Zielmarktanalyse Myanmar



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BMWi-Markterkundungsreise Myanmar: Maschinen- und Anlagenbau, Schwerpunkt: Textilmaschinen sowie Bekleidungs- und Ledertechnik vom 9. bis 14. November 2013 Zielmarktanalyse Myanmar

Wirtschaftliche und politische Lage 2013 + Regierung hält am politischen und wirtschaftlichen Reformkurs fest + die Lockerung / Aufhebung westlicher Sanktionen eröffnen neue wirtschaftliche Spielräume + Wiedergewährung des GSP-Status durch die EU verspricht Aufschwung für die Bekleidungsindustrie + Startschuss zur Liberalisierung des Kommunikationssektors + hohe Steigerungsraten bei den Touristenzahlen - ethnische und religiöse Konflikte zwischen Buddhisten und Muslimen belasten Reformprozess - in der Wirtschaftsmetropole Yangon gibt es einen zunehmenden Mangel an Büroflächen - ein weiterhin unkalkulierbares administratives Umfeld erschwert Investitionen - der Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen schwächelt Prognose 2014 + ein weiterer Ausbau der Sonderwirtschaftszonen kann helfen, die Strukturdefizite zu kompensieren + ein neues Bergbaugesetz könnte den Sektor interessanter machen + Umdenken bei der Regierung, Energieressourcen für eigene Zwecke zu nutzen +/- es kommt zu einer Verbesserung des Geschäftsumfeldes, die jedoch nur sehr langsam vorangeht - Mängel im Infrastrukturbereich bleiben zentrales Wachstumshindernis - die Defizite im Bildungsbereich dürften sich allenfalls langfristig beheben lassen - der weitere Fortgang der politischen Entwicklung lässt sich kaum vorhersagen

Inhalt 1 Politischer Überblick... 1 1.1 Gesamteinschätzung... 1 1.2 Trends und Perspektiven... 1 1.3 Akteure... 3 1.4 Außenbeziehungen... 5 1.5 Myanmar als ASEAN-Mitglied... 7 2 Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung... 8 2.1 Wachstumsaussichten... 8 2.2 Probleme und Herausforderungen... 10 2.3 Wirtschaftspolitische Ansätze... 12 3. Makroökonomische Entwicklungen... 15 3.1 Finanzpolitik... 15 3.2 Währung und Kapitalmarkt... 16 3.3 Außenwirtschaftliche Trends... 17 4 Branchenübersicht... 18 4.1 Agrarwirtschaft... 18 4.2 Bergbau und Energie... 19 4.3 Verarbeitende Industrie... 22 4.4 Handel, Finanzinstitute, Dienstleistungen... 22 4.5 Tourismus... 24 5 Schwerpunkt Bekleidungsindustrie... 25 6 Infrastruktur und Verkehrswesen... 28 7 Telekommunikation und Medien... 30 8 Beziehungen zu Deutschland... 31 9 Marktzugangsbedingungen...33 9.1 Investitionsrecht/Gesellschaftsformen...33 9.2 Gewerblicher Rechtsschutz... 34 9.3 Steuern... 34 9.4 Schiedsgerichtsbarkeit... 35 9.5 Eigentumserwerb... 35 9.6 Währung/Devisen... 35

9.7 Zölle/Handelsbedingungen... 36 9.8 Einreisebestimmungen... 36 10 Mögliche Kooperations- und Ansprechpartner... 37 10.1 Öffentliche Entscheidungsträger... 37 10.2 Unternehmen... 39 10.3 Verbände... 40 10.4. Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfgesellschaften, Anwaltskanzleien... 41 10.5. Forschungseinrichtungen... 42

1 Politischer Überblick 1.1 Gesamteinschätzung Die Regierung von Myanmar unter Führung von Präsident Thein Sein hält weiter an dem seit Anfang 2011 eingeschlagenen politischen und wirtschaftlichen Liberalisierungskurs fest. Trotz einer ganzen Reihe von substanziellen Reformmaßnahmen ist es jedoch noch zu früh, um robuste Prognosen über die weitere Entwicklung abgeben zu können. 1 Zu den wichtigsten politischen Reformen gehörten bisher die Freilassung einer Vielzahl politischer Gefangener, Friedensabkommen mit Rebellengruppen ethnischer Minderheiten, das Einräumen echter Entfaltungsmöglichkeiten für die Opposition sowie die Gewährung eines größeren Maßes an Meinungs- und Versammlungsfreiheit für die Bürger. In ökonomischer Hinsicht wurde mit der schrittweisen Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen begonnen. Als problematisch stellt sich insgesamt jedoch dar, dass die Erleichterungen nicht von der Demokratiebewegung erkämpft, sondern vom Establishment freiwillig von oben gewährt wurden. Dieser Umstand impliziert die Möglichkeit, dass die Lockerungen bei Bedarf prinzipiell wieder rückgängig gemacht werden können. Dies könnte beispielsweise dann geschehen, wenn relevante Teile der militärischen Führungsschicht den Eindruck gewinnen, dass der Reformprozess in unkalkulierbare Bahnen gerät und ihre Sonderrechte und Privilegien in erheblicher Weise beschnitten werden könnten. 1.2 Trends und Perspektiven Als ein weiterer zentraler Unsicherheitsfaktor kommt hinzu, dass in den letzten Monaten wiederholt gewaltsame Konflikte zwischen der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit und der muslimischen Minderheit ausgebrochen sind. Dabei kam es insbesondere im Juni und Oktober 2012 im westlich gelegenen Rakhaing-Staat zu schweren anti-muslimischen Krawallen und Massenvertreibungen. 2 Dabei kamen 200 Menschen zu Tode, 125.000 wurden vertrieben. Hiervon ausgehend hat die pogromartige Gewaltwelle Anfang März 2013 auch andere Landesteile wie die Stadt Meiktila in Zentralmyanmar erfasst. Angesichts tiefsitzender anti-muslimischer Ressentiments und eines mangelnden Eingreifens der staatlichen Behörden gelten weitere Zusammenstöße in der Zukunft als wahrscheinlich. 3 Die Vorkommnisse sind vor dem Hintergrund eines erstarkenden burmesisch-buddhistischen Nationalismus zu sehen, der einer zunehmenden Intoleranz den Weg bahnt und zum Beispiel zum Boykott 1 Vgl. Lex Rieffel, Myanmar on the Move: An Overview of Recent Developments, in: Journal of Current Southeast Asian Affairs, 4/2012, S. 31-49, hier S. 32. 2 Vgl. Christoph Hein,»Ethnische Säuberungen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.04.2013, S. 5. 3 Vgl. International Crisis Group, The Dark Side of Transition: Violence Against Muslims in Myanmar, Asia Report N 251, 1. Oktober 2013, verfügbar unter: http://www.crisisgroup.org/~/media/files/asia/south-east-asia/burmamyanmar/251-the-dark-side-of-transition-violence-against-muslims-in-myanmar. 1

