Suchtrisiko junger geflüchteter Frauen Erfahrungen aus der Praxis Katrin Bahr Bereichs-Geschäftsführerin Angebote für Frauen* und Männer* in München 1
Allgemeines über Condrobs 2
Ca. 70 Einrichtungen Über 900 Mitarbeiter*innen Jährlich über 20.000 Hilfesuchende 3
ca. 420 UMFs, überwiegend männlich ca. 400 Erwachsene, 20% weibl. 80% männl. ca. 100 Kinder 4
Arbeit mit erwachsenen Geflüchteten In Kooperation mit Frauenhilfe München und profamilia Seit 2015 arbeiten wir mit erwachsenen Geflüchteten: Asylsozialberatung in einer Unterkunft mit 400 Menschen (Männer, Frauen, Familien) Eine Unterkunft speziell für Frauen mit/ohne Kinder Herkunftsländer: Afghanistan, Syrien, Irak, Iran, Kongo, Libanon, Nigeria, Somalia, Eritrea u.a. Fokus auf speziellem Schutzbedarf von Frauen, Familien, Kindern und vulnerablen Gruppen 5
Erfahrungen mit erwachsenen Geflüchteten Umgang mit Rauschmitteln Ca. 1/3 konsumiert Schwerpunkte Alkohol und Cannabis, auch Opiate Insbes. bei Frauen Medikamente Zunahme von Konsum zu beobachten 6
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Unsichere, instabile Lebenssituation (Asylverfahren, Unterbringung, fehlender Familienverbund) und Existenzangst Schlaflosigkeit Gewalterfahrungen, Verfolgung, Genitalverstümmelungen, Sex als Währung, Menschenhandel Fluchtfolgen: starke psychische und physische Belastungen Fehlendes Bewusstsein für Traumata und Folgesymptome 8
Ausgangslage geflüchteter Frauen Kulturelle Codes und Systeme sind nicht bekannt Fehlende Sprachkenntnisse, häufig wenig Schulbildung Strukturelle Überforderung im Alltag und Rollenverlust Überlastung (alleinerziehende Frauen, Identitätsverlust der ganzen Familie) Gewalt in der Familie Überforderung durch emanzipiertes Frauenbild in Deutschland Andere Codes die Kindererziehung betreffend Enttäuschte Erwartungen 9
Kulturell bedingtes Unvermögen über psychische Probleme zu sprechen Psychische Erkrankungen sind in Herkunftsländern tabuisiert: keine Begrifflichkeiten, kein Verständnis dafür Somatische Beschwerden sind ein Ventil und können benannt werden - Frauen dürfen krank sein Hilfe vom Arzt wird eingefordert und angenommen Verschreibung von Schlaf- und Schmerzmitteln, Dosissteigerung, Weiterreichen unter der Hand Keine Kenntnis über Abhängigkeitsrisiko und Nebenwirkungen 10
Geschlechtstypische, multiple Traumatisierungen Frauenspezifische Fluchtgründe: Zwangsheirat, Gewalt in der Familie, Ehrenmord, Genitalverstümmelung Tabuthema Sexualität Falsche Versprechungen: Menschenhandel Opfer von Vergewaltigungen während der Flucht Ungewollte Schwangerschaft Sexuelle Identität und Orientierung Ethnische/religiöse Minderheit 11
In großen gemischten Unterkünften wiederholen sich Übergriffe und Ohnmachtserfahrungen (80% Männer, 20% Frauen) Frauen sind in vielen Herkunftsländern weniger wert, alleinstehende Frauen sind gar nichts wert Viele Duldungen, ungeklärter Aufenthaltstatus, teilweise Abschiebungen Perspektivlosigkeit und Resignation nehmen zu Auch anerkannte Asylbewerber*innen müssen weiter in Unterkünften leben 12
Was wirkt Willkommenskultur Persönliche, respektvolle und wertschätzende Beziehung Ordnung, Sicherheit und Perspektive Äußere Sicherheit schafft innere Sicherheit Ressourcenorientierte Haltung ( Verhalten macht Sinn ) Geduld 13
Was wirkt II Interkulturelles Verständnis und Training Methodenvielfalt in der Beratung In Krisen halten (und nicht entlassen) Gute Begleitung der Fachkräfte: Fallbesprechungen, Supervision, Fortbildungen Enge und verlässliche Kooperationen mit Fachärzten, Kliniken und anderen Hilfeeinrichtungen Und 14
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Worauf sollten wir uns in der Suchthilfe einstellen? In Bezug auf Bedarfe geflüchteter Frauen Gendersensibilität, frauenspezifisches Know-How Einsatz von Dolmetscherinnen (Finanzierung je nach Möglichkeit durch Beratungsstelle oder Sozialdienst Asylsozialberatung) Klärung der Kinderbetreuung während des Beratungstermins Hinweis auf und Erläuterung von Schweigepflicht und Schutz im Hinblick auf Asylverfahren /Anerkennung oder mögliche Verfolgung durch Menschenhandel oder Familie 16
Worauf sollten wir uns in der Suchthilfe einstellen? In Bezug auf Bedarfe geflüchteter Frauen Langsame Vertrauensarbeit Zeitintensität Bestehende Konzepte sind oft nicht 1:1 auf Zielgruppe übertragbar Frauenspezifisches, kultursensibles Arbeiten (z.b. Gesprächsverhalten, etc.) Bewusstsein für multiple Problemlagen, schwierige Lebenssituation, Tabuthemen Stabilisierung im instabilen Lebensumfeld schwierig 17
Worauf sollten wir uns in der Suchthilfe einstellen? In Bezug auf Bedarfe geflüchteter Frauen Unsichere Kostenübernahmen Unzuverlässigkeit: Trauma Kulturell ist Nein- Sagen oft nicht möglich Anderes Zeitverständnis Ängste Fehlende Orientierung Ggf. Ehemann miteinbeziehen 18
Was ist insgesamt wichtig? In Bezug auf Geflüchtete und Suchtmittelkonsum Spezielle Präventionsangebote Frühe Hilfen ermöglichen Chronifizierung vermeiden Schnelle Integration und Teilhabe ermöglichen Je besser die Integration gelingt, desto weniger Sucht- (und auch andere) Probleme sind zu erwarten 19
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