponentials mithilfe der Definition 2.7 gestaltet sich oftmals als mühsam oder ist gar unmöglich. Daher muss auf andere Verfahren aus der Linearen Algebra zurückgegriffen werden. Einige einfache Fälle seien jedoch aufgeführt. Am einfachsten ist die Berechnung des Matrixexponentials bei Matrizen in Diagonalgestalt. Satz 2. (Exponential einer Diagonalmatrix). Sei (2.3) D = diag(λ,..., λ n ) = λ... dann ist (2.4) e td = diag(e tλ,..., e tλn ) = e tλ λ n... e tλn Satz 2. (Nilpotente Matrizen). Eine Matrix N K n n heißt nilpotent, falls ein l N existiert, sodass N l =. Dann ist (2.5) e tn = l k= t k N k k! 2.4.. Jordansche Normalform. = E n + tn + t2 N 2 2 + + tl N l (l )! Definition 2.2 (Ähnlichkeit von Matrizen). Eine Matrix B K n n heißt ähnlich zu einer Matrix A K n n, A B, wenn eine invertierbare Matrix S existiert mit (2.6) B = S AS beziehungsweise (2.7) A = SBS In der Linearen Algebra wird gezeigt, dass jede Matrix A C n n ähnlich ist zu einer Blockdiagonalmatrix J (Jordansche Normalform) J J (2.8) J = 2... J s

2.4. Zur Berechnung des Matrixexponentials 5 also (2.9) A = SJS wobei die einzelnen Blöcke J i (Jordanblöcke) die Gestalt λ i...... (2.2) J i =... λi haben. Dabei sind {λ,..., λ s } die Eigenwerte von A, die nicht unbedingt paarweise verschieden sein müssen. Definition 2.3 (Eigenwerte einer Matrix). Die Eigenwerte einer Matrix A sind die Nullstellen µ i des charakteristischen Polynoms (2.2) χ A (λ) = det(a λe n ) Dieses zerfällt als Polynom über C vollständig in Linearfaktoren (2.22) χ A (λ) = (λ µ ) α (λ µ 2 ) α 2... (λ µ r ) αr Dabei bezeichnet der Exponent α i die algebraische Vielfachheit des Eigenwertes µ i. Man nennt die Dimension des Eigenraumes (2.23) E(µ i ) = ker(a µ i E n ) die geometrische Vielfachheit (2.24) γ i = dim ker(a µ i E n ) des Eigenwertes µ i. Es gilt stets γ i α i. Vergleicht man mit der Jordan Normalform von A und verwendet, dass det(a λe n ) = det(s(j λe n )S ) = det(j λe n ) = (λ λ ) k... (λ λ s ) ks so sieht man, dass die algebraische Vielfachheit eines Eigenwertes µ von A die Summe der Dimensionen der Jordanblöcke zu diesem Eigenwert ist, also (2.25) α(µ) = j: λ j =µ Wegen...... (2.26) ker(j i λ i E n ) = ker... = C. k j

6 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) sieht man dim ker(j i λ i E n ) = und die geometrische Vielfachheit γ(µ) ist die Summe der Jordanblöcke zum Eigenwert µ. Beispiel 2.4. Die Matrix M = 2 ist in Jordan Normalform und besitzt die Eigenwerte (α() = 3, γ() = 2) und 2 (α(2) =, γ(2) = ). Ziel ist es nun, von einer gegebenen Matrix A die Jordansche Normalform und die Transformationsmatrix S zu finden. Dazu geht man wie folgt vor. () Berechnung der Eigenwerte µ i und Bestimmung der algebraischen Vielfachheiten α i gemäß 2.3 (2) Bestimmung einer Basis der Eigenräume E(µ i ) = ker (A µ i E n ) durch Lösen des linearen Gleichungssystems (A µ i E n )v = mittels Gaussalgorithmus. Die Basisvektoren sind die Eigenvektoren v ij zum Eigenwert µ i. Die Anzahl der Basisvektoren liefert die geometrische Vielfachheit γ i zum Eigenwert µ i. (3) Zu jedem Eigenwert müssen nun (α i γ i ) Hauptvektoren gefunden werden. Ein Hauptvektor k-ter Stufe erfüllt (A µ i E n ) k h = Zunächst bestimmt man zu einem Eigenvektor v einen zugehörigen Hauptvektor. Stufe h () durch Lösen des GLS bzw. (A µ i E n ) 2 h () = (A µ i E n )h () = v Falls existent bestimmt man sukzessive Hauptvektoren höherer Stufe gemäß (A µ i E n ) 3 h (2) = oder (A µ i E n )h (2) = h () usw. Dies wiederholt man mit sämtlichen Eigenvektoren, bis man genügend Hauptvektoren gefunden hat.

