Katalog-Verrichtungen bestimmen Hilfebedarf

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Transkript:

Welcher Hilfebedarf berücksichtigt wird Katalog-Verrichtungen bestimmen Hilfebedarf Hilfebedarf in vier Lebensbereichen zählt Bei der Beurteilung von Pflegebedürftigkeit dreht sich alles um»die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens«. Welche Verrichtungen dies sind, bestimmt das Gesetz in einem abschließenden Katalog für die vier Lebensbereiche Körper pflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung. Die Katalog-Verrichtungen orientieren sich allein am Tagesablauf eines Gesunden. Sie schließen all die Verrichtungen ein, die quasi bei jedem Menschen vom Aufstehen bis zum Zubettgehen üblicherweise und gewöhnlich anfallen und die ein Leben (im Sinne eines Weiterlebens) erst ermög lichen. Jeder Ausweitung dieser Katalog-Verrichtungen hat das Bundessozialgericht eine eindeutige Absage erteilt (siehe Seite 58). Auch die Pflegereform 2008 hat den Begriff der Pflegedürftigkeit nicht erweitert, sodass andere als die Katalog-Verrichtungen bei der Beurteilung weiterhin unberücksichtigt bleiben. Regelmäßigkeit ist Voraussetzung Regelmäßige Hilfeleistung mindestens einmal pro Woche Nur regelmäßiger Hilfebedarf bei den Katalog-Verrichtungen wird bei der Anerkennung von Pflegebedürftigkeit berücksichtigt. Bedingung für die Regelmäßigkeit einer einzelnen Hilfeleistung ist, dass sie mindestens einmal pro Woche anfällt. Ist das Intervall bei einzelnen Hilfeleistungen länger (etwa bei der Monatshygiene), gilt diese Hilfe als unregel mäßig und bleibt bei der Pflegeversicherung außen vor. Um den täglichen Hilfebedarf zu erhalten, werden alle Hilfe leistungen pro Woche addiert, anschließend wird hieraus der zeitliche Tagesdurchschnitt errechnet. 26

Die Katalog-Verrichtungen im Einzelnen Außerdem ist es notwendig, dass wenigstens einmal pro Tag bei zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen tatsächlich Hilfe geleistet wird. Wird Hilfe definitiv nur an jedem zweiten Tag erforderlich, wird keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung anerkannt. Beispiel Ein 45-jähriger Mann leidet an einer dialysepflichtigen Nierenschwäche. Alle zwei Tage muss er sich einer Blut wäsche unterziehen, die rund fünf Stunden dauert. Während dieser Zeit ist die Selbstversorgungsfähigkeit und die Mobilität des Patienten völlig aufgehoben. 2 Die Pflegekasse verneint die Pflegebedürftigkeit (und kann sich hierbei auf die Rechtsprechung berufen), da die Hilfe nur an jedem zweiten Tag geleistet wird. Das Bundessozialgericht versagte sogar jemandem den Sta tus»pflege bedürftig«, der an keinem Tag in der Woche beschwerdefrei war und an mehr als der Hälfte aller Tage Pflegehilfe benötigte. Begründet wurde dies damit, die Krankheit trete nur in Schüben (etwa drei- bis viermal pro Woche) auf. Deshalb sei die Pflege nicht an jedem Tag, sondern nur an den Tagen der akuten Krankheitsschübe notwendig. Also falle kein regelmäßiger Hilfebedarf an. Täglicher Hilfebedarf Voraussetzung Die Katalog-Verrichtungen im Einzelnen Bereich Körperpflege Als Verrichtungen nennt das Gesetz: Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung. 27

