Wald-Wild-Management Praxisbeispiel aus der Waldregion 4

Ähnliche Dokumente
Wald-Wild-Management im Kanton St.Gallen

Informationen zur Waldverjüngung im 2015

Wald & Wild. Die Waldverjüngung im Kanton Zürich 2017

Zehn Jahre nach Lothar eine Bilanz über die Wald-Wild-Strategie

WEP Goldingertal 1. Arbeitsgruppen-Sitzung 28. Februar 2017

Strategie Wald-Wild-Lebensraum Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe vom

Ein liberales Jagdgesetz

Messen und Bewerten der Wald-Verjüngung. OÖ. Abschussplanverordnung

Wald-Wild: Zusammenarbeit LANAT KAWA

Thema Jagdplanung. Rehwild. Weiterbildung Jagdleiter 1

Wald Wild - Konflikt. Reh hat kein Problem. Wald hat kein Problem

Die neue Regelung ist für Luchs und Wolf von grosser Bedeutung. Sie macht aus dem ersten Grundsatz einem natürlichen Prozess einen «Schaden».

Strategie Wald-Wild-Lebensraum Grundlagen

Der Förster, der Jäger und das Wild:

Wald & Wild und der Faktor Mensch

Wildeinfluss im Burgenländischen Wald Ergebnisse eines langjährigen Monitorings

Öffentlichkeitsarbeit

Schalen- Wildverbiss. und seine Folgen

Mariazeller Erklärung - ein Prozess zur Lösung des Wald-Wild-Problems?

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Einführung Ökologie. Kanton St. Gallen Volkswirtschaftsdepartement Amt für Natur, Jagd und Fischerei. Samstag, 10. Juni 2017 / OAK Lebensraum / Salez

Unser Wald braucht die Jagd!

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Welche Bedeutung hat die Jagd für die naturnahe Waldbewirtschaftung? Christian Ammer

Wald & Wild. Ansichten und Anliegen der Waldeigentümer

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung in Bayern

GAJ: FAK Repetitorium Theo Dietschi Ueli Strauss 29. April 2013

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Der Revier- und Waldbegang

Wildökologische Raumordnung und naturnahe Waldentwicklung

Verbissmonitoring in NRW Verbissgutachten nach 22 LJG November 2016

Zusammenarbeit und Netzwerke der Waldregionen. Beispiel eines Leistungsauftrages für r eine Waldregion

Vorbemerkungen zum Thema 1. Der Wildeinfluss auf die Vegetation und der Wildschaden sollten maßgebliche

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Wildtiermanagement und Waldbau im Bergwald des Revieres Laubau

Welche Bedeutung hat die Jagd für die naturnahe Waldbewirtschaftung? Christian Ammer

Schutzwaldbewirtschaftung unter betrieblichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen. Bundesschutzwaldplattform Mariazell Dr.

Kanton St.Gallen Waldregion Werdenberg-Rheintal Informationsanlass Waldrat 22. November 2017

8Jahre Rehwildbejagung ohne behördlichen Abschussplan

Schutzwald in Tirol im Spannungsfeld aller Landnutzer

Stellschrauben im Forst & Jagd Dialog

Wald & Wild Gegenseitiges Verständnis fördern

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Protokoll. der Hauptversammlung

Mensch - Wald - Wild Der Jäger als Partner

Die Verantwortung der Kantone

Bewerbung um den Alpinen Schutzwaldpreis Helvetia Tannenverjüngung am Forstbetrieb Berchtesgaden ein großes Erfolgsprojekt

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Verbissgutachten Einfluss des Schalenwildes auf die Verjüngung der Wälder

Workshop Rotwildjagd im Kanton Nidwalden

Ergebnisse der Jagden 2015 Hirsch, Reh, Steinbock

3. Wald-Wild-Forum Gemeinsame Verantwortung von Jägern und Waldbesitzern für zukunftsfähigen Wald: Was kann das Jagdrecht hierzu beitragen?