2.4. Zur Berechnung des Matrixexponentials 7 (4) Nun kann man die Transformationsmatrix S angeben. Diese wird durch Aneinanderreihen der Eigen- und zugehörigen Hauptvektoren zu einer quadratischen Matrix gebildet. S = (v, h (), h (2),..., v 2, h () 2,..., v 2,...,... ) (5) Die Jordan Normalform der Matrix A bildet man gemäß 2.8 unter Berücksichtigung der Anordnung der Eingen- und zugehör. Hauptvektoren in S. Die Größe und Anzahl der Jordanblöcke zu einem Eigenwert µ i ist durch α i und γ i bereits festgelegt. Beispiel 2.5. Gegeben sei die Matrix A = 2 3 Das charakteristische Polynom von A lautet χ A (λ) = det(a λe 3 ) = λ 3 + 4λ 2 5λ + 2 = (λ ) 2 (λ 2) Die Matrix A besitzt also die Eigenwerte λ = mit der algebraischen Vielfachheit α = 2 und λ 2 = 2 mit α 2 =. Der Eigenraum E() = ker(a E 3 ) ergibt sich mittels Gaussalgorithmus A E 3 = 2 2 Damit ist ker(a E 3 ) = C Es folgt dass die geometrische Vielfachheit des EW γ = und v = (,, ) Eigenvektor zu λ ist. ( ) Damit gibt es Jordanblock zum Eigenwert λ = der Länge 2 Ein Hauptvektor (. Stufe) liegt in ker(a E 3 ) 2. Löse dazu das inhomogene GLS (A E 3 )x = v mittels Gaussalgorithmus 2 2 Daraus folgt ker(a E 3 ) 2 = + C

8 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) Man wähle z.b. h = (,, ). Hier sieht man jedoch schon, dass die Wahl der Hauptvektoren bis auf Vielfache der dazugehörigen Eigenvektoren bzw. Hauptvektoren niedrigerer Stufe nicht eindeutig ist. Bestimme nun E(2) = ker(a 2E 3 ): 2 A 2E 3 = 2 Es folgt ker(a 2E 3 ) = C und damit γ 2 =. v 2 = (,, ) ist EV zu λ 2. Es gibt also nur Jordanblock der Länge zum EW λ 2 = 2 ( 2 ). Die Jordansche Normalform von A ist daher mit Transformationsmatrix J = oder alternativ 2 J = 2 und T = ( ) v h v 2 = und T = ( ) v 2 v h = 2.4.2. Exponential einer Jordanmatrix. Nach der Einführung der Jordanschen Normalform von Matrizen muss noch geklärt werden, wie das Exponential einer Jordanmatrix gebildet wird. Da sich bei einer Blockdiagonalmatrix die Blöcke einzeln multiplizieren, gilt Satz 2.6. Für eine Blockdiagonalmatrix (2.27) A = diag(a,..., A s ) = A... A s ist das Exponential (2.28) e ta = e tdiag(a,...,a s) = diag(e ta,..., e tas ) = e ta... e tas Damit reduziert sich die Berechnung des Matrixexpoentials einer Jordanmatrix auf die Berechnung des Exponentials eines Jordanblocks.

