Managemententlohnung auf Basis des Residualgewinns: Theoretische Anforderungen und praxisrelevante Konzepte



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Managemententlohnung auf Basis des Residualgewinns: Theoretische Anforderungen und praxisrelevante Konzepte Von Louis John Velthuis Überblick Im Rahmen einer Wertorientierten Unternehmensführung versucht man, die Interessen von Managern und Anteilseigner in Einklang zu bringen, indem Manager am Residualgewinn beteiligt werden. In einem allgemeinen dynamischen Modellrahmen werden vor dem Hintergrund des theoretischen Konzepts der Anreizkompatibilität notwendige und hinreichende Bedingungen für Entlohnungsfunktionen und Bemessungsgrundlagen hergeleitet, die eine Harmonisierung der finanziellen Interessen der Beteiligten gewährleisten. Es wird gezeigt, dass bei der Verwendung des Residualgewinns als Bemessungsgrundlage für die Managemententlohnung alle Cash Flow-Bestandteile vollständig und barwertneutral zu erfassen sind. Bei der Berechnung von Kapitalkosten ist hierbei der sichere Zinssatz der Anteilseigner zu verwenden. Praxisrelevante Residualgewinnkonzepte verstoßen gegen die theoretischen Anforderungen, weil ausschließlich ein risikoangepasster Kalkulationszinsfuß verwendet wird und ferner nicht alle Cash Flow-Bestandteile vollständig erfasst werden. Dr. Louis John Velthuis, Hochschulassistent am Lehrstuhl für Organisation und Management von Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Laux, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Forschungsschwerpunkte: Organisationstheorie, Agency-Theory, Kapitalmarkttheorie, Unternehmensrechnung und Wertorientierte Unternehmensführung.

2 A. Einführung Im Rahmen der Wertorientierten Unternehmensführung (Value Based Management) ist die Orientierung an den Anteilseignern zentraler Ansatzpunkt. Aus Sicht der Anteilseigner ist hierbei der Marktwert des Eigenkapitals zu maximieren. Zur integrierten Planung und Steuerung werden periodenbezogene Wertbeitragskennzahlen in Form von Residualgewinnen (Übergewinnen) verwendet. Prominente Wertbeitragskennzahlen sind der Economic Value Added, der Economic Profit, der Cash Value Added sowie der Shareholder Value Added. Solche Kennzahlen sollen den (theoretischen) Wertbeitrag im operativen Bereich innerhalb einer Periode zum Marktwert des Eigenkapitals messen. Als Ausgangspunkt für die Berechnung dieser Kennzahlen dient meist der aus dem externen Rechnungswesen stammende Jahresüberschuss. Der Jahresüberschuss weist allerdings einige Schwächen auf, die für Steuerungszwecke Korrekturen und Anpassungen erfordern. So werden insbesondere das Fehlen von Eigenkapitalzinsen, die Kurzfristigkeit und die Vergangenheitsorientierung sowie Manipulationsmöglichkeiten bemängelt. Deshalb berücksichtigen praxisrelevante Residualgewinnkonzepte Zinsen auf das gesamte eingesetzte Kapital; den übrigen Schwächen versucht man, durch bestimmte Anpassungen (sogenannte Conversions) zu begegnen. Die Gesamtkapitalkosten ergeben sich, indem der durchschnittliche Kapitalkostensatz (WACC) mit dem (angepassten) Buchwert des Gesamtkapitals multipliziert wird. Bei der Berechnung des durchschnittlichen Kapitalkostensatzes wird der Eigenkapitalkostensatz auf Grundlage des CAPM geschätzt. Folglich wird zur Berechnung der Kapitalkosten ein risikoangepasster Zinssatz verwendet. Im Rahmen der Wertorientierten Unternehmensführung dienen die so berechneten Residualgewinne auch als Bemessungsgrundlagen für die Entlohnungen von Managern. Gemäß STERN soll das Anreizsystem die Interessen des Managers mit den Interessen der Anteilseigner in Einklang bringen. ) Es stellt sich die Frage, ob praxisrelevante Residualgewinnkonzepte diese Anforderung tatsächlich erfüllen (können). Die einschlägige praxisorientierte Literatur beschäftigt sich vorwiegend mit der Beschreibung der jeweiligen Konzepte, und mit der empirischen Überprüfung von deren "Value Relevance". 2 ) Einige theoretische Arbeiten befassen sich mit der wissenschaftlichen Fundierung und Beurteilung von (praxisrelevanten) Residualgewinnkonzepten. So zeigt REICHELSTEIN (997), dass der Residualgewinn als einzige Bemessungsgrundlage neben Cash Flows geeignet ist, um Zielkongruenz zu gewährleisten. Er geht hierbei von Risikoneutralität und einer gegebenen linearen Teilungsregel aus. 3 ) O HANLON/PEASNELL (998) diskutieren die Problematik gängiger Anpassungen. FELTHAM/OHLSON (999) zeigen vor dem Hintergund des State-Preferance- Ansatzes, dass bei einer Orientierung an Residualgewinnen bei der Investitionspla-

3 nung der sichere Zinssatz zur Berechnung von Eigenkapitalkosten verwendet werden sollte. CHRISTENSEN/FELTHAM/WU (22) verdeutlichen in einem einfachen Anreiz- Modell im Kapitalmarktzusammenhang, dass der Kalkualtionszinssatz keine Marktrisikoprämie enthalten sollte. Die genannten Untersuchungen leiten die entsprechenden Ergebnisse vor dem Hintergrund (mehr oder weniger) eingeschränkter Entscheidungssituationen ab. Zum großen Teil wird kein direkter Bezug zur Delegationsproblematik und damit zur grundlegenden Frage hergestellt, ob aus Planungsgesichtspunkten erwünschte Eigenschaften von Erfolgsrechnungen (decision usefulness of accounting information) auch aus Anreizgesichtspunkten wünschenswert sind (stewardship value of accounting information). 4 ) Zentrale Zielsetzung dieses Aufsatzes ist es, einen Beitrag zur Beantwortung dieser grundlegenden Frage vor dem Hintergrund einer allgemeinen und adäquaten Entscheidungssituation zu liefern. Als Basis für die Analyse dient das theoretische Konzept der Anreizkompatibilität (Preference Similarity). Hierbei sind Teilungsregel und Bemessungsgrundlage so zu gestalten, dass der Manager aufgrund seiner Entscheidung nur dann einen finanziellen Vorteil erzielt, wenn dies auch für die Anteilseigner gilt, was der genannten Anforderung von STERN entspricht. 5 ) Das Konzept der Anreizkompatibilität berücksichtigt dabei ausschließlich monetäre Nutzenkomponenten, und es werden keine einschränkenden Annahmen bezüglich des Aktionsraums des Agenten getroffen. 6 ) Orientieren sich die Beteiligten ausschließlich an finanziellen Zielgrößen, so gewährleistet Anreizkompatibilität für eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung, dass der Agent stets die Entscheidung trifft, die auch der Prinzipal treffen würde. Die ersten Arbeiten zum Konzept der Anreizkompatibilität stammen von WILSON (968; 969), dessen Ansatz zunächst von ROSS (973; 974) aufgegriffen wurde. Die Analyse erfolgt hierbei in einem statischen Modellrahmen. WILSON und ROSS zeigen u.a., dass Anreizkompatibilität für eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung dann und nur dann vorliegen kann, wenn die Teilungsregel so gestaltet wird, dass die Nutzenfunktionen der Beteiligten bezüglich der Ergebnisse "ähnlich" sind. ROSS spricht in diesem Zusammenhang von Similarity. 7 ) Mit den Arbeiten von PRATT/ZECKHAUSER (989) 8), VELTHUIS (998) sowie PRATT (2) wurde die formale Analyse im statischen Modellrahmen verallgemeinert und vervollständigt. Soll das Konzept der Anreizkompatibilität als Basis zur Überprüfung des Residualgewinns als Bemessungsgrundlage für die Managemententlohnung dienen, dann ist es aufgrund des originären Charakters von Gewinnen notwendig, von einem dynamischen Modellrahmen auszugehen und damit finanzielle Konsequenzen von Entscheidungen des Managers bezüglich mindestens zweier Zeitpunkte zu berücksichtigen. Grundlegende Arbeiten zur Anreizkompatibilität im dynamischen Modellrahmen finden sich bei LAUX (999; 22). Im Vordergrund steht dort die anreizkom-

