zwei Sichtweisen von Bewegungshandlungen:

Ähnliche Dokumente
Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Mündigkeit im und durch Sportunterricht

Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Spiel, Sinnlichkeit und Kreativität in Kinderkrippe, Kindergarten und Hort

Weil es Spaß macht? Motive und Sinnperspektiven des Sporttreibens

Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Zum Selbstverständnis der (Sport)Pädagogik 1

Für eine ökologische Naturästhetik. Die schöne und die gute Natur Von Gernot Böhme

SpielRaum Grünau - Bewegungsförderung im öffentlichen Raum

Links oben kann auch rechts unten sein

KULTURELLE ORIENTIERUNG

Sicherer, nicht sinnvoll bezweifelbarer Ausgangspunkt des Denkens: Ich existiere.

Das Sportprofil am DG

Wahrnehmung in der Mediation

Ausbildung Primarstufe. Bewegung und Sport. Fachkonzept für Lehrerinnen- und Lehrerbildung. weitergehen.

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Wahrnehmung und Wirklichkeit, Entscheiden und Handeln

Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Methoden, methodische Inszenierungen und Organisationsformen im Sportunterricht

Sonderpädagogische Tagesschule für Wahrnehmungsförderung, Zwillikon. Pädagogisch-therapeutisches Konzept

Kulturelle und ästhetische Bildung in der frühen Kindheit Eine Investition für die Zukunft?

Bewegung, Spiel und Sport. Mehr als ein Fach!!!

Georg-Büchner-Gymnasium Profil A Sport Oberstufe

2. Ziele für das Bildungs- und Entwicklungsfeld Sinne

Silke Sinning. Wahrnehmen, entscheiden und handeln im Handball. Ein spielgemäßes Lehr-Lern-Konzept

Tanz und kulturelle Bildung

Schulinternes Curriculum Planung 10 (G8)

Leseprobe S. 2, 12-17

Grundlagen der Sportpädagogik

1 Einleitung Problem- und Fragestellung Verlauf des Forschungsprojekts und Aufbau der Arbeit A Theoretischer Rahmen...

Stephan Zech. Über das Stimmen von Raum

Lehrplan Sport. genehmigt von der Schulkommission der Mittelschulen im Kanton Zug am 29. April 2015

Schulsport als Motor für Gesundheitsförderung Probleme und Potenziale

Qualitätsdimensionen für Sportunterricht ein Entwurf auf fachdidaktischer Grundlage. Petra Wolters

Grundlagen der Sportpädagogik (WS 2004/05) Dietrich Kurz Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft

Spiel im Sportunterricht Kathrin Manz, Luisa Neuhaus

Kompetenzen zwischen Können und Nicht-Können

"WAS ES ALLES GIBT":

Fremdheit Kulturelle Konflikte / Kulturelle Begegnung im Sport

Sport und Bewegung in der Schule: Bewegte Schule. über den Sportunterricht hinaus. Sport und Bewegung in der Schule. Warum Sport und Bewegung?

Fremdheit. Kulturelle Konflikte/ Kulturelle Begegnung im Sport

Niedersächsisches Kultusministerium. Frühpädagogische Anforderungen an die betriebliche Tagesbetreuung Empfehlungen des Orientierungsplans

Naturverhältnisse in der Weltgesellschaft

Wer bin ich? Fünf verschiedene Hinsichten auf Selbstbewusstseinstheorien

Vortrag ZIRKUSPÄDAGOGIK

Tutorium. Organisation und Struktur der Vorlesung. Vorlesung. Einführung in die. Block A: Themenliste der Vorlesung

Der Doppelauftrag des Sportunterrichts, Erziehung im und durch Sport, der im Bildungsplan formuliert ist, ist viel erfolgreicher bei Kindern und

Neuer ASO Lehrplan Bereiche: BE, ME, WEK, BSP

Motorische Fitness oder pädagogische Spielchen? zum pädagogischen Auftrag des Schulsports. Dr. Michael Pfitzner. Dr.

SICHTWECHSEL NEU- MITREDEN VERGLEICH INTERKULTURELLE & DISKURSIVE LANDESKUNDE

Andreas Cremonini Lost in data. Der Mensch als sinnhaftes Wesen

Kongress UN(E)NDLICH ENTSPANNEN 2017

Sportunterricht an der Berufsfachschule

Gernot Böhme: Atmosphären, Atmosphärisches / Die schöne Natur und die gute Natur

Lernziele für das Hauptschulstufen- Schuljahr. Lernziele laut Lehrplan der Hauptschulstufe

Ist Schulsport vor allem für die Kinder wichtig, die außerhalb der Schule keinen Sport treiben?