2.4. Zur Berechnung des Matrixexponentials 9 Satz 2.7 (Exponential eines Jordanblocks). Sei J i ein Jordanblock. Dieser lässt sich schreiben als (2.29) J i = λ i E + N Dabei ist E die Einheitsmatrix passender Größe und N die nilpotente Matrix...... (2.3) N =... Offenbar gilt λ i EN = Nλ i E und damit wegen 2.8 und 2.4 (2.3) e tj i = e t(λ ie+n) = e tλ ie e tn = e tλ i Ee tn = e tλ i e tn Beispiel 2.8. Für die Matrix aus Beispiel 2.5 gilt ( ) ( e ta = T e tj T e tj = T T e t e tn = T e tj 2 e t te t = e t e 2t e t ( t) te t te t = e ( t e t ) e t (t + e t ) te t e t ( e t ) e t (e t ) e t e 2t ) T 2.4.3. Diagonalisierbare Matrizen (*). Ein besonders einfacher Spezialfall der Jordanschen Normalform ist die Diagonalform einer Matrix. Diese liegt dann vor, wenn zu jedem Eigenwert nur Jordankästchen der Größe vorkommen, wenn also gilt (2.32) α i = γ i i In manchen Fällen kann man einer Matrix direkt ansehen, dass sie diagonalisierbar ist. Satz 2.9 (Diagonalisierbarkeit von Matrizen). Folgende Matrizen sind (u.a.) diagonalisierbar () A R n n symmetrisch, d.h. A T = A. Dann lässt sich A orthogonal diagonalisieren, d.h. es existiert eine orthogonale Matrix O mit O = O T sodass (2.33) A = Odiag(λ,..., λ n )O T = ODO T wobei die Spalten von O eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren bilden O = (v,..., v n ).

2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) (2) A C n n selbstadjungiert, d.h. A = A (A ist die transponierte und komplex konjugierte Matrix von A, also A = A T. Dann lässt sich A unitär diagonalisieren, d.h. es existiert eine unitäre Matrix U mit U = U sodass (2.34) A = Udiag(λ,..., λ n )U = UDU wobei die Eigenwerte von A reell sind und die Spalten von U eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren bilden U = (v,..., v n ). Das Matrixexponential berechnet sich dann gemäß 2.4 und 2.8 (2.35) e ta = e tudu = Ue td U = Udiag(e tλ,..., e tλn )U 2.5. Lösungsfundamentalsystem Die Lösungen von y = Ay bilden einen K-Vektorraum. Satz 2.2. Für A K n n sei L := {y K n : y differenzierbar und Lösung von y = Ay} der Lösungsraum des DGL-Systems. L ist Untervektorraum von C (R, K n ) der Dimension n. Die Spalten von e ta bilden eine Basis von L. Jede Basis (y,..., y n ) von L heißt Lösungsfundamentalsystem. Die Matrix Y = (y,..., y n ) heißt Fundamentalmatrix. Sei C eine invertierbare n n Matrix. Dann ist auch Y (t) = e ta C eine Fundamentalmatrix. Bemerkung 2.2. (2.36) Y (t) = e ta S = Se tj = Sdiag(e tj,..., e tjs ) ist Fundamentalmatrix. Angewandt auf eine homogene lineare DGL n-ter Ordnung (2.37) y (n) (t) + a n y (n ) + + a y (t) + a y(t) = ergibt sich (z.b. unter Verwendung des äquivalenten Systems) folgender Satz 2.22. Das Polynom (2.38) P (λ) = λ n + α n λ n + + α λ + α = r (λ λ j ) α j heißt das charakteristische Polynom von 2.37. Jede Lösung von 2.37 ist dann von der Form α r j (2.39) y(t) = c jm t m e λ jt j= m= j=