muslimischer Geschäfte aufruft. Insgesamt liegt der Anteil der Muslime an Myanmars Bevölkerung bei vier Prozent, derjenige der Buddhisten bei 90 Prozent. Immer wieder Schlagzeilen macht dabei die von buddhistischen Mönchen angeführte Bewegung 969. Anti-muslimische und auch anti-indische Ausschreitungen hat es in Myanmar immer wieder gegeben, wobei sie im Kontext Ansiedlungs- und Machtpolitik während der britischen Kolonialherrschaft zu sehen sind. Mit den größeren Freiheiten und in Kombination mit modernen Kommunikationsmitteln ist das Risiko entsprechender Ausbrüche aber inzwischen deutlich angestiegen. Sie können insofern als ungewünschte Begleiterscheinungen des politischen Öffnungsprozesses interpretiert werden. 4 Auch gibt es trotz des eingeleiteten nationalen Aussöhnungsprozesses weiterhin gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und ethnischen Minderheiten. Es zeigt sich, dass die Waffenstillstandsabkommen, die die Regierung mit ethnischen Gruppen wie den Karen und den Shan abgeschlossen hat, durchaus brüchig sind. 5 All diese teils ethnisch-religiös grundierten und teils verdeckt politisch motivierten Konflikte könnten von den Hardlinern genutzt werden, um eine gezielte Destabilisierung herbeizuführen, die wiederum das Einführen von Repressionsmaßnahmen rechtfertigen würde. Hier liegt ein manifestes Konfliktpotenzial, das sich für den weiteren Fortgang des Reformprojektes als schwere Hypothek erweisen und die politische Stabilität des Vielvölkerstaates Myanmar nachhaltig gefährden könnte. Nach Regierungsangaben gibt es insgesamt 135 verschiedene ethnische Untergruppen, die circa ein Drittel der Gesamtbevölkerung umfassen. 6 Genaue Zahlen sind allerdings nicht verfügbar, auch weil sie Gegenstand politischer Kontroversen sind. Die zahlenmäßig größten unter ihnen sind jedenfalls die Shan, Karen und Arakanesen (Rakhine). Darüber hinaus existieren weitere ethnische und linguistische Subgruppen, die sich wiederum in Sprecher diverser Dialekte unterteilen. Bei einigen dieser Gruppen gibt es deutliche Abspaltungsambitionen. Die Bevölkerungsmehrheit stellen die Birmanen, die vor allem im zentralen Tiefland des Landes leben. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der bisherige Reformprozess ganz wesentlich auf der engen Zusammenarbeit zwischen Präsident Thein Sein und der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi beruhte. Es ist momentan nicht absehbar, wie die Entwicklung weiter verlaufen wird, sollten diese beiden Personen einmal nicht mehr zur Verfügung stehen. Trotz dieser Einschränkungen spricht aber einiges dafür, dass der Öffnungsprozess inzwischen ein Stadium erreicht hat, in dem ein vollständiges Roll-back als eher unwahrscheinlich angesehen werden kann. Dies lässt sich einmal mit einer inzwischen massiv angestiegenen Erwartungshaltung aufseiten der 4 Vgl. Ebd. 5 Vgl. http://www.economist.com/news/asia/21587272-despite-hopes-nationwide-ceasefire-agreement-trust-neededlasting-peace-remains-long. 6 Vgl. Klemens Ludwig, Birma, 2., völlig neu bearbeitete Auflage, München 2009, S. 19ff. 2

Bevölkerung begründen, die eine weitgehende Rückkehr zum Status quo ante kaum unwidersprochen akzeptieren würde. Für eine neue Haltung aufseiten der Regierung spricht auch die Absicht, bis Ende 2013 die letzten politischen Gefangenen freilassen zu wollen. Zum anderen hat der durch den Öffnungskurs und die ausländischen Investitionen bewirkte wirtschaftliche Aufschwung vielfältige neue materielle Anreize für Myanmars Ex-Generäle geschaffen, die sie zumindest von einer grundsätzlichen Revision der bisherigen Reformzugeständnisse abhalten dürften. 7 Zudem befördert der ökonomische Aufschwung die Herausbildung neuer Interessensgruppen, die auf eine Fortführung und möglicherweise sogar Intensivierung des Öffnungskurses drängen werden. Auf der anderen Seite existiert aber auch eine andere Fraktion, die versuchen wird, das Reformtempo zu drosseln, um politisch weiter das Oberwasser zu behalten. Welche dieser Gruppen sich durchsetzen wird, dürfte sich nicht zuletzt daran entscheiden, inwieweit es in einer absehbaren Zeit gelingen wird, reale Wohlstandszuwächse für breite Teile der Bevölkerung zu erzielen. In diesem Sinne stellt die Schaffung einer Großzahl neuer Arbeitsplätze unbestreitbar die wichtigste Herausforderung für die Reformbefürworter dar. Dies bedeutet, dass speziell besonders arbeitsintensive Wirtschaftssektoren wie die Bekleidungsindustrie systematisch gefördert werden müssen. Zudem steht die Regierung ganz generell unter Druck, eine Reform-Dividende zu erwirtschaften, mit der sie die Abgabe von Machtbefugnissen gegenüber dem Militär rechtfertigen kann. Das plausibelste Szenario besteht auf absehbare Zeit vielleicht in der Herausbildung eines halbdemokratischen Mischsystems, bei dem den Bürgern zwar essenzielle Freiheiten gewährt werden und die Opposition zunehmend in die Entscheidungsfindung einbezogen wird, die militärnahe Führungsschicht aber weiter effektive Kontrollinstrumente besitzt, um ihr unliebsame Entwicklungen zu vereiteln. Schon in die Verfassung von 2008 wurden offenbar bewusst entsprechende Sicherungsmechanismen eingearbeitet. 8 Ein Indikator dafür, dass die Militärs willens sind, hiervon Gebrauch zu machen, zeigt sich etwa im Zusammenhang mit der Überarbeitung eines Gesetzes, das Strafen für als unzulässig angesehene Meinungsäußerungen im Internet vorsieht (siehe Abschnitt 6). 1.3 Akteure Als gewichtiger Lackmusstest für die Tragfähigkeit des Reformprozesses kann in jedem Fall die Parlamentswahl im Jahr 2015 gelten. Der Erdrutschsieg der National League for Democracy (NLD), der Partei von Auung San Suu Kyi, bei den Nebenwahlen im April 2012 deutet darauf hin, dass die Anzahl der Oppositionsabgeordneten im Parlament 7 Vgl. International Crisis Group, MYANMAR: THE POLITICS OF ECONOMIC REFORM, Asia Report N 231, 27. Juli 2012, verfügbar unter: http://www.crisisgroup.org/~/media/files/asia/south-east-asia/burma-myanmar/231- myanmar-the-politics-of-economic-reform.pdf, S. 20. 8 Vgl. David I. Steinberg, Burma/Myanmar. What Everybody Needs To know, Oxford 2010, S. 142ff. 3

