Veränderung der Gletscher und ihrer Abflüsse 1900-2100 Fallstudien Gornergletscher und Mattmark

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Veränderung der Gletscher und ihrer Abflüsse 19-2 Fallstudien Gornergletscher und Mattmark Fachbericht Im Auftrag von Kanton Wallis, Dienststelle für Energie und Wasserkraft DEWK, Sion Forces Motrices Valaisannes FMV SA, Sion Zürich, Mai 211

Zusammenfassung Der Gletscherrückzug in den Alpen, der seit dem Ende der kleinen Eiszeit im Gange ist und sich seit den 8er Jahren verstärkt hat, ist ein deutliches Anzeichen für die voranschreitende Klimaerwärmung. Aufgrund des erwarteten Temperaturanstiegs, welcher durch verschiedene Klimastudien belegt wird, ist in Zukunft mit einem noch ausgeprägteren Gletscherschwund zu rechnen. Als Folge davon wird das Abflussregime in hochalpinen Räumen spürbaren Änderungen unterworfen sein. Das Ziel dieser Studie war es, den Einfluss der Klimaerwärmung auf die Gletscher beziehungsweise auf die Abflussverhältnisse bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu untersuchen. Dabei wurde ein kombiniertes glazio-hydrologisches Modell angewendet, welches die Wasserbilanz in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung berechnet und die Gletscheroberfläche in jährlichen Zeitschritten aktualisiert. Um die Gletscherveränderungen in Zukunft modellieren zu können, muss das Eisvolumen sowie die räumliche Eisvolumenverteilung bekannt sein. Das Modell wurde mittels Eisvolumenänderungen in der Vergangenheit, Massenbilanz- sowie Abflussmessungen in einem iterativen Verfahren kalibriert. Für die klimatische Entwicklung, wurden die neusten Klimaszenarien des Instituts für Atmosphäre und Klima (IAC) der ETH Zürich verwendet. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden die Gletscher einen starken Rückgang erfahren. Aufgrund der Modellrechnungen ist zu erwarten, dass im Jahr 2 die meisten der untersuchten Einzugsgebiete praktisch eisfrei sein werden. Ausgenommen sind einzelne Eisreste in sehr hohen Lagen. Als eine Folge dieses Rückzuges werden die mittleren Jahresabflüsse in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts weiter ansteigen. In einer darauffolgenden Periode werden die Abflussmengen jedoch zum Teil stark zurückgehen und unter das heutige Niveau fallen. Das Ausmass des Abflussrückgangs hängt stark vom jeweiligen Gebiet ab, insbesondere von dessen Vergletscherung. Des Weiteren kommt es zu einer Veränderung des Abflussregimes. Aufgrund des Übergangs von einem Eisschmelze- zu einem Schneeschmelze-dominierten Abflussregime werden in Zukunft Abflussspitzen bereits Ende Juni und Anfangs Juli erreicht, rund ein Monat früher als heute.

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung und Auftrag...................... 1 1.2 Aufbau des Berichtes........................... 2 2 Untersuchungsgebiete 3 2.1 Einzugsgebiet Gorner........................... 3 2.2 Einzugsgebiet Mattmark......................... 5 3 Gletscherentwicklungs- und Abflussmodell GERM 7 3.1 Akkumulation............................... 8 3.2 Ablation.................................. 8 3.3 Gletscherentwicklung........................... 9 3.4 Evapotranspiration............................ 1 3.5 Abflussbildung.............................. 1 4 Datengrundlagen 13 4.1 Geländemodelle.............................. 14 4.2 Eisvolumenänderungen.......................... 14 4.3 Massenbilanzmessungen......................... 15 4.4 Abflussmessungen............................. 16 4.5 Eisdickenverteilung............................ 16 4.6 Meteorologische Daten.......................... 17 4.6.1 Meteorologische Zeitreihen für die Vergangenheit....... 18 4.6.2 Meteorologische Zeitreihen für die Zukunft........... 19 5 Resultate 22 5.1 Einzugsgebiet Gorner........................... 22 5.1.1 Gletscherentwicklung....................... 22 5.1.2 Abflussentwicklung........................ 25 I

5.2 Einzugsgebiet Mattmark......................... 27 5.2.1 Gletscherentwicklung....................... 27 5.2.2 Abflussentwicklung........................ 28 6 Schlussfolgerungen 33 6.1 Vergleich der beiden Untersuchungsgebiete............... 33 6.2 Unsicherheiten.............................. 34 6.3 Schlussbemerkung............................. 35 II

Kapitel 1 Einleitung Die Alpen gelten als Wasserschloss Europas. Diese Wasserresourcen werden in der Schweiz intensiv für die Energiegewinnung eingesetzt. Die Gletscher als Teil des Wasserkreislaufs kontrollieren die Abflussverhältnisse in alpinen Einzugsgebieten. Obwohl die Gletscher in den letzten Jahrzehnten durch verstärkte Schmelze viel Eis verloren haben, liegen in den Schweizer Alpen noch bedeutende Eismassen. Klimaprognosen bis Ende des Jahrhunderts zeigen einen weiteren Temperaturanstieg, welcher auch weitere, zum Teil markante Veränderungen der Gletscher erwarten lässt. 1.1 Problemstellung und Auftrag Um die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserkraftnutzung im Kanton Wallis zu untersuchen, haben die FMV SA und das Departement für Volkswirtschaft, Energie und Raumentwicklung (DVER) des Kantons Wallis mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL das gemeinsames Projekt Sektorielle Studie zum Einfluss der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung im Kanton Wallis lanciert. Dieses Forschungsprojekt ist eine regionale Ergänzung zu einer vom Bundesamt für Energie und der Swisselectric finanzierten Studie zum Thema Klimaänderung und Wasserkraftnutzung in der gesamten Schweiz. Im Rahmen von Modul B Auswirkungen der Klimaänderung auf die Walliser Gletscher der sektoriellen Studie hat die WSL die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hy- 1

drologie und Glaziologie (VAW) der ETH Zürich beauftragt Fallstudien für einzelne vergletscherte Einzugsgebiete im Kanton Wallis zu erarbeiten. In Absprache mit den beteiligten Forschungsgruppen in den verschiedenen Modulen wurden die beiden Einzugsgebiete Gorner und Mattmark ausgewählt. Für die beiden stark vergletscherten Einzugsgebiete sollen die Veränderung des Gletschervolumens, sowie die zu erwartenden mittleren Jahresabflüsse und die Veränderung im Abflussregime bis 2 berechnet werden. Dabei kommen die durch Huss et al. (28b) entwickelte Methodik, sowie die im Rahmen des CCHydro Projektes vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) vom IAC der ETH Zürich erarbeiteten Klimaszenarien zur Anwendung. Die beiden Einzugsgebiete ergänzen die analogen Untersuchungen von der VAW im Rahmen der des Projektes CCHydro in sieben über den gesamten Schweizer Alpenraum und alle Hauptstromgebiete verteilten Einzugsgebiete. Vier dieser weiteren Gebiete (Aletsch, Findelen, Gries und Rhone) liegen im Kanton Wallis. 1.2 Aufbau des Berichtes Der vorliegende Bericht ist in sechs Kapitel gegliedert. Nach der Einleitung werden die zwei untersuchten Einzugsgebiete hinsichtlich Morphologie und heutigem Klima kurz charakterisiert (Kapitel 2). Es folgt eine detaillierte Darstellung des verwendeten hydro-glaziologischen Modells (Kapitel 3) und eine umfassende Übersicht der Datensätze, die für das betreiben des Modells notwendig sind (Kapitel 4). Besonderes Augenmerk wird auf die Implementierung der vom IAC/ ETHZ vorgegebenen Klimaszenarien gerichtet (Abschnitt 4.6). In Kapitel 5 werden die Resultate der Studie präsentiert. Für die beiden Einzugsgebiete sind die Merkmale der zu erwartenden Gletscher- und Abflussänderungen separat hervorgehoben. Am Schluss des Berichts werden in Kapitel 6 die Resultate der einzelnen Gebiete zusammengefasst und Empfehlungen für weitere Untersuchungen gegeben. 2