Grundlegende Methoden des psychologischen Training im Sport

Zur Professionalisierung in der Sportlehrerbildung. Handlungen sind Einlassungen

Kindliches Lernen beobachten und verstehen

Kita-Qualität aus Kindersicht Die QuaKi-Studie

Herzlich Willkommen!

Monographien. Zimmer, R. (2018): Wilde Spiele zum Austoben. Durch Bewegung zur Ruhe kommen. Freiburg: Herder Verlag.

Descartes, Dritte Meditation

SPORTDIDAKTIK. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen SPORTWISSENSCHAFT STUDIEREN. Band 3 SPORTDIDAKTIK SPORTWISSENSCHAFT STUDIEREN.

Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Zum Wandel der Schönheitsvorstellungen im modernen Städtebau: Die Bedeutung psychologischer Theorien für das architektonische Denken

Implizites Erfahrungswissen

3.2 Modell einer Kurzfortbildung zum interkulturellen Lernen

Erlebnispädagogik für Senioren

FHNW Praxistagung 2014

Transitiver, intransitiver und reflexiver Bildungsbegriff

Stefan Pfeiffer. Sinnes-Welten. Wunderwerk der Wahrnehmung

Jahrgangsstufen 5/6: Inhaltsbereich Unterrichtsvorhaben Konkrete Beispiele. Mit dem UV verbundene Perspektiven. (1) Bewegen an Geräten - Turnen

Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra. Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik Modul Didaktik/Methodik. Baustein 2: Didaktische Entscheidungen

Umgang mit Aggressionen. Ethische Aspekte. Authentizität

Fit fürs Leben - Fit für die Schule

Paradoxien des Spiels Spiel und Arbeit - sind Spiele für die Arbeitswelt nützlich?

Seminar: Schönheit Erhabenheit Genie. Einführung in Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft

ATV 2009, Herbstleiterkurs Fit im Winter / und Organisation / Material / Medien

Bewegungsempfindung. (Sprache, Fortbewegung, Raum, Zeit, Kraft) Bewegungsbegleitung. an verschiedenen Geräten Stützformen. mit Hilfsgeräten.

2.Themenbereich: Zur Bedeutung der Bewegung für den Menschenanthropologische

INSTITUT FÜR GLEICHSTELLUNG UND GENDER STUDIES

Innovation und Improvisation Neue Perspektiven für den Umgang mit Ungewissheit. BWV Jahrestagung München. Prof. Dr.

Auf der Suche nach der Wirklichkeit

Philosophie und Pädagogik der Partizipation

1 Theoretische Grundlagen

Kunst- und Kulturgeschichte

Aufgabe 5: Meine Sinne kennen

( Picasso ) LuPe Lebenskunst

Konzept für das niedersächsische Curriculum-Modell Mobilität

Congress Center Rosengarten Mannheim 11. bis 13. Mai Referent: Prof. Dr. Gerd E. Schäfer. Plenum I, Samstag, 12. Mai 2007.

Medizin zwischen Sinn und Absurdität. Forum Medizin und Philosophie Zürich Hansueli Schläpfer

Inhaltsverzeichnis. A. Vorgabe zu einer Philosophie 17

Projektblätter. Bewegung

Kommunikation mit Kollegen und Patienten auch eine Form des Risiko - Managements?

o.l.: Hanno Metzler o.m.: Anton Moosbrugger o.r.: Albrecht Zauner u.l.: Mariella Scherling Elia

Eigentlich sollte es auf der Hand liegen:

WIE SENSIBEL BIN ICH WIRKLICH TEST

Transkript:

zwei Sichtweisen von Bewegungshandlungen: funktionaler Zugang vs. ästhetisch-expressiver Zugang funktionaler Zugang: mit der Bewegung soll ein Bewegungsproblem gelöst werden (z.b. den Ball im Basketballkorb versenken): man kann darauf verzichten,... nicht von Bedeutung für die Nutzenmaximierung des Alltags ästhetisch-expressiver Zugang: ästhetisch (= die Ästhetik betreffend): expressiv: ausdrucksvoll Wissenschaft vom Schönen, Lehre von der Harmonie. Wissen, Kenntnis von den sinnlich wahrgenommenen Eindrücken und Empfindungen, Einheit von Bewegen und Wahrnehmen; Wahrnehmung als Akt des umfassenden Spürens: Aus der Flut von Eindrücken kristallisieren sich jene heraus, die für uns von Bedeutung sind. Sport (mit Kunst und Musik) als ästhetisch-expressives Schulfach: Leibgebundene Erfahrung auf besonderer Weise reflexiv: Von der Sinnen-Erfahrung über Reflexion zur Sinnbestimmung, von der Wahrnehmung zur Erfahrung, von der Erfahrung zur Erkenntnis Erfahrungen im Sportunterricht werden nur dann für die Schüler und Schülerinnen sinnvoll, wenn sie als Subjekt dem Handeln im Handeln eine Bedeutung zuschreiben können.