Öffentlichkeitsarbeit

SCHWEIZER JÄGER 09 18

Der Arbeitsprozess. Abschlussveranstaltung, 2. November 2017, Naumburg

Tiere im Wald. Hauptsponsor. Text und Design

Titelmasterformat durch Klicken bearbeiten

Herausforderungen in der Jagd und im Wildtiermanagement

Begrüssung GAJ. zur Vorbereitung auf die Jägerprüfung/Jägerinnenprüfung. Peter Vonow. Jagen in der Schweiz Auf dem Weg zur Jagdprüfung

Der Waldbegang. Die Diskussionsplattform für Jagdgenossen und Jäger. Waldbesitzer und Jäger bewerten gemeinsam die Verjüngungssituation im Revier

WEISSTANNE DIE NEUE CHEFIN IM WALD

Betretungsrecht und Nutzungskonflikte im Lebensraum von Pflanzen und Tieren

Die jagdliche Strategie der Bayerischen Staatsforsten

Amt für Wald, Jagd und Fischerei. Leitlinie zur naturnahen Waldbewirtschaftung im Kanton Solothurn

Lage / Standort (Abb.2 8)

Waldbauernverband Nordrhein-Westfalen e.v.

Wildschweinjagd im Kanton Thurgau

Was kosten nicht angepasste Wildbestände?

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

2. Seminar der Arbeitsgruppe 2 Verbergungskünstler Schalenwild BFW-FAST ORT 21. April 2017

WILDEINFLUSSMONITORING

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Der Wald-Wild-Konflikt. Welches Jagdrecht braucht der Wald?

Vorschriften notwendiges Übel oder machen wir das Beste daraus?

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Gegengutachten Initiative zur Abschaffung der Sonderjagd

18. Wahlperiode Drucksache 18/1716

Forstorganisation im Kanton Solothurn

Jungwaldentwicklung als Eingangsgrösse in die Jagdplanung: Erfahrungen aus dem Kanton Graubünden

Das Projekt "Ökonomie und Ökologie im Schutzwald" Der Schutzwald

Totalrevision Kantonales Jagdgesetz. Medienkonferenz vom 16. August 2017

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

4 > Methoden zur Erhebung und Beurteilung des Wildeinflusses auf die Waldverjüngung

Einfluss der neuen Jagdzeitenregelung auf die Erlegungszahlen

Zuviel Wild im Wald? - Wie können Waldeigentümer in einer Jagdgenossenschaft konkret Einfluss auf die Wildbestandsregulierung nehmen?

Plenterwaldstudie im Bezirk Bregenz

DEPARTEMENT BAU, VERKEHR UND UMWELT. 19. November Kantonaler Massnahmenplan Rotwild. 1. Einleitung

Jagd-Wahlprüfsteine zur Bayerischen Landtagswahl

Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2015 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

UMSETZUNG DES NATURNAHEN WALDBAUS IM KANTON AARGAU. HALTUNG DES KANTONALEN FORSTDIENSTES

Grundlagen der Forstwirtschaft

Naturnahe Waldbewirtschaftung im Einklang mit der Jagd. Wald und Wild Eine gemeinsame Herausforderung Jagdbezirk Scheibbs BJM Dr. Ferdinand Schuster

Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2018 gemäß Artikel 32 Absatz 1 des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG)

Transkript:

Musteramt Waldregion 4 See Wald-Wild-Management Praxisbeispiel aus der Waldregion 4 Wald-Wild-Seminar des Schweizerischen Forstvereins vom 24. August 2017 Rolf Ehrbar Regionalförster, Bitziweidstrasse 5, 8739 Rieden rolf.ehrbar@sg.ch, www.waldregion4.sg.ch Volkswirtschaftsdepartement Musterdepartement

INHALT 1. Ausgangslage in den 1990er Jahren 2. Massnahmen anfangs der 1990er Jahre und deren Erfolg 3. Neue Strategie Forst - Jagd: Grundlagen Dialog Massnahmen 4. Positive Wirkung auf die Zusammenarbeit 5. Jagdliche Massnahmen und deren Auswirkung auf die Waldverjüngung 6. Massnahmen im Lebensraum (Jagd + Forst) 7. Forstliche Massnahmen und deren Wirkung auf die Waldverjüngung 8. Allgemeine Folgerungen Seite 2

