Hilfen zur Erziehung 2016 weiterer Anstieg durch Hilfen für junge Geflüchtete

Ähnliche Dokumente
Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung im Spiegel der amtlichen Statistik

Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung

Hilfen für junge Volljährige in NRW Ergebnisse aus der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik

Junge Volljährige in den erzieherischen Hilfen Befunde des HzE Berichtes 2014

Auswirkungen der unbegleitet eingereisten Minderjährigen auf die Hilfen zur Erziehung und die Hilfen für junge Volljährige

Monitor Hilfen zur Erziehung. im bundesweiten Vergleich. Gliederung

Meistens kommt es anders

Präsentation: Eckdaten zu aktuellen Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung

Präsentation: Eckdaten zu aktuellen Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung

Das Leistungsspektrum der erzieherischen Hilfen und der Inobhutnahmen als Reaktion auf Gefährdungslagen

Herausforderungen für die Ausgestaltung von Hilfen zur Erziehung

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in den Hilfen zur Erziehung und den Eingliederungshilfen gem. 35a SGB VIII

Empirische Hinweise auf Jugendhilfebedarfe für die Integration junger Geflüchteter Einblicke in amtliche Statistiken und Verwaltungsdaten

Wie hat sich die Trägerlandschaft in den Hilfen zur Erziehung entwickelt?

Jens Pothmann / Agathe Tabel / Sandra Fendrich Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Empirische Befunde aus der Kinder- und

Monitor Hilfen zur Erziehung Ausgewählte Ergebnisse zu Entwicklungen im Arbeitsfeld der erzieherischen Hilfen

STATISTISCHE BUNDESAMT (2017): STATISTIK DER KINDER- UND JUGENDHILFE

Der Monitor Hilfen zur Erziehung 2018

Vortrag auf der Fachtagung Weiterdenken. Weiterentwickeln. Weitergehen. Hilfen zur Erziehung im Dialog

Hilfen zur Erziehung in Niedersachsen im Spiegel der amtlichen Statistik Hinweise aus dem Monitor Hilfen zur Erziehung

Adressat(inn)en mit Migrationshintergrund in der Kinder- und Jugendhilfe am Beispiel der Kindertagesbetreuung und den Hilfen zur Erziehung

Lernen aus Hilfeverläufen auf Spurensuche in der Statistik

Junge Flüchtlinge im Spiegel der amtlichen Statistik empirische Befunde zu unbegleiteten minderjährigen Ausländern

Beratung in Zahlen Zwischen Stabilität und Wandel Erziehungsberatung unter der Lupe der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik

Hilfen zur Erziehung Rückblick, aktuelle Trends, zukünftige Herausforderungen

(Zeitweilige) Unterbringung kleiner Kinder ein Blick in den Zahlenspiegel

HzE Bericht Erste Ergebnisse - Datenbasis Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in NRW

Grenzen des Machbaren Eine kritische Betrachtung der Entwicklungen in der Kinder- und Jugendhilfe mit besonderem Fokus auf die Hilfen zur Erziehung

Herausforderungen und Gestaltungsaufgaben bei der Planung und Steuerung lokaler Hilfesyteme

Worüber reden wir eigentlich?

Erziehungsberatung 2018 Wo stehen wir und wo wollen wir hin?

Leitgedanken zur Pflegekinderhilfe Diese Hilfeform ( ) nimmt eine Sonderstellung im Hilfekatalog nach 27 ff SGB VIII ein, da sie im privaten Raum eine

Lebenslagen junger Menschen und Inanspruchnahme der erzieherischen Hilfen

Hilfen zur Erziehung in Nordrhein-Westfalen Erste Ergebnisse der neuen KJHG-Statistik zu den erzieherischen Hilfen

Über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge 2013 in Deutschland angekommen!

Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in Nordrhein-Westfalen

Was wissen wir über begleitete und unbegleitete junge Geflüchtete? Eine Bilanzierung der Datenlage in den Sozialstatistiken

Wege der UMA in Deutschland

Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in Nordrhein-Westfalen

Zu arm für Erziehung? Einblicke in die Lebenslagen von Familien in den Hilfen zur Erziehung

Zahlen Daten Fakten Junge Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe

Monitor Hilfen zur Erziehung Konzeption und ausgewählte Ergebnisse

Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Pflegekinder mit Migrationshintergrund

HZE. Statistik der Kinder- und Jugendhilfe. Beginn der Hilfegewährung

Erziehungsberatung im Kontext der Hilfen zur Erziehung Ein Vergleich der Inanspruchnahme im Bundesdurchschnitt und in Hamburg

Erzieherische Hilfen und Eingliederungshilfe für junge Menschen in Nordrhein-Westfalen

Daten und Fakten zur

Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in Nordrhein-Westfalen

Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in Nordrhein-Westfalen

Der ASD in Zahlen Statistische Annäherungen an ein Arbeitsfeld im Wandel

Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe

HzE Bericht 2017 Datenbasis 2015

Lebenssituation von begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten

Aktuelle Bürgel Statistik: Unternehmen mit Führungskräften über 65 Jahre in Deutschland

Stationäre Unterbringung als neue alte Option über Veränderungen der Fremdunterbringungspraxis bei Kleinkindern am Beispiel Nordrhein-Westfalen

Statistischer Bericht

Gewerbliche Unternehmensgründungen nach Bundesländern

Sandra Fendrich, Dr. Thomas Mühlmann Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Auftaktveranstaltung des EFZA 02. November 2015, Berlin

WSI. Betreuungsquoten von Kindern. Kinder unter drei Jahren sind mit zunehmendem Alter häufiger in Tagesbetreuung GENDERDATENPORTAL.

Gewerbeanmeldungen nach Bundesländern

Junge Flüchtlinge im Spiegel der amtlichen Statistik empirische Befunde zu unbegleiteten minderjährigen Ausländern

Die Statistik der öffentlich geförderten Angebote der Kinder- und Jugendarbeit

HZE. Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern. Statistik der Kinder- und Jugendhilfe. A Beginn der Hilfegewährung

Datensatzbeschreibung

Unbegleitete minderjährige Ausländer im Spiegel der (amtlichen) Statistik

Statistischer Bericht

Aktuelle Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A im Bund und in den Ländern

STATISTIK DER KINDER- UND JUGENDHILFE

Schlaglichter aus 25 Jahren SGB VIII in Daten und Zahlen ausgewählte Thesen

Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung im Zehn-Jahres-Vergleich: 2006 bis 2015

Auswirkungen von 8a-Verfahren auf Anschlusshilfen

Arbeit. Bevölkerugsfortschreibung (Basis: Zensus 2011). Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft AG BIC: BFSWDE33HAN IBAN: DE

DEUTSCHES SPORTABZEICHEN

Gefühlte Realität oder empirisch belegt?

HzE. Bericht 2011 Datenbasis 2009 Erste Ergebnisse. LWL-Landesjugendamt Westfalen

Arbeitsmarkt in Niedersachsen im Jahr 2009

HzE. Bericht 2010 Datenbasis 2008 Erste Ergebnisse. LWL-Landesjugendamt Westfalen

Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.

Thüringer Landesamt für Statistik

Entwicklungen bei der Inanspruchnahme und den Ausgaben erzieherischer Hilfen in Nordrhein-Westfalen

3 Kinder mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher

3 Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsprognose

Situation der Erziehungs- und Familienberatung in Sachsen-Anhalt im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Stand:

In Berlin ist ein Kind doppelt so viel wert wie in anderen Bundesländern: Pro-Kopf-Ausgaben für Kindertagesbetreuung von 2006 bis 2013

Spotlight: Jugendsozialarbeit in Zahlen Neue Befunde aus der Jugendhilfestatistik

Gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland und soziale Angebote und Leistungen für Kinder, Jugendliche und Eltern

Der Arbeitsmarkt in Deutschland

»Wie es weiter geht«

Sechs Jahre Juleica Ergebnisse und Befunde zu Stand und Entwicklung der Juleica bis April 2005

Die Statistik der öffentlich geförderten Angebote der Kinder- und Jugendarbeit

Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe

Aktuelle Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A im Bund und in den Ländern

1.493 Spielhallenkonzessionen Spielhallenstandorte Geldspielgeräte in Spielhallen

LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 7/ Wahlperiode

Abb. 2: Entwicklung der Hilfen zur Erziehung nach Leistungssegmenten *

Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe

Dezember 2007 (vorläufig) Siehe dazu Abbildung auf Seite 7! davon. davon (alle)