Welcher Hilfebedarf berücksichtigt wird Auch Hilfe bei Hautpflege zählt Waschen Gemeint ist das Waschen des ganzen oder auch von Teilbereichen des Körpers (vornehmlich am Wasch becken beziehungsweise im Bett mit einer Waschschüssel). Vor- und Nachbereitung sowie das Abtrocknen zählen eben falls hierzu. Auch das Haarewaschen einschließlich der Haartrocknung gehört zu dieser Verrichtung; ein- bis zweimal wöchentlich ist je nach den Umständen des Einzelfalles nach heutigem Hygienestandard als üblich und erforderlich anzusehen und deshalb bei der Bemessung des Pflegebedarfs anzusetzen. Zu berücksichtigen ist auch die notwendige Hilfe bei der Hautpflege (wie Pflege der Kopfhaut sowie Einreiben und Pudern der Haut als Folge der Körperwäsche). Duschen und Baden Nicht nur die Ganzkörperwäsche, sondern auch die notwendigen Hilfen bei der Vor- und Nachbereitung sowie beim Abtrocknen fallen unter diese Verrichtung. Tatsächlich notwendiger Zeit bedarf Hilfe beim Baden umfasst die notwendige Unterstützung, wenn der Pflegebedürftige wegen einer Hauterkrankung täglich ein Pflegebad nehmen muss. Auch das anschließende Einfetten der Haut gehört in diesem Fall zur Verrichtung»Duschen/Baden«. Ist wegen des Hautleidens häufiger ein Bad notwendig und dauert dies unter Umständen länger als bei einem Gesunden, so ist der tatsächlich notwendige Hilfebedarf zu berücksichtigen. Denn es kommt auf die individuelle Situation an. Der krankheitsbedingte Mehrbedarf zählt mit. Sind in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Waschen, Duschen oder Baden krankenpflegerische Maßnahmen (Behandlungspflege) notwendig, sogenannte verrichtungsbezogene krankheits- 28

Die Katalog-Verrichtungen im Einzelnen spezifische Pflegemaßnahmen, ist der Zeitaufwand hierfür beim Pflegebedarf als Erschwernisfaktor zu berücksichtigen (Einzelheiten siehe Seiten 65 ff.). Zahnpflege Hierzu gehören auch Vor- und Nachbereitungshand lungen (zum Beispiel Zahnpasta auf die Bürste geben und Aufschrauben von Zahnpastatuben/Mundwasserflaschen), die Reinigung von Zahnersatz und die Mundpflege. 2 Kämmen/Bürsten Diese Verrichtung umfasst die Hilfe beim Kämmen und Bürsten der Haare entsprechend der individuellen Frisur. Das Legen von Frisuren (zum Beispiel Dauerwellen) und Haareschneiden sind nicht zu berücksichtigen. Trägt der Pflegebedürftige ein Toupet oder eine Perücke, ist das Kämmen oder Aufsetzen dieses Haarteils Hilfebedarf, der anzuerkennen ist. Rasieren Gemeint ist sowohl Trocken- als auch Nassrasur. Damit zusammenhängende Haut- und Gesichtspflege wird ebenfalls berücksichtigt, gege be nenfalls auch eine notwendige Gesichtsrasur bei einer Frau (Damenbart). Das Reinigen des Rasierapparates ist eine nachbereitende Handlung, die berücksichtigt wird. Schönheitskosmetik gehört nicht zur Gesichtspflege. Haut- und Gesichts pflege ist zu berücksichtigen Darm- und Blasenentleerung Hier kann die Pflegehilfe im Einzelfall sehr vielfältig sein. So gehören die Kontrolle des Harn- und Stuhlgangs, die Reinigung und Versorgung von künstlich geschaffenen Ausgängen, das Richten der Kleidung vor und nach dem Gang zur Toilette, die Intimhygiene wie das Säubern nach dem Wasserlassen und dem Stuhlgang, aber auch das 29

