Heike Simmet & Engin Arslan Labor Marketing und Multimedia (MuM) Hochschule Bremerhaven Recruiting ausländischer Fachkräfte Effiziente Ansprache türkischer Akademiker und Studenten durch Social Media Der immer dringlicher werdende Fachkräftemangel führt in den letzten Jahren zu deutlich intensivierten Bemühungen des Anwerbens ausländischer Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. Sowohl die politischen Bestrebungen als auch die Akquisitions-Kampagnen der Fachkräfte suchenden Unternehmen bleiben jedoch bislang ohne nachhaltige Wirkung. Zu eindimensional wird das Problem der Integration hochqualifizierter Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt angegangen. Die Bestrebungen zielen bislang überwiegend auf eine Reduktion der immensen bürokratischen Hürden z.b. in Form der Blue Card und auf allgemeine werbliche Ansprachen. Ein gezieltes und systematisch aufgebautes Ethno-Marketing (Museolik 2010) zum Aufbau einer für hochqualifizierte ausländische Arbeitnehmer attraktiven Arbeitgebermarke im Rahmen eines kultursensiblen Employer Brandings erfolgt erst in Ansätzen. So wird zum Beispiel die große Gruppe der türkischstämmigen Hochqualifizierten in Deutschland in einem nur sehr geringen Umfang mit Blick auf die bestehenden kulturellen Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten adressiert. Die in Deutschland geborenen oder bereits lange Zeit ansässigen türkischstämmigen Akademiker und Studenten bilden somit heute ein noch kaum gezielt angesprochenes Reservoir an hochqualifizierten Fachkräften im Rahmen des Human Resource Managements. Diese Gruppe weist aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes Besonderheiten auf, die in ihrer kommunikativen Ansprache bislang erst kaum berücksichtigt worden sind.
Kultursensible Kommunikation erforderlich Ethno-Marketing als eine immer aktueller werdende Ausprägung des interkulturellen Marketings (Müller/Gelbrich 2004; Usunier/Wallisier 1993) berücksichtigt auf der Grundlage einer systematisch durchgeführten interkulturellen Marktforschung (Simmet 1998) die kulturellen Besonderheiten von ethnischen Minderheiten und zielt auf eine sensible Anpassung der abgeleiteten Marketingstrategien und Marketinginstrumente ab. Ziel des Ethno-Marketings ist es, eine emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen sowie Sympathie und Vertrauen aufzubauen. Diese emotionale Verbundenheit lässt sich nicht durch einen Abbau von Bürokratie und eine werblich induzierte Reduktion der zum Teil tief verankerten Vorbehalte gegenüber den Besonderheiten einzelner ethnischer Gruppen und kultureller Gemeinschaften erzielen. Erforderlich ist vielmehr eine Intensivierung der Kommunikation. Vor allem die dialogorientierte Kommunikation über Social Media eröffnet im Personal-Recruiting Erfolg versprechende neue Ansatzpunkte. Berücksichtigung der Dualität in der Identität Eine zentrale Erkenntnis aus einer empirischen Untersuchung zum kultursensiblen Employer Branding mit Social Media ist die Dualität in der Identität der türkischen Akademiker und Studierenden (TASD). Diese können sich sowohl mit der deutschen als auch der türkischen Kultur identifizieren. Die Vorstellung, dass der türkischstämmige Deutsche zwischen zwei Stühlen sitzt, konnte in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Im Gegenteil vielmehr scheinen die TASD einen Weg gefunden zu haben durch den sie beide kulturelle Einflüsse miteinander vereinbart haben. Die TASD legen wenig Wert auf eine komplette Ausrichtung der Arbeitgeberkommunikation auf die türkische Kultur. Kulturspezifische Symbole wie das berühmte Teeglas, das ein beliebtes Motiv in der Werbung ist, sind für die TASD nicht so relevant.
Die TASD wollen nicht auf ihre ethnische Herkunft oder ihre Religion reduziert werden. Zugleich erwarten sie im Hinblick auf Chancengerechtigkeit und Gleichbehandlung einen Respekt vor ihrer ethnischen Herkunft. Unternehmen, die kulturelle Unterschiede tolerieren und aktive Chancengleichheit fördern, sind für die TASD attraktive Arbeitgeber. Mit kultureller Identität ist die Zugehörigkeit zu bestimmten kulturellen und gesellschaftlichen Gruppen gemeint. Mit der Dualität bzw. der Hybridität der Identität ist die Identifikation sowohl mit der Kultur des Herkunftslandes als auch der des Aufnahmelandes gemeint. Dieses Phänomen ist bei Diasporagemeinschaften, also Gemeinschaften die sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden bekannt. Sie lehnen die Assimilation in die Mehrheitsgesellschaft ab und entwickeln eine herkunftslandbezogene Haltung. Die gemeinsam erlebte Diskriminierung und die Identifikation mit dem Heimatland verhindern die Assimilation in die Mehrheitsgesellschaft. In der Diaspora treffen kulturelle Elemente des Herkunftslandes und der Aufnahmegesellschaft aufeinander und dadurch entsteht eine Hybridisierung der Identität. Im Fall der TASD entsteht eine deutsch-türkische Identität. Diese hängt nicht nur mit einer gemeinsam erlebten Diskriminierungserfahrung zusammen, sondern vorwiegend mit der Identifikation mit Deutschland. Ay Yildiz, die Tochtergesellschaft des Mobilfunkanbieters E- Plus, hat in ihrer Werbung diese Dualität in der Identität erkannt und betreibt erfolgreiches Ethno-Marketing. Abbildung 1 zeigt, dass der Mobilfunkanbieter sowohl die türkische als auch deutsche Sprache verwendet, um auf seine Produkte aufmerksam zu machen. Er signalisiert gleichzeitig, dass ihm die Dualität ihrer Zielgruppe wichtig ist. Dieses Fallbeispiel verdeutlicht exemplarisch, wie die Dualität in den Ethno-Marketing- Ansätzen auch für das Personal-Recruiting angewendet werden kann.