4 patible Erfolgsbeteiligung vor dem Hintergrund des Rechnungswesens sowie des Kapitalmarktes. Im Rahmen dieser Analysen werden jedoch einschränkende Annahmen sowohl in Bezug auf die Entscheidungssituation als auch in Bezug auf die Nutzenfunktionen (bzw. Bewertungsfunktionen) der Beteiligten getroffen. Sofern die betrachtete Entscheidungssituation eingeschränkt ist, lässt sich der Residualgewinn als Bemessungsgrundlage zunächst nur für die jeweils spezifizierte Situation konkret beurteilen. Ziel dieses Beitrages ist es, in einem allgemeinen dynamischen Modellrahmen grundlegende Prinzipien herzuleiten, die Teilungsregeln und Bemessungsgrundlagen erfüllen müssen, sofern sie für eine anreizkompatible Managemententlohnung dienen sollen. Die Prinzipien haben den Charakter von notwendigen und hinreichenden Bedingungen der Anreizkompatibilität. Diese Prinzipien sind, wie noch ersichtlich wird, teilweise als hinreichende Bedingungen für eingeschränkte Entscheidungssituationen bereits bekannt. Demgegenüber hat jedoch der Nachweis von grundlegenden allgemeinen notwendigen Bedingungen eine große Bedeutung für die praktische Konzeption von wertorientierten Anreizsystemen als auch für deren theoretische Beurteilung. Im Rahmen der praktischen Gestaltung wird der betreffende Handlungsspielraum von vornherein eingeengt. Aus theoretischer Sicht lassen sich bestehende Konzepte auf einfache Weise überprüfen, indem die Erfüllung der Prinzipien kontrolliert wird. Der Beitrag hat folgenden Aufbau: In Abschnitt 2 erfolgt zunächst eine Spezifikation der Entscheidungssituation. Allgemeine Bedingungen für die Managemententlohnung werden hergeleitet. Hierbei wird ein allgemeines Prinzip der Barwertidentität nachgewiesen. Es wird deutlich, dass neben Cash Flows auch Residualgewinne das allgemeine Prinzip der Barwertidentität erfüllen können. Bei der Verwendung von Residualgewinnen muss dabei auch in Risikosituationen Barwertidentität gegeben sein, wobei der sichere Zinssatz der Anteilseigner (bzw. ihre endogene Zeitpräferenzrate) relevant ist. Im dritten Abschnitt werden praxisgängige Residualgewinnkonzepte im Lichte der zuvor abgeleiteten theoretischen Anforderungen überprüft. Insbesondere erweist sich die Verwendung eines risikoangepassten Zinssatzes zur Berechnung der Kapitalkosten als problematisch. Eine vertiefende Analyse dieser Problematik erfolgt im vierten Abschnitt vor dem Hintergrund des CAPM. Zum Abschluss werden die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend diskutiert.

5 B. Theoretische Anforderungen für die Managemententlohnung I. Die Entscheidungssituation Zunächst wird die Entscheidungssituation für die formale Analyse im dynamischen Modellrahmen dargestellt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die Betrachtung auf lediglich zwei Zeitpunkte und zwei Kooperationspartner eingeschränkt. Dies ist ausreichend, um die grundlegenden Ergebnisse aufzuzeigen. Grundsätzlich können sie auf den allgemeinen Fall von T-Zeitpunkten und N-Kooperationspartnern übertragen werden. 9 ) Der Agent entscheidet über die Realisation von (Investitions-)Projekten. Mit den Projekten beeinflusst er die Cash Flows bzw. deren Bestandteile (wie z.b. Anschaffungsauszahlungen und Umsatzerlöse) zu den Zeitpunkten t = und t =. Formal ausgedrückt generiert der Agent zu jedem Zeitpunkt t einen beliebigen Vektor x t von Cash Flow-Bestandteilen x ti. Der Cash Flow x t ergibt sich als: ) x t n = x i= ti. () Es können sowohl sichere als auch unsichere Erwartungen bezüglich der Cash Flow- Bestandteile bestehen. Der Agent orientiert sich ausschließlich an seinem Nutzen aufgrund der Entlohnungen s in t= und s in t = anhand der allgemeinen von Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktion: V = V s, s. (2) Der Prinzipal orientiert sich entsprechend an den Netto-Cash Flows (Cash Flow minus Entlohnung) x s und x s anhand der allgemeinen Nutzenfunktion: U = U x s, x s. (3) Bis auf die Ausnahme, dass von zustandsabhängigen Nutzenfunktionen abstrahiert wird, werden keine einschränkenden Annahmen bezüglich der Nutzenfunktionen der Beteiligten getroffen. ) Die Entlohnung s t hängt in allgemeiner Form von der Bemessungsgrundlage Bt ab: st = st( Bt ) = st Bt( x,x ). (4)

6 Die Bemessungsgrundlage kann hierbei eine beliebige Transformation der Vektoren der Cash Flow-Bestandteile sein. So kann der Residualgewinn oder der Cash Flow als Bemessungsgrundlage für die Entlohnung des Agenten dienen. Anreizkompatiblität besagt nun, dass der Agent nur dann seinen Erwartungsnutzen auf Basis der Nutzenfunktion (2) erhöhen kann, wenn gleichzeitig der Erwartungsnutzen des Prinzipals nach Entlohnung auf Basis der Nutzenfunktion (3) steigt. II. Bedingungen für eine anreizkompatible Entlohnung Soll der Agent für beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen stets im Sinne des Prinzipals entscheiden, so muss die folgende Bedingung der Anreizkompatibilität erfüllt sein: Proposition : Notwendig und hinreichend für Anreizkompatibilität ist, dass der Nutzen des Prinzipals eine linear steigende Funktion des Nutzens des Agenten in x und x ist: U x s, x s = a V s, s + b x, x. (5) Beweis: Siehe Anhang. Aus der Entscheidungstheorie ist allgemein bekannt, dass die von Neumann- Morgenstern-Nutzenfunktion genau bis auf eine positiv lineare Transformation bestimmt ist. Dies impliziert, dass zwei Nutzenfunktionen dann und nur dann stets zu den gleichen Entscheidungen führen, wenn sie bis auf eine solche Transformation übereinstimmen. Bezüglich einperiodiger Entscheidungen bei Risiko ist dies gleichbedeutend mit der Identität der den Nutzenfunktionen jeweils entsprechenden Risikoaversionskoeffizienten. Bezüglich mehrperiodiger Entscheidungen ist zusätzlich die Identität der den Nutzenfunktionen jeweils entsprechenden Zeitpräferenzen erforderlich. Anreizkompatibilität beinhaltet, dass der Agent stets im Sinne des Prinzipals entscheidet. In mehrperiodigen Risikosituationen ist dies für eine beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilung gemäß Proposition dann und nur dann gewährleistet, wenn sich die Nutzenfunktionen bezüglich der Cash Flows (bzw. Cash Flow- Bestandteile) bis auf eine positiv lineare Transformation entsprechen. Die notwendige und hinreichende Bedingung der Anreizkompatibilität impliziert daher, dass Prinzipal und Agent sowohl die gleiche Zeitpräferenz als auch die gleiche Risikopräferenz jeweils bezüglich der (Brutto-) Cash Flows haben. Die Zeitpräferenzen von Prinzipal und Agent bezüglich ihrer jeweiligen Anteile werden nachfolgend mit γ P und γ A, die jeweiligen Risikoaversionskoeffizienten bezüglich der jeweiligen An-