bei einigermaßen freien Wahlen sprunghaft ansteigen würde. Seinerzeit hatte die NLD 43 von 45 Mandaten für sich erringen können. 9 In einzelnen Wahlkreisen betrugen die Stimmanteile bis zu 90 Prozent. Dennoch verfügt die NLD bislang nur über eine kleine Minderheit der Sitze. Die Reformgesetze konnten mithin nur deshalb verabschiedet werden, weil die militärnahe Union Solidarity and Development Party (USDP) diese mitgetragen hat. Das Szenario fairer Wahlen könnte in eine Präsidentschaft von Suu Kyi münden. Sie selbst hat angegeben, sich eine solche Rolle vorstellen zu können. 10 Hierfür müsste allerdings die Verfassung geändert werden, die bislang das Präsidentenamt für Kandidaten, die einen ausländischen Ehepartner oder Kinder mit einer anderen Staatsbürgerschaft haben ausschließt. Es handelt sich hierbei um eine explizite Lex Suu Kyi, die mit dem verstorbenen britischen Historiker Michael Aris verheiratet war. 11 Angesichts der Schwierigkeiten und Dilemmata in der realpolitischen Auseinandersetzung ist davon auszugehen, dass sich die Opposition sukzessive in weitere Parteien ausdifferenzieren wird. Schon mit Blick auf die Wahl 2015 ist mit der Formierung neuer Parteien zu rechnen. Es wird auch über die Gründung einer Unionspartei spekuliert, mit der verschiedene ethnische Einzelparteien zusammengefasst werden sollen. Dieser Trend wird nicht zuletzt auch dadurch begünstigt, dass die NLD in ihrem Aktivistenkern erheblich veraltet ist und sich mit der Formulierung praktischer Politikansätze schwer tut. 12 Eine Abspaltung der NLD ist die National Democratic Force (NDF). Obwohl es Suu Kyi, die seit 2012 einen Sitz im Parlament hat, gelungen ist, eine wichtige Rolle in der innenpolitischen Auseinandersetzung einzunehmen, hat ihr Renommee zuletzt deutlich gelitten. Einmal befindet sie sich im Hinblick auf die Gewaltakte gegen die muslimische Minderheit in einem Dilemma: Während ihre Anhänger aus der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit monieren, dass sie nicht eindeutig genug deren Sache vertritt, wird im Ausland und von der muslimischen Bevölkerung kritisiert, dass sie nicht entschieden genug gegen Übergriffe Stellung bezieht. Es gilt als eine merkwürdige bzw. bezeichnende Parallelität, dass sich sowohl Regierung als auch Opposition weigern, das Ausmaß der Gewalt in den letzten Jahren offen einzuräumen. Zum anderen ist Suu Kyi gezwungen, Entscheidungen für Großprojekte mitzutragen, die auf den Widerstand der Bevölkerung stoßen. Dies war etwa im April 2013 der Fall, als sie einer Kommission vorstand, die darüber zu entscheiden hatte, ob die Letpadaung-Kupfermine in der Nähe der nordwestlich gelegenen Stadt Monywa, gegen die es zu massiven Protesten von Anwohnern gekommen war, geschlossen werden soll. Die Kommission entschied sich dafür, das Projekt, dessen Investitionsvolumen auf 1 Milliarde US-Dollar geschätzt wird, weiterzuführen. Dies brachte ihr einerseits Kritik in Oppositionskreisen ein, andererseits wurde die Entscheidung als Ausweis eines neuen wirtschaftspolitischen Pragmatismus gewertet. Dennoch sieht sie sich weiter mit dem Vorwurf konfrontiert, über ein nur mangelhaftes bzw. widersprüchliches wirtschaftspolitisches 9 Vgl. Lex Rieffel, Myanmar on the Move: An Overview of Recent Developments, in: Journal of Current Southeast Asian Affairs, 4/2012, S. 31-49, hier S. 35. 10 Vgl. http://edition.cnn.com/2013/06/06/world/asia/myanmar-suu-kyi-presidential-aspiration/. 11 Vgl. Ebd. 12 Vgl. Till Fähnders, Der Pfau bereit Angriff vor, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.03.2013, S. 5. 4

Profil zu verfügen. Inzwischen wirbt Suu Kyi auf internationalen Konferenzen offensiv um ausländische Investitionen. Auf der anderen Seite würde ein vergleichbares Ergebnis wie bei der Nebenwahl 2012 zu einem Fiasko für die USDP führen und die Legitimitätsgrundlage der Militärs massiv unterhöhlen. Bei den Wahlen 2010, an denen die NLD aus Protest nicht teilgenommen hatte, hatte die USDP noch einen überlegenen Erfolg erzielt. Es ist insgesamt nicht damit zu rechnen, dass die Militärs einer solchen Entwicklung tatenlos zusehen werden. Die Verfassung garantiert den Vertretern des Militärs in Ober- und Unterhaus je 25 Prozent der Sitze die übrigen 75 Prozent der Sitze werden gewählt. Diese Sperrminorität gibt ihnen eine Vetomöglichkeit gegen verfassungsändernde Entscheidungen und damit ein effektives Mittel an die Hand, um Entwicklungen zur Durchsetzung genuiner demokratischer Grundsätze zu verhindern. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Militär planmäßige Anstrengungen unternimmt, um ihre absehbaren herben Verluste bei der Wahl zumindest zu beschränken. Dies könnte etwa durch die Einführung eines gewichteten Wahlrechts geschehen, bei dem bestimmten Wählergruppen ein größeres Stimmgewicht zugestanden wird. 1.4 Außenbeziehungen Ein wesentlicher Aktivposten des Landes ist zweifelsohne die günstige geopolitische Stellung zwischen den beiden asiatischen Großmächten Indien und China und als traditionelle Brücke zwischen Süd- und Ostasien. 13 Infolgedessen engagieren sich die USA, Indien und vor allem auch Japan im Land nicht zuletzt auch um der als expansiv wahrgenommenen chinesischen Außenpolitik ein Stück weit Einhalt gebieten zu können. Für China, das inzwischen zum größten Ölimporteur der Welt aufgestiegen ist, ist Myanmar speziell deshalb von herausgehobenem strategischen Interesse, weil der Zugang des Landes zum Golf von Bengalen den Transport von existenziell wichtigen Energielieferungen durch die in puncto Sicherheit problematische Straße von Malakka zwischen Indonesien und Malaysia überflüssig macht. 14 Dies gilt ebenso für das gleichermaßen konfliktbeladene Südchinesische Meer. Insofern gilt Myanmar für China als Tor zur Welt. Diesen geografischen Vorteil Myanmars hat sich China bereits zunutze gemacht, indem es zwei Pipelines von Kyaukphyu an der Westküste Myanmars nach Nordwesten bis in die Provinz Yunnan errichtet hat, von wo die Lieferungen dann über binnenchinesische Netze weitergeleitet werden. Durch eine wird bereits seit Mitte 2013 Erdgas gepumpt, das im der Westküste vorgelagerten Shwe-Gasfeld gefördert wird. Im Gegenzug soll Myanmar ein Fünftel des geförderten Gases 13 Vgl. David I. Steinberg, Burma/Myanmar. What Everybody Needs To know, Oxford 2010, S. 3. 14 Vgl. Marco Kauffmann, Burmesisches Gas für China. Andere Transportroute als durch die Strasse von Malakka, in: Neue Zürcher Zeitung, 30.07.2013 S. 21. 5