2.6. Inhomogene lineare DGL-Systeme mit konstanten Koeffizienten mit c lm C. (2.4) {t l e tµ, µ Nullstelle von P (λ), l α µ } ist (komplexes) Lösungsfundamentalsystem von 2.37. Ein reelles Fundamentalsystem erhält man durch Übergang zu Real- und Imaginärteil der komplexen Lösungen. 2.6. Inhomogene lineare DGL-Systeme mit konstanten Koeffizienten Sei b : I b K n stetig und A K n n. (2.4) y = Ay + b(t) heißt inhomogenes lineares DGL System mit konstanten Koeffizienten. b heißt Inhomogenität. Satz 2.23 (Lösung des inhomogenen Systems linearer DGLs). Sei t I b und y K n vorgegeben. Dann löst t (2.42) y(t) := e ta e sa b(s)ds + e (t t)a y t die Angangswertaufgabe zu y(t ) = y für alle t I b eindeutig. Man nennt den Lösungsansatz Variation der Konstanten. Oft ist es schwierig, die allgemeine Lösung von 2.4 mit Satz 2.23 zu finden. Meistens ist es einfacher, eine einzelne Lösung (partikuläre Lösung) zu finden. Dann gilt Satz 2.24 (Lösungsraum des inhomogenen Systems). Der Lösungsraum des inhomogenen Systems 2.4 ist (2.43) L b = y p + L Dabei ist L der Lösungsraum des homogenen Systems y = Ay und y p eine partikuläre Lösung. Bemerkung 2.25. Sei x p eine spezielle Lösung von y = Ay + b. Dann ist jede andere Lösung x von der Form x = x h + x p, wobei x h Lösung der homogenen DGL ist. Das gleiche gilt für eine einzelne inhomogene lineare DGL n-ter Ordnung (2.44) α n y (n) (t) + α n y (n ) (t) + + α y (t) + α y(t) = β(t) Für das zugehörige System. Ordnung ist A wie beim homogenen System und b(t) =.. β(t)

2 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) Beispiel 2.26. Ein getriebener, gedämpfter harmonischer Oszillator wird beschrieben durch die Differentialgleichung 2. Ordnung ẍ(t) + 2βẋ(t) + ω 2 x(t) = F (t) Diese ist äquivalent zum System. Ordnung ẋ = Ax + b mit ( ) ( ) A =, b = 2β F (t) ω 2 (Bewegungsgleichung im Phasenraum) 2.7. Separierbare Differentialgleichungen, Existenz und Eindeutigkeit Betrachtet werden nun nicht mehr nur lineare Systeme von Differentialgleichungen, sondern ein allgemeinerer Typus Definition 2.27. Sei x : I K n differenzierbar (I R offen) und F : U K n stetig (U R K n offen), dann bezeichnet man (2.45) ẋ(t) = F (t, x) t I als gewöhnliche Differentialgleichung. Ordnung. Ist ein Anfangswert (t, x ) U gegeben, spricht man von einer Anfangswertaufgabe (2.46) ẋ(t) = F (t, x), x(t ) = x Besonders einfache Vertreter von 2.27 sind sogenannte separierbare Differentialgleichungen, nämlich DGLs oder AWAs der Form (2.47) y = g(x)h(y), y(x ) = y mit stetigen Funktionen g : I R und h : U R auf offenen Intervallen I, U und mit (x, y ) I U. (2.48) Die formale Trennung in y(x) y dy h(y) = g(x)dx und Integration dη h(η) = ergeben y implizit als Funktion von x. Satz 2.28 (Lokaler Existenzsatz). x x g(ξ) dξ () Im Fall h(y ) = ist die konstante Funktion y(x) = y eine Lösung von 2.47. (2) Im Fall h(y ) besitzt die AWA 2.47 in einem hinreichend kleinen offenen Intervall J I um x eine Lösung. Diese erhält man aus 2.48 durch Auflösen nach y.