Kapitel 2 Untersuchungsgebiete Im den folgenden zwei Abschnitten werden die beiden untersuchten Einzugsgebiete charakterisiert. In kurzer Form werden dessen Morphologie, die im Gebiet vorkommenden Gletscher und die während der Referenzperiode vorherrschenden klimatischen Bedingungen vorgestellt. 2.1 Einzugsgebiet Gorner Das Einzugsgebiet Gorner (Abb. 2.1) ist durch die Wasserfassung, welche die Gornera auf einer Höhe von 27mü.M. fasst, begrenzt und erstreckt sich über rund 81km 2. Das Gebiet ist durch das Systems des Gornergletschers geprägt, welches im Jahre 27 ein Gesamteisvolumen von etwa 4.4km 3 aufwies. Das Gebiet enthält somit knapp unter 1% des gesamthaft in den Schweizer Alpen liegenden Gletschereisvolumens. Im Jahre 27 waren 63% der Gebietsfläche vergletschert und 33% unbewachsen (Abb. 2.2 rechts). Nur ein unwesentlicher Gebietsanteil ist durch Vegetation eingenommen. Während der Referenzperiode 198 29 betrug der mittlere Jahresniederschlag 132±4mm und die durchschnittliche Lufttemperatur -4.7±1.3 C (Abb. 2.2 links). Der Verlauf des Jahresniederschlags ist durch eine zweigipflige Verteilung charakterisiert, mit Maximas in den Monaten Mai und Oktober. 3

1 Niederschlag (mm) 1.98.28.5 9.5 1 Temperatur ( o C) Hoehe (m u.m.) 1 6 4 2 1 1 1 2 km Abbildung 2.1: Einzugsgebiet Gorner. Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 27. 1 2 J F M A M J J A S O N D Periode: 198 29 Temperatur Niederschlag Jahresniederschlag: Jahresmitteltemp.: 5 5 132 mm 4.7 o C 4. 3. 2. 33 64 2 2 4 Flaeche (km 2 ) Relative Verteilung der Oberflaechentypen (%) Gebietsflaeche Oberflaechentypen Gletscher Unbewachsen Niedrige Vegetation Wald See Gorner 8.9 km 2 1 Abbildung 2.2: Klimatische Bedingungen in der Referenzperiode 198 29 und Hypsometrie der Oberflächentypen im Einzugsgebiet Gorner. 4

2.2 Einzugsgebiet Mattmark Das Einzugsgebiet Mattmark (Abb. 2.3) weist bis zum Ausgleichsbecken in Zer Meiggeren eine Gesamtfläche von 65.7km 2 auf. Das Einzugsgebiet ist Ursprung der Saaservispa und ist, nebst den enthaltenen Gletscher, durch den Stausee Mattmark charakterisiert, welcher eine Fläche von nicht ganz 2km 2 einnimmt. Im Jahre 28 waren etwa 3% des Gebiets vergletschert, 52% unbewachsen, 14% durch Vegetation eingenommen und etwa 4% durch Gewässer charakterisiert (Abb. 2.4 rechts). Ihrer Grösse nach, sind die wichtigsten Gletscher im Gebiet der Allalin-, der Schwarzberg-, der Hohlaub-, der Seewjinen- und der Chessjengletscher. Deren gesamtes Eisvolumen belief sich im Jahre 28 noch auf rund 1.3km 3. Der mittlere Jahresniederschlag betrug während der Referenzperiode (198 29) 161±55 mm wobei der Jahresverlauf der Gesamtmenge zwei deutliche Maxima in den Monaten Mai und Oktober zeigt. Die durchschnittliche Lufttemperatur betrug in der gleichen Periode -2.3±1.3 C (Abb. 2.4 links). 2 km Abbildung 2.3: Einzugsgebiet Mattmark. Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 28. 5

1 Niederschlag (mm) 1.98.28.5 9.5 1 Temperatur ( o C) Hoehe (m u.m.) 1 45 4 35 3 25 2 15 1 1 1 1 2 J F M A M J J A S O N D Periode: 198 29 Temperatur Niederschlag Jahresniederschlag: Jahresmitteltemp.: 5 5 161 mm 2.3 o C 4. 3. 2. 15 52 3 22 4 Flaeche (km 2 ) Relative Verteilung der Oberflaechentypen (%) Gebietsflaeche Oberflaechentypen 65.7 km 2 Gletscher Unbewachsen Niedrige Vegetation Wald See Mattmark 1 Abbildung 2.4: Klimatische Bedingungen in der Referenzperiode 198 29 und Hypsometrie der Oberflächentypen im Einzugsgebiet Mattmark. 6

Kapitel 3 Gletscherentwicklungs- und Abflussmodell GERM Die ausgeprägte räumliche Variabilität der meteorologischen Phänomene machen hydrologische Modellierungen für hochalpine Einzugsgebiete zu einer Herausforderung. Hydrologische Modelle müssen in der Lage sein, eine Serie von Prozessen zu beschrieben, die untereinander interagieren und die zum Teil noch nicht ganz verstanden sind (Becker, 25). Schnee und Eis spielen in hohen Lagen eine wichtige Rolle und müssen im Wasserzyklus dementsprechend abgebildet werden. Das für diese Studie verwendete hydro-glaziologische Modell ist eine Weiterentwicklung des Glacier Evolution Runoff Model (GERM) (Huss et al., 28b, Farinotti et al., in press). Das Modell besteht aus fünf verschiedenen Modulen, die sich mit Akkumulation, Ablation, Gletscherentwicklung, Evapotranspiration und Abflussbildung befassen. Das konzeptionelle, deterministische Modell operiert räumlich verteilt. Dies bedeutet, dass jede der betrachteten Grössen für jede einzelne Gitterzelle, in denen das jeweilige Einzugsgebiet unterteilt wird, berechnet wird. In der vorliegenden Studie wurde Gitterzellen von 25 m oder 5 m Gitterweite verwendet. Es werden sechs Oberflächentypen unterschieden: Eis, Schnee, Fels, niedrige und hohe Vegetation sowie offene Gewässer. Das Modell wird durch Zeitreihen der Lufttemperatur und des Niederschlags angetrieben. Die einzelnen Module basieren auf bekannte Ansätze, die im Folgendem kurz beschrieben werden. 7