7 teile mit α Pt und α At, t=,2, bezeichnet. Die Zeitpräferenzen bzw. Risikoaversionskoeffizienten bezüglich der Cash Flows werden demgegenüber mit $γ P bzw. $γ A und $α Pt bzw. $α At bezeichnet. Anreizkompatibilität impliziert also: U V x γ $ x P = γ $ A γ $ U = V (6) x x U V x bzw. α$ t x Pt = α$ t At = α$ 2 2 t U V x 2 t x 2 t (t=,). (7) Die Zeitpräferenz $γ bezüglich der Cash Flows gibt an, um wieviel sichere Geldeinheiten der Cash Flow zum Zeitpunkt reduziert werden kann, wenn der Cash Flow zum Zeitpunkt um eine sichere Geldeinheit erhöht wird, damit Prinzipal und Agent indifferent sind. Der Risikoaversionskoeffizient $α t gibt entsprechend an, um wieviel Geldeinheiten der Erwartungswert der Cash Flows zum Zeitpunkt t erhöht werden muss, wenn das Risiko (gemessen durch die Varianz) zum Zeitpunkt t um zwei (marginale) Einheiten steigt. Dabei ist zu beachten, dass sich die Nutzenfunktionen bezüglich der jeweiligen Anteile und damit auch die originären Zeitpräferenzen γ P bzw. γ A und Risikopräferenzen α Pt bzw. α At stark unterscheiden können. Es soll gerade durch eine anreizkompatible Erfolgsrechnung und Anreizgestaltung erreicht werden, dass die Präferenzen bezüglich der Cash Flows (und deren Bestandteile) letztendlich übereinstimmen. Grundsätzliche Anforderungen an anreizkompatible Bemessungsgrundlagen und Entlohnungsfunktionen lassen sich aus der Grundbedingung der Anreizkompatibilität (5) gewinnen. Wird diese nach je einem Cash Flow-Bestandteil x i in t= bzw. x i in t= abgeleitet, erhält man: F HG a f I F I KJ a f HG a f a f (8) KJ B B B B U s B U s B = a V s B V s B x i xi x + i x i bzw. a f F I HG a f K J F I HG a f a f.(9) KJ B = + B U s B B U s B a V s B + B V s B xi xi xi xi Erhöht der Agent zum Zeitpunkt t den Cash Flow-Bestandteil x ti um eine Einheit, dann führt dies zunächst zu einer direkten Erhöhung des Cash Flows zum Zeitpunkt

8 t. Ferner erfolgen Änderungen der Bemessungsgrundlagen. Die Veränderungen der Bemessungsgrundlagen kommen in den partiellen Ableitungen zum Ausdruck. Diese b g t führen ihrerseits zu Veränderungen der Entlohnung, was über die Ableitung st B wiedergegeben wird. Gleichung (8) bzw. (9) besagt, dass bei einer Erhöhung von Cash Flow-Bestandteil x ti die gesamte Veränderung des Nutzens des Prinzipals stets proportional zu der Veränderung des Nutzens des Agenten sein muss. Nach Umformung der Gleichungen (8) und (9) erhält man: F HG b g b g γ B U s B B s B x i P xi F HG b g b g I () γ KJ = B + a V s B B s B xi A xi F HG b g b g I KJ B bzw. U s B B P s B γ x i xi γ P I KJ F HG b g b g I KJ = B + a V s B B s B γ A xi xi γ A () U mit γ P U und γ V A V. (2) Die Darstellungsweise gemäß () und () entspricht einer Barwertbetrachtung, wobei die Zeitpräferenzen γ P und γ A den Charakter von sicheren Aufzinsungsfaktoren haben. Es ist zu beachten, dass die Zeitpräferenzen grundsätzlich nicht exogen vorgegeben sind, sondern gemäß (2) jeweils von den Grenznutzenverhältnissen zwischen den Zeitpunkten abhängen. Der Prinzipal (bzw. der Agent) orientiert sich bei der Veränderung eines Cash Flow-Bestandteils zu einem Zeitpunkt t gemäß () bzw. () am Grenznutzen zum Zeitpunkt multipliziert mit dem Grenz-Barwert der Nettoüberschüsse (bzw. Entlohnungen) bezogen auf den Zeitpunkt. Bei Risikoneutralität und gegebenen Abzinsungsfaktoren würde sich beispielsweise der Agent am Barwert der Entlohnung (bzw. Grenzentlohnung) orientieren. Die Gleichung () bzw. () kann auch wie folgt dargestellt werden: b g F HG I b g B a s B B a s B x + i KJ+ λ x i γ + P λ γ A F HG I = KJ (3)

9 bzw. b g F HG I b g B a s B B a P s B γ P x + γ i KJ+ λ x i γ + P λ γ A F HG I = KJ (4) U mit λ V. (5) Gleichung (3) enthält die Ausdrücke γ P Bt x i B x t i, während in (4) die Ausdrücke eingehen. Die beiden Gleichungen können nur dann stets miteinander im Einklang stehen, wenn die folgende notwendige Bedingung gemäß Korollar gilt. Korollar : Das zeitliche Auseinanderfallen zwischen Cash Flows und deren Erfolgswirksamkeit in der Bemessungsgrundlage muss in Form einer Verzinsung berücksichtigt werden. Maßgeblich ist hierbei die Zeitpräferenz des Prinzipals. In gängigen theoretischen und praktischen Konzepten des Rechnungswesens gehen zahlreiche Cash Flow-Bestandteile (wie Umsatzerlöse) unmittelbar (ausschließlich) zum Zeitpunkt ihres Anfallens vollständig in die Erfolgsrechnung ein. Formal ausgedrückt, gilt für solche Komponenten dann: Bt x = und B t = für τ t. x Für den praktisch immer gegeben Fall, dass zu jedem Zeitpunkt solche unmittelbar vollständig erfolgswirksame Cash Flow-Bestandteile existieren, lassen sich auf einfache Weise Aussagen bezüglich der Entlohnungsfunktion treffen. So folgt für die Entlohnungsfunktion aus (3) und (4): b g F HG a s B + λ b g F HG ti I = KJ I = KJ τi (6) a γ und s B P +. (7) λ γ A Bei gleichen Zeitpräferenzen ist eine anreizkompatible Grenzentlohnung für beide Zeitpunkte gleich. Hat der Agent hingegen eine höhere Zeitpräferenz, so erhält er zum Ausgleich eine im Zeitablauf steigende Grenzentlohnung. 2 )3) Auf der Grundlage von (6) und (7) lassen sich weitere Aussagen über die Gestalt einer anreizkompatiblen Entlohnungsfunktion treffen. 4 ) Es lässt sich hierbei auch zeigen, dass praxisrelevante Entlohnungsfunktionen häufig nicht anreizkompatibel gestaltet sind, und somit Fehlanreize zu erwarten sind. Im Rahmen dieses Beitrages steht jedoch die