2.7. Separierbare Differentialgleichungen, Existenz und Eindeutigkeit 3 Bemerkung 2.29. Der Beweis von 2.28 zeigt, dass die Lösung auf ein offenes Intervall V U eingeschränkt werden muss, in dem h(η) für alle η V. Leider kann man (im Gegensatz zum linearen Fall) noch keine Aussage über die Eindeutigkeit der gefundenen Lösung machen. Es kann sogar passieren, dass eine AWA unendlich viele Lösungen hat, was folgendes abschreckende Beispiel zeigt. Beispiel 2.3. ẋ = x, x() =. Zunächst sieht man, dass die Anfangswertaufgabe die triviale Lösung x(t) = t R besitzt. Um weitere Lösungen zu finden, betrachtet man zunächst die AWA ẋ = x, x() = x >. Auflösen von y(x) dη y η = x dξ liefert unter Berücksichtigung der Bemerkung 2.29 die Lösung y(x) = 4 (x + 2 y ) 2 für x > 2 y =: ξ (x < ξ kommt nicht in Frage, weil wegen ẋ = x die Lösung monoton steigend sein muss!) Man überprüft leicht, dass sich diese auf (ξ, ) definierte Lösung durch differenzierbar auf ganz R fortsetzen lässt: { y ξ (x) = 4 (x ξ ) 2 für x > ξ für x ξ Für y < erhält man aus y(x) dη y = x η dξ unter Berücksichtigung des Betrages unter der Wurzel und des Vorzeichens von y ỹ(x) = 4 ( x + y ) 2 = y( x) für x < 2 y = ξ Fortsetzung durch liefert ỹ ξ (x) = y ξ ( x). Im Fall y = hat die AWA außer y(x) = die unendlich vielen auf R definierten Lösungen { y c (x) = 4 (x c)2 für x > c für x c, c und die Funktionen ỹ c (x) = y c ( x). Offenbar treten in diesem Beispiel gerade an der Stelle y = Probleme auf, hier ist die Wurzelfunktion y nicht differenzierbar. Folgende Sätze garantieren die Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung der AWA ẋ = F (t, x). Definition 2.3 (Lokale Lipschitz-Stetigkeit). Sei U R K n eine offene Menge. Die Abbildung F : U K m, (t, x) F (t, x) heißt lokal Lipschitzstetig bezüglich x, wenn es zu jedem Punkt (t, x ) in U eine Umgebung

4 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) U U gibt derart, dass die Einschränkung F U Lipschitz-stetig bezüglich x ist, also F U stetig ist und es eine Konstante L gibt derart, dass (2.49) F (t, x) F (t, y) L x y (t, x), (t, y) U Satz 2.32 (Eindeutigkeitssatz). Das dynamische System F : U K n, U R K n offen, sei lokal Lipschitz-stetig bezüglich x. Stimmen zwei Lösungen x, x 2 : I K n von ẋ = F (t, x) in einem Punkt t I überein, so gilt x = x 2 auf ganz I. Für die Eindeutigkeit ist die lokale Lipschitz-Stetigkeit wichtig, was man an dem Beispiel ẋ = x, x() = sieht. Satz 2.33 (Lokaler Existenzsatz von Picard-Lindelöf). Das dynamische System F : U K n auf der offenen Menge U R K n sei lokal Lipschitzstetig bezüglich x. Dann gibt es zu jedem Punkt (t, x ) U ein Intervall I δ (t ) = (t δ, t + δ), auf dem die Anfangswertaufgabe (2.5) ẋ = F (t, x), x(t ) = x genau eine Lösung besitzt. Diese ist die Grenzfunktion der durch die Picard- Lindelöf-Iteration (2.5) ϕ = x, ϕ k+ (t) := x + F (s, ϕ k (s)) ds t definierten und auf I δ (t ) gleichmäßig konvergenten Folge (ϕ k ). t

Übungen 5 Übungen () Geben Sie zu folgenden Matrizen die Jordansche Normalform mit Transformationsmatrix an und bestimmen Sie dann das Matrixexponential der Jordan Matrizen. 2 3 3 8 4 2 2 2 7 2 8 (a) A = 3 (2) Gegeben ist das Differentialgleichungssystem (b ) B = 2 5 4 4 y (t) = y (t) y 2 (t) y 2(t) = y (t) + y 2 (t) (a) Schreiben Sie das System in der Form y (t) = Ay(t) ( mit einer ) 2 2- y (t) Matrix A und der vektorwertigen Funktion y(t) =. y 2 (t) (b) Welche Dimension hat der Lösungsraum von y = Ay? (c) Bestimmen Sie die Lösung y(t) der Anfangswertaufgabe ( ) y = Ay, y() = v = (3) Berechnen Sie die Lösung der Anfangswertaufgabe y = Ay + b mit A =, b =, y() = Versuchen Sie dabei, das Matrixexponential gemäß der Definition 2.7 zu berechnen. (4) Ein Elektron befinde sich zum Zeitpunkt ( ) t = im Spinzustand beschrieben durch den Vektor χ() =. In einem magnetischen Feld B = (, B, ) ist die zeitliche Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsamplitude χ(t) im Wesentlichen gegeben durch ( ) χ = ω χ mit der Lamorfrequenz ω >. Berechnen Sie χ(t).