1. Ausgangslage in den 1990er Jahren Jahresbericht 1991 Regionalforstamt 4 (erstmals vom Referenten): In vielen Gebieten ist der Wildbestand waldbaulich nicht tragbar. Zu zwei der wichtigsten Schutzwaldgebiete der Waldregion 4: - Schänis: Verjüngungsschläge sind kaum mehr zu verantworten. - Amden: Die Lösung des Wildproblemes ist sehr dringend. Anlass für die Auseinandersetzung mit der Waldverjüngung und dem Wildverbiss: Intensivierung der Schutzwaldpflege, verbunden mit Waldauflichtungen Schutzwald Amden, 1989 Seite 3

2. Massnahmen anfangs der 1990er Jahre und deren Erfolg Gemeinsame Situationsbeurteilung - zahlreiche Begehungen in Wäldern mit starkem Wildverbiss mit Jagd-Forst-Waldbesitzern-Gemeinden und anderen Betroffenen - Situationsbeurteilung gutachtlich und an Hand von Kontrollzäunen - grosser Ressourceneinsatz Massnahmen - Verfügung erhöhter Abschusszahlen durch ANJF - Regelungen Klettern, Hängegleiter/Gleitschirme usw. Wirkung - Uneinigkeit über die Situation, Ursachen und Massnahmen - Beharren auf Positionen kein echter Dialog - fehlende Akzeptanz und Motivation mangelhafter Vollzug kein Erfolg in der Kommunikation und bei den Aktionen Seite 4

3. Neue Strategie Forst - Jagd: Grundlagen - Dialog - Massnahmen Objektive, von allen Partnern akzeptierte Erfassung der Verjüngung und des Wildverbisses (Grundlagen) 1995 zweistufige Beurteilung der Verjüngungssituation in der ganzen WR4 eingeführt (Pilotprojekt Kanton SG): - flächendeckende gutachtliche Ansprache - Verjüngungskontrolle mit Stichproben auf Indikatorflächen Indikator: Verbissintensität, Grenzwerte nach Eiberle/Nigg - wo nötig Kontrollzäune Kommunikation: Information und Dialog - Ziel: Gegenseitiges Verständnis, Konsens, Motivation, Handlung - Inhalt: Ziele, Soll-Ist-Vergleich Indikatorwerte, Kausalzusammenhänge, wirksame Massnahmen und Erfolgskontrolle vereinbarte Massnahmen umsetzen und Erfolg gemeinsam beurteilen Seite 5

Partner in der Kommunikation Strategie: regional, nicht revierweise und nicht kantonsweit Partner in der Kommunikation: - Obmänner Jagdgesellschaften regional - Jäger revierweise und regional - Revierförster revierweise und regional - Waldeigentümer (Ortsgemeinden) lokal und regional - politische Gemeinden (inkl. Tourismus) - Kanton: Amtsleiter ANJF, Wildhüter, Regionalförster z.b. gemeinsame Aufnahme der Verbissintensität im Feld Seite 6

4. Positive Wirkung auf die Zusammenarbeit Akzeptanz der Grundlagen, Dialog, Umsetzung Massnahmen Jahresbericht Regionalforstamt 4 1995 Unsere Untersuchungen (gutachtliche Verbissansprache und Verjüngungskontrolle) waren bei der Abschussplanung die wichtigste Grundlage und wurden vollumfänglich berücksichtigt. ( ) Jahresbericht Regionalforstamt 4 1996 Sowohl die gutachtliche flächendeckende Ansprache als auch die Stichprobenerhebungen werden akzeptiert, und erfreulicherweise wünschen auch die Jäger und die kantonale Jagdverwaltung, dass diese Aufnahmen weitergeführt werden. Es fand dadurch eine Objektivierung der Diskussion statt, und das Verhältnis zwischen Forst und Jagd ist heute grossmehrheitlich gut. Seite 7