Analyse praxisrelevanter Residualgewinnkonzepte als Bemessungsgrundlage für die Entlohnung im Vordergrund. Um weitere Aussagen bezüglich der Bemessungsgrundlage treffen zu können, werden die Bedingungen (6) und (7), die bei Existenz (mindestens) zweier unmittelbar vollständig erfolgswirksamer Cash Flow-Bestandteile x i und x i gelten, in (3) und (4) eingesetzt. Es folgt für alle übrigen Cash-Flow-Bestandteile: B + B x x = γ i P i (8) B und γ P x i + B x =. (9) i Zur Veranschaulichung dieser beiden Bedingungen werden nun zwei unterschiedliche Cash Flow-Bestandteile betrachtet, bei denen der Zeitpunkt des Cash Flow- Anfalls und jener der Erfolgswirksamkeit auseinanderfallen. Im ersten Fall fällt die Erfolgskomponente x j schon zum Zeitpunkt an, wird aber erst zum Zeitpunkt in der Bemessungsgrundlage erfolgswirksam. Es gilt also: B >. Auf- x j grund von (8) folgt: B = ; x j B x j = γ P, (2) d.h. für jede Cash Flow-Einheit x j zum Zeitpunkt muss sich die Bemessungsgrundlage zum Zeitpunkt um γ P Einheiten verändern. Stellt x j beispielsweise eine Anschaffungsauszahlung für eine Anlage dar, die zum Zeitpunkt aktiviert und zum Zeitpunkt vollständig abgeschrieben wird, dann müssen kalkulatorische Zinsen aufgrund der Zeitpräferenzrate r P des Prinzipals als Ausgleich verrechnet werden. Die Zeitpräferenzrate des Prinzipals ergibt sich dabei aufgrund seiner Zeitpräferenz wie folgt: r P = γ P. Im zweiten Fall wird hingegen davon ausgegangen, dass die Komponente x k zwar erst zum Zeitpunkt anfällt, aber (ausschließlich) schon zum Zeitpunkt erfolgswirksam wird. Es gilt also:. > ; =. Aufgrund von (9) gilt dann: B B x k x k B x k = γ, (2) P d.h. für jede Cash Flow-Einheit x k zum Zeitpunkt muss sich die Bemessungs- grundlage zum Zeitpunkt um γ P Einheiten verändern. Eine Antizipation von

zukünftigen Zahlungen muss demnach barwertneutral erfolgen. Verbirgt sich hinter der Komponente x ik beispielsweise der Verkauf eines Produktes auf Ziel, so darf letztendlich nur der Barwert der Zahlung zum Zeitpunkt des Verkaufs als Forderung in die Bemessungsgrundlage eingehen. Die beiden Bedingungen (8) und (9) können wie folgt formuliert werden: Bt γ t τ P x = t= τi a f (22) bzw. γ B dxτ γ τ i = P dxτi. (23) x t= P t t τi Bedingung (23) beinhaltet ein allgemeines Prinzip der Barwertidentität: Korollar 2: Enthält die Bemessungsgrundlage zu jedem Zeitpunkt unmittelbar vollständig erfolgswirksame Cash Flow-Bestandteile, so ist es für Anreizkompatibilität notwendig, dass alle Cash Flow-Variationen die Bemessungsgrundlage so verändern, dass der "Barwert" dieser Änderungen zur Zeitpräferenz des Prinzipals dem "Barwert" der Cash Flow-Variationen entspricht. Die Zeitpräferenz γ P des Prinzipals hat, wie erläutert, den Charakter eines sicheren Aufzinsungsfaktors. Sie ist grundsätzlich nicht exogen vorgegeben, sondern hängt von den Grenznutzenverhältnissen ab. Ist die Zeitpräferenz des Prinzipals nicht konstant, so sind der Erfolgsrechnung und damit der Beteiligung an Residualgewinnen enge Grenzen gesetzt. Notwendig und hinreichend für konstante Zeitpräferenz eines b Entscheiders ist, dass die Nutzenfunktion wie folgt dargestellt werden kann: U = U ηt x tg. 5 ) Der Entscheider orientiert sich dann mittels einer Nutzenfunktion U mit (nahezu) beliebiger Gestalt am Endwert bzw. Barwert des Einkommenstroms. Wie letztlich die Nutzenfunktion eines der Beteiligten bezüglich seines Einkommens aus der Delegationsbeziehung gestaltet ist, hängt vor allem auch von den Kapitalmarktbedingungen ab. Bei konstanter Zeitpräferenz γ P (bzw. Zeitpräferenzrate r P ) des Prinzipals folgt nach Integration aus (23) die folgende Bedingung: P t t γ B + g = γ x t= t= P t t t t b Pg t b Pg t (24) t= t= bzw. + r B + g = + r x mit g als Integrationskonstante.

2 Aus (24) wird unmittelbar ersichtlich: Korollar 3: Enthält die Bemessungsgrundlage zu jedem Zeitpunkt unmittelbar vollständig erfolgswirksame Cash Flow-Bestandteile und ist die Zeitpräferenzrate des Prinzipals konstant, so ist es für Anreizkompatibilität notwendig, dass alle Cash Flows in die Bemessungsgrundlage so eingehen, dass der Barwert der Bemessungsgrundlage zur Zeitpräferenzrate des Prinzipals mit dem Barwert der Cash Flows bis auf eine Konstante übereinstimmt. Die Bedingung (24) stellt sich als Spezialfall des allgemeinen Prinzips der Barwertidentität gemäß (23) dar. Sie ist jedoch noch relativ allgemeingültig, da zu ihrer Herleitung weder von gleichen Zeitpräferenzen, noch Sicherheit oder Risikoneutralität der Kooperationspartner ausgegangen wurde. Ferner wurden keine Annahmen bezüglich der Gestalt der Entlohnungsfunktion getroffen. Die Bedingung (24) dient nun der theoretischen Überprüfung praxisrelevanter Residualgewinnkonzepte. C. Überprüfung praktischer Residualgewinnkonzepte im Licht der theoretischen Anforderungen Gemäß Korollar 3 bzw. Bedingung (24) kann der Residualgewinn sich nur dann als anreizkompatible Bemessungsgrundlage für die Entlohnung eignen, wenn der Barwert der Residualgewinne RG t bis auf eine Konstante mit dem Barwert der Cash Flows x t übereinstimmt (notwendige Bedingung). Es muss also im Zwei-Zeitpunkt- Fall gelten: t t b+ rp g RGt + g = b+ rpg x t. (25) t= t= Hierbei muss als Kalkulationszinssatz die Zeitpräferenzrate des Prinzipals verwendet werden. Die Zeitpräferenzrate hat, wie erläutert wurde, den Charakter eines Zinssatzes für eine sichere Anlage. Der Residualgewinn ist als Periodengewinn nach (bzw. vor) Fremdkapitalzinsen abzüglich Zinsen auf das gebundene Eigenkapital (bzw. Gesamtkapital) der Vorperiode definiert. Werden Steuern aus der Analyse ausgeblendet, so ergibt sich der Residualgewinn bei ausschließlicher Eigenkapitalfinanzierung auf Basis des Equity- bzw. Entity-Ansatzes grundsätzlich wie folgt: 6 ) RGt = Gt kp EK t. (26)