erhalten. 15 Durch die andere Pipeline soll ab Anfang 2014 Rohöl transportiert werden, das von Tankschiffen von den Förderorten am Persischen Golf angeliefert wird. Ein weiteres Motiv für das chinesische Engagement in Myanmar ist in der unübersichtlichen Grenzregion zu sehen, wo die dort ansässigen Stammesgesellschaften grenzüberschreitende Verbindungen nach China unterhalten. Aus der Sicht Indiens geht es im Rahmen ihrer Look-East -Politik demgegenüber auch darum, dem systematischen Bestreben der Volksrepublik, mehr Kontrolle über die Handelswege im Indischen Ozean zu gewinnen, Paroli zu bieten. 16 Denn den sehen die Inder als ihre ureigenste Einflusssphäre an. In Indien bestehen etwa Planungen, das Straßennetz im Bundesstaat Mizoram erheblich auszubauen, um den Warenaustausch mit Myanmar erleichtern zu können. Seinerseits ist Myanmar derweil bestrebt, die Annäherung an den Westen und auch an Indien weiter voranzutreiben, um dem starken Einfluss der VR China im Land etwas reduzieren zu können. 17 Beobachter gehen davon aus, dass die myanmarische Regierung im Endeffekt eine Art Schaukelstuhlpolitik anstrebt, bei der versucht wird, den Westen und China zum eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen. Insofern wäre der Öffnungskurs der Myanmar-Führung wesentlich durch außenpolitische Kalküle motiviert. Ausdruck hat das verbesserte Verhältnis zum Westen vor allem in der vollständigen Abschaffung der Sanktionen von EU-Seite und einer Lockerung derjenigen der USA erhalten. Die Sanktionen waren nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung im Jahr 1988 verhängt und nachfolgend weiter verschärft worden. Die stärkere Hinwendung zu den USA hat das Verhältnis zur VR China, die lange Zeit der wichtigste Unterstützer der Militärjunta war, derweil merklich abgekühlt. Parallel hat auch der Unmut innerhalb der myanmarischen Bevölkerung gegenüber den bislang oft in rücksichtsloser Weise durchgeführten chinesischen Investitionsprojekten zugenommen. Ein zentraler Streitpunkt zwischen Myanmar und China ist etwa der Myitsone-Staudamm im nördlichen Kachin-Staat. Es handelt sich hierbei um ein gigantisches Wasserkraft- Vorhaben. Der ursprüngliche Plan sah dabei vor, dass für das Projekt eine Fläche von der Größe Singapurs überschwemmt wird, was wohl auch zu einer Verlaufsänderung des Irrawaddy-Flusses geführt hätte, der für die Landwirtschaft eine elementare Rolle spielt. Die Myanmar-Regierung in Person von Präsident Thein Sein hatte im September 2011 die öffentliche Kritik hinsichtlich bestehender Umweltbedenken aufgegriffen und das Projekt ausgesetzt. Für eine besonders ausgeprägte Ablehnung hatte dabei der Umstand gesorgt, dass der Großteil der dort produzierten Energie nach China ausgeführt werden sollte. China hat hingegen mehrmals seine Forderung bekräftigt, die Arbeiten weiter 15 Vgl. Ebd. 16 Vgl. David I. Steinberg, Burma/Myanmar. What Everybody Needs To know, Oxford 2010, S. 123. 17 Vgl. Yun Sun, China and the Changing Myanmar, in: Journal of Current Southeast Asian Affairs, 4/2012, S. 51-77, hier S. 61f. 6

fortzuführen die beteiligten chinesischen Unternehmen haben Schadensersatz gefordert. Zuletzt hat die chinesische Seite angeboten, den Anteil der in Myanmar verbliebenen Energie zu erhöhen. Beobachter halten ein Einlenken allerdings für unwahrscheinlich. Trotz dieser und anderer Unstimmigkeiten wird China als dominanter asiatischer Akteur weiter eine herausgehobene Rolle für Myanmar als Handels- und Investmentpartner spielen. Chinas Führung verspricht sich von der wirtschaftlichen Öffnung Myanmars nicht zuletzt neue Betätigungsfelder für ihre Staatsfirmen, insbesondere im Infrastrukturbereich. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass China zur Legitimitätsgewinnung dazu übergeht, analog zu westlichen Unternehmen CSR-Projekte im Land zu starten. Insgesamt lässt sich ein verstärkter Wirtschaftsaustausch zwischen Chinas Südwest-Provinzen und Myanmar konstatieren, der sich möglicherweise weiter intensivieren wird. 1.5 Myanmar als ASEAN-Mitglied Myanmar ist bereits im Jahr 1997, also zuzeiten der internationalen Isolation des Militär-Regimes, Mitglied der zehn Staaten umfassenden ASEAN-Regionalgruppe geworden. Damit haben die ASEAN-Mitglieder, die in ihrer Organisation traditionell eine Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (Non- Interference) verfolgen, 18 eine pragmatische Weitsicht bewiesen, die ihnen heute maßgeblich dabei hilft, den Öffnungsprozess konstruktiv begleiten zu können. Wirtschaftlich versuchen insbesondere das Nachbarland Thailand, Malaysia sowie Singapur, das lange enge Geschäftsbeziehungen mit Myanmars Generälen pflegte, von der Öffnung in Myanmar zu profitieren. Um ein deutliches Zeichen der Unterstützung zu setzen, haben sich die Mitglieder 2011 darauf geeinigt, dass Myanmar im Jahr 2014 die rotierende, einjährige ASEAN-Präsidentschaft übernehmen wird. 19 Diese Funktion soll dafür genutzt werden, das Land weiter in die regionale Gemeinschaft zu integrieren. Für Myanmar, das lange Zeit als Paria der Weltgemeinschaft behandelt wurde, stellt dies einen enormen Prestigegewinn auf internationaler Ebene dar. Diplomaten aus Singapur, Thailand und Südkorea sollen Myanmar bei der Bewältigung der mit dem Vorsitz einhergehenden Aufgaben unterstützen. Mitte Dezember 2013 werden in Myanmar zudem die 27. Southeast Asian Games stattfinden. Allerdings sorgt die weitergehende Untätigkeit der Regierung gegen die anti-muslimischen Krawalle im Land bei den muslimischen Staaten Malaysia und Indonesien für steigenden Unmut, während Thailand über einen größeren Flüchtlingsdruck auf seine Grenzen klagt. ASEAN-intern wird Myanmar der CVLM-Untergruppe (Cambodia, Vietnam, Laos, Myanmar) zugerechnet, deren Mitglieder mit Blick auf die beginnende ASEAN Economic Community (AEC) Ende 18 Vgl. Saskia Hieber, Sicherheit und Frieden in Asien. Konfliktpotentiale und regionale Kooperation, Schwalbach/Ts. 2012, S. 151f. 19 Vgl. http://www.asean.org/news/asean-secretariat-news/item/myanmar-prepares-for-leadership-of-the-aseaneconomic-community. 7