Abbildung 1: Beispiel für die Berücksichtigung der Dualität in der Identität Quelle: http://newsdesk.eplus-gruppe.de Leistungsfähigkeit und Respekt im Vordergrund Unternehmen, die auf Fach- und Führungskräfte mit einem türkischen Migrationshintergrund angewiesen sind bzw. diese rekrutieren möchten, sollten bei der Ausrichtung ihrer Personal-Recruiting-Aktivitäten achten, dass an erster Stelle die Leistungsfähigkeit der TASD und die Anerkennung dieser stehen sollte. Erst hiernach sollte die ethnische Herkunft oder die Religion betont werden. Eine rein auf die türkische Kultur ausgerichtete Unternehmenspräsentation hingegen ist seitens der befragten TASD kein Kriterium, welches einen Arbeitgeber in ihren Augen attraktiver erscheinen lässt. Vielmehr sollte dargelegt werden, dass dem Unternehmen insgesamt die Vielfalt in der Belegschaft
wichtig ist. Zudem sollte der respektvolle Umgang mit verschiedenen Kulturen von allen Mitarbeitern und Führungskräften gelebt und kommuniziert werden. Vor allem gilt es, die synergetischen Potenziale eines interkulturellen Lernens voneinander zu betonen. Sollte ein Unternehmen beispielsweise aktiv Diversity Management betreiben oder gar eine eigene Stelle bzw. Abteilung dafür eingerichtet haben, sollte dies in der Personal-Rekrutierung betont werden. Rolle von Social Media im Personal-Recruiting Unternehmen, die ein kultursensibles Personal-Recruiting mit Social Media betreiben, können sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern im War for Turkish Talents sichern. Eine zentrale Rolle für türkischstämmige Akademiker und Studenten spielen Facebook, YouTube und XING. Die internationalen Netzwerke bzw. das auf den deutschen Business-Sektor konzentrierte XING spielen für die Gruppe der TASD eine weitaus größere Rolle als die türkischen Plattformen in den sozialen Netzen. Vor allem YouTube als Social Media Kanal kann sich als erfolgversprechendes Instrument zur Ansprache der TASD erweisen. Denn gerade die sich bei den jüngeren Altersgruppen zunehmend durchsetzende Bildkommunikation erweist sich als geeignet, kulturspezifische und kulturübergreifende Symbole gleichzeitig zu übertragen. Unternehmenseigene Videos (Image- Videos) oder Mitarbeitervideos (Testimonial-Videos) ermöglichen in besonderem Maße, einen authentischen und zugleich emotionalen Einblick in die kulturell gelebte Offenheit des Unternehmens.
Abbildung 2: Nutzung sozialer Netzwerke durch türkische Akademiker und Studenten Quelle: Arslan, Engin, Kultursensibles Employer Branding mit Social Media Die Nutzung von Social Media im Personal-Recruiting und Employer Branding wird mehr und mehr praktiziert. Eine kultursensible Ansprache von türkischstämmigen Akademikern und Studenten auf der Grundlage eines angepassten Ethno- Marketings in den sozialen Netzen steht hingegen erst in den Anfängen.
Quellennachweis: Arslan, Engin, Kultursensibles Employer Branding mit Social Media am Beispiel türkischer Akademiker und Studenten, Diplomarbeit, Hochschule Bremerhaven 2011 Müller, Stefan/Gelbrich, Katja, Interkulturelles Marketing, München 2004 Musiolik, Thomas H., Ethno-Marketing Werbezielgruppen in der multikulturellen Gesellschaft, Hamburg 2010 Simmet, Heike, Interkulturelle Marktforschung im Europäischen Transformationsprozeß, Stuttgart 1998 Usunier, Jean-Cloude/Wallisier, Björn, Interkulturelles Marketing. Mehr Erfolg im internationalen Geschäft, Wiesbaden 1993.