3 Das gebundene Eigenkapital der Vorperiode wird dabei aufgrund von Buchwerten ermittelt. Zur Berechnung der Zinsen wird in der Praxis die geforderte Verzinsung der Eigenkapitalgeber in Form eines risikoangepassten Zinssatzes verwendet (k P = WACC = r EK ). Es ist hinlänglich bekannt, dass gemäß dem sogenannten Lücke-Theorem für jeden beliebigen Kalkulationszinssatz der Barwert der Residualgewinne dem Barwert der Cash Flows (bzw. Ausschüttungen) entspricht, sofern die Gewinnermittlung vor Berücksichtigung von Zinsen nach der Clean Surplus-Bedingung erfolgt: 7 ) Gt = EKt + xt EKt. (27) Der Gewinn ergibt sich hierbei stets aufgrund der Zunahme des Eigenkapitals vor der Ausschüttung des Cash Flows x t an die Eigenkapitalgeber. 8 ) Die Clean Surplus- Bedingung impliziert, dass die Summe der Gewinne gleich der Summe der Cash Flows über die gesamte Lebensdauer ist (Kongruenzprinzip): T T Gt = xt t= t= für EKT = EK =. (28) Demnach gilt also Summenidentität - und nicht Barwertidentität - bezüglich der Gewinne. Werden die Gewinne nach der Clean Surplus-Bedingung gemäß (27) ermittelt, so folgt dann aufgrund von (26) für die Residualgewinne: RGt = EK t + xt + kp EKt e j. (29) Der Barwert der Residualgewinne zum risikoangepassten Zinssatz k p beträgt: b g b g T t T P t t= t= P t t + k RG = + k x für EKT = EK =. (3) Hier besteht zwar Barwertidentität - dies aber nur zu dem risikoangepassten Zinssatz der Anteilseigner k P. Bedingung (25) fordert hingegen, dass eine anreizkompatible Erfolgsrechnung so gestaltet ist, dass Barwertidentität (bis auf eine Konstante) zum sicheren Zinssatz der Anteilseigner gilt. Die Verwendung des risikoangepassten Zinssatzes bei der Berechnung der Residualgewinne verstößt grundsätzlich gegen die Bedingung (25), sofern die Eigenkapitalbasis nicht konstant ist. Bedingung (25) fordert ferner eine vollständige (barwertneutrale) Erfassung aller Cash Flow-Komponenten. Praxisrelevante Residualgewinnkonzepte verstoßen gegen

4 diese Forderung. Zum einen werden manche Erfolgskomponenten nicht vollständig erfasst, wodurch gegen die Clean Surplus-Bedingung verstoßen wird. Zum anderen werden nicht alle verursachten Erfolgskomponenten zugerechnet. So werden von vornherein betriebsfremde Bestandteile wie börsengängige Wertpapiere herausgerechnet. Der Zweck wird darin gesehen, dass der Manager sich allein auf das operative Geschäft konzentrieren soll. Jedoch ist dann davon auszugehen, dass die betreffenden Erfolgskomponenten im Entscheidungskalkül vernachlässigt und damit Fehlanreize möglich werden. Eine unvollständige Erfassung von Erfolgskomponenten und eine Verletzung der Clean Surplus-Bedingung findet man beispielsweise bei der Herausrechnung von Gewinnen und Verlusten durch Verkauf/Stillegung einer Investition bzw. Anlage. Der beabsichtigte Zweck ist "... to immunize performance measurement against past errors" 9 ) Auch hierbei sind Fehlanreize zu erwarten. Die Forderung der vollständigen Erfassung aller Erfolgskomponenten ist relativ leicht nachvollziehbar und besteht schon längst in Theorie und Praxis. Die Forderung hinsichtlich der Verwendung eines sicheren Zinssatzes anstelle eines risikoangepassten Zinssatzes hingegen verstößt gegen eine in Literatur und Praxis weit verbreitete Meinung. Risikoangepasste Zinssätze finden nicht nur bei der Berechnung von Residualgewinnen, sondern insbesondere auch bei der Investitionsplanung und der Unternehmensbewertung aufgrund der Discounted Cash Flow-Methode eine breite Verwendung. Man mag die Verwendung eines sicheren Zinssatzes ablehnen und argumentieren, dass von einer Shareholder-Orientierung im Marktzusammenhang auszugehen ist, und dass der risikoangepasste Zinssatz die geforderte Verzinsung der Anteilseigner und damit den zu verwendenden Opportunitätskostensatz der Finanzierung widerspiegelt. Denn risikoangepasste Zinssätze werden grundsätzlich in einem theoretischen Rahmen ermittelt, und zwar vor dem Hintergrund des CAPM. Bei der Shareholder-Orientierung im Marktzusammenhang wird ferner von Marktwertmaximierung und nicht explizit von Nutzenmaximierung als Zielsetzung ausgegangen. Desweiteren wird im Rahmen des Konzeptes der Anreizkompatibilität von einem theoretisch unbegrenzten Aktionsraum des Agenten ausgegangen. Hingegen erfolgt die praktische und theoretische Rechtfertigung der Verwendung eines risikoangepassten Zinssatzes häufig in Situationen, in denen der Agent Investitionen ausschließlich in einer gegebenen Risikoklasse durchführen kann. Im folgenden wird jedoch gezeigt, dass die Verwendung eines sicheren Zinssatzes bei der Bestimmung von Residualgewinnen als Basis für die Managemententlohnung auch dann notwendig ist, wenn von einer Shareholder-Orientierung im Marktzusammenhang des CAPM bei gegebener Risikoklasse explizit ausgegangen wird. Hierbei soll auch die grundsätzliche Problematik aufgezeigt werden, wenn statt des sicheren Zinssatzes ein risikoangepasster Zinssatz verwendet wird.

5 D. Die Problematik der Verwendung risikoangepasster Zinssätze vor dem Hintergrund des CAPM Zur Verdeutlichung der Problematik der Verwendung eines risikoangepassten Zinssatzes wird die folgende einfache modellhafte Entscheidungssituation betrachtet: Ausgangspunkt ist eine einperiodige CAPM-Welt. 2 ) Dabei wird das CAPM als "Hybrid-Modell" konkretisiert, welches sich durch die Kombination exponentieller Nutzenfunktionen und normalverteilter Rückflüsse kennzeichnen lässt. 2 ) Hierdurch wird eine einfache Orientierung an Sicherheitsäquivalenten ermöglicht. Auf dem Kapitalmarkt werden neben sicheren Anlagen zum Zinssatz r risikobehaftete Aktien gehandelt. Der Cash Flow (Rückfluss) aller Aktien des Unternehmens n zum Zeitpunkt wird mit x n bezeichnet. Der Cash Flow x n ist normalverteilt mit dem Er- 2 wartungswert E( x n ) µ n und der Varianz σ n. Die Cash Flows sind miteinander korreliert, mit σ nm als Kovarianz zwischen den Cash Flows der Unternehmen n und m. Im Marktgleichgewicht hält ein Anteilseigner P einen Anteil s P am Marktportefeuille M. Das Sicherheitsäquivalent SÄ P des Anteilseigners P bezogen auf den Zeitpunkt beträgt: 22 ) a f Lµ NM α SÄP GP r s M 2 = + + P M σ M (3) 2 O QP 2 mit σm N N = σ m= n= nm, µ M = µ n und αm. q Q αq Das Sicherheitsäquivalent des Anteilseigners P setzt sich gemäß (3) aus dem Endwert der risikofreien Anlage G P und seinem Anteil am "Marktsicherheitsäquivalent" αm 2 µ M σm zusammen. Hierbei ergibt sich der Marktrisikoaversionskoeffizient 2 α M aufgrund der Risikotoleranzen (bzw. Risikoaversionskoeffizienten) aller Marktteilnehmer. Bei bestehendem Marktgleichgewicht wird das Sicherheitsäquivalent (und damit der Erwartungsnutzen) jedes Anteilseigners maximiert, indem das Marktsicherheitsäquivalent maximiert wird. Somit kann das Sicherheitsäquivalent des Anlegers P als repräsentative Zielfunktion dienen - es existiert ein repräsentativer Investor. Um die finanziellen Interessen von Manager und Anteilseignern in Einklang zu bringen, erübrigt sich streng genommen die Gestaltung von Anreizsystemen. Man braucht lediglich dem Manager den Zugang zum Kapitalmarkt zu gewähren. Der Marktmechanismus sorgt dann für eine Angleichung der Interessen aller Beteiligten.