3.1 Akkumulation Für eine beliebige Gitterzelle i wird die Akkumulation, d.h. die anfallenden Menge an Festniederschlag P fest,i, berechnet durch: P fest,i = P ref (1 + c prec ) [1 + (z i z ref ) dp/dz] D snow,i r s. (3.1) Dabei ist P ref die Niederschlagsmenge, die von der vorgegebenen Niederschlagsreihe für den Referenzpunkt angegeben wird, c prec ein Korrekturfaktor, der den sogenannten gauge-catch deficit berücksichtigt (Bruce and Clark, 1981), z i z ref der Höhenunterschied zwischen der betrachteten Gitterzelle und dem Referenzpunkt, dp/dz die Rate, mit welcher der Niederschlag mit der Höhe zunimmt (Peck and Brown, 1962), D snow,i ein räumlich verteilter Faktor, der die Effekte von Schneeumverteilungsprozessen vereint (Tarboton et al., 1995; Huss et al., 28b) und r s der Anteil Niederschlag, der in fester Form anfällt. D snow,i wird aus Charakteristiken der Oberflächentopographie hergeleitet (Huss et al., 28b) während r s im Intervall T ff 1 C und T ff + 1 C linear von 1 auf abfällt, wobei T ff eine Grenzwerttemperatur ist, welche Fest- und Flüssigniederschlag trennt (Hock, 1999). Gemäss der Definition von r s lässt sich die Menge an Flüssigniederschlag P fl ebenfalls aus Gleichung 3.1 berechnen, in dem r s mit (1 r s ) ersetzt wird. 3.2 Ablation Die Ablation wird mit einem räumlich verteilten Grad-Tag-Faktor-Ansatz modelliert, welcher den Effekt der Strahlung mitberücksichtigt (Hock, 1999). Die Schmelze M i wird für jede Gitterzelle i berechnet als: M i = ( f M + r Schnee/Eis I pot,i ) T i wenn T i > C. (3.2) Dabei sind f M ein Schmelzfaktor, r Schnee/Eis zwei unterschiedliche Strahlungsfaktoren für Schnee und Eis, I pot,i die direkte, potentielle Sonneneinstrahlung für die Gitterzelle i und T i die Tagesmitteltemperatur der Luft am selben Ort. Für Tage an welchen T i C ist, fällt keine Schmelze an. Die räumliche Verteilung von T i wird aus der Tagesmitteltemperatur, die die vorgegebene Temperaturzeitreihe für den Referenzpunkt vorgibt, und einem konstanten Temperaturgradienten berechnet. 8

Höhe (m ü.m.) 45 4 35 3 25 2 4 3 2 1 Mittlere Eisdickenänderung (m a 1 ) Abbildung 3.1: Beziehung zwischen Eisdickenänderung und Höhe über Meer am Beispiel des Gornergletschers. Jede der grauen Kurven entspricht dem Verlauf aus der Differenzierung zweier DHMs. Da für den Gornergletscher 4 unterschiedliche DHMs zur Verfügung stehen, können 6 unterschiedliche solcher Kurven erstellt werden. Die rote Kurve ist der Mittelwert der Kurvenschar. 3.3 Gletscherentwicklung Die Geometrie der Gletscher im jeweiligen Einzugsgebiet wird in Jahresschritten aktualisiert. Dies erfolgt mit dem nicht-parametrischem Ansatz von Huss et al. (21). Dabei wird die Eisvolumenänderung, die das Akkumulations- und Ablationsmodul berechnet nach einer gletscherspezifischen, höhenabhängigen Funktion h umverteilt. Die h-funktion wird dazu aus der beobachteten Eisdickenänderung in der Vergangenheit abgeleitet. Für jede Periode zwischen zwei vorhandenen Geländemodellen (DHMs) wird die Eisdickenänderung als Funktion der Höhe ermittelt und über alle Perioden gemittelt gemittelt (Abb. 3.1). Stehen für ein Gebiet n DHMs zur Verfügung, können n(n 1) 2 unterschiedliche Perioden gebildet werden, aus denen die Funktion bestimmt werden kann. Der h-ansatz ist massenerhaltend und schreibt vor, dass die grössten Eisdickenänderungen im Zungenbereich stattfinden (Bauder et al., 27). Geometrieänderungen im Akkumulationsgebiet sind dabei vernachlässigbar. Die Eignung des Ansatzes für die Modellierung von Gletschern wurde von Huss et al. (21) gezeigt, in dem die Resultate mit denjenigen eines 3D finite-elemente-modells (Jouvet et al., 28) verglichen wurden. 9

3.4 Evapotranspiration Die tatsächliche Evapotranspiration ET act,i für jede Gitterzelle i wird berechnet in dem die potentielle Evapotranspiration nach dem Ansatz von Hamon (1961) mit einem Oberflächentypabhängigen Faktor f ETp,j reduziert wird: ET act,i = 35.77 DL e s T i + 273.3 S j f ETp,j. (3.3) Dabei ist DL die als Tagesanteil ausgedrückte potentielle Sonnenscheindauer (eine Funktion des Tages innerhalb des Jahres), e s der Sättigungsdampfdruck (eine Funktion von T i ), T i die mittlere Tagestemperatur der Luft für die Gitterzelle i und S j ein empirischer Faktor, der die Eigenschaften des Oberflächentyps j hinsichtlich Evapotranspiration charakterisiert. Im Sommer kann S j über Schnee- und Eisoberflächen ein negatives Vorzeichen annehmen, was bedeutet, dass Kondensation stattfindet (Lang et al., 1977; Bernath, 1991). Solange ein Interzeptionsreservoir gefüllt ist, wird der Faktor f ETp,j auf 1 gesetzt. 3.5 Abflussbildung Das verwendete Abflussbildungsmodul ist eine Weiterentwicklung des Schemas welches von Huss et al. (28b) präsentiert wurde und löst für jede Gitterzelle i und jeden Modellierungszeitschritt die lokale Wasserbilanz Q i = P fl,i + M i ET i r V r,i. (3.4) Dabei ist Q i der Abfluss aus Gitterzelle i und V r,i die Speicheränderung von Reservoir r am selben Ort. Je nach dem ob eine Schneebedeckung für die Gitterzelle i vorhanden ist, unterscheidet das Modul zwischen drei oder vier Reservoiren (Abb. 3.2). Ein Interzeptionsreservoir, wird bei jedem Niederschlags- und Schmelzereignis als erstes gefüllt und hat eine vorgegebene, oberflächentypabhängige Maximalgrösse. Das vom Interzeptionsreservoir nicht aufgenommene Wasser infiltriert in tiefere Schichten, die durch ein schnelles und ein langsames Reservoir repräsentiert sind. Das schnelle Reservoir stellt den oberflächennahen, schnellansprechenden Abfluss dar während das langsame Reservoir den Abfluss aus tiefere Bodenschichten, in denen das Wasser über längere Zeiträume gespeichert werden kann, repräsentiert. Wieviel Wasser 1

Eis Fels Wiese Wald Wasser Schnee 4 1 2 ET pot ET act P fl P fest 3 M Schnee 4 k Schnee Q Schnee 1 k schnell 2 Q schnell Q tot 3 k langsam Q langsam INTERZEPTION SCHNELL LANGSAM SCHNEE 1 2 3 4 Abbildung 3.2: Schema des Abflussmoduls, welches vier verschiedene Reservoire unterscheidet: 1 Interzeptionsreservoir, 2 schnelles Reservoir, 3 langsames Reservoir, 4 Schneereservoir. Die anfallende Schnee- und Eisschmelze M und der flüssige Niederschlag P fl infiltrieren zunächst ins Interzeptionsreservoir, bis es gefüllt ist. Danach infiltriert das Wasser ins langsame und schnelle Reservoir. Das Schmelzwasser des vom Festniederschlag P fest gespiesenem Schneereservoirs M Schnee fliesst zu einem Teil in die Reservoire 1 bis 3, zum anderen direkt ab (Q Schnee ). Der Gesamtabfluss Q tot entspricht der Summe aus den Abflüssen aus dem langsamen, dem schnellen und dem Schneereservoir. Das Interzeptionsreserviors wird durch die Evapotranspiration ET pot entleert. Ist dieses Reservoir leer, erfolgt die Evapotranspiration mit einer veränderten Rate ET act aus dem langsamen und dem schnellen Reservoir. Das Schema wurde aus Farinotti et al. (submitted) übernommen. 11

in das langsame Reservoir infiltriert, hängt von dessen Füllstand ab. Je stärker das langsame Reservoir gefüllt ist, desto weniger Wasser infiltriert darin und desto mehr Wasser fliesst ins schnelle Reservoir. Das langsame Reservoir hat, wie das Interzeptionsreservoir, eine vorgegebene, vom Oberflächentyp abhängige Maximalgrösse während die Grösse des schnellen Reservoirs unbeschränkt ist. Wenn eine Schneedecke vorhanden ist, kommt ein Schneereservoir dazu. Dieses wird durch den festen Niederschlag gespiesen. Ein Teil der Schmelze wird dabei wie der flüssige Niederschlag in die tieferen Reservoire (schnell und langsam) geleitet. Der andere Teil hingegen trägt direkt zum Abfluss bei. Sämtliche Reservoire entleeren sich nach dem Prinzip des linearen Speichers: V r,i = V r,i /k r, (3.5) wobei V r,i der Füllstand von Reservoir r (r =Schnee, schnell oder langsam) an der Gitterzelle i und k r eine reservoirabhängige Retentionskonstante ist. Der Gesamtabfluss wird aus der Summe des Abflusses aus dem schnellen, dem langsamen sowie dem Schneereservoir berechnet. Das Wasser aus dem Interzeptionsreservoir trägt nicht zum Abfluss bei, sondern steht einzig für die Evapotranspiration zur Verfügung. Schliesslich werden die Abflüsse aus jeder Gitterzelle eines Gebietes aufsummiert, um den Betrag des entsprechenden Teil- oder Gesamteinzuggebietes zu ermitteln. 12