2015 Sonderregelungen und längere Übergangsfristen eingeräumt werden. Bei der AEC handelt es sich um ein Langzeitprojekt zur Vertiefung der wirtschaftlichen Integration im ASEAN-Raum, bei dem in der Perspektive ein Binnenmarkt entstehen soll, der die Dimensionen freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, Investitionsfreiheit sowie eine Erhöhung der Arbeitnehmermobilität umfasst. Die Fortschritte in diesen Bereichen werden aber wohl sehr unterschiedlich vorangehen. Um die aus den unterschiedlichen Entwicklungsniveaus in Südostasien resultierenden Synergiepotenziale tatsächlich realisieren zu können, soll im Rahmen des Master Plan on ASEAN Connectivity zudem die infrastrukturelle Anbindung zwischen den Mitgliedstaaten systematisch verbessert werden. 20 2 Wirtschaftspolitik und wirtschaftliche Entwicklung 2.1 Wachstumsaussichten Vor allem infolge der Aufhebung bzw. Abschwächung der westlichen Sanktionen, des anhaltenden wirtschaftspolitischen Reformkurses der Regierung und des Einströmens von Auslandsinvestitionen haben sich Myanmars Wachstumsaussichten zuletzt weiter verbessert. Lag das BIP-Plus 2011 noch bei 5,9 Prozent und in 2012 bei 6,5 Prozent, so soll sich das Wachstum nach letzten Prognosen der Weltbank in 2013 trotz einer zum Teil deutlich eingetrübten ökonomischen Lage in anderen asiatischen Staaten auf bis zu 6,8 Prozent erhöhen. 21 Für die folgenden Jahre 2014 und 2015 wird von einem weiteren leichten Anstieg auf 6,9 Prozent ausgegangen. Projektionen für das Jahr 2017 halten sogar eine Steigerung auf 7,3 Prozent im Bereich des Möglichen. 22 In einer Langzeitvorausschau der Asian Development Bank (ADB) wird davon ausgegangen, dass es dem Land bis zum Jahr 2030 gelingen kann, das Pro-Kopf-Einkommen zu verdreifachen. 23 Primär unterfüttert wird der momentane Wachstumstrend von Großinvestitionen vornehmlich asiatischer Akteure (China, Japan, Thailand, Südkorea), die sich primär bei Energie- und Infrastrukturprojekten engagieren. Eine Boom-Branche ist der inzwischen geöffnete Telekommunikationssektor. 24 Als wesentliche Konjunkturstütze gilt trotz der verbreiteten Armut im Land auch der Privatkonsum. 20 Vgl. http://www.aseansec.org/wp-content/uploads/2013/06/mpac.pdf. 21 Vgl. Asian Development Bank, Asian Development Outlook 2013 Update. Governance and public service delivery, Manila 2013, S. 118, verfügbar unter: http://www.adb.org/sites/default/files/pub/2013/ado2013-update.pdf. 22 Vgl. Economist Intelligence Unit, Country Report Myanmar, London September 2013, S.6. 23 Vgl. http://www.adb.org/countries/myanmar/main. 24 Vgl. Daniel Thomas, Myanmar in first mobile deals, in: Financial Times, 28.06.2013, S. 13. 8

Wesentlich verhaltener fällt hingegen die Dynamik in anderen Sektoren wie dem produzierenden Gewerbe aus, was dazu führt, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung anfällig für Schwankungen bleibt. Potenzielle Treiber könnten hingegen die Sparten Tourismus, Bekleidung, Landwirtschaft und Fischerei sein. Auch von der Bauwirtschaft und der Offshore-Förderung von Flüssig-Erdgas (Liquefied Natural Gas / LNG) namentlich im Shwe-Gasfeld werden signifikante Impulse für die Wirtschaftsentwicklung erwartet. Aktuell ist bei den Ausländischen Direktinvestitionen (FDI) allerdings eine Stagnation festzustellen: Das Volumen der bestätigten FDI ist von 4,6 Milliarden im Fiskaljahr 2011/2012 auf 1,4 Milliarden US-Dollar im Fiskaljahr 2012/2013 zurückgegangen. Offenbar findet hier derzeit eine Orientierungsphase bei den Investoren statt. Trotz dieser momentanen Schwächephase wird davon ausgegangen, dass der FDI-Zufluss künftig um über zehn Prozent pro Jahr zulegen und einen Anteil am BIP von einem Fünftel erreichen wird. Unbedingte Voraussetzung hierfür seien aber weitere rechtliche und regulatorische Reformen. In letzter Zeit versuchen US-amerikanische Unternehmen vor allem im Konsumgüterbereich nachzuziehen. Auf europäischer Seite ist insbesondere Großbritannien bestrebt, sein Engagement im Land zu erhöhen. Auch die Bundesrepublik hat nach einer Phase der relativen Zurückhaltung damit begonnen, verstärkt diesbezügliche Aktivitäten zu entfalten. In Anbetracht der Tatsache, dass Japan Myanmar frühzeitig seine Altschulden erlassen hat und überaus großzügige Kredite gewährt, spricht einiges dafür, dass Japan mittelfristig zum größten Investor in Myanmar aufsteigen wird. Konkret hat Japan dem Land knapp die Hälfte seiner Altschulden in Höhe von 6,6 Milliarden US-Dollar erlassen und den Rest gestreckt. 25 Das japanische Engagement ist dabei auch im Zusammenhang einer größeren Investmentoffensive des Inselstaates im ASEAN-Raum zu sehen. Auch die Ende Januar 2013 vereinbarte Altschuldenregelung mit dem Pariser Club hat Myanmars finanziellen Handlungsspielraum beträchtlich vergrößert. 26 Die Mitglieder des Clubs (inklusive Deutschland, Frankreich und Großbritannien) haben Myanmar ebenfalls knapp 50 Prozent seiner Verbindlichkeiten in Höhe von 4,4 Milliarden US-Dollar erlassen. Zusätzlich hat Norwegen auf 534 Millionen US-Dollar verzichtet. Da Myanmar mit Hilfe eines japanischen Überbrückungskredits seine Außenstände bei der Asian Development Bank (ADB) und der Weltbank begleichen konnte, haben diese beiden Institutionen dem Land nach 30 Jahren wieder Kredite in Höhe von 512 bzw. 440 Millionen US-Dollar gewährt. Myanmar hatte im Jahr 1980 den Schuldendienst eingestellt und war daraufhin von internationalen Geldgebern gemieden worden. All die genannten Schuldenerlässe und Unterstützungen sind von dem klaren Motiv getragen, im Gegenzug von der ökonomischen Entwicklung im Land profitieren zu können. 25 Vgl. http://www.ft.com/cms/s/0/9b2d6e4c-68b2-11e2-9a3f-00144feab49a.html#axzz2if0h5ocm. 26 Vgl. Ebd. 9