6 Eine darüber hinausgehende explizite Erfolgsbeteiligung wäre dann entweder irrelevant oder würde zu Fehlanreizen bezüglich der Investitionsentscheidungen führen. So wäre die Erfolgsbeteiligung irrelevant, wenn der Manager die Möglichkeit hätte, diese aufgrund von Gegengeschäften wieder abzustoßen. 23 ) Könnte der Manager die Erfolgsbeteiligung nicht wieder durch entsprechenden (Leer-)Verkauf von Anteilen abstoßen, käme es dann zu Fehlentscheidungen. Im Rahmen der weiteren Analyse wird davon ausgegangen, dass der Manager explizit oder implizit mit dem anreizkompatiblen Anteil s A am Marktportefeuille beteiligt wird: 24 ) s A αa α q Q q mita Q 25). (32) Im Rahmen des Shareholder Value-Ansatzes wird von Marktwertmaximierung, und nicht von Nutzenmaximierung ausgegangen. Der Manager soll dabei den Marktwert K n des Eigenkapitals des Unternehmens n maximieren. Der Marktwert K n ergibt sich als Kurswert aller Aktien des Unternehmens n zum Zeitpunkt und beträgt im Marktgleichgewicht des CAPM: K n µ α = mσ + r n M nm (33) Der Marktwert K M des Marktportefeuilles ist entsprechend: K M 2 M M M µ α σ = + r N mit K M = K n. (34) n= Ein Vergleich von Gleichung (3) mit (33) bzw. (34) zeigt, dass Nutzenmaximierung nicht ohne weiteres mit gesamt- oder mit individueller Marktwertmaximierung im Einklang steht: Während in (3) die "Marktrisikoprämie" α M 2 σm eingeht, ist bei 2 der Bestimmung von Marktpreisen in (33) bzw. (34) die Grenzrisikoprämie α M σ 2 M relevant. 26 ) Marktwertmaximierung steht näherungsweise mit Nutzenmaximierung im Einklang, wenn sowohl die Spanning-Bedingung als auch die Competitivity- Bedingung bezüglich eines neuen Investitionsprojektes erfüllt sind. 27 ) Gemäß der Spanning-Bedingung sind die Cash Flows eines Projektes aufgrund von Kapitalmarkttransaktionen duplizierbar. Gemäß der Competivitvity-Bedingung ist das Volumen eines Projektes im Vergleich zum aggregierten Markt vernachlässigbar klein. 28 ) Es wird nun davon ausgegangen, dass der Manager ein Investitionsprojekt I durchführen kann. Der Cash Flow des Investitionsprojektes zum Zeitpunkt bzw.

7 Zeitpunkt wird mit x I bzw. x I bezeichnet. Das Investitionsprojekt sei in der gleichen Risikoklasse wie das Unternehmen n, es gilt daher: xi = λi x n mit λ I >, (35) d.h. der Cash Flow des Investitionsprojektes I ist zum Zeitpunkt proportional zum Cash Flow des Unternehmens n. Folglich ist die Spanning-Bedingung erfüllt. Für den Erwartungswert bzw. für die Varianz der Cash Flows aus dem Investitionsprojekt gilt: 2 2 2 µ I = λ I µ n sowie σi = λi σn. (36) Wird das Projekt durchgeführt, ändern sich der Erwartungswert und die Varianz des Marktportefeuilles wie folgt: 2 2 2 µ λ µ und σ M = λ I σ n + 2λ I m σ nm. (37) µ M = I = I n Die Änderung des Sicherheitsäquivalents eines repräsentativen Investors P beträgt folglich: L NM α M 2 a f (38) SÄP = sp µ M σm xi + r 2 L NM e j a f O. QP α = s M 2 2 P λ I µ I λi σn + 2λI mσnm xi + r 2 O QP Ist der Umfang des Projektes I im Vergleich zum Umfang der Investitionen des Unternehmens n sehr gering, so ist λ I gleichfalls sehr gering. In diesem Fall ist die Competitivity-Bedingung erfüllt, und es kann davon ausgegangen werden, dass der 2 2 Ausdruck λi σn vernachlässigbar klein ist: L NM b g a fo QP a f α SÄ s M P P λ I µ n 2λI mσnm xi + r 2 = s λ µ α λ σ x + r P I n M I m nm I. (39) Die Maximierung von (39) und damit Nutzenmaximierung steht dann im Einklang mit individueller Marktwertmaximierung, wobei die folgende Bewertungsfunktion zugrunde gelegt wird: λ µ α mσ K I = λi K n xi = + r b g. (4) I n M nm x I

8 In Theorie und Praxis erfolgt die Bewertung von Investitionsprojekten häufig nicht mittels (Markt-) Sicherheitsäquivalenten, sondern unter Verwendung von risikoangepassten Zinssätzen, wobei diese aufgrund des CAPM bestimmt werden. Der für das Projekt I relevante risikoangepasste Zinssatz k n für die Risikoklasse n ergibt sich aufgrund von: K n µ = n + k n bzw. kn µ n n = K. (4) Bei Verwendung des Zinssatzes k n erhält man als Marktwert (bzw. Kapitalwert) des Projekts: K I µ = I + k n x I. (42) Diese Bewertungsgleichung ist mit einer Bewertung gemäß (4) kompatibel. Somit kann zur Bewertung von Investitionsprojekten im Einperiodenfall bei gegebener Risikoklasse die DCF-Methode verwendet werden. 29 ) Bei einer Orientierung an Residualgewinnen erfolgt die Berechnung kalkulatorischer Zinsen in der Praxis wie erläutert wurde aufgrund des risikoangepassten Zinssatzes für die relevante Risikoklasse. Der unsichere (Projekt-) Residualgewinn RG beträgt in diesem Fall: RG = x x k x = x + k x I I n I I n I b g. (43) In (43) wurde davon ausgegangen, dass die Projektanschaffungsauszahlung in t = aktiviert und anschließend in t = vollständig abgeschrieben wird. Der Erwartungswert der Residualgewinne beträgt entsprechend: E( RG) = µ I ( + kn ) x I. (44) Bei konsistenter Bewertung erhält man als Barwert der (erwarteten) Residualgewinne: BW E RG µ I b g = + kn + k + r n x I. (45) Es werden sichere Erfolgskomponenten mit r und die Erwartungswerte von unsicheren Erfolgskomponenten mit k n abgezinst. Der Barwert der Residualgewinne gemäß (45) ist kleiner als der Kapitalwert gemäß (42), wodurch eine Orientierung an Residualgewinnen zur Unterinvestition führen kann, sofern kn > r gilt. Werden kalkulatorische Zinsen mit k n berechnet, so macht man zunächst einen Fehler; dieser Fehler kann jedoch im Rahmen der Planung auf triviale Weise korri-