Kapitel 4 Datengrundlagen Für die Anwendung von GERM werden verschiedene Daten als Grundlage benötigt. Diese dienen entweder zur Charakterisierung des Gebiets (z.b. Höhenmodelle der Geländeoberfläche, Eisdickenverteilung der Gletscher), zur Kalibrierung der Parameter der einzelnen Module (z.b. Massenbilanz- und Abflussmessungen) oder als Treiber für das Modell selbst (z.b. Temperatur- und Niederschlagszeitreihen). Im folgenden wird auf die verschiedenen benötigten Datensätze sowie dessen Bereitstellung näher eingegangen. Tabelle 4.1 gibt einen Überblick über die für jedes einzlne der bearbeiteten Einzugsgebiete verfügbaren Daten. Tabelle 4.1: Übersicht über die verfügbaren Datensätze. Unter DHMs ist die Anzahl zur Verfügung stehender Geländemodelle (#) sowie die Zeitpunkte dessen Aufnahme (Gletscherstände) aufgeführt. DHMs für kursiv gedruckten Zeitpunkte basieren auf topographischen Karten, alle anderen auf Luftbildern. Die Spalten Massenbilanz und Abfluss geben die Perioden wieder, in denen entsprechende Messungen vorhanden sind. Gebiet DHMs Massenbilanz Abfluss # Gletscherstände Jahresbilanz Winterbilanz Gorner 4 1931, 1982, 23, 27 24-27 24-28 1969-27 Mattmark 9 1932, 1946, 1956, 1967, 1982 1956-27 1956-1997 1998-29 1991, 1999, 24, 28 13

4.1 Geländemodelle Um die einzelnen Gebiete charakterisieren und modellieren zu können, muss dessen Topographie abgebildet werden. Dies geschieht mittels digitaler Höhenmodelle (DHMs). Da sich die Gletscher im Laufe der Zeit verändert haben, ist es von zentraler Bedeutung, dass für jedes der modellierten Einzugsgebiete mehrere solche DHMs zur Verfügung stehen. Für diese Studie wurden DHMs aus zwei unterschiedlichen Quellen verwendet: einerseits aus historischen Karten, andererseits aus Luftbilder. Erste detaillierte Luftaufnahmen stammen aus den frühen 196er Jahren. Um Gletscherstände für frühere Zeitpunkte zu rekonstruieren, werden historische Karten digitalisiert. Diese reichen mit genügender Genauigkeit bis etwa 193 zurück. Für die Modellierungen werden sämtliche DHMs auf ein regelmässiges Gitter mit 25 m Rasterweite interpoliert. Die vertikale Genauigkeit wird auf etwa 3 cm geschätzt (Bauder et al., 27). Für die beiden untersuchten Einzugsgebiete sind vier (Einzugsgebiet Gorner) respektive neun (Einzugsgebiet Mattmark) DHMs vorhanden. Höhenmodelle vor 1967 wurden durch das Auswerten von historischer Karten, jene späterer Zeitpunkte durch das Auswerten von Luftbildern erstellt (Tab. 4.1). Nichtvergletscherte Bereiche innerhalb des Einzuggebietes die durch keines der speziell aufgenommenes DHM abgedeckt sind wurden mit dem DHM25 von swisstopo (L+T, 1993) ergänzt. 4.2 Eisvolumenänderungen Durch den Vergleich zweier DHMs, die für unterschiedliche Zeitpunkte gelten, kann für die vergletscherten Gebiete die Eisvolumenänderung in der betrachteten Zeitspanne bestimmt werden (Bauder et al., 27). Diese Information wird für die Kalibrierung der Parameter des Akkumulations- und des Ablationsmoduls verwendet. Insbesondere werden durch ein stufenweise iteratives Verfahren die Parameter c prec, dp/dz (Gleichung 3.1) und f M, r Schnee/Eis (Gleichung 3.2) so angepasst, dass die aus den DHMs ermittelten Eisvolumenänderungen reproduziert werden können (Huss et al., 28a). Abbildung 4.1 zeigt am Beispiel des Einzugsgebiet Gorner, wie sich die Eisvolumenänderung auf die Gletscherflächen verteilt. 14

Delta 2 2 1931 27 Abbildung 4.1: Beispiel für die aus den DHMs bestimmte Verteilung der Eisdickenänderung. Gezeigt sind die Änderungen im Einzugsgebiet Gorner zwischen 1931 und 27. 4.3 Massenbilanzmessungen Die Massenbilanz eines Gletschers beschreibt wie viel Masse dieser innerhalb einer bestimmten Periode gewonnen oder verloren hat. Normalerweise wird das hydrologische Jahr (1. Oktober 3. September) als Beobachtungsperiode gewählt. Anhand in die Gletscheroberfläche eingebohrten Pegeln wird für den jeweiligen Ort die Schneeakkumulation oder die Eisschmelze über den Beobachtungszeitraum ermittelt. Existieren Zwischenablesungen am Ende des Winters, lassen sich die Schneeakkumulation über den Winter und die Schnee-/Eisschmelze über den Sommer zusätzlich separieren. Massenbilanzmessungen dienen ebenfalls zur Kalibrierung der Akkumulations- und Ablationsmodule. Im Gegensatz zu den Eisvolumenänderungen, welche Aufschluss über die Gesamtänderung eines Gletschers über einen längeren Zeitraum geben, dienen die Massenbilanzmessungen zur Kalibrierung der kleinräumigeren und kurzzeitigeren Variabilität. 15

Für die Gletscher im Einzugsgebiet Mattmark decken die jährlichen Massenbilanzmessungen eine Zeitspanne von rund 5 Jahre ab (Tab. 4.1). Die Zeitreihe der Winterbilanzmessungen ist eine Dekade kürzer. Für das Einzugsgebiet Gorner beschränken sich die Messungen hingegen auf den Zeitraum 24-27. 4.4 Abflussmessungen Abflussmessungen dienen der Kalibration der Parameter des Abflussbildungsmodul. Tägliche Messungen verhelfen der Abstimmung der kurzzeitigen Variabilität während Jahresabflussmengen auch Aufschluss über Langzeitänderung der Speicher geben. Insbesondere kann dadurch auch die Plausibilität der mittels Volumenänderungen kalibrierten Parameter des Akkumulations- und Ablationsmoduls überprüft werden. Für das Einzugsgebiet Gorner decken die Abflussmessungen bei der Wasserfassung an der Gornera den Zeitraum 1969-27 ab (Tab. 4.1). Für das Einzugsgebiet Mattmark stehen Zuflüsse zum Stausee für die Periode 1998-29 zur Verfügung. 4.5 Eisdickenverteilung Für die räumliche Modellierung der Gletscherentwicklung muss die Verteilung der Eisdicke bekannt sein. Die Bestimmung derselben ist jedoch komplex, da das Gletscherbett grundsätzlich nur anhand Bohrungen direkt zugänglich wird. Da solche Messungen mit sehr hohem Aufwand verbunden sind und eine flächendeckende Anwendung nicht praktikabel ist, wird die Eisdicke eines Gletschers oft durch Radio- Echo-Sondierungen vermessen. Dabei werden elektromagnetische Wellen ausgesendet, welche sich im Gletschereis ausbreiten und an der Eis-Fels Kontaktfläche zum Teil reflektiert werden. Erreichen diese Reflexionen einmal wieder die Gletscheroberfläche, können sie von einem Messgerät aufgezeichnet werden. Anhand der Zeit, welche eine reflektierte Welle braucht, bis sie wieder an der Oberfläche ist (der sogenannten Laufzeit) und einer Annahme über die Geschwindigkeit mit welcher sich die elektromagnetischen Wellen im Eis ausbreiten, kann die Eismächtigkeit hergeleitet werden. Obwohl die Methode in ihrer Anwendung weniger aufwändig ist als Bohrungen, ist auch mit dieser Methode eine flächendeckende Vermessung nicht 16

