Sauerstoff und ROS. ROS und Altern

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Transkript:

Molekularer Sauerstoff (O 2 ) ist eine chemisch sehr reaktive und aggressive Substanz. Das erste Auftreten freien Sauerstoffs durch photosynthetische Bakterien dürfte eine der größten ökologischen Katastrophen gewesen sein. Auch wenn wir uns seither durch Schutz-, Entgiftungs- und Reparaturmechanismen an den Sauerstoff gewöhnt haben, fügt er unseren Zellen nach wie vor beträchtlichen Schaden zu und ist vermutlich eine Hauptursache des zellulären Alterns. ROS und Altern Beim Schimmelpilz Podospora anserina läßt sich die Lebensdauer von 2 Wochen auf über 15 Jahre steigern, indem eine Mutation die Atmungskette blockiert (Mutation der Kupfer-Aufnahme, dadurch kein aktiver Komplex IV, Cytochromoxidase) und so die ROS-Belastung drastisch senkt. Diese Pilze produzieren dann eine alternative Oxidase (AOX) mit schlechterer ATP-Ausbeute, aber geringerer ROS- Produktion. 1

Andererseits ermöglichte der chemisch so reaktive Sauerstoff besonders effiziente Methoden der Energiegewinnung. Viele Organismen - uns eingeschlossen - haben sich völlig auf die Sauerstoffatmung eingestellt und können ohne O 2 nicht leben. Tatsächlich ist Sauerstoff die Substanz, von deren ständiger Zufuhr wir am meisten abhängig sind - schon 3 Minuten ohne Luftversorgung können tödlich sein. Neben dem molekularen Sauerstoff (O 2 ) tritt Sauerstoff auch in noch reaktiveren und damit toxischeren Formen auf. Diese bezeichnet man kollektiv als reaktive Sauerstoff (O)- Spezies, kurz ROS. Solche ROS entstehen oft in der Zelle als Nebenprodukt von Oxidationsreaktionen. Meist sind es Zwischenstufen zwischen dem maximal oxidierten O 2 und dem maximal reduzierten O 2- (H 2 O). 2

Werden auf ein O 2 4 Elektronen übertragen, entsteht nur harmloses Wasser. Das wird z.b. von der Cytochromoxidase katalysiert: O 2 + 4 e - + 4 H + > 2 H 2 O Bei einigen Flavin-haltigen Enzymen wie Glucoseoxidase, Aminosäureoxidase, Xanthinoxidase werden nur 2 Elektronen übertragen. Es entsteht das Peroxidion O 2 2-, daraus Wasserstoffperoxid: O 2 + 2 e - + 2 H + > H 2 O 2 Entgiftet wird diese reaktive Substanz durch Katalase, ein Häm-Enzym, das den Sauerstoff disproportioniert: 2 H 2 O 2 > 2 H 2 O + O 2 Peroxidasen entgiften Wasserstoffperoxid, indem sie damit andere Verbindungen oxidieren, z.b. (durch die Glutathion- Peroxidase) Glutathion (γ-glu-cys-gly, oft als GSH abgekürzt, wobei -SH die Thiolgruppe des Cysteins ist): H 2 O 2 + 2 GSH > 2 H 2 O + GSSG 3

Noch reaktiver als Wasserstoffperoxid ist das Superoxidanion, das z.b. als Nebenreaktion von der Xanthinoxidase, Aldehydoxidase oder NADPH-Oxidase und in der Atmungskette gebildet wird (der Punkt stellt das einzelne Elektron dar, Superoxid ist ein Radikal): O 2 + 1 e - > O 2 Superoxid wird von der Superoxiddismutase entgiftet, die es in das harmlosere Wasserstoffperoxid umwandelt, das von Katalase oder Peroxidase endgültig unschädlich gemacht werden kann: 2 O 2 + 2 H + > O 2 + H 2 O 2 Fast alle aeroben Bakterien besitzen Superoxiddismutase. 4