9 giert werden, indem auch sichere Cash Flows mit dem risikoangepassten Zinssatz k n abgezinst werden: µ I + kn µ x I I = xi = KI. (46) + k + k + k n n Wie aus (46) zu ersehen ist, gleichen sich die Verwendung eines "falschen" Zinssatzes im Zähler und Nenner aus. Werden Residualgewinne aufgrund der praxisrelevanten Konzepte jedoch als Bemessungsgrundlage für die Managemententlohnung verwendet, so kommt es nicht zu einem solchen Ausgleich. Wird der Manager, wie hier, linear mit dem anreizkompatiblen Prämiensatz s A am Residualgewinn beteiligt, so bewertet er den Barwert seiner erwarteten Prämie als Sicherheitsäquivalent SÄ A zwingend wie folgt: a f = F HG SÄA E P sa µ I + kn n + kn x I + r I KJ. (47) Hierbei kann es zwangsläufig zur Unterinvestition kommen, sofern die Anschaffungsauszahlung (bzw. Eigenkapitalbasis) nicht gegeben ist. Ist die Anschaffungsauszahlung allerdings gegeben, erübrigt sich aus Anreizgründen die Berechnung kalkulatorischer Zinsen auf das investierte Kapital. Darüber hinaus wird in der praxisorientierten Literatur des öfteren behauptet, dass ein Residualgewinn RG > bedeute, es würde mehr als die Kapitalkosten verdient. Hierbei wird wiederum die grundsätzliche Eignung des Konzeptes zur Steuerung suggeriert. Es ist jedoch zu beachten, dass der Residualgewinn RG gerade nicht sicher ist. Man kann höchstens sagen: Es wird mehr als die "Kapitalkosten" verdient, wenn der erwartete Residualgewinn größer als null ist, d.h.: E( RG) = µ I ( + kn ) xi >. (48) Dies entspricht der Vorteilhaftigkeitsbedingung für ein Projekt im Rahmen der Investitionsplanung. Wird der risikoaverse Manager jedoch am unsicheren Residualgewinn beteiligt, orientiert er sich nicht am Erwartungswert, sondern am Sicherheitsäquivalent, wobei gilt: SÄ ( RG ) < E( RG ). (49) Bei einer Beteiligung an Residualgewinnen wird der Manager folglich Investitionsprojekte nicht durchführen, die gerade die Kapitalkosten erwirtschaften. Er wird sich

2 nur an (48) orientieren, wenn ihm Kapitalkosten mit dem sicheren Zinssatz r berechnet werden. In der Praxis zeigt sich die Ermittlung von adäquaten risikoangepassten Zinssätzen als ein schwieriges Problem. Wie jedoch gezeigt wurde, benötigt man grundsätzlich gar keine risikoangepassten Zinssätze für Steuerungszwecke; gerade die explizite Verwendung eines solchen Zinssatzes führt zwangsläufig zu Fehlanreizen. Es ist hingegen stets der sichere Zinssatz zu verwenden, dessen Bestimmung in der Regel relativ unproblematisch ist. Es muss aber beachtet werden, dass aus Sicht von Anteilseignern und Managern auch diesbezüglich Unterschiede bestehen können. So wurde allgemein gezeigt, dass stets der sichere Zinssatz der Anteilseigner zu verwenden ist. Die Verwendung des sicheren Zinssatzes der Anteilseigner (des Prinzipals) ist jedoch nicht ausreichend für die anreizkompatible Beteiligung an Residualgewinnen. Es ist ferner, wie gezeigt wurde, notwendig, dass alle Cash Flow-Komponenten vollständig und barwertneutral erfasst werden, um Anreizkompatibilität zu gewährleisten. Diese Forderung kann auf einfache Weise erfüllt werden, indem alle Cash Flows bei der Berechnung des Gewinns aufgrund des Kongruenzprinzips vollständig erfasst werden und Barwertneutralität über die Belastung mit kalkulatorischen Zinsen gemäß dem Lücke-Theorem hergestellt wird. Hierbei ist die Verwendung des sicheren Zinssatzes intuitiv einleuchtend, wenn man sich vor Augen führt, dass die Berechnung von Gewinnen eine sichere Transformation der Cash Flows darstellt, wie sie in die Aktivierung einer Anschaffungsauszahlung und bei der späteren Berechnung von Abschreibungen zum Ausdruck kommt. Die Verrechnung von kalkulatorischen Zinsen dient nur dazu, den Unterschied in dem zeitlichen Auseinanderfallen zwischen dem Zeitpunkt einer Auszahlung und dem Zeitpunkt der entsprechenden Erfolgswirksamkeit auszugleichen. Die Berücksichtigung eines falschen Zinssatzes bei der Bestimmung von Residualgewinnen beruht auf einem grundsätzlichen Fehler bei der Gestaltung "anreizkompatibler" Anreizsysteme in Theorie und Praxis. Der Manager wird an einer Größe (linear) beteiligt, die aus Sicht der Anteilseigner mit ihrer Zielsetzung (Maximierung des Marktwertes des Eigenkapitals) im Einklang steht. Von grundlegender Bedeutung ist aber auch die Bewertung aus Sicht des Managers. 3 ) Diese wird vielfach vernachlässigt. Das Anreizsystem muss so gestaltet werden, dass die Bewertung eines Projektes aus Sicht des Managers mit der Bewertung aus Sicht der Anteilseigner konform ist. Hierbei kommt man i.d.r. nicht umhin, die (subjektive) Bewertung des Managers explizit zu betrachten. Dabei muss beachtet werden, dass die Bewertung des Managers grundsätzlich nicht exogen vorgegeben ist, sondern gerade von der Art und der Stärke der Beteiligung abhängt. So wird mitunter in der Literatur davon ausgegangen, dass der Manager einen höheren risikoanpassten Zinssatz als die Anteils-

2 eigner verwendet, weil er stärker am Erfolg beteiligt wird als die Anteilseigner, die stark diversifizierte Portefeuilles halten. Unter dieser Prämisse werden dann "anreizkompatible" periodenspezifische steigende Prämiensätze ermittelt. 3 ) Es kann gezeigt werden, dass für diesen Fall streng genommen gar keine anreizkompatiblen Prämiensätze existieren können. Bei dem hier betrachteten Sonderfall einer gegebenen Risikoklasse müßte der Prämiensatz für den Zeitpunkt in Abhängigkeit von λ I und somit des erst zu steuernden Investitionsvolumens festgesetzt werden. Die Gestaltung einer anreizkompatiblen Entlohnung für das Management kann sich zunächst als ein sehr komplexes Problem erweisen. Die Analyse hat aber gezeigt, dass es einfache grundlegende Prinzipien gibt, die beachtet werden müssen, sofern Manager tatsächlich einen finanziellen Anreiz haben sollen, im Sinne der Anteilseigner zu entscheiden. Somit werden Freiheitsgrade und, damit einhergehend, die Komplexität reduziert. E. Schlussbetrachtung Soll ein Manager einen finanziellen Anreiz haben, stets im Sinne eines repräsentativen Anteilseigners zu entscheiden, so müssen Entlohnungsfunktionen und Bemessungsgrundlagen anreizkompatibel gestaltet sein. In einem allgemeinen dynamischen Rahmen wurde als notwendige und hinreichende Bedingung für Anreizkompatibilität gezeigt, dass der Nutzen des Prinzipals für jeden beliebigen Strom der Brutto-Cash Flows eine linear steigende Funktion des Nutzens des Agenten ist. Auf der Grundlage dieser Bedingung konnte gezeigt werden, dass zeitliches Auseinanderfallen zwischen Cash Flows und deren Erfolgswirksamkeit in der Bemessungsgrundlage in Form einer Verzinsung berücksichtigt werden muss. Maßgeblich ist hierbei die (endogene) Zeitpräferenz des Prinzipals. Für den praxisrelevanten Fall, dass zu jedem Zeitpunkt Cash Flow-Bestandteile existieren, die unmittelbar und vollständig in die Bemessungsgrundlage eingehen, konkretisiert sich dieses Ergebnis zu einem allgemeinen Prinzip der Barwertidentität. Hierbei müssen alle Cash Flow-Variationen die Bemessungsgrundlage so verändern, dass der "Barwert" dieser Änderungen zur endogenen Zeitpräferenz des Prinzipals dem Barwert der Cash Flow-Variationen entspricht. Nur im Fall einer für jeden Zeitpunkt konstanten Zeitpräferenz kann eine Beteiligung an Residualgewinnen überhaupt praktikabel sein. Das allgemeine Prinzip der Barwertidentität lässt sich dann, bezogen auf Residualgewinne, wie folgt formulieren: Der Barwert der Residualgewinne zum sicheren Zinssatz des Prinzipals muss bis auf eine Konstante mit dem Barwert der Cash Flows übereinstimmen. Die Überprüfung praxisgängiger Residualgewinnkonzepte hat gezeigt, dass grundsätzlich gegen das allgemeine Prinzip der Barwertidentität verstoßen wird.