Welcher Hilfebedarf berücksichtigt wird Das bedeutet: Für die verschiedenen Tätigkeiten des täglichen Lebens (mit Ausnahme für das Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie die hauswirtschaftliche Versorgung) wurde eine Zeitspanne abgesteckt, innerhalb der die jeweilige Hilfeleistung von einer Laienpflegekraft durchschnittlich ausgeführt werden kann, wenn die Verrichtung von ihr vollständig übernommen wird. Erschwernisfaktoren bringen Zuschlag Diese Zeitvorgaben haben für die Gutachter indessen nur eine Leitfunktion. Sie entbinden sie bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit grundsätzlich nicht davon, den individuellen, objektiv notwendigen Zeitbedarf zu ermitteln. Sollen jedoch von den Vorgaben abweichende Zeitwerte angesetzt werden, muss der Gutachter diese nachvollziehbar begründen. Genannt werden in den Vorgaben bereits allgemeine Erschwernisfaktoren, die zur Anerkennung eines höheren Pflegezeitaufwandes führen können, aber auch allgemeine erleichternde Faktoren, die den Ansatz eines geringeren Zeitaufwandes rechtfertigen. Einzelheiten hierzu können im Ratgeber»Pflegegutachten«(siehe Seite 335) nachgelesen werden. Pflegehilfen für Kinder Als Grundsatz gilt: Bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird nicht danach unterschieden, ob es sich um ein Kind oder um eine erwachsene Person handelt. So können auch Kinder, selbst Kleinkinder (bis zu drei Jahren) pflegebedürftig sein. Vergleichsmaßstab sind gleichaltrige gesunde Kinder. Dabei wird nach dem Pflegeversicherungsgesetz 48

Pflegehilfen für Kinder nur der Hilfebedarf anerkannt, der über den natürlichen, altersbedingten Pflegeaufwand hinausgeht. So werden bei kranken oder behinderten Kindern nur die zusätzlichen Hilfen berücksichtigt, die sich beispielsweise als Langzeitfolge einer angeborenen Erkrankung oder Behinderung, einer intensiv-medizinischen Behandlung oder einer Operation im Bereich der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität ergeben. Ein solcher Hilfebedarf wäre beispielsweise gegeben, wenn ein Kind häufiger als üblich Mahlzeiten benötigt oder zusätzliche Körperpflege notwendig ist. Allerdings: Da Säuglinge (bis zum ersten Lebensjahr) und Kleinkinder (bis zum vollendeten dritten Lebensjahr) im Allgemeinen einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung bedürfen, wird es die Ausnahme sein, wenn trotz Krankheit oder Behinderung Pflegebedürftig keit anerkannt wird. Altersbedingter Pflegebedarf zählt nicht 2 Beispiel 1 Ein 14-jähriges Mädchen leidet an einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ I) und muss deshalb eine genau berechnete Diät einhalten. Blut- und Urinzucker sind zu messen und Spritzen zu setzen. Darüber hinaus muss ein Blutzucker-Tagebuch geführt werden. Einkaufen, Berechnen, Zusammenstellen und Abwiegen der Nahrung müssen nach dem individuellen Diätplan ausgerichtet sein. Ein Mehrbedarf gegenüber gleichaltrigen Kindern ergibt sich in diesem Fall nur bei den Verrichtungen»Einkaufen«und»Kochen«aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die krankenpflegerischen Maßnahmen (Blutund Urinzuckermessungen, Spritzen setzen, Führen eines Blutzucker-Tagebuchs) sind keine Pflegehilfen im Sinne der Pflegeversicherung (siehe auch Seite 66). 49

Welcher Hilfebedarf berücksichtigt wird Beispiel 2 Ein zehnjähriges Mädchen leidet an Mukoviszidose. Beim Atmen und beim Reinigen der Lunge, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und bei der Beaufsichtigung der Nahrungsaufnahme benötigt es Hilfe stellungen beim Bereiten von Zwischenmahlzeiten und dem Zubereiten besonderer Nahrung aus dem Bereich der hauswirtschaft lichen Versorgung. Hilfebedarf besteht aus dem Bereich der Körperpflege bei der Verrichtung»Blasen-/Darmentleerung«(Kontrolle des bereits entleerten Stuhls auf seine Konsistenz und des Darmausgangs zur Feststellung eines eventuell bestehenden Darmvorfalls). Darüber hinaus benötigt das noch nicht einsichtsfähige Kind weitere Hilfen im Bereich Ernährung, weil es angeleitet und beaufsichtigt werden muss, die krankheitsbedingt notwendigen Mahlzeiten auch einzunehmen. Die Hilfen zum Atmen und zur Rei nigung der Lunge könnten nur dann als Hilfebedarf gewertet werden, wenn sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Katalog-Verrichtung (hier bei spiels weise beim Aufstehen) notwendig sind und aus medizinischen Gründen nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können (siehe hierzu auch die Hinweise zum Hilfebedarf bei krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen, Seite 64 ff.). Hilfebedarf aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ist anzuerkennen für das Zubereiten der krankheitsbedingt zusätzlich erforderlichen Nahrung sowie für zusätzlich erfor derliches Wechseln oder Waschen der Wäsche, weil das kranke Kind vermehrt Salz ausscheidet. Beispiel 3 Ein fünfjähriges Kind leidet seit der Geburt an erheblichen geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen. Es reißt regelmäßig die Windeln auf, wodurch 50