Aus meinem Erfahrungsbericht 1996 über die neue Methode zur Beurteilung des Wildeinflusses auf die Waldverjüngung: Auch seitens direkt kontaktierter Jagdgesellschaften erhielt ich ausnahmslos ein positives Echo. Die Gesprächskultur hat sich dank dieser objektiven Grundlagen sehr zum Guten gewendet. Seite 8

5. Jagdliche Massnahmen und deren Auswirkung auf die Waldverjüngung Reh Periode mit stark erhöhten Abschüssen Jagdrevier mit riesigen Sturmflächen (v.a. 1999, 2003) Jagdrevier Quelle: Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen ANJF, 2016 Seite 9

Beispiel Jagdrevier Rieden: Abgang beim Schalenwild und Entwicklung der Verbissintensität bei der Weisstanne Jagdrevier Rieden 70 Erhebungskriterien Verjüngungskontrolle: 10 cm Baumhöhe 130 cm bzw. 4 cm BHD falls H>130 cm 60 50 40 30 20 10 Luchs 0 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Rehabschuss Rehabgang Hirschabschuss Verbissintensität Ta Quellen: Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen ANJF, 19. November 2015 und Kantonsforstamt St. Gallen KFA, 14. Juni 2014 10

Fazit zu den jagdlichen Massnahmen Die Regulation des Wildbestandes mittels regional stark erhöhter Abschusszahlen während einer befristeten Periode wirkte sich auf die Waldverjüngung sehr positiv aus. Weisstannenverjüngung im Breitmooswald Rieden 2015: Waldsimsen-Tannen-Buchenwald, Übergang zum Typischen Heidelbeer-Tannen-Fichtenwald, Sandstein-Molasse, 1130 m.ü.m. Seite 11

6. Massnahmen im Lebensraum (Jagd + Forst) - Biotopverbesserungen (forstliche Massnahmen) - Freihalteflächen, Verbissgehölze - Störungsmanagement (WEP, Wildruhezonen) - jagdliche Einrichtungen (Hochsitze, Bejagungsschneisen) - Konkurrenz Nutztiere - Schalenwild (Schafbergprojekt Amden): Foto R. Ehrbar Seite 12 Fotos R. Gilgen

7. Forstliche Massnahmen und deren Wirkung auf die Waldverjüngung am Beispiel der Weisstannenverjüngung im Schafbergprojekt Amden Untersuchungsgebiet Seite 13

Waldauflichtung und Stammzahlen Daten: EISENRING 2014, EHRBAR 2016 Detailangaben beim Referenten Seite 14

Waldauflichtung und Höhenwachstum lineare Regressionsfunktion mit 95%-Vertrauensintervall Das Steigungsmass b ist hoch signifikant von Null verschieden (P<<0.01). R 2 = 0.32 N = 46 Stichprobenradius 5 m, jeweils 5 grösste natürlich verjüngte Bäumchen, ohne Verbiss Datenquelle: HUBER B. und WIJNKOOP P., 2016: Zuwachserhebungen bei Weisstannenverjüngung im Schafbergperimeter Amden. Studie im Auftrag Regionalforstamt 4, unveröffentlicht. Seite 15

Fazit über die Wirkung der Lichtungs-Holzschläge Die Auflichtung des Waldes - vermehrt die Stammzahl und - begünstigt das Höhenwachstum der jungen Weisstannen signifikant waldbauliche Massnahmen sind effektiv und deshalb zwingend Seite 16

8. Allgemeine Folgerungen Erfolgsfaktoren der Strategie in der WR4 - objektive, akzeptierte Zustandserfassung Basis für Kommunikation - Kommunikation: Anliegen ernst nehmen, gemeinsame Ziele, Dialog statt Positionen, positive Feedbacks Basis für Motivation - Ziele und Massnahmen: integral, quantifiziert, mit Erfolgskontrolle Grundsatz für Handlung - Jäger und Förster sind gleichermassen in der Verantwortung, die Ziele können nur gemeinsam erreicht werden Seite 17

Danke für Ihre Ihr Aufmerksamkeit! Interesse! Seite 18