möglich. Flächendeckende Eisdickenverteilungen werden deswegen durch eine Kombination aus direkten Messungen und theoretischen Überlegungen hergeleitet, wobei Informationen der Gletscheroberfläche und Kenntnisse über die Eisfliessdynamik miteinbezogen werden. In der vorliegenden Studie wurde die Eisdickenverteilung in den verschiedenen Einzugsgebieten durch das Eisdicken-Bestimmungsverfahren von Farinotti et al. (29) hergeleitet. Die VAW hat in beiden untersuchten Gebieten Radarmessungen durchgeführt. Dabei kamen sowohl ein helikoptergestützten Radarsystem der Universität Münster, sowie konventionelle, bodengestützte Verfahren zum Einsatz. Die Abbildungen 4.2 und 4.3 zeigen die für die beiden Gebiete berechnete Eisdickenverteilungen sowie die Lage der vermessenen Radarprofile. Gorner Eisdicke (m) 2 4 2 3 2 1 km Abbildung 4.2: Eisdickenverteilung und Position der Messprofile im Einzugsgebiet Gorner. Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 27. 4.6 Meteorologische Daten Nebst den Datensätzen, welche die einzelnen Einzusgebiete und die darin enthaltenen Gletscher hinsichtlich ihrer Morphologie beschrieben, sind die klimatischmeteorologischen Randbedingungen die zentralen Eingangsgrössen für die Modellierungen mit GERM. Das Modell wird mit kontinuierlichen Temperatur- und Niederschlagszeitreihen angetrieben, wobei die zeitliche Auflösung ein Tag beträgt. Die 17

Eisdicke (m) 3 15 2 Mattmark 1 km Abbildung 4.3: Eisdickenverteilung und Position der Messprofile im Einzugsgebiet Mattmark. Die Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 28. benötigten Zeitreihen für Vergangenheit und Zukunft werden mit zwei unterschiedlichen Ansätzen generiert. 4.6.1 Meteorologische Zeitreihen für die Vergangenheit Die Meteorologische Zeitreihen für die Vergangenheit wurden in dieser Studie nach den Methoden von Huss et al. (28a) erstellt. Diese behandeln die beiden Variablen Lufttemperatur und Niederschlag unterschiedlich. Als Grundlage für die Temperaturzeitreihe dienen die homogeneisierten Zeitreihen, welche vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) für 12 Stationen bereitgestellt werden (Begert et al., 25). Mit einer inverse distance - Interpolation, in welcher die einzelnen Stationen umgekehrt-proportional zu ihrer Entfernung, ins Untersuchungsgebiet übertragen. Da die homogenisierten Zeitreihen der MeteoSchweiz nur in monatlicher Auflösung vorhanden sind, werden Tagesschwankungen von der nächstgelegenen Station mit einer kontinuierlichen Messreihe ab 19 der Zeitreihe überlagert. Obwohl diese Station relativ weit vom betrachtetem 18

Tabelle 4.2: Übersicht über die Referenzstationen, die für die Lufttemperatur- und Niederschlagszeitreihen verwendet wurden. Die Spalte Zukunft führt auf, welche Station für die Fortsetzung der entsprechende Zeitreihe in die Zukunft dienen. Gebiet Temperatur Niederschlag Zukunft Gorner Sion Zermatt Zermatt Mattmark Sion Zermatt, Saas Fee (ab 1931) Saas Fee Gebiet entfernt sein kann, werden trotzdem gute resultate erziehlt, da die Lufttemperatur eine auch auf grössere Distanzen gut extrapolierbare Grösse ist (Begert et al., 25). Um die Temperaturen schliesslich auf die benötigte Höhe jedes einzelnen Gitterpunktes anzupassen, kommt ein lokaler Temperaturgradient zur Anwendung, der aus Messstationen in einem Umkreis von 3km ermittelt wird. Der Niederschlag hingegen weist grosse räumliche Unterschiede. Insbesondere in der alpinen Topographie sind diese kleinräumig sehr variabel (Fliri, 1986; Frei and Schär, 1998). Als Grundlage dient deshalb der PRISM-Gitterdatensatz von Schwarb et al. (21). Für die Alpenregion liefert der PRISM-Datensatz mittlere Monatsniederschlagssummen mit einer horizontalen Auflösung von etwa 2km. Die Mittelwerte beziehen sich dabei auf die Periode 1971 199. Um ebenfalls eine Zeitreihe in täglicher Auflösung zu erstellen, werden die Messungen an der nächstgelegenen Station linear skaliert, um mit den mittleren Monatssummen des PRISM-Datensatz übereinzustimmen. Dabei wird auch ein Wechsel dieser nächstgelegenen Referenztation während der Modellierungsperiode in Kauf genommen, um die klräumigen Variabilität im Niederschlag möglichst gut zu berücksichtigen. Die Tabelle 4.2 gibt Aufschuss, welche Messstationen für die Lufttemperatur und den Niederschlag in den einzelnen Untersuchungsgebieten als Referenz verwendet wurden. 4.6.2 Meteorologische Zeitreihen für die Zukunft Den notwendigen Temperatur- und Niederschlagsdaten für die Zukunft, liegt der sogenannte delta-change approach zu Grunde. In diesem wird der Effekt der Klimaänderung zwischen zwei Perioden als Unterschied ( Delta ) im Mittelwert der betrachteten Variable (Temperatur oder Niederachlag) ausgedrückt. Die beiden Pe- 19