Supeeroxid kann (Haber-Weiss-Reaktion) mit Wasserstoffperoxid weiterreagieren, dann entsteht das besonders reaktive Hydroxylradikal, das z.b. ungesättigte Fettsäuren in Membranen oxidiert oder DNA oxidativ mutiert. O 2 + H 2 O 2 + H + > 1 O 2 + H 2 O +. OH Auch der entstehende Sauerstoff 1 O 2 ist hier eine gefähliche ROS, es ist der hochreaktive Singulett-Sauerstoff. Auch aus H 2 O 2 entsteht das Hydroxylradikal in Gegenwart von Eisen-Ionen in der Fenton-Reaktion: H 2 O 2 + Fe 2+ >. OH + OH - + Fe 3+ Die in der biologische-medizinischen Literatur oft genannte Fenton-katalysierte Haber-Weiss-Reaktion soll es nach neueren Erkenntnissen (Koppenol, 2000) nicht geben. (Dabei sollen die Fenton-Reaktion H 2 O 2 + Fe 2+ >. OH + OH - + Fe 3+ und eine Reduktion des (dadurch katalytischen) Eisens O 2 + Fe 3+ > O 2 + Fe 2+ eine durch die Katalyse stark beschleunigte Haber-Weiss- Reaktion geben: O 2 + H 2 O 2 > O 2 + H 2 O + OH - +. OH) 5

Oft laufen die vom Hydroxylradikal gestarteten Oxidationen als Radikalkettenreaktionen ab, d.h., ein Startradikal führt zur Oxidation vieler ungesättigter Fettsäuren: Initiation: OH. + R-H > H 2 O + R. R. + O 2 > ROO. ROO. + R-H > ROOH + R. Die Lipidperoxylradikale (R-O-O. ) gehören auch zu den ROS. Das Hydroxylradikal und seine Folgeprodukte werden durch Reaktion mit Radikalfängern, wie dem Glutathion oder Harnsäure (das zu Allantoin oxidiert wird, wichtigster Schutzmechanismus im Blutplasma), abgebaut. Wegen der hohen Reaktivität ist dazu kein Enzym nötig. 6

Anmerkung zum Sauerstoff: auch der normale Sauerstoff O 2 ist ein (Bi-)Radikal. Seine Formel ist also nicht sondern eher Biradikale sind aber weniger reaktiv als Einzelradikale. Die nichtradikalische Form ( Singulett-Sauerstoff, 1 O 2 ) entsteht aus diesem Biradikal (das Triplett-Sauerstoff heißt) durch Energiezufuhr, z.b. durch belichtete Pigmente des Photosynthesesystems (Photoaktivierung), bei der Haber-Weiss-Reaktion und bei spontaner Disproportionierung (die Dismutase erzeugt harmlosen Triplett-Sauerstoff) von Superoxid (2 O 2 + 2 H + > 1 O 2 + H 2 O 2 ). Erstaunlicherweise ist dieser nichtradikalische Singulett- Sauerstoff hoch-reaktiv (vergleichbar mit dem Superoxid- Anion), also ein ROS. 7

Sauerstoff als Biradikal Nach der Molekülorbitaltheorie spalten sich die gemeinsamen Orbitale im O 2 so auf, dass die beiden energiereichsten Bindungselektronen sich auf zwei energetisch gleichwertige (übrigens antibindende ) Orbitale verteilen (das tun sie wegen der Hund sche Regel). Damit ist O 2 ein Biradikal. Allerdings reagiert es nur mit aktivierten Partnern und Radikalen leicht (Pauli-Prinzip), ist also weniger reaktiv als ein Monoradikal. Die Bindung zwischen den beiden Sauerstoff ist aber eine Doppelbindung (8 Elektronen in bindenden Orbitalen - 4 Elektronen in antibindenden Orbitalen)/2 = 2 Das läßt sich mit den klassischen Formeln nicht beides darstellen. Molekülorbital des O 2 8

Sauerstoff als Biradikal Im Superoxid-Anion ist ein weiteres Elektron in einem der antibindenden Orbitale, im Peroxid sind beide doppelt besetzt - der Bindungscharakter zwischen den Sauerstoffatomen ist entsprechend eine 1,5fach bzw. eine Einfachbindung. Der normale, biradikalische Sauerstoff heißt Triplett- Sauerstoff, weil er in der Spektrokopiemethode ESR (Elektronenspin-Resonanz-Spektroskopie) ein Signal- Triplett gibt, Singulett-Sauerstoff dagegen nur einen Signalpeak. Verschiedene ROS Je kürzer die Lebensdauer T, desto reaktiver das ROS: am reaktivsten ist also das Hydroxylradikal, es folgen Singulett- Sauerstoff und Superoxidanion. 9

Adaptation an ROS Ähnlich wie bei Hitze (42 C induziert Hitzeschockproteine, erlaubt Überleben bei >50 C) können sich Bakterien auch an ROS adaptieren. Nach 1 h Behandlung mit 60 µm H 2 O 2 vertragen E. coli-zellen bis 10 mm H 2 O 2. Dabei wird u.a. die Expression von Katalase, Peroxidasen, Superoxiddismutase, Glutathionreduktase und Alkyl- Hydroperoxidreduktase induziert. Adaptation an ROS durch das OxyR-System 10