6 2. Gewöhnliche Differentialgleichungen (GDGLs) 3 4 3 (5) Lösen Sie die AWA y = Ay mit A = und y() =. 2 3 (6) Viskose Reibung. Lösen Sie die AWA q = α q + β q() =, q() = für β(t) = cos(ωt) mit ω R. Dabei sei α > die Reibungskonstante. (7) Geben Sie ein reelles Lösungsfundamentalsystem für die Differentialgleichung y (x) + y(x) = an. Finden Sie dann durch einen geeigneten Ansatz eine partikuläre Lösung von y (x) + y(x) = e x Wie lautet eine Lösungsbasis der inhomogenen DGL? (8) ( ) Ein beschleunigtes geladenes Teilchen wird durch Abstrahlung elektromagnetischer Wellen gebremst. Phänomenologisch wirkt eine Kraft proportional zur dritten Ableitung des Ortes. Im harmonischen Potential lautet die Bewegungsgleichung q = q + δ... q mit q(t) R. Dabei beschreibt δ > die Kopplungsstärke des Teilchens an das elektromagnetische Feld. (a) Eine reelle Nullstelle des charakteristischen Polynoms, λ > δ, ist bekannt. Bestimmen Sie die übrigen Nullstellen λ 2,3. (Hinweis: Polynomdivision.) (b) Geben Sie ein reelles Fundamentalsystem an. Geben Sie alle auf R + beschränkten Lösungen an. (9) Gegeben ist die Differentialgleichung y + 7y + 5y + 9y = (a) Welche Dimension hat der Lösungsraum von ( )? (b) Welche der folgenden Funktionen von x sind Lösungen von ( )? ( ) ln x 2e x + x + 2 x2 + 6 x3 (c) Geben Sie ein Fundamentalsystem von ( ) an. (d) Geben Sie die Menge aller reellen Lösungen der Differentialgleichung y + 7y + 5y + 9y = 3 an.

Übungen 7 () Geben Sie alle Lösungen der folgenden separierbaren Differentialgleichungen an. (a) y x = 2y (b) y = 2x x 2 + y (c) y (y + ) 2 + x 3 = () Geben Sie alle Lösungen der AWA ẋ = x α, x() = an für (a) α = 2 (b) α = (c ) α = 2 (2) Finden Sie auf ganz R definierte Lösungen von yy = x( y 2 ) mit y() = y, y R \ {}. Unterscheiden Sie dabei zwischen y > und y <. Wie viele konstante Lösungen gibt es? Wie viele auf ganz R definierte Lösungen mit y() = gibt es?

Literaturverzeichnis () D. Castrigiano, Lineare Algebra für Physiker (5. Juli 2), Vorlesungsmitschrift WS 8/9. (2) D. Castrigiano, Analysis für Physiker (6. Juli 2), Vorlesungsmitschrift WS 9/. (3) D. Castrigiano, Analysis 2 für Physiker (2. Juli 2), Vorlesungsmitschrift SS. (4) K. Königsberger, Analysis. (6. Auflage), Springer-Verlag Berlin Heidelberg,24. (5) K. Königsberger, Analysis. (5. Auflage), Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 24. (6) O. Forster, Analysis. (9. Auflage), Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden, 28. (7) O. Forster, Analysis 2. (8. Auflage), Vieweg + Teubner, Wiesbaden, 28. 9