rioden haben dabei gleiche Länge und werden mit Referenz- und Szenarioperiode bezeichnet. Die jeweiligen Deltas müssen nicht notwendigerweise auf den Jahresmittelwert bezogen sein, sondern können eine höhere zeitliche Auflösung aufweisen. Für die vorliegende Studie wurden Deltas in täglicher Auflösung verwendet, die für zwei unterschiedliche Szenarioperioden (221 25 und 27 299) vom IAC über das Center for Climate Systems Modeling (C2SM) der ETH Zürich bereitgestellt wurden (Bosshard et al., 211). Als Referenz gilt die Periode 198 29. Es stehen zehn Klimaszenarien von Deltas des Niederschlags und der Lufttemperatur jeweils für beide Szenarioperioden zur Verfügung. Diese resultieren von 1 unterschiedlichen Modellketten von globalen und regionalen Klimamodellen aus dem ENSEMBLES Projekt (van der Linden and Mitchell, 29). Die 1 unterschiedlichen Szenarien sind Ausdruck der Unsicherheit in den Klimamodellen selbst und erlauben es, für das zukünftige Klima eine Bandbreite anzugeben. Um aus den für zwei diskrete Perioden geltenden Szenarien eine transiente Zeitreihe zu erstellen, wurde zwischen den Perioden eine lineare Interpolation durchgeführt. Wenn man den Mittelwert der Variable P und T über die beliebige Periode [t 15, t + 14] mit P(t) bzw. T(t) bezeichnet und das jeweilige delta-change -Signal zwischen der Referenzperiode [r 15, r+14] und der Szenarioperiode [s 15, s+14] mit P bzw. T, kann geschrieben werden: P(t) = P(r) P s r t T(t) = T(r) + T s r t. (4.1) Da die Deltas tägliche Auflösung aufweisen, gilt die Gleichung für jeden einzelnen Tag im Jahr. Damit können für die zehn zur Verfügung stehenden Klimaszenarien (Modellketten) zehn unterschiedliche Entwicklungen der mittleren Lufttemperatur und des mittleren Niederschlags in der Periode 21 2 abgeleitet werden. Dabei würde allerdings die natürliche Jahr-zu-Jahr Variabilität der beiden Variablen nicht berücksichtigt werden. Deshalb wurden für jede der 1 Entwicklungen, wiederum jeweils 1 zufällige Zeitreihen generiert, welche den vorgegebenen Mittelwert einhalten, aber eine aus der Vergangenheit abgeleitete Variabilität aufweisen. Die 1 zufälligen Zeitreihen wurden dabei nach folgendem Schema generiert: Für jedes Jahr in der Zukunft wird zufällig ein Jahr in der Vergangenheit gewählt und entsprechend skaliert, dass der vorgegebene Mittelwert gemäss Gleichung 4.1 in der Zukunft 2

erreicht wird. Damit stehen jeweils ein Satz von möglichen Temperatur- und Niederschlagszeitreihen für die Periode 21 2 zur Verfügung mit welchen GERM angetrieben werden kann. Für die Zukunft gibt es somit für jedes der Einzugsgebiete mögliche Abflussganglinien, was statistische Analysen von Mittelwert und Bandbreite für den zukünftigen Abfluss ermöglicht. 21

Kapitel 5 Resultate Im folgenden werden die Resultate der Modellierungen für die beiden untersuchten Einzugsgebiete vorgestellt. Jedes Einzugsgebiet wird in einem separatem Unterkapitel betrachtet, das in zwei Abschnitte gegliedert ist. Der erste präsentiert einige glaziologische Kenngrössen, welche die Entwicklung der Eismassen im jeweiligen Gebiet charakterisieren. Der zweite stellt die erwartete Entwicklungen der modellierten Abflüsse und Abflusskomponenten im Zeitraum 19 2 vor. Einige Kennzahlen sind für vier verschiedene Perioden (194 1969, Referenzperiode 198 29 und Szenarioperioden 221 25 resp. 27 299) in tabellarischer Form zusammengestellt. 5.1 Einzugsgebiet Gorner 5.1.1 Gletscherentwicklung Gemäss den Modellrechnungen ist zu erwarten, dass sich das Eisvolumen im Einzugsgebiet Gorner bis 24 26 im Vergleich zur Referenzperiode halbiert haben wird (Abb. 5.1). Bis 29 wird die Vergletscherung voraussichtlich auf etwas weniger als 25% zurück gehen und für Ende Jahrhundert wird auch gemäss den günstigsten Szenarien weniger als ein Drittel des heute vorhandenen Eisvolumen übrig sein. Abbildung 5.2 zeigt die Gletscherausdehnung für vier ausgewählte Zeitpunkte. 22

Volumen (km 3 ) 6 Gorner 4 2 19 195 2 25 2 Abbildung 5.1: Entwicklung des Eisvolumens im Einzugsgebiet Gorner. Die durchgezogene Linie entspricht einem gleitenden Mittelwert über 15 Jahre. Das hellblaue Band enthält 95 % aller Realisierungen. Die Zeitpunkte für welche ein Geländemodell zur Verfügung steht, sind mit einem Dreieck gekennzeichnet. Die Jahresmassenbilanzen im Gebiet werden bis Mitte Jahrhundert stärker negativ werden und sich gegen Ende Jahrhundert leicht erholen(tab. 5.1). Dies ist durch den Rückzug der Gletscher in sehr hohen Lagen bedingt. Dieser Rückzug ist auch im erwarteten Verlauf der Gleichgewichtslinie ersichtlich, welche bis Ende Jahrhundert fast 7m höher zu liegen kommen sollte als in der Referenzperiode. Für die Winterbilanzen im Gebiet wird ein durchgehend negativer Trend vorhergesagt. Tabelle 5.1: Entwicklung glaziologischer Kenngrössen im Einzugsgebiet Gorner. Angaben sind Mittelwerte über 3 Jahre. Vergl. : Vergletscherungsgrad, A Gl : Gletscherfläche, V Gl : Gletschereisvolumen, b n : Jahresmassenbilanz, b w : Wintermassenbilanz, ELA : Höhe der Gleichgewichtslinie. Periode Vergl. A Gl V Gl b n b w ELA % (km 2 ) (km 3 ) (cm w.e.) (cm w.e.) (m ü.m.) 194 1969 73 6 ± 1 6.32 ±.19-3 ± 95 125 ± 4 316 ± 17 198 29 68 55 ± 2 5.13 ±.42-75 ± 9 95 ± 5 33 ± 19 221 25 58 48 ± 4 3.13 ±.57-11 ± 5 6 ± 2 351 ± 17 27 299 3 24 ± 6 1.15 ±.34 - ± 5 7 ± 2 398 ± 27 23

A: 51 km2 V: 4.3 km3 A: 48 km2 V: 3.3 km3 21 A: 34 km2 V: 1.8 km3 23 A: 19 km2 V:.94 km3 Eisdicke (m) 26 2 4 29 Abbildung 5.2: Gletscherentwicklung im Einzugsgebiet Gorner. Die Farbto nung entspricht der mittleren Eisdicke sa mtlicher Realisierungen. Bereiche in denen mehr als die Ha lfte der Realisierungen keinen Gletscher vorhersagen sind weiss dargestellt. Die gezeigten Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 27. 24

(%) 5 19 195 2 25 2 19 195 2 25 2 5.1.2 Abflussentwicklung Die grossen Eismassen, die im Einzugsgebiet Gorner gespeichert sind, lassen markante Änderungen im Abfluss und dessen Jahresgang erwarten (Abb. 5.3 und 5.4). Bis etwa 23 sagen die Modellrechnungen einen stetigen Anstieg der Jahresabflussmengen voraus. Im Mittel über alle Szenarien beträgt der Jahresabfluss zu diesem Zeitpunkt rund 16±2miom 3, was im Vergleich zur Referenzperiode einem Anstieg von etwa 2% entspricht. Ab 23 wird dann, aufgrund des zunehmend fehlenden Jahresabfluss (1 6 m 3 a 1 ) Abflusskomponenten: Eisschmelze Schneeschmelze Fluessigniederschlag 5 2 15 Gorner Abfluss Niederschlag Abflussmessungen 2.5 2. 1.5 1. Jahresabfluss (1 3 mm a 1 ) 19 195 2 25 2 Abbildung 5.3: Entwicklung von Abfluss und Niederschlag im Einzugsgebiet Gorner. Gezeigt sind mögliche Realisierungen des Jahresabflussverlaufs in der Periode 19 2 (graue Linien) und ein über 3 Jahre geglätteter Mittelwert (blaue Linie). Das blau schraffierte Band enthält 95 % der Realisierungen. Für den Jahresniederschlag ist nur der geglätteter Mittelwert gezeigt (schwarz gestrichelte Linie). Die relativen Beiträge zum Gesamtabfluss sind im oberen Bereich der Graphik gezeigt. Aufgeschlüsselt sind die Beiträge von Eis- und Schneeschmelze sowie Flüssigniederschlag. Im selben Bereich ist auch der Verlauf der Vergletscherung im Gebiet dargestellt (rote Punkt-Strich Linie). Der grüne Balken im unteren Bereich der Graphik zeigt die Periode in welcher gemessene Abflussdaten zur Verfügung stehen. 25