2.2 Probleme und Herausforderungen Aufgrund des jahrzehntelangen ökonomischen Missmanagements ist heute eine Wirtschaftsstruktur anzutreffen, bei der Myanmar vornehmlich seine Rohstoffe exportiert und im Gegenzug industrielle Fertigprodukte wie Fahrzeuge und Maschinen teuer einführen muss. 27 Bei den oben genannten Wachstumswerten ist zu berücksichtigen, dass diese Zuwächse von einer sehr niedrigen absoluten Basis ausgehen. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen lag 2012 nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei umgerechnet 834 US-Dollar. Damit lag Myanmar im innerasiatischen Vergleich vor Nepal und Bangladesch auf dem drittletzten Rang. 28 Auch insgesamt gehört Myanmar heute zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde. Nach Definition der ADB lebt in Myanmar rund ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. 29 Neben gravierenden Infrastrukturmängeln bei der Energieversorgung und den Transportwegen stellen nicht zuletzt die latente Rechtsunsicherheit und der Mangel an institutionellen Kapazitäten die wichtigsten Wachstumshemmnisse dar. Ein weiteres Problem ist die weit verbreitete Korruption: Myanmar steht beim Corruption Perceptions Index von Transparency International aktuell auf Rang 172 von 176 Ländern. 30 Obwohl die bestehenden Defizite inzwischen offen angesprochen werden können und trotz des Bemühens der Regierung, attraktive und sichere Rahmenbedingungen zu schaffen, müssen sich Investoren wohl noch längere Zeit auf mangelnde Transparenz, lange Verfahrensprozeduren, Willkür und unklare Zuständigkeiten einstellen. Zumal es innerhalb von Myanmars Führung durchaus unterschiedliche Vorstellungen über das angemessene Reformtempo gibt. Zur Gesamtproblematik gehört auch die Tatsache, dass an vielen Entscheidungsstellen nach wie vor Angehörige der alten Garde sitzen, denen es entweder an den erforderlichen administrativen Kompetenzen oder einfach an der Motivation mangelt, investorenfreundliche Entscheidungen zu treffen. Zu einer stärkeren Professionalisierung könnte hingegen der Umstand beitragen, dass verstärkt Myanmaries aus dem Exil zurückkehren und dabei ihre im Ausland gemachten Erfahrungen mitbringen, gleiches gilt für Arbeitsemigranten, die zuvor in anderen südostasiatischen Staaten angestellt waren. Der Gesamtzustand wird sich aller Voraussicht nach aber nur langsam ändern. Aufgrund des schwierigen Geschäftsumfeldes in Myanmar dürften zunächst Großunternehmen mit einer entsprechenden Ressourcenbasis und einschlägigen Erfahrungswerten aus anderen asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländern gegenüber Kleinunternehmen deutlich im Vorteil sein. Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass auch Spartenanbieter lukrative Marktlücken für sich ausfindig machen. 27 Vgl. Asian Development Bank, ADB Economics Working Paper Series. Myanmar s Trade and its Potential, No. 325, Manila January 2013, S. 5f. 28 Vgl. http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2013/01/weodata/download.aspx. 29 Vgl. http://www.adb.org/countries/myanmar/main. 30 Vgl. http://cpi.transparency.org/cpi2012/results/. 10

Aber insgesamt ist es wahrscheinlicher, dass die internationalen Konzerne zunächst mühsame Pionierarbeit leisten und ihnen dann sukzessive kleinere Anbieter folgen. Interessierte Unternehmen haben sich die generelle strategische Frage zu stellen, ob sie in Myanmar versuchen wollen, etwaige First-Mover-Vorteile für sich zu generieren oder ob sie zunächst abwarten, bis sich die Rahmenbedingungen stabilisiert haben allerdings unter dem Risiko, dass sie dann einen erheblichen Abstand zu den Pionieren aufholen müssen. Diese Frage ist sicherlich von Fall zu Fall und mit Blick auf die jeweils im Fokus stehende Branche zu beantworten. Dass sich bislang überwiegend asiatische Unternehmen engagieren, hängt wohl auch vor allem damit zusammen, dass sie mit den spezifischen Bedingungen in Myanmar noch am ehesten umgehen können. Um die eklatante Schwäche der Institutionen allmählich überwinden zu können, wird Myanmar noch auf Jahre hinaus strukturell von der Expertise ausländischer Organisationen abhängig sein. Eine Neuerung stellt zumindest die Schaffung eines Arbeitsgesetzes dar, das an internationalen Standards orientiert ist und die Gründung von Gewerkschaften zulässt. Multilaterale Hilfsorganisationen wie Weltbank, ADB und IWF haben inzwischen ihre Repräsentanzen im Land wiedereröffnet und werden Myanmar umfassende Know-how-bezogene und technische Unterstützung gewähren. Weitere wichtige Aufgaben, die für eine Verstetigung des Wachstumsprozesses in Angriff genommen werden müssen, sind in einer Privatisierung der ineffizienten Staatsunternehmen, die vor allem in Kernsektoren eine zentrale Rolle spielen, sowie in einer weiteren Zurückdrängung des militärischen Komplexes aus dem Wirtschaftsgeschehen zu sehen. Da hierbei sehr vitale Interessen von einflussreichen Gruppen tangiert werden, ist nicht damit zu rechnen, dass dieser Prozess schnell und reibungslos vonstattengehen wird. In diesem Zusammenhang ist auch das Wirken der sogenannten Cronies ambivalent zur beurteilen. Es handelt sich hierbei um Unternehmer, die auf Geheiß der Militärjunta Geschäfte mit dem Ausland abgewickelt haben. 31 Einerseits verfügen diese Personen über erprobte unternehmerische Fähigkeiten und hinreichendes Kapital, um auch größere Projekte realisieren zu können. Andererseits sind sie Repräsentanten der alten Ordnung und stehen einem Neuanfang im Wege. Eine viel beachtete Ausnahme ist der Unternehmer Serge Pun, der mit seiner Hauptholding Yoma Strategic Holding (YSH), beispielsweise den Apartmentkomplex Star City in Yangon entwickelt. 32 31 Vgl. International Crisis Group, MYANMAR: THE POLITICS OF ECONOMIC REFORM, Asia Report N 231, 27. Juli 2012, verfügbar unter: http://www.crisisgroup.org/~/media/files/asia/south-east-asia/burma-myanmar/231- myanmar-the-politics-of-economic-reform.pdf, S. 9. 32 Vgl. http://www.mmtimes.com/index.php/national-news/yangon/6409-yoma-signs-jv-for-1000-star-cityapartments.html. 11

2.3 Wirtschaftspolitische Ansätze Myanmar sieht sich mit der schwierigen Herausforderung konfrontiert, in kürzester Zeit die vielen wirtschaftlichen und sozioökonomischen Defizite, die aus einer weitgehenden Selbstabschottung und einem jahrzehntelange Investitionsrückstand resultieren, zu beheben. 33 Trotz der Vorteile, die Myanmar als neu geöffneter Markt aktuell genießt, ist zu bedenken, dass sich das Land just in dem Moment geöffnet hat, in dem sich der Standortwettbewerb in Südostasien spürbar intensiviert hat. Besonders verlockend dürfte dabei die Aussicht auf einen nahezu unerschlossenen Verbrauchermarkt von circa 63 Millionen Menschen sein. Nichtsdestotrotz wird Myanmar in erster Linie mit den anderen weniger weit entwickelten ASEAN-Staaten (Vietnam, Kambodscha, Laos) sowie auch mit Bangladesch etwa im Bekleidungsbereich um ausländische Investitionen konkurrieren müssen. Angestrebt wird von Regierungsseite insgesamt eine rasche Ausbreitung der wirtschaftlichen Aktivitäten bei einer gleichzeitigen spürbaren Reduzierung der weit verbreiteten Armut. Im Fokus der Bemühungen steht dabei nicht zuletzt aus den eingangs geschilderten politischen Gründen insbesondere die großflächige Schaffung neuer Arbeitsplätze, wofür umfangreiche Auslandsinvestitionen in arbeitsintensiven Branchen eingewoben werden sollen. In einem zweiten Schritt soll dann zum Zwecke der wirtschaftlichen Weiterentwicklung versucht werden, verstärkt moderne Technologien aus dem Ausland ins Land zu holen. In den Entwicklungsplänen wird die Unterstützung von multilateralen Geberorganisationen, sowohl mit Blick auf technische Expertise als auch was Kredite und Hilfsleistungen anbelangt, explizit einkalkuliert. Um die vielfältigen Defizite des Landes ansatzweise kompensieren zu können, wurden neben diversen Industrieparks auch eine Reihe von Special Economic Zones (SEZ) eingerichtet, innerhalb derer Investoren zumindest eine halbwegs kalkulierbare Grundversorgung und spezielle Anreize geboten werden. Im Kern handelt sich dabei einmal um das 350 Kilometer Luftlinie von Bangkok entfernte und von der thailändischen Regierung geförderte Industriezentrum Dawei, dem auch ein Tiefseehafen angeschlossen ist. Es bestehen Pläne, den Dschungel zu roden und Dawei mit Bangkok zu verbinden. Konzipiert ist Dawei für eine Größe von 205 Quadratkilometern, das finanzielle Gesamtvolumen wird auf 50 Milliarden US-Dollar beziffert. 34 Seine Attraktivität bezieht dieses schon im Jahr 2006 initiierte Projekt aus der Nähe zu dem südostasiatischen Drehkreuz in Kombination mit den niedrigen Arbeitskosten in Myanmar. Zudem würde der Hafen mit Zugang zur Andamanensee die Möglichkeit eröffnen, den Weg durch die Straße von Malakka zu sparen. In den kühnsten Vorstellungen fungiert Dawei als neues Tor für den Handel nach Festland-Südostasien. Allerdings sind die Zweifel 33 Vgl. Urs Schoettli, Myanmar der Nachzügler, in: Ders., Die neuen Asiaten. Ein Generationswechsel und seine Folgen, Zürich 2013, S. 188. 34 Vgl. http://www.economist.com/news/asia/21582554-planned-thai-mega-project-myanmar-runs-difficulty-build-itand-they-might-come. 12