Pflegehilfen für Kinder es häufiger zu Verunreinigungen kommt. Dementsprechend muss das Kind öfter gewaschen und mit frischen Windeln versorgt (im Durchschnitt sieben bis acht Waschvorgänge) sowie an- und ausgezogen werden. Das Essen gestaltet sich wegen seines Abwehrverhaltens wesentlich zeitintensiver. Nachts richtet sich das Kind häufiger im Bett auf, weint und hält sich am Gittergestell fest. Mehrbedarf gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind besteht bei den Verrichtungen»Waschen«,»Blasen-/Darmentleerung«,»An- und Auskleiden«sowie»Zubettgehen«. 2 Gut zu wissen: Auch bei Kindern genügt es für die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung nicht, wenn ausschließlich ein Mehr bedarf im Bereich der hauswirtschaft lichen Versorgung ermittelt wird. Es ist auch nicht zulässig, einen relativ geringen Hilfebedarf aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität mit einem erhöhten Hilfe bedarf aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufzustocken, um so den notwendigen Zeitbedarf für eine Anerkennung zu erreichen. Damit Pflegebedürftigkeit über haupt anerkannt werden kann, muss ein zeitlicher Mindest-(Mehr)bedarf aus den grundpflegerischen Bereichen bestehen. Altersbedingter Hilfebedarf Beim Pflegebedarf kranker oder behinderter Kinder richten sich die Gutachter des Medizinischen Dienstes nach Anhaltswerten, die ihnen die Begutachtungsrichtlinien 51

Die Leistungen Frist verstreichen, stellt die Pflegekasse ab 1. September die Zahlung des Pflegegeldes ein. Am 15. September wird der Beratungseinsatz nachgeholt. Der Nachweis hierüber geht der Pflegekasse am 22. September zu. Die Pflegekasse zahlt das Pflegegeld wieder ab 15. September. Der nächste Nachweiszeitraum läuft dann wieder vom 1. Januar bis 30. Juni. Kombination von Sach- und Geldleistungen Sinnvoller Mix von Profi- und Laienpflege Für Pflegesachleistung und Pflegegeld gilt nicht der Grundsatz»entweder oder«, sondern diese beiden Leistungsarten können miteinander kombiniert werden. So ist beispielsweise die Pflegesachleistung sinnvoll für solche grundpflegerischen Hilfen, bei denen eine Laienpflegekraft eher überfordert ist. Diese Leistungen werden dem Profi überlassen, ergänzend dazu wird die Laienpflegekraft mit Aufgaben betraut, die sie bewältigen kann (beispielsweise Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung). Die Kombinationsleistung ist somit der klassische Fall der Arbeitsteilung die sinnvolle Ergänzung von gelernten und ehrenamtlichen Pflegekräften. Es liegt auf der Hand, dass in diesen Fällen nicht beide Budgets das für die Pflegesachleistung und das für das Pflegegeld in voller Höhe ausgeschöpft werden können. Es gilt vielmehr Folgendes: l Hat der Pflegebedürftige in einem Kalendermonat Pflegesachleistungen bis zum Höchstbetrag erhalten, zahlt die Pflegekasse für die Laienpflegekraft kein anteiliges Pflegegeld mehr. l Unterschreiten die Kosten für die Pflegesachleistung dagegen in einem Kalendermonat den Höchstbetrag, wird 162