Tabelle 5.2: Entwicklung von Temperatur und Niederschlag im Einzugsgebiet Gorner. Angaben sind Gebietsmittelwerte über 3 Jahre. Festanteil bezeichnet den Anteil Jahresniederschlag, der in fester Form anfällt. Periode Temperatur Niederschlag Festanteil ( C) (mm a 1 ) (%) 194 1969-5.6 ± 1.2 136 ± 41 84% 198 29-4.7 ± 1.3 132 ± 4 78% 221 25-3.3 ± 1.2 13 ± 415 71% 27 299 -.9 ± 1.6 127 ± 43 6% Beitrag der Eisschmelze zum Gesamtabfluss, mit einer Abnahme der Jahresabflussmengen gerechnet. Diese dürfte, im Vergleich zur Referenzperiode, bis 29 in etwa -13% betragen, was einem Jahresabfluss von 118±14miom 3 entspricht. Dass diese Entwicklung hauptsächlich auf die Veränderungen der Eismassen zurückzuführen ist, ist auch am vorhergesagten Verlauf der Jahresniederschlagsmengen zu erkennen. Diese werden sich zwischen der Referenzperiode und Ende Jahrhundert gemäss den verwendeten Klimaszenarien nur unwesentlich ändern: im Mittel wird eine Abnahme des Jahresniederschlags um etwa -5% vorausgesagt (Tab. 5.2). Die vorhergesagte Zunahme der Evapotranspiration ist zwar markant (Tab. 5.3), wird aber im Vergleich zu den Jahresabfluss- und -Niederschlagsmengen weiterhin von geringer Bedeutung bleiben. Tabelle 5.3: Entwicklung von Abfluss und Evapotranspiration (ET) im Einzugsgebiet Gorner. M Eis, M Schnee und P fl bezeichnen den Abflussanteil der durch Eisschmelze, Schneeschmelze oder Niederschlag verursacht wird. Angaben sind Gebietsmittelwerte über 3 Jahre. Periode Abfluss M Eis M Schnee P fl ET (mm a 1 ) (%) (mm a 1 ) 194 1969 151 ± 26 4 45 15 5 ± 5 198 29 169 ± 26 42 41 17 1 ± 5 221 25 195 ± 26 44 38 18 3 ± 1 27 299 147 ± 17 24 47 29 85 ± 2 26

2 (m 3 s 1 ) Bei der Entwicklung des Abflussjahresgang (Abb. 5.4) ist zu bemerken, dass sich der Maximalabfluss in den Monaten Juli und August bis Ende des Jahrhunderts deutlich verringern wird. Im Vergleich zur Referenzperiode wird für 29 eine Abnahme um etwa 3% vorhergesagt. Zudem wird erwartet, dass sich der Zeitpunkt des maximalen Abflusses um rund einen Monat verschieben wird (von Ende Juli auf Anfangs Juli) und dass insbesondere die Monate Oktober und November mehr Wasser führen werden. Tagesabfluss (mm d 1 ) 15 1 5 194 1969 198 29 22 249 27 299 Gorner J F M A M J J A S O N D 15 1 5 Abbildung 5.4: Zeitliche Entwicklung des Abflussregime im Einzugsgebiet Gorner. Gezeigt ist der Verlauf des mittleren Tagesabflusses gemittelt über eine Periode von 3 Jahre. 5.2 Einzugsgebiet Mattmark 5.2.1 Gletscherentwicklung Für das Einzugsgebiet Mattmark ergeben die Berechnungen, dass sich bis 23 25 das Eisvolumen gegenüber der Referenzperiode halbiert haben wird (Abb. 5.5). Für Ende Jahrhundert ist zu erwarten, dass sich die Gletscher in Höhenlagen über etwa 35 m ü.m. zurückgezogen haben werden (Abb. 5.6), was die Vergletscherung des Gebiets auf weniger als 5% schrumpfen lassen würde. Sowohl bei den Jahres- als auch bei den Wintermassenbilanzen lassen die Modellierungen bis Ende Jahrhundert negative Trends erwarten (Tab. 5.4). Für 29 wird von Jahresmassenbilanzen ausgegangen, die im Mittel etwa doppelt so negativ 27

Volumen (km 3 ) Mattmark 1..5. 19 195 2 25 2 Abbildung 5.5: Entwicklung des Eisvolumens im Einzugsgebiet Mattmark. Die durchgezogene Linie entspricht einem gleitenden Mittelwert über 15 Jahre. Das hellblaue Band enthält 95 % aller Realisierungen. Zeitpunkte für welche ein Geländemodell zur Verfügung steht sind mit einem Dreieck gekennzeichnet. sind wie in der Referenzperiode. Gemäss den Berechnungen wird der Anstieg der Gleichgewichtslinie bis Ende Jahrhundert etwa 6m betragen. Dadurch würde die Gleichgewichtslinie von rund 33 m ü. M. während der Referenzperiode auf etwa 39 m ü. M. ansteigen. Tabelle 5.4: Entwicklung glaziologischer Kenngrössen im Einzugsgebiet Mattmark. Angaben sind Mittelwerte über 3 Jahre. Vergl. : Vergletscherungsgrad, A Gl : Gletscherfläche, V Gl : Gletschereisvolumen, b n : Jahresmassenbilanz, b w : Wintermassenbilanz, ELA : Höhe der Gleichgewichtslinie. Periode Vergl. A Gl V Gl b n b w ELA % (km 2 ) (km 3 ) (cm w.e.) (cm w.e.) (m ü.m.) 194 1969 34 22.4 ± 1. 1.3 ±.4-15 ± 91 124 ± 37 317 ± 17 198 29 32 21.1 ±.8 1.2 ±.11-56 ± 82 11 ± 46 327 ± 2 221 25 21 14.1 ± 2.5.62 ±.15-12 ± 59 87 ± 28 355 ± 24 27 299 6 4.5 ± 2.7.13 ±.13-121 ± 6 78 ± 26 39 ± 21 5.2.2 Abflussentwicklung Die Modellrechnungen lassen für das Einzugsgebiet Mattmark erwarten, dass die Jahresabflussmengen nur für etwa eine Dekade ansteigen werden (Abb. 5.7). Die 28

A: 18 km 2 V: 1. km 3 A: 15 km 2 V:.69 km 3 21 23 A: 7.9 km 2 V:.31 km 3 A: 2.5 km 2 V:.6 km 3 Eisdicke (m) 26 2 4 29 Abbildung 5.6: Gletscherentwicklung im Einzugsgebiet Mattmark. Gezeigt ist nur das Gebiet um den Hauptgletscher. Die Farbtönung entspricht der mittleren Eisdicke sämtlicher Realisierungen. Bereiche in denen mehr als die Hälfte der Realisierungen keinen Gletscher vorhersagen sind weiss dargestellt. Die gezeigten Gletscherumrisse entsprechen dem Stand 28. 29