groß, ob die hierfür nötigen finanziellen Mittel aufgebracht werden können. Zudem gibt es in der Region nicht zu vernachlässigende Sicherheitsprobleme. 35 Ein womöglich realistischeres Projekt stellt Thilawa 25 Kilometer südlich der Wirtschaftsmetropole Yangon dar, das mit maßgeblicher japanischer Unterstützung entwickelt werden soll. Als Kontraktpartner fungieren die Japan External Trade Organization (JETRO) mit 49 Prozent sowie die Union of Myanmar Federation Chamber of Commerce and Industry (UMFCCI) mit 51 Prozent. 36 Laut Planung soll die Anlage 2015 fertig sein und eine Fläche von 2.400 Hektar umfassen. Was die Qualität betrifft, ist eine Zweitteilung vorgesehen, bei der zum einen A- Flächen für internationale Hightech-Unternehmen und zum anderen B-Flächen für Low-Cost-Fertigungen für die verarbeitende Industrie wie etwa die Bekleidungs- und Nahrungsmittelverarbeitung angeboten werden. Positiv schlägt bei Thilawa zu Buche, dass hier bereits ein Container Terminal existiert. Ein drittes Großprojekt zur Errichtung einer SEZ wird schließlich in Kyaukphyu an Myanmars Westküste unternommen, wo sich vorwiegend chinesische und indische Unternehmen engagieren wollen. Obwohl hier bereits ein Memorandum of Understanding (MoU) mit chinesischen und japanischen Firmen existiert, hat Myanmars Regierung im September 2013 einen Aufruf für internationale Gebote zur Entwicklung der Zone gestartet. Mit der Verabschiedung eines neuen Gesetzes für Auslandsinvestitionen am 1. November 2012, welches das Vorgängergesetz aus dem Jahr 1988 abgelöst hat, haben sich die Möglichkeiten für externe Investoren substanziell verbessert. 37 Ein vorhergehender Entwurf wurde von Präsident Thein Sein abgelehnt, da er zu viele protektionistische Restriktionen enthielt. Dort wurde ausländischen Investoren nur ein Joint Venture-Anteil von maximal 49 Prozent zugestanden, in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei gar nur von 35 Prozent. Das neue Gesetz erlaubt ausländischen Investoren grundsätzlich, bis zu 100 Prozent ausländisch investierte Unternehmen zu errichten. Eine Mindestkapitalausstattung ist für sie nicht mehr erforderlich. Allerdings behält die Myanmar Investment Commission (MIC), die alle Investitionen genehmigen muss, weitgehende Vollmachten und kann in sensiblen Sparten Beteiligungsgrenzen festlegen. Hieran hatte sich in der Folge Kritik an dem Gesetz entzündet. Als wesentliche Faktoren für eine Bewilligung gelten beispielsweise die Anzahl der für Einheimische geschaffenen Arbeitsplätze, der Umfang des Know-how-Transfers sowie die Bedeutung des Investments für die regionale und gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Es leuchtet ein, dass angesichts der unspezifizierten Allgemeinheit dieser Kriterien ein großer Spielraum für Ermessensentscheidungen besteht. Erste Erfahrungen von Unternehmen deuten darauf hin, dass dieser Spielraum durchaus genutzt wird. Am 31. Januar 2013 hat die MIC dann die 35 Vgl. Ebd. 36 Vgl. http://www.mmtimes.com/index.php/business/2739-thilawa-sez-work-to-start-in-january.html. 37 Vgl. http://www.reuters.com/article/2012/11/03/us-myanmar-investment-idusbre8a204f20121103. 13

Umsetzungsrichtlinien des Gesetzes erlassen: In Sektoren wie dem Abbau von Bodenschätzen, der Nahrungsmittelverarbeitung oder dem Transportgewerbe ist ein ausländisches Engagement nur in Form eines Joint Ventures mit mindestens 20-prozentiger myanmarischer Beteiligung möglich. Im Groß- und Einzelhandel sowie im Energiesektor existieren ebenfalls Sonderregelungen. Verbesserungen hat es auch im Hinblick auf den Aspekt der Immobiliennutzung gegeben. Statt wie zuvor nur für ein Jahr, besteht nun die Möglichkeit, Immobilien in Abhängigkeit von der Art der Investition für bis zu 50 Jahre zu mieten plus eine Option zur zweimaligen Verlängerung um je zehn Jahre. Des Weiteren besteht die Möglichkeit der Steuerbefreiung für fünf Jahre. Um die kleinteilige heimische Wirtschaft gegen die geballte Kraft der ausländischen Großinvestoren zu stärken, wurde Anfang 2013 ein Central Committee for SME Development eingerichtet, das Gesetze und Regularien zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen entwickeln soll. 38 Zudem soll sichergestellt werden, dass ausreichende Finanzmittel von staatlichen und privaten Banken bereitgestellt werden. Außerdem soll ein Netzwerk aus lokalen und ausländischen Organisationen mit dem Ziel eines Erfahrungsaustausches und Ressourcentransfers etabliert werden. Der verbesserte Zugang zu Kapital und Auslandsmärkten soll genutzt werden, um die Entwicklung in Sparten wie Textilien, Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe und Tourismus forciert voranzutreiben. Handlungsbedarf wird vor allem auch im Hinblick auf die Ende 2015 beginnende ASEAN Economic Community (AEC) gesehen. Anfang 2013 waren in Myanmar 126.237 SMEs registriert, die für 99,4 Prozent aller Unternehmungen standen. Insgesamt lässt sich in Myanmar wie in einigen anderen südostasiatischen Staaten auch ein gewisser Hang zu Großprojekten feststellen, anstatt im Kleinen nach konkreten Verbesserungen zu streben. Es wird entscheidend darauf ankommen, dass der eingeleitete wirtschaftliche Reformprozess weiter konsequent fortgeführt und intensiviert wird. Denn nur dann wird sich ein sich allmählich selbst stabilisierender wirtschaftlicher Wandel vollziehen, der auch den prekären Demokratisierungsprozess unterstützen kann. 38 Vgl. http://www.smedevelopmentcenter.gov.mm/?q=en/sme_central_comittee. 14

