21. Jahrestagung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v. 9. bis 11. Oktober 2008 Gustav-Stresemann-Institut, Bonn

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Transkript:

21. Jahrestagung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v 9. bis 11. Oktober 2008 Gustav-Stresemann-Institut, Bonn Symposium III: Kontrolle von Infektionskrankheiten durch Impfung Neue Virusimpfstoffe Wolfgang Jilg Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene Universität Regensburg

Virusimpfstoffe vorhanden gegen Poliomyelitis Hepatitis B Masern Mumps Röteln Influenza Hepatitis A FSME Gelbfieber Japan-Enzephalitis Tollwut Hum. Papillomviren Rotaviren Varizellen nicht vorhanden* gegen (z.b.) HIV HCV HSV 2 CMV * trotz intensiver Forschungsarbeiten

Wirkprinzipien antiviraler Impfstoffe erregerspezifische Antikörper Bindung an virale Oberflächenproteine Neutralisierung induzieren Bildung von Plasmazellen, Antikörper- switch (IgM IgG, -A), Antikörperreifung erregerspez. T-Helfer-Zellen (CD4 pos.) TH TH zerstören infizierte Zellen erregerspez. zytotoxische T-Zellen (CD8 pos.) i.d. Regel nur bei Lebendimpfstoffen TK TK TK

Gründe für das Versagen klassischer antiviraler Impfstoffe Hohe Variabilität des Erregers (HIV, HCV) Ausbildung von Fluchtmutanten, die von den impfinduzierten Antikörpern nicht erkannt werden Erreger führt obligat/sehr häufig zu persistierender Infektion (HIV, HCV, Herpesviren) Unterlaufen der spezifischen Immunabwehr (Immunevasion)

Virusimpfstoffe in Entwicklung Plotkin, Orenstein, Offit: Vaccines, 5 th ed. (2008) Impfstoffe gegen Adenoviren Ebolavirus Epstein-Barr-Virus Hepatitis-C-Virus Herpes simplex-virus HIV RSV Parainfluenzavirus SARS Zytomegalievirus Denguevirus Hepatitis-E-Virus

Zytomegalie-Virus (CMV) Übertragung Übertragungsfrequenz Speichel Urin 0 2 5 10 15 20 25 Alter Speichel Urin Sperma Zervixsekret Jahre

Zytomegalie-Virus (CMV) klinische Bedeutung akute Infektion in der Regel subklinisch selten: mononukleoseähnliches Krankheitsbild Hepatitis gefährlich für - Schwangere (Fruchtschädigung) - Immunsupprimierte (Organschäden)

Zytomegalie-Virus (CMV) klinische Bedeutung bei noch nicht ausgereiftem oder defektem Immunsystem: Versagen der immunologischen Kontrolle der latenten CMV-Infektion gesteigerte Virusreplikation Befall (fast) aller Organe möglich

Kongenitale CMV-Infektion in ca. 1% aller Geburten bei 5-10% der infizierten Kindern klinische Erscheinungen - Mikrozephalie - motorische Störungen - Retardierung - fulminante CMV-Infektion

Kongenitale CMV-Infektion Abhängigkeit v. d. mütterlichen Infektion mütterliche Infektion primär reaktiviert / Superinfektion intrauterine Infektion ~ 50% ~1% klinisch apparente Infektion bei Geburt 5-10% < 0,5% Spätschäden 10-15% << 0,5%* * eventuell auftretende Spätschäden meist geringgradig

Entwicklung eines CMV-Impfstoffs Impfstoffkandidaten in klinischen Studien* Attenuierte Lebendimpfstoffe Stamm AD169 Stamm Towne Towne-Toledo-Chimären Subunit-Impfstoffe Glykoprotein B / MF59-Adjuvans Glykoprotein B / Canarypox-Vektor pp65 / Canarypox-Vektor gb / pp65 bivalente DNA-Vakzine gb / pp65/ie1 trivalente DNA-Vakzine gb / pp65/ie1 Alphavirus-Replikon, trivalente Vakzine * Schleiss, Curr Top Microbiol Immunol 2008;325:361-382

Entwicklung eines CMV-Impfstoffs Glykoprotein B als Impfstoffkandidat Impfstoffprotein: rekombinantes Protein (CHO-Zellen) Transmembrandomäne entfernt Proteasespaltstelle verändert Monomer, MW ca. 80.000 Glykoprotein B (Trimer)