Auswertung. Fachabteilung Entwicklung 1991 bis 2003 Kinderheilkunde -14,09% Kinderchirurgie -29,29% Kinder- und Jugendpsychiatrie 5,35% Gesamt -13,00%

Transkript:

1 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Neue Daten des Statistischen Bundesamts erschienen Hilfen zur Erziehung 2016 weiterer Anstieg durch Hilfen für junge Geflüchtete Sandra Fendrich, Jens Pothmann, Agathe Tabel, Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik im Forschungsverbund DJI/TU Dortmund Das Statistische Bundesamt hat am 10. November 2017 die Zahlen der Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH-Statistik) zu den Hilfen zur Erziehung des Jahres 2016 veröffentlicht. Nachdem bereits im Monitor Hilfen zur Erziehung 2016 (www.hzemonitor.akjstat.tu-dortmund.de) mit der Datenbasis 2014 für die Hilfen zur Erziehung erste Auswirkungen der gestiegenen Zahlen bei den unbegleiteten Einreisen auf die Gewährung und Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung angedeutet werden konnten (vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2016, S. 53), werden mit den 2016er-Daten die neu entstandenen Bedarfslagen deutlicher sichtbar. Zwar sind das Gesamtvolumen der Hilfen zur Erziehung und die Zahl neu begonnener erzieherischer Hilfen gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig gestiegen, allerdings zeigen sich hilfeartspezifische sowie alters- und geschlechterbedingte Unterschiede. Erneut haben insbesondere die Unterbringungen im Rahmen der Heimerziehung noch einmal erheblich zugenommen. Diese Entwicklung geht wie auch schon im vergangenen Jahr hauptsächlich auf den Anstieg unbegleiteter, vor allem männlicher minderjähriger Flüchtlinge in stationären Einrichtungen zurück. Ein Plus von 25 Prozent für die Heimerziehung Die Analyse der in einem Jahr neu eingerichteten oder auch gewährten Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige gibt empirisch gestützte Einblicke in die Gewährungspraxis von Erziehungsberatungsstellen und insbesondere den Jugendämtern für diese Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Im Jahre 2016 haben laut KJH-Statistik 556.764 junge Menschen eine Hilfe zur Erziehung begonnen (vgl. Abb. 1). In diesem Rahmen hat sich die Zahl der Erziehungsberatungen nicht verändert. Für neu gewährte ambulante Leistungen ist für 2016 ein Plus von 7% gegenüber 2015 auszumachen (rund 11.000 mehr junge Menschen). Dies geht auf Entwicklungen bei der Sozialpädagogischen Familienhilfe (+6%), den Erziehungsbeistandschaften (+11%) und den Intensiven Sozialpädagogischen Einzelbetreuungen (ISE) (+40%) zurück. Insbesondere für die beiden letztgenannten Hilfen fallen die ausgewiesenen Zunahmen deutlich höher aus als für die letzten Jahre. Im Kontext der Zunahme der begonnenen Leistungen hat sich zwischen 2015 und 2016 insbesondere die Zahl der Fremdunterbringungen erhöht. So haben die neu realisierten Hilfen in Pflegefamilien, Heimen oder betreuten Wohnformen gegenüber dem Vorjahr um 22% zugenommen (vgl. Abb. 1). Es handelt sich um den höchsten Anstieg der letzten Jahre, der vor allem auf die Entwicklungen in stationären Unterbringungen gem. 34 SGB VIII zurückgeht. Wie im Vorjahr, ist auch 2016 das größte