(%) 5 19 195 2 25 2 19 195 2 25 2 Maximalen Jahresabflussmengen werden für die Periode um 22 vorhergesagt und werden rund 115±12miom 3 betragen. Im Vergleich zur Referenzperiode wäre das ein Anstieg von nicht ganz 5%. Ab 22 wird von einer stetigen Abnahme der Jahresabflussmengen ausgegangen. Im Vergleich zur Referenzperiode, sind die für Ende Jahrhundert erwarteten Jahresabflüsse etwa 15% niedriger, was einem Jahresabfluss von rund 95±2miom 3 entspricht. Der Rückgang ist hauptsächlich durch die fehlende Eisschmelze bedingt und in geringerem Masse durch den Rückgang der Jahresniederschlagsmengen und der zunehmenden Evapotranspiration. Im Vergleich Jahresabfluss (1 6 m 3 a 1 ) Abflusskomponenten: Eisschmelze Schneeschmelze Fluessigniederschlag 5 15 Mattmark Abfluss Niederschlag Abflussmessungen 5 19 195 2 25 2 2.5 2. 1.5 1. Jahresabfluss (1 3 mm a 1 ) Abbildung 5.7: Entwicklung von Abfluss und Niederschlag im Einzugsgebiet Mattmark. Gezeigt sind mögliche Realisierungen des Jahresabflussverlaufs in der Periode 19 2 (graue Linien) und ein über 3 Jahre geglätteter Mittelwert (blaue Linie). Das blau schraffierte Band enthält 95 % der Realisierungen. Für den Jahresniederschlag ist nur der geglätteter Mittelwert gezeigt (schwarz gestrichelte Linie). Die relativen Beiträge zum Gesamtabfluss sind im oberen Bereich der Graphik gezeigt. Aufgeschlüsselt sind die Beiträge von Eis- und Schneeschmelze sowie Flüssigniederschlag. Im selben Bereich ist auch der Verlauf der Vergletscherung im Gebiet dargestellt (rote Punkt-Strich Linie). Der grüne Balken im unteren Bereich der Graphik zeigt die Periode in welcher gemessene Abflussdaten zur Verfügung stehen. 3

Tabelle 5.5: Entwicklung von Temperatur und Niederschlag im Einzugsgebiet Mattmark. Angaben sind Gebietsmittelwerte über 3 Jahre. Festanteil bezeichnet den Anteil Jahresniederschlag, der in fester Form anfällt. Periode Temperatur Niederschlag Festanteil ( C) (mm a 1 ) (%) 194 1969-3.1 ± 1.2 168 ± 59 71 198 29-2.3 ± 1.3 161 ± 55 66 221 25-1. ± 1.2 16 ± 56 59 27 299 1.2 ± 1.7 157 ± 58 5 zur Referenzperiode, wird für den Jahresniederschlag bis 29 von einer Abnahme um etwa -4% ausgegangen (Tab. 5.5) während sich Evapotranspiration zwischen den beiden Perioden in etwa verdoppelt haben dürfte (Tab. 5.6). Markante Änderungen sind in der Entwicklung des Abflussregimes zu erwarten (Abb. 5.8). Insbesondere ist mit einer starken Reduktion des Abflusses in den Monaten Juli und August zu rechnen, was bis Ende Jahrhundert zu einer ziemlich konstanten Abflussmenge während den Monaten Juli bis Oktober führen wird. Bis 29 sagen die Modellrechnungen für den Monat Juli eine Abnahme des mittleren Abflusses um mehr als die Hälfte voraus. Der maximale mittlere Abfluss wird sich bis Ende Jahrhundert um etwa anderthalb Monate verlagern: von Mitte Juli in der Referenzperiode auf Anfangs Juni. Tabelle 5.6: Entwicklung von Abfluss und Evapotranspiration (ET) im Einzugsgebiet Rhone. M Eis, M Schnee und P fl bezeichnen den Abflussanteil der durch Eisschmelze, Schneeschmelze oder Niederschlag verursacht wird. Angaben sind Gebietsmittelwerte über 3 Jahre. Periode Abfluss M Eis M Schnee P fl ET (mm a 1 ) (%) (mm a 1 ) 194 1969 165 ± 16 14% 62% 24% 12 ± 15 198 29 167 ± 23 16% 57% 27% 13 ± 2 221 25 17 ± 21 16% 53% 31% 17 ± 25 27 299 147 ± 27 6 % 52% 42% 235 ± 3 31

2 (m 3 s 1 ) Tagesabfluss (mm d 1 ) 15 1 5 194 1969 198 29 22 249 27 299 Mattmark J F M A M J J A S O N D 1 5 Abbildung 5.8: Zeitliche Entwicklung des Abflussregime im Einzugsgebiet Mattmark. Gezeigt ist der Verlauf des mittleren Tagesabflusses gemittelt über eine Periode von 3 Jahre. 32

Kapitel 6 Schlussfolgerungen 6.1 Vergleich der beiden Untersuchungsgebiete Obwohl die beiden untersuchten Einzugsgebiete geographisch gesehen nicht sehr weit auseinanderliegen, unterscheiden sich dessen Charakteristiken und die daraus hergeleiteten Prognosen beträchtlich. Nebst den recht unterschiedlichen Jahresniederschlagsmengen (das Einzugsgebiet Mattmark ist in den Modellierungen etwa 15% trockener als das Einzugsgebiet Gorner, Abb. 2.2 und 2.4) und dem unterschiedlichen Vergletscherungsgrad der beiden Gebiete (die Vergletscherung des Einzugsgebiets Gorner ist doppelt so hoch wie im Gebiet Mattmark) betrifft der wichtigste Unterschied die Verteilung der in den Gebieten vorkommenden Eismassen. Während im Einzugsgebiet Gorner volumenmässig das meiste Eis in relativ tiefen Lagen liegt (nämlich im flachen Bereich unterhalb des Gornersees, zwischen 23 und 26 m ü.m., Abb. 4.2), sind die Eismassen im Einzugsgebiet Mattmark in bedeutend höheren Lagen anzutreffen (mehr als zwei drittel des Eisvolumens liegen höher als 28 m ü.m., Abb. 4.3) und wesentlich homogener mit der Höhe verteilt. Insbesondere dieser Unterschied in der Höhenverteilung des Eisvolumens führt dazu, dass im Gornergebiet relativ grosse Eismassen in kurzer Zeit hohen Temperatur ausgesetzt sind und so in einem relativ begrenzten Zeitraum zu einer markant erhöhten Eisschmelze führen, während sich der Effekt im Einzugsgebiet Mattmark nur nach und nach, und somit wesentlich gedämpfter, bemerkbar macht. Im Einzugsgebiet Mattmark widerspiegelt die Entwicklung der Jahresabflussmengen die sich allmählich verkleinernde Gletscherfläche. Hingegen sorgen die grossen Eismassen im Einzugs- 33

specifischer Abfluss (mm a 1 ) gebiet Gorner für eine verstärkte Schmelze und Abflüsse in den kommenden Jahren. Zur Illustration ist in Abbildung 6.1 die Entwicklung der Jahresabflussmenge in den beiden untersucten Gebieten einader gegenübergestellt. 2 15 Gorner Mattmark 19 195 2 25 2 Abbildung 6.1: Entwicklung des spezifischen Abflusses in der Vergangenheit und der Zukunft in den beiden untersuchten Einzugsgebieten Gorner (rot) und Mattmark (grün). Im Zeitraum 29 2 ist für die beiden Gebiete jeweils nur das Mittel aller Realisierungen gezeigt. Die Referenzperiode sowie die beiden Szenarioperioden sind durch die schraffierten Flächen markiert. 6.2 Unsicherheiten In der vorliegenden Studie wurden einzelne, stark vergletscherte Einzugsgebiete untersucht. Dazu wurde das dafür ausgelegte glazio-hydrologische Modell GERM verwendet (siehe Kapitel 3). Kern darin sind das Massenbilanz- und Gletscherentwicklungsmodell. Verglichen mit der ersten Version des Modells, welche von Huss et al. (28b) präsentiert wurde, konnten entscheidenede Fortschritte bei der Berechnung der Entwicklung der Gletschergeometrie erziehlt werden. Mittlerweile liegt auch ein neues 3D Gletscherfliessmodell (Jouvet et al., 28) vor, welches für operationelle Anwendungen zur Verfügung steht. Das Massenbilanzmodell basiert auf einen robusten Ansatz, dessen Parameter für jedes Einzugsgebiet seperat kalibriert werden 34