9. Asymmetrische Information



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Transkript:

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Definition Asymmetrische Information: Eine Marktseite (Käufer oder Verkäufer) weißmehr als die andere (Käufer oder Verkäufer). Betrifft 1) Qualität/Zustand eines Gutes oder 2) Handlungen, die nur eine Marktseite beobachten kann: Unbeobachtbare/r Qualität/Zustand eines Gutes: adverse Selektion. Unbeobachtbare Handlungen: moral hazard. Beispiele: Dating agencies. Markt für gebrauchte Elektrogeräte. Universitätsabschlüsse. vor allem: Versicherungs- und Kapitalmärkte. 86

Adverse Selektion Akerlofs Market for Lemons : Markt für (schlechte) Gebrauchtwagen. Annahmen: Autos mit unterschiedlicher Qualität, nicht beobachtbar für (risikoneutrale) Käufer. Käufer (K) und Verkäufer (V ) haben unterschiedliche Wertschätzung W für Autos mit bestimmter Qualität. Beispieltabelle mit 5 Käufern: Auto W K W V 1 5000 4000 2 4000 3000 3 3000 2400 4 2000 1600 5 1000 800 87

Marktergebnis: 9. Asymmetrische Information Adverse Selektion Käufer sind nur bereit, einen Durchschnittspreis zu zahlen, d.h. 1 5 W K = 3000. Zu diesem Preis wird der Verkäufer des Autos 1 sein Auto zurückziehen. Jetzt sind die Käufer nur noch bereit 1 4 W K = 2500 zu zahlen. Auto 2 wird zurückgezogen. Etc. Adverse Selektion: die guten Autos selektieren sich aus dem Markt heraus, die schlechten Autos in den Markt hinein. Informationsasymmetrien können dazu führen, dass Märkte zusammenbrechen bzw. einige Produkte nicht mehr anbieten bzw. einige Kunden nicht mehr bedienen. 88

Adverse Selektion: Bsp. Unfallversicherung Modell: Viele Individuen. Individuelle Schadenswahrscheinlichkeit θ [0, 1] (gleichverteilt). Schaden d = 1. Erwartungswert des Schadens: θd = θ. Individuen sind risikoavers, d.h. haben Kaufbereitschaft für Vollersatz des Schadens von [1 + α] θ mit α > 0 Versicherung bietet Vollversicherung für Typ θ mit Prämie π (θ) an. Vollständige Konkurrenz im Versicherungssektor, d.h. π (θ) = θ 89

Adverse Selektion: Bsp. Unfallversicherung Annahme: Schadenstyp θ ist beobachtbar. Marktgleichgewicht: Vollständige Konkurrenz führt zu π (θ) = θ. Da θ [1 + α] > π = θ, versichert sich jedes Individuum. Die Versicherung stellt eine Pareto-Verbesserung dar. 90

Adverse Selektion: Bsp. Unfallversicherung Annahme: Schadenstyp θ nur dem Individuum bekannt. Marktgleichgewicht: Prämien können nicht typabhängig sein, daher π (θ) = π für alle θ. Für kleine θ gilt: π > [1 + α] θ daher wird Versicherung abgelehnt. Es gilt π = E (θ : [1 + α] θ π) (lies: Erwartungswert über alle θ, für die gilt, dass [1 + α] θ π). 91

Adverse Selektion: Bsp. Unfallversicherung Bei Gleichverteilung gilt E (θ : θ x) = x +1 2, also ( π = E θ : θ π ) = 1 [ ] π 1 + α 2 1 + α + 1 bzw. π = 1 + α 1 + 2α Prämie im Gleichgewicht ist abhängig von der Risikoaversion α: lim π = 1 und lim π = 1 α 0 α 2 Anteil der Versicherten: alle Typen mit 1 1 + 2α θ 1 92

Adverse Selektion: Bsp. Unfallversicherung Kann der Staat die Situation verbessern? Pflichtversicherung führt zu π = E (θ) = 1 2 < 1 + α 1 + 2α Wer gewinnt? Wer verliert? Es verlieren alle, für die gilt [1 + α] θ < 1 2 bzw. θ < 1 2 (1 + α) Also keine Pareto-Verbesserung. 93

Adverse Selektion: Lösungsmöglichkeiten Pflichtversicherung: Pooling-Gleichgewicht mit niedrigeren Preisen (Achtung: keine Pareto-Verbesserung). Screening: die Marktseite mit Informationsnachteil wird aktiv, um ein ineffi zientes Pooling-Gleichgewicht zu vermeiden: Testberichte lesen, Stiftung Warentest o.ä., etc. mehrere Verträge anbieten, um Selbstselektion zuzulassen. Signaling: die Marktseite mit Informationsvorteil wird aktiv. Garantie für Elektrogeräte. Lebensläufe (z.b. Sport als Hobby). Bildungsabschlüsse. 94

Moral Hazard: Bsp. Vollkaskoversicherung Modell: Viele risikoaverse Individuen mit Einkommen r. Unfallwahrscheinlichkeit p, Schaden d. Individuen können Unfallwahrscheinlichkeit durch Wahl von e {0, 1} beeinflussen: p = p (e) mit p (1) < p (0) e hat Kosten von ce. Nutzenfunktion u (.) mit u > 0 > u (Risikoaversion). 95

Moral Hazard: Bsp. Vollkaskoversicherung Ohne Versicherung hat das Individuum einen Nutzen von U 0 (e) = p (e) u (r d) + (1 p (e)) u (r) ce Haushalt wird e = 1 wählen, wenn gilt U 0 (1) > U 0 (0) bzw. wenn die Vorsichtskosten klein genug sind, d.h. c c 0 mit c 0 [p (0) p (1)] [u (r) u (r d)] 96

Moral Hazard: Bsp. Vollkaskoversicherung Vollkaskoversicherung mit Prämie π und Erstattungssumme δ: U (e, δ, π) = p (e) u (r π + δ d) + (1 p (e)) u (r π) ce Annahme: e ist beobachtbar. Marktgleichgewicht: Vollversicherung mit Prämie π = p (e) δ = p (e) d. Wählen e = 1, wenn u (r p (1) d) c > u (r p (0) d) 97

Moral Hazard: Bsp. Vollkaskoversicherung Annahme: e ist nicht beobachtbar. Marktgleichgewicht: Vollversicherung mit Prämie π = E (p) d. Individuen haben keinen Anreiz, e = 1 zu wählen, da die Prämie sich dadurch nicht ändert. Versicherungen antizipieren das, daher gilt: E (p) = p (0). Ineffi zient geringes Vorsichtsniveau e. (Unvollkommene) Lösungsmöglichkeit: Screening, z.b. Selbstbeteiligung. Signaling. 98

Anwendungen Krankenversicherung: Private Krankenversicherung. Zahnersatz. Obamacare. Arbeitslosenversicherung (Pflicht). Berufsunfähigkeitsversicherung (freiwillig). 99