3. Makroökonomische Entwicklungen 3.1 Finanzpolitik Angesichts eines enormen Investitionsbedarfs zum Aufbau einer grundlegenden Infrastruktur wird der Staatshaushalt auf absehbare Zeit deutliche Defizite aufweisen. Zwar dürfte die Steuerbasis infolge der wirtschaftlichen Expansion und der steigenden Fähigkeit zur Steuererhebung in den nächsten Jahren allmählich verbessert werden. Allerdings werden die Einnahmen zu gering sein, um den hohen strukturellen Ausgabenbedarf zu decken. Die stark begrenzten Ressourcen werden den Druck auf das Militär erhöhen, signifikante Kosteneinsparungen vorzunehmen. Bislang liegt dessen Anteil am Haushalt bei rund einem Fünftel. Eine gewisse Entlastung dürfte auch in Form verstärkter Mittelzuflüsse von multilateralen Gebern ausgehen. Alles in allem bleibt die Regierung aber überaus abhängig von Einnahmen aus dem Energiesektor und hier vor allem dem Erdgas. Ein Grundproblem bleibt weiter die institutionelle Schwäche des Finanzsektors. Zur Unterstützung der wirtschaftlichen Reformen sowie zur Schaffung eines stabileren makroökonomischen Umfeldes hat Präsident Thein Sein im Juli 2013 ein Gesetz unterzeichnet, dass der Zentralbank eine größere Unabhängigkeit vom Finanzministerium garantiert. 39 Ab 2015 soll ausländischen Banken und Versicherungen der volle Marktzugang eröffnet werden. 40 Nachdem die Inflationsrate in 2012 lediglich bei 1,5 Prozent lag, ist der Wert in den ersten Monaten des Jahres 2013 sprunghaft angestiegen und lag in der ersten Jahreshälfte im Durchschnitt bei 5,4 Prozent. Dabei war in der ersten Hälfte von 2012 noch eine Deflationstendenz zu verzeichnen gewesen, die sich dann in der zweiten Jahreshälfte umgekehrt hat. Der größte Preistreiber sind die gestiegenen Lebensmittelpreise, die in der ersten Hälfte 2013 um 6,3 Prozent zugelegt haben. Dies hängt aber auch damit zusammen, dass Nahrungsmitteln im Consumer Price Index (CPI) der größte Stellenwert eingeräumt wird. Erhebliche Anstiege gab es aber auch bei den Unterkunftskosten und beim Treibstoff. Deutlich gesunken sind hingegen die Preise für Bekleidung. Angesichts erwartbar hoch bleibender Lebensmittelpreise ist davon auszugehen, dass die Kerninflation in den nächsten beiden Jahre zwischen 6 und 7 Prozent liegen wird. 41 Es gibt allerdings Indizien dafür, dass der Preisdruck real noch höher ist, als in den offiziellen Zahlen angegeben. Speziell der massive Anstieg der Grundstückspreise in Yangon und die generell steigende Binnennachfrage dürften noch nicht hinreichend berücksichtigt sein. 39 Vgl. http://www.reuters.com/article/2013/07/12/myanmar-economy-idusl4n0fi0mb20130712. 40 Vgl. http://uk.reuters.com/article/2012/05/11/uk-myanmar-banks-idukbre84a0gh20120511. 41 Vgl. Economist Intelligence Unit, Country Report Myanmar, London September 2013, S. 6. 15

3.2 Währung und Kapitalmarkt Seit Myanmars Regierung im April 2012 das Währungsregime reformiert hat, hat die Landeswährung Kyat (Kt.) kontinuierlich an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren. Formell wird ein Kyat in 100 Pya unterteilt allerdings ist diese Einheit inflationsbedingt nicht mehr in Gebrauch. 42 In einem der wichtigsten wirtschaftspolitischen Reformschritte bislang hat die Central Bank of Myanmar im Zuge einer kontrollierten Kursfreigabe (managed floating) den zuvor künstlich fixierten Kurs von 6,4:1 auf das ungefähre Niveau des Schwarzmarktpreises angehoben. 43 Damit sollen sowohl das Spekulationsrisiko durch schwarzmarktbedingte Arbitragegeschäfte verringert als auch der Außenwirtschaft eine sichere Kalkulationsbasis und ein tendenzieller Schutz vor Aufwertungen geboten werden. Auch haben jetzt alle Unternehmen eine offizielle Wechselmöglichkeit, während diese zuvor nur für Staatsunternehmen offenstand. Lag das Ausgangsverhältnis noch bei 818:1, so ist der Wechselkurs Mitte 2013 auf 980:1 gefallen. Der Ansatz der kontrollierten Marktanpassung wurde beibehalten, wobei der Kyat um 0,8 Prozent in beiden Richtungen um einen von der Zentralbank festgelegten Referenzsatz herum schwanken kann. Für den Abwärtstrend ist eine Reihe von Faktoren verantwortlich, die sich auch in einem größeren Leistungs- und Zahlungsbilanzdefizit niederschlagen. Im Kern sind dies stark anziehende Importe bei einem gleichzeitig nur moderat zulegenden Exportwachstum. Auch der im Laufe des Jahres 2012 nachlassende Zufluss von Ausländischen Direktinvestitionen sowie das Fallen des Goldpreises haben sich in einer Stärkung des US-Dollars ausgewirkt. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Kyat das nächste Jahr auf dem aktuellen Niveau verharren und dann ab 2015 weiter abwerten wird. 44 Allerdings bleiben Ausschläge möglich. Es wird davon ausgegangen, dass die Zentralbank einen schwachen Kyat akzeptieren wird, da er die Exporte verbilligt und Investitionen im Land begünstigt. Unter Mithilfe der Japan Exchange Group Inc. soll bis 2015 eine Börse aufgebaut werden. 45 Nachdem sich aber der entsprechende Gesetzgebungsprozess verlangsamt hat, ist unklar, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann. Experten haben darauf hingewiesen, dass es wichtiger sei, die nötigen regulatorischen und technischen Voraussetzungen zu schaffen, als an einem willkürlichen Zieldatum festzuhalten. Eine funktionsfähige Börse könnte den Unternehmen dabei helfen, sich Investitionskapital zu beschaffen. Zu Beginn könnten acht 42 Vgl. David I. Steinberg, Burma/Myanmar. What Everybody Needs To know, Oxford 2010, S. xxiii. 43 Vgl. http://www.irrawaddy.org/business/burma-launches-managed-float-of-kyat.html. 44 Vgl. Economist Intelligence Unit, Country Report Myanmar, London September 2013, S. 7. 45 Vgl. http://www.bloomberg.com/news/2013-09-03/myanmar-s-2015-stock-exchange-deadline-at-risk-southeastasia.html. 16