Kombination von Sach- und Geldleistungen der verbrauchte Betrag zu diesem ins Verhältnis gesetzt. Für die Prozentpunkte, die bei der Pflegesachleistung an 100 % fehlen, wird anteiliges Pflegegeld gezahlt. Beispiele (vereinfachend auf volle Euro-Beträge gerundet; die Praxis rundet kaufmännisch auf zwei Stellen nach dem Komma): Pflegestufe Pflegesachleistung Pflegegeld I 80 % von 420 = 336 II rund 56 % von 980 = 549 III 70 % von 1.470 = 1.029 20 % von 215 = 43,00 44 % von 420 = 184,80 30 % von 675 = 202,50 Prozentuales Verhältnis vorher oder nachher festlegen Welches Verhältnis gelten soll, das bestimmt der Pflegebedürftige grundsätzlich selbst. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll diese Entscheidung im Voraus und dann für sechs Monate getroffen werden. Die Pflegekassen praktizieren indessen durchweg eine zwar verwaltungsaufwen digere, jedoch für die Betroffenen günstigere Regelung. Bestimmt der Pflegebedürftige das Verhältnis»Pflegesach leistung zu Pflegegeld«nicht im Voraus, wird der Sachleistungshöchstbetrag aber in einem Kalendermonat nicht ausgeschöpft, dann überweisen sie von sich aus das anteilige Pflegegeld auf das Konto des Pflegebedürftigen. Möglich ist das natürlich erst, wenn der Pflegekasse die Höhe der verbrauchten Pflegesachleistung bekannt ist. Sie muss also erst die Abrechnung des Pflegedienstes abwarten, bevor sie das Restpflegegeld überweisen kann. Festlegung im Nachhinein 6 163

Die Leistungen Prozentuale Aufteilung im Voraus Hat ein Pflegebedürftiger im Voraus die prozentuale Aufteilung bestimmt, kann das Verhältnis auch schon vor Ablauf der sechsmonatigen Bindung neu bestimmt werden, wenn: l sich die Pflegesituation verändert hat (beispielsweise der pflegende Angehörige durch Krankheit ausfällt), l nur noch die Pflegesachleistung oder nur noch das Pflegegeld in Anspruch genommen werden soll oder l der Pflegebedürftige nunmehr auch teilstationär gepflegt werden soll. Auch Härtefälle können kombinieren Gleiches Berechnungsverfahren Die Kombination von Pflegesachleistung und Pflegegeld ist auch für Pflegebedürftige zulässig, die als Härtefall anerkannt sind. Das prozentuale Verhältnis der verbrauchten Pflegesachleistung errechnet sich dann von dem Budget für Härtefälle (1.918 monatlich). Nicht machbar ist es, nur den Mehrbetrag (448 ), der anerkannten Härtefällen gegenüber Pflegebedürftigen der Pflegestufe III (Höchstbetrag 1.470 ) zusteht, für Profikräfte zu verwenden, um daneben das Pflegegeld in voller Höhe beziehen zu können. Auch in diesem Fall wird beispielsweise so gerechnet: Beispiel Verbrauchter Betrag für die Pflegesachleistung: 480, das sind rund 25 % von 1.918 Pflegegeld steht deshalb nur noch in Höhe von 75 % zu, das sind 675 x 0,75 = 506,25 164