ästhetisch-expressive Dimension von (sportlichen) Bewegungen Ineinander spielen von Wahrnehmung und Gestaltung Ausgangspunkt = leibliche Bedingungen der menschlichen Existenz Die (Sinnes)Wahrnehmung öffnet uns die Welt... Sehen Hören Riechen Schmecken Tasten naturgegeben aber abhängig von der kulturellen Interpretation Wahrnehmung = Spüren von Anwesenheit. Wahrnehmende = empfindende Wesen. Ziel. (?) Wahrnehmungs/Aufmerksamkeitskompetenz, Verbesserung von Spürensqualitäten Nicht nur Schneller Weiter Höher., sondern auch Leibbewusster - Wahrnehmungsfähiger - Sensibler

Zum Begriff von Sport 1 Unter Sport ist zu verstehen die willkürliche Schaffung von Problemen oder Konflikten, die vorwiegend mit körperlichen Mitteln gelöst werden. Die Lösungen sind beliebig wiederholbar, verbesserbar und übbar. Mit den Problemlösungen werden keine bleibenden Veränderungen intendiert. Sportliche Handlungen erscheinen demnach nur im subjektiven Erleben als sinnvoll. Diese individuelle Sinnfindung setzt jedoch Freiwilligkeit voraus: Jemand zum Sport zu zwingen ist nichts anders, als jemanden zu zwingen, hinter einem Bus herzurennen, mit dem er gar nicht fahren will. 1 In Anlehnung an: Volkamer, M. (2003). Sportpädagogisches Kaleidoskop (S. 17). Hamburg: Czwalina

Sport im weiten Sinne 1 Alle Handlungen beim Sport haben als Grundlage Bewegung und körperlichen Einsatz. Alle Handlungen beim Sport erfolgen freiwillig. Alle Handlungen beim Sport haben keine materiellen Ziele. Beim Sporttreiben werden keine materiellen Güter oder Werke mit Gebrauchswert hergestellt. Sporthandlungen werden auf der Grundlage einer künstlichen Realität realisiert. Die Lösung der Bewegungsaufgaben ist immer personengebunden. Beim gemeinsamen Sporttreiben werden Absprachen und Regeln benötigt. Sport ist nicht lebensnotwendig, er ist reine Privatsache. 1 in Anlehnung an: Balz, E. & Kuhlmann, D. (Hrsg.) (2003). Sportpädagogik. Ein Lehrbuch in 14 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer (S.82).

Alltagshandeln und sportliches Handeln Sich bewegen im körperlichen Sinne (Gibt es auch Bewegungen im nicht-körperlichen Sinne?) Unterschiede Ziel (Alltagshandeln)/ handwerkliches Handeln verwirklicht sich in überdauerndem Werk; (z.b. Herstellen einer Frisbee) Mit Bewegungshandeln soll ein materielles Produkt hergestellt werden, zeitlos, oft mit Muße verbunden 1 sportliches Handeln hinterlässt kein materielles Werk; flüchtige Sache (z.b. Werfen einer Frisbee) Mit Bewegungshandeln soll ein ideelles Produkt hergestellt werden oft Verknappung der Zeit (schneller, weiter, höher) 2 Gemeinsamkeiten Bewegung bewirkt bzw. verändert etwas Bogenschießen, Gewehrschießen, etc.? Beispiel Holzsägen Alltägliches Bewegen Herstellen von Feuerholz Sportliches Bewegen Timbersport betreiben Sägen mit Bezug auf die Form der Holzteile kein/kaum Interesse an der Schnelligkeit der Handlung Sägen mit Bezug auf die Schnelligkeit der Bewegung kein Interesse an der entstehenden Form 1 vgl. z.b. Sennet, R. (2008). Handwerk. Berlin: Berlin-Verlag. 2 vgl. z.b. Boschert, T. (2002). Der Sport und der Raum der Raum des Sports. SportZeiten, 2, H.2; S. 19 37 oder Bale, J. (1997). Der Sportplatz: das Spiel der gezähmten Körper. Zeitschrift für Semiotik, Bd. 19, H.1 2, S. 35-48.