2 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Plus bei der Heimerziehung zu verbuchen: Demnach sind dies 12.307 junge Menschen mehr in begonnenen Hilfen gem. 34/41 SGB VIII, was einem Anstieg von 25% entspricht. Aber auch die Vollzeitpflege hat um 15% zugenommen (+2.431 junge Menschen in begonnenen Hilfen gem. 33/41 SGB VIII). Zuletzt war für diese Hilfeart lediglich ein geringer Anstieg von nur 1% auszumachen. Abb. 1: Gewährungspraxis der Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) nach Leistungssegmenten (Deutschland; 2013 bis 2016; begonnene Hilfen; Angaben absolut) 350.000 310.082 311.907 305.922 306.164 Anzahl junger Menschen in erzieherischen Hilfen 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 155.522 161.651 156.696 167.702 54.119 (99) 57.900 67.805 82.898 15.498 (587,8) 16.082 16.250 18.681 36.678 39.719 49.457 61.764 0 Erziehungsberatung 28 SGB VIII Ambulante Hilfen 27,2; 29-32, 35 SGB VIII Fremdunterbringungen 27,2; 33-34 SGB VIII dar. 33 SGB VIII 2013 2014 2015 2016 dar. 34 SGB VIII Das Ergebnis zu den Erziehungsbeistandschaften und den ISE-Leistungen (s.o.) korrespondiert insofern mit den Entwicklungen im Bereich Heimerziehung und betreute Wohnformen, als dass die sozialpädagogische Betreuung, Versorgung und Unterstützung junger Menschen, die in Wohnungen oder Wohngemeinschaften leben, keinesfalls nur auf der Grundlage des 34 SGB VIII Heimerziehung und betreute Wohnformen rechtlich vollzogen werden, sondern auch im Rahmen der oben genannten Leistungen gem. 30 oder 35 SGB VIII. Dies gilt im Falle der Hilfen für junge Volljährige entsprechend. Vor diesem Hintergrund sind aber die gestiegenen Zahlen für Erziehungsbeistandschaften und ISE- Leistungen bereits ein Hinweis auf Fallzahlenzunahmen aufgrund eines Bedarfs bei jungen Menschen, die unbegleitet nach Deutschland geflüchtet sind. Dies zeigt sich angesichts einer Zunahme für die Erziehungsbeistandschaften zwischen den 2015 und 2016 begonnenen Hilfen für die Altersgruppe der 14- bis unter 18-Jährigen (+8%) sowie für die der jungen Volljährigen (+33%). Noch deutlicher fallen die neu begonnenen Hilfen im Bereich ISE-Leistungen aus. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich diese Hilfen für die 14- bis unter 18-Jährigen um 44% erhöht, aber auch die neu begonnenen Leistungen für junge Volljährige sind um 41% gestiegen (ohne Abb.).

3 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Erneut mehr männliche Adressaten mit Migrationshintergrund in der Heimerziehung Bei Datenanalysen zu den Hilfen zur Erziehung 2015 wurde bereits sichtbar, dass unbegleitete ausländische Minderjährige (UMA) als Klientel der Hilfen zur Erziehung und vor allem der stationären Hilfen an Bedeutung gewinnen (vgl. Fendrich/Tabel 2016, 2017). Mithilfe von Detailanalysen zu Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund sowie den Gründen für die Hilfegewährung können UMA immerhin indirekt in der Statistik zu den Hilfen zur Erziehung identifiziert werden. Mit den Daten des Jahres 2016 rückt diese Klientel noch einmal stärker in den Fokus. Greift man die aktuelle Entwicklung bei neu begonnenen Unterbringungen im Rahmen von Heimerziehung mit Blick auf Alter und Geschlecht der jungen Menschen auf, so wird für 2016 Folgendes deutlich (vgl. Abb. 2): Die 14- bis unter 18-jährigen jungen Menschen stellen nicht nur weiterhin die Hauptklientel der Hilfen gem. 34 SGB VIII dar, sondern sind auch die Altersgruppe, die sich im Vergleich zum Vorjahr wie bereits zwischen 2014 und 2015 deutlich vergrößert hat. Dies ist auf die Gruppe der männlichen Jugendlichen dieser Altersgruppe zu beziehen, bei der schon im Vorjahr ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen war. Diese Entwicklung ist ein erster Hinweis auf eine weiterhin gestiegene Bedeutung unbegleiteter ausländischer Minderjährige (UMA) als Klientel der stationären Hilfen gem. 34 SGB VIII. Erheblich zugenommen haben im Jahr 2016 stationäre Unterbringungen für männliche junge Volljährige; diese Gruppe steigt um 3.300 Fälle bzw. 107%. Damit hat sich das Fallzahlenvolumen gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Es ist davon auszugehen, dass sich dahinter zu einem großen Anteil volljährig gewordene junge Menschen, die minderjährig unbegleitet nach Deutschland eingereist sind, verbergen.