Entwicklung eines CMV-Impfstoffs Glykoprotein B + MF59-Adjuvans Squalen Sorbitan-Trioleat Polysorbat 80 MF59 recomb. Glykoprotein B

Entwicklung eines CMV-Impfstoffs Glykoprotein B-Impfstoff: klin. Prüfung Phase-2-Studie, plazebokontrolliert, randomisiert, doppelblind 234/230 Teilnehmerinnen (CMV-neg. junge Frauen, < 1 Jahr nach Geburt eines Kindes), 3 Dosen Impfstoff / Plazebo (Monat 0, 1, 6) Nachbeobachtung 42 Monate, serologischer Nachweis d. Infektion 15 Frauen infiziert (%) 10 5 8,0 1,3 14,4 3,1 Neugeborene 0 Impfgruppe Plazebogruppe * Pass et al, New Engl J Med 2009;360:1191-9

Dengue-Fieber Erreger: Verbreitung: Überträger: Dengue-Virus, 4 Serotypen SO-Asien, Südpazifik, Afrika, Südl. USA, Karibik ca. 50 Mio Erkrankungen weltweit Stechmücken (Aedes spezies, bes. Aedes aegypti) Symptomatik: 1) "Klassisches" Dengue-Fieber Fieber, Exanthem, Gelenk-, Muskel-, Kopfschmerzen 2) milde atypische Verläufe 3) Dengue-hämorrhagisches Fieber (DHF) Dengue-Schock-Syndrom ("DSS ) hohes Fieber, Blutungsneigung, Schocksymptomatik

Dengue-Fieber 2006-2009 nach Deutschland eingeschleppte Fälle 2006 175 Fälle 2007 264 Fälle 2008 273 Fälle 2009 298 Fälle 1 Todesfall (Dengue-Schock-Syndrom) Herkunftsländer: Thailand, Indien, Indonesien u.a Dunkelziffer hoch: wahrscheinlich > 1.000 Infektionen jedes Jahr nach Deutschland eingeschleppt!

Dengue-Fieber: Impfstoffentwicklung Impfstoffkandidaten chimeric vaccines (Gelbfieber-Impfvirus + Denguevirusgene) attenuierte Lebendimpfstoffe Totimpfstoffe (Gesamtvirus, Proteine) DNA-Impfstoffe Virale Vektoren (Adenovirusvektor, Masernvirusvektor) Webster, Lancet Inf Dis 2009;9: 678-87

Hepatitis E Infektionsweg: Inkubationszeit: Klinik: fäkal-oral (Trinkwasser; Nahrungsmittel?) 4-6 Wochen meist (?) akute Hepatitis; häufigste Ursache akuter Hepatitiden junger Erwachsener in Entwicklungsländern; keine Chronifizierung* Komplikationen: fulminante Hepatitis (ca. 1%?) hohe Letalität bei Schwangeren * bei Immunsupprimierten auch über Jahre persistierende Infektionen

Hepatitis E Epidemiologie/Anteil an akuten Virushepatitiden weltweit Purcell and Emerson, J Hepatol 2008: 48: 494-503

Hepatitis E in Deutschland Gemeldete akute Fälle 2001-2010 Jahr gemeldete % der Fälle Fälle ohne Reiseanamnese 2001 31 n.d. 2002 17 44 2003 32 33 2004 53 40 2005 54 44 2006 52 44 2007 75 61 2008 104 67 2009 108 79 2010 (Jan-Juli) 114 78 Robert-Koch-Institut 2010

Hepatitis E HEV-Impfstoff: Phase 3-Studie (1), Nepal rekombinante 56 kd-sequenz des Kapsidproteins von HEV, Genotyp 1 exprimiert mittels des Bakulovirussystems in Insektenzellen adjuvantiert mit Aluminiumhydroxid 1794 Teilnehmer (898 in der Impfgruppe, 896 in der Plazebogruppe) 3 Impfungen (Monat 0, 1, 6) 3 / 66 Infektionen innerhalb von 26 Monaten Wirksamkeit 95,5%

Hepatitis E HEV-Impfstoff: Phase 3-Studie (2), China Plazebokontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie mit 97.356 (48.693 / 48.663) Teilnehmern Impfstoff: 213 As-lange Sequenz des Kapsidproteins von HEV (Genotyp 1), adsorbiert an Aluminiumhydroxid 3 Impfungen (Monat 0, 1, 6) Beobachtungszeit 13 Monate nach 3. Impfung Ergebnis: 0 / 15 Infektionen Wirksamkeit 100 % Zhu et al, Lancet 2010;376:895-902