22 Zum einen werden Cash Flow-Komponenten nicht vollständig erfasst, und zum anderen werden nicht alle verursachten Komponenten zugerechnet. Besonders problematisch ist die Berechnung von kalkulatorischen Zinsen auf der Grundlage eines risikoangepassten anstelle des sicheren Zinssatzes. Die Problematik der Verwendung eines risikoangepassten Zinssatzes wurde vertiefend im Rahmen des CAPM analysiert. So wurde deutlich, dass risikoangepasste Zinssätze lediglich im Rahmen der wertorientierten Planung, und nicht im Rahmen der Steuerung eingesetzt werden können. Werden Residualgewinne als Basis für eine anreizkompatible Managemententlohnung eingesetzt, so ist es notwendig, Kapitalkosten stets auf der Grundlage des sicheren Zinssatzes der Anteilseigner zu ermitteln, um Fehlanreize zu verhindern.

23 Anhang Beweis der notwendigen und hinreichenden Bedingung der Anreizkompatibilität gemäß Proposition : U x s, x s = a V s, s + b x, x. Lemma : Das Entscheidungsverhalten bezüglich eines riskanten Projektes, das ausschließlich die Cash Flows zum Zeitpunkt t betrifft, ist dann und nur dann stets gleich, wenn für den Zeitpunkt t gilt: U x s, x s = at V s, s + bt x t. Beweis von Lemma : Sei bei Konstanthaltung von x, d.h. x = x, U eine beliebige Funktion von V in x : U x s, x s = Fc V s, s h. Werden beide Seiten der Gleichung nach x abgeleitet, erhält man: U x s, x s x c h. = V s, s F V s, s x Nach erneutem Ableiten folgt: 2 = 2 F I + HG KJ 2 U V V 2 F V F V x x x 2 b g b g. Nach Division folgt unter Beachtung der Definition für den Risikoaversionskoeffizienten bezüglich der Ergebnisse $α : 2 2 U V x 2 F bv g = V + x 2 U F bv g x V x x b b g g F bzw. $ V V αp( x) = α$ A( x) F V x + Das Entscheidungsverhalten bezüglich eines riskanten Projektes zum Zeitpunkt kann dann und nur dann stets gleich sein, wenn α$ P( x) = α$ A( x ) gilt. Damit folgt: F cv s, s h =, und U muss eine lineare Funktion von V in x sein: U x s, x s = a V s, s + b x. Entsprechend gilt bei Konstanthaltung von x, d.h. x = x : U x s, x s = a V s, s + b x. Lemma 2: Das Entscheidungsverhalten bezüglich eines sicheren Projektes, das die Cash Flows zu beiden Zeitpunkten betrifft, ist dann und nur dann stets gleich, wenn die linearen Transformationen zu jedem Zeitpunkt übereinstimmen: U x s, x s = a V s, s + b t.

24 Beweis von Lemma 2: Wird die Bedingung gemäß Lemma für den Zeitpunkt (bzw. ) nach x (bzw. x ) abgeleitet, so folgt: U x s, x s = a V s, s x x bzw. U x s, x s = a V s, s x x Werden beide Bedingungen dividiert, so erhält man unter Beachtung der Definition für die Zeitpräferenz bezüglich der Ergebnisse $γ : U x s, x s x U x s, x s x V s, s a = x a V s, s x b g b g a bzw. γ $ P x, x = γ $ A x, x. a Das Entscheidungsverhalten bezüglich eines sicheren Projektes kann dann und nur dann stets gleich sein, wenn γ $ P( x, x) = γ $ A( x, x) gilt, und damit: a = a = a. a Wird a = a in Bedingung gemäß Lemma eingesetzt, folgt bei Betrachtung der Stelle x x = ; x = x und damit s = s ; s = s : U x s, x s = a V s, s + b und U x s, x s = a V s, s + b.. Werden beide Gleichungen subtrahiert, folgt: = b b b = b. Lemma 3: Dass die Nutzenwerte bis auf eine zeitpunktunabhängige lineare Transformationen übereinstimmen, ist hinreichend für gleiches Entscheidungsverhalten bezüglich eines beliebigen Projektes. U x s, x s = a V s, s + b x, x Beweis von Lemma 3: Es gilt stets: E U = a E V + b Damit folgt Proposition. b g b g.. q.e.d.

25 Anmerkungen * Dieser Aufsatz wurde auf der 64. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft 22 in München präsentiert, einige Resultate zuvor auf der EURO Conference 2 in Rotterdam. Ich danke Frau Dr. Angela Velthuis, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Laux, Herrn Dr. Robert Gillenkirch sowie Herrn Dipl.-Kfm. Matthias Schabel (KPMG) für wertvolle Anregungen und Kommentare. ) Vgl. Stern, 993b, S. 35 sowie Stern, 994, S. 43. 2) Für einen Überblick über solche Studien siehe Biddle/Bowen/Wallace, 999; Ittner/Larcker, 2; Barth/Beaver/Landsman, 2 sowie kritisch Holthausen/Watts, 2. 3) Vgl. Reichelstein, 997, S. 57-67. Reichelstein versteht unter Zielkongruenz (Goal Congruence), dass der Manager einen Anreiz hat, genau nur Projekte mit einem positiven erwarteten Brutto-Kapitalwert durchzuführen, vgl. Reichelstein, 997), S. 57. 4) Vgl. Gjesdal, 98. 5 ) Stern fordert eine "...win-win situation, which means shareholders must win in order for managers to win." Stern, 993a, S. 3. Das Prinzip der Anreizkompatibilität kann auch treffend als Win-Win-Kriterium bezeichnet werden 6 ) Das auf Mirrlees, 974, 976, und Holmström, 977, 979, zurückgehende Grundmodell der Agency-Theorie hat eine Entscheidungssituation zum Gegenstand, in der auch nicht monetäre Nutzenkomponenten aufgrund der Anstrengung des Agenten explizit berücksichtigt werden. Der Aktionsraum ist im Gegensatz zum Konzept der Anreizkompatibität wohl definiert und beschränkt. Der Prinzipal kennt sowohl die Nutzenfunktion des Agenten als auch den Erfolgs-Aktivitäts-Zusammenhang. Aufgrund des stark spezifizierten Modellrahmens können optimale Teilungsregeln ermittelt werden, die einen Trade-off zwischen Motivation und Risikoteilung ermöglichen. (Zur Gestaltung optimaler Anreizverträge im Grundmodell der Agency-Theorie vgl. Gillenkirch, 997). Das Grundmodell eignet sich nur bedingt als Ausgangspunkt für die Gestaltung der Managemententlohnung. Die Lösung zeigt sich als nicht robust (bezüglich der a priori bekannten Alternativenmenge ), so dass ein hohes Informationserfordernis hinsichtlich des Aktionsraums des Managers besteht. 7) Wilson und Ross analysieren insbesondere die Gestalt und Eigenschaften anreizkompatibler Teilungsregeln, wobei sie der Frage nachgehen, unter welchen Voraussetzungen die Bedingung der Anreizkompatibilität mit der Bedingung der paretoeffizienten Risikoteilung im Einklang steht. Notwendige Bedingung hierfür ist die Linearität der Teilungsregel. Vgl. insbesondere Ross, 974. 8) Pratt/Zeckhauser zeigen darüber hinaus die Problematik einer nicht-linearen anreizkompatiblen Teilungsregel auf.