4 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Abb. 2: Junge Menschen in der Heimerziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) nach Alter und Geschlecht (Deutschland; 2013 bis 2016; begonnene Hilfen; Angaben absolut) Männlich Weiblich 18 J. und älter 14 bis unter 18 J. 10 bis unter 14 J. 6 bis unter 10 J. 3 bis unter 6 J. unter 3 J. 18 J. und älter 14 bis unter 18 J. 10 bis unter 14 J. 6 bis unter 10 J. 3 bis unter 6 J. unter 3 J. 2016 2015 2014 2013 0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 Anzahl junger Menschen in der Heimerziehung Betrachtet man in einem weiteren Schritt den Migrationshintergrund junger Menschen in der Heimerziehung unter der Perspektive der ausländischen Herkunft mindestens eines Elternteils und der zu Hause gesprochenen Sprache, dann haben insbesondere diejenigen, die in ihrer Herkunftsfamilie kein Deutsch sprechen, noch einmal deutlich an Bedeutung gewonnen. Ihr Anteil hat sich in den letzten Jahren in der Gruppe der neu begonnenen Heimerziehungen von knapp 16% auf 52% mehr als verdreifacht (vgl. Abb. 3). Die Quote ist in der Vergangenheit kontinuierlich, aber keineswegs linear gestiegen. Vielmehr zeigt sich zwischen 2014 und 2015 der größte Zuwachs mit einem Plus von mehr als 21 Prozentpunkten, aber auch von 2015 auf 2016 ist dieser Wert noch einmal um etwa 10 Prozentpunkte gestiegen. Der Anteil junger Menschen mit mindestens einem Elternteil ausländischer Herkunft liegt bei neu gewährten Maßnahmen der Heimerziehung aktuell bei 62%. Bereits 2015 war deren Anteil erstmalig höher als der junger Menschen ohne Migrationshintergrund. Schaut man allein auf das Differenzierungskriterium Sprache, so ist zwischen 2015 und 2016 ein Plus von rund 11.700 jungen Menschen in der Heimerziehung zu beobachten, in deren Herkunftsfamilie gar nicht oder zumindest nicht vorrangig Deutsch gesprochen wird ( nichtdeutsche Familiensprache ). Demgegenüber sind in diesem Zeitraum nur 641 junge Menschen mit deutscher Familiensprache hinzugekommen (+2%).

5 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Der Anstieg der Neuhilfen im Rahmen der Heimerziehung zwischen 2015 und 2016 geht damit, wie bereits in den Jahren 2014 und 2015, vor allem auf junge Menschen mit einer nichtdeutschen Familiensprache zurück. Auch diese Entwicklung verweist auf die weitere Zunahme vor allem männlicher minderjähriger Flüchtlinge in stationären Einrichtungen gem. 34 SGB VIII (vgl. Deutscher Bundestag 2017, S. 28ff.). Abb. 3: Heimerziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) nach der Herkunft der Eltern sowie der zu Hause gesprochenen Sprache (Deutschland; 2013 bis 2016; begonnene Hilfen; Anteil in %) 1 2016 (N = 59.171) 37,9 10,5 51,5 2015 (N = 48.026) 46,5 11,9 41,6 2014 (N = 38.448) 63,8 16,0 20,2 2013 (N = 35.633) 67,4 16,9 15,7 0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 % Keine ausländische Herkunft/deutsche Sprache Ausländische Herkunft/deutsche Sprache Ausländische Herkunft/nichtdeutsche Sprache 1 In der Statistik wird auch die Gruppe der jungen Menschen ausgewiesen, die keine ausländische Herkunft haben und zuhause vorrangig nicht die deutsche Sprache sprechen. Diese Gruppe spielt eine geringe Rolle in den Hilfen zur Erziehung, sodass sie hier nicht mitberücksichtigt wird. Mit Blick auf die Bundesländer zeigt sich, dass der Anstieg der Hilfen gem. 34 SGB VIII für junge Menschen, die in ihrer Herkunftsfamilie vorrangig nicht Deutsch sprechen, sich nicht in allen Ländern gleichermaßen vollzogen hat. So fallen die Zuwächse je nach Land nicht nur unterschiedlich hoch aus, sondern für Bayern und Hessen sind demgegenüber gegensätzliche Entwicklungen zu beobachten (vgl. Tab. 1). Insgesamt verteilen sich von den insgesamt knapp 11.700 neuen Hilfen für junge Menschen, die in der Herkunftsfamilie nicht Deutsch sprechen, etwa 74% lediglich auf 3 Bundesländer, und zwar auf Nordrhein-Westfalen (+4.092), Baden-Württemberg (+2.354) sowie Niedersachsen (+2.147). Die Fallzahlenzunahme für Nordrhein-Westfalen macht allein einen Anteil von 35% aller deutschlandweit neu hinzugekommenen Hilfen aus. Diese Länderunterschiede und die damit verbundenen Entwicklungen müssen noch eingehender analysiert werden. So ist beispielsweise noch zu prüfen, inwiefern Trends in den Ländern durch Veränderungen bei einzelnen Altersgruppen wie den jungen Volljährigen in besonderer Weise beeinflusst werden.