Kombination von Sach- und Geldleistungen Kombi-Leistung und stationäre Behandlung Wird ein Pflegebedürftiger, der das prozentuale Verhältnis von Pflegesachleistung und Pflegegeld im Voraus bestimmt hat, vorübergehend im Krankenhaus stationär behandelt oder nimmt er an einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil, dann wird der festgelegte Betrag des anteiligen Pflegegeldes auch in diesem Fall für vier Wochen fortgezahlt (siehe Seite 148 ff.). Lag dagegen keine prozentuale Aufteilung vor, rechnen die Pflege kassen so: l Für den Kalendermonat, in dem die Krankenhaus - behandlung beginnt oder endet, wird für die Tage der häuslichen Pflege ein fiktiver Sachleistungshöchstbetrag berechnet (obwohl die Pflegesachleistung auch für Teilmonate bis zum Höchstbetrag beansprucht werden kann). l Zu dem fiktiv errechneten Betrag wird die tatsächlich verbrauchte Sachleistung ins Verhältnis gesetzt. l Der an 100 % fehlende Prozentsatz ist die Quote für das Pflegegeld. Berechnung ohne Aufteilung im Voraus Beispiel l Pflegestufe II ohne vorherige Bestimmung des Prozentsatzes l Vollstationäre Krankenhausbehandlung vom 7. Juni bis 13. Juli l Pflegesachleistung im Juni 183, im Juli 497 6 Berechnung für Juni: l Fiktive Höchstgrenze Pflegesachleistung vom 1. bis 6. Juni (980 : 30 x 7) = 228,67 l Tatsächliche Pflegesachleistung 183, das sind rund 80 % von 228,67 l Pflegegeld in Höhe von 20 % von 420 = 84 165

Die Leistungen Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung Schlafzimmer Ausstattungselemente mögliche Veränderungen Bettzugang Bodenbelag Lichtschalter/ Steckdosen t Umbaumaßnahmen zur Schaffung eines freien Zugangs zum Bett t Verwendung von rutschhemmendem Bodenbelag t Installation von Lichtschaltern und Steckdosen, die vom Bett aus zu erreichen sind Küche Ausstattungselemente Armaturen Bodenbelag Kücheneinrichtung mögliche Veränderungen t Installation von Armaturen mit verlängertem Hebel oder Schlaufe, Schlauchbrause t Installation von Warmwassergeräten, wenn kein fließendes warmes Wasser vorhanden ist und aufgrund der Pflegebedürftigkeit Warmwasserquellen im Haus nicht erreicht oder das warme Wasser nicht wie bisher aufbereitet werden kann t Verwendung von rutschhemmendem Belag t Veränderung der Höhe von zum Beispiel Herd, Kühlschrank, Arbeitsplatte, Spüle als Sitzarbeitsplätze, Schaffung einer mit dem Rollstuhl unterfahrbaren Kücheneinrichtung, Absenkung von Küchenoberschränken (gegebenenfalls maschinelle Absenkvorrichtung) t Schaffung von herausfahrbaren Unterschränken (gegebenenfalls durch Einhängekörbe) 252

Wohnumfeldverbesserung Leistungskatalog Welche Maßnahmen die Pflegekassen im Einzelnen bezuschussen können, das ist um ein einheitliches Verfahren verbindlich für alle Pflegekassen festzulegen in einem spe ziellen Leistungskatalog geregelt. Unterschieden wird zwischen: l Maßnahmen, die mit wesentlichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden sind (zum Beispiel Verbreitern der Türen, Installieren von Rampen und Treppenliftern, Le gen von Wasseranschlüssen, Einbau individueller Lift systeme im Bad) und l dem Ein- und Umbau von Mobiliar, das individuell für die spezielle Pflegesituation hergestellt oder umgestaltet wird (zum Beispiel motorisch betriebene Absenkung von Küchenhängeschränken, Austausch der Badewanne durch eine Dusche). Die Anschaffung behinderungsgerechter Wohnungseinrichtungsgegenstände fällt aber nicht da runter. Diese sind auch dann nicht von der Pflegekasse zu finanzieren, wenn der Versicherte sie, wäre er gesund, vermutlich nicht angeschafft hätte. Zulässig ist auch, den Umzug von einer Wohnung in eine andere zu bezuschussen, wenn hierdurch die Pflegesituation günstig beeinflusst werden kann (beispielsweise der Umzug aus einer Obergeschosswohnung in eine Parterrewohnung). In diesem Fall beteiligt sich die Pflegekasse an den Umzugskosten, gegebenenfalls auch noch an Umbaumaßnahmen in der neuen Wohnung. Verbesserung der Pflegesituation 6 Im Einzelnen sieht der Leistungskatalog der Spitzenverbände der Pflegekassen die auf den Folgeseiten dargestellten Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung vor. 253