6 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Tab. 1: Heimerziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) insgesamt und nach der zu Hause gesprochenen Sprache (Länder; 2015 und 2016; begonnene Hilfen; Angaben und Veränderung absolut) Heimerziehung insgesamt (abs.) Entwicklung 2015-2016 (abs.) Fälle junger Menschen 2015 2016 insgesamt mit deutscher Familiensprache mit nichtdeutscher Familiensprache Baden-Württemberg 4.306 6.510 2.204-150 2.354 Bayern 8.248 6.630-1.618 62-1.680 Berlin 2.047 2.262 215-15 230 Brandenburg 2.058 2.492 434 47 387 Bremen 915 1128 213-66 279 Hamburg 2.035 2.393 358-77 435 Hessen 5.242 3.617-1.625 64-1.689 Mecklenburg-Vorp. 923 1321 398 192 206 Niedersachsen 3.694 5.942 2.248 101 2.147 Nordrhein-Westfalen 11.151 15.774 4.623 531 4.092 Rheinland-Pfalz 2.125 3.321 1.196 36 1.160 Saarland 736 918 182-5 187 Sachsen 1.949 3.417 1.468 23 1.445 Sachsen-Anhalt 1.392 1.997 605-67 672 Schleswig-Holstein 1.568 2.258 690-26 716 Thüringen 1.068 1.784 716-9 725 Deutschland 49.457 61.764 12.307 641 11.666 Ein anderer Blick auf die Länderergebnisse macht zudem deutlich, dass 2016 in vielen Ländern mindestens die Hälfte der Neufälle im Rahmen der Heimerziehung für junge Menschen gewährt wurde, die zu Hause nicht Deutsch sprechen (vgl. Abb. 4). Besonders hohe Anteile sind für Bayern (71%), Baden-Württemberg (68%) und Bremen (65%) festzustellen. Geringere Anteile weist die KJH-Statistik für Mecklenburg- Vorpommern (26%), Berlin (37%), Brandenburg (40%) oder Sachsen-Anhalt (42%) aus. Gegenüber 2013 sind in allen Bundesländern die Anteile junger Menschen, die zu Hause nicht Deutsch sprechen, gestiegen. Allerdings zeigen sich diesbezüglich länderspezifische Besonderheiten. Die Spannweite bei der Entwicklung zwischen 2013 und 2016 reicht von einem Plus von 10 Prozentpunkten in Hamburg bis zu 53 Prozentpunkten in Thüringen. Besonders auffällig sind die Zunahmen in den ostdeutschen Ländern. Noch im Jahr 2013 spielten junge Menschen mit Migrationshintergrund kaum eine Rolle in der Heimerziehung, während sich die Anteile drei Jahre später mehr als verzehnfacht haben. In Sachsen-Anhalt hat sich der Anteil sogar um den Faktor 22 erhöht. Diese Veränderungen in den Ländern müssen auch vor dem Hintergrund der gesetzlichen Änderungen des SGB

7 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) VIII durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher interpretiert werden, nach dem die kinder- und jugendhilferechtlichen Zuständigkeiten für unbegleitete nach Deutschland eingereiste Minderjährige nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt werden (vgl. Deutscher Bundestag 2017, S. 14f.). Abb. 4: Heimerziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) mit nichtdeutscher Familiensprache (Länder; 2013/2016; begonnene Hilfen; Anteil in %) % 100,0 2013 2016 80,0 60,0 40,0 20,0 0,0 67,7 71,1 64,5 61,4 60,8 19,9 25,2 16,8 3,6 23,2 36,5 39,8 51,5 41,4 50,3 46,0 52,2 53,2 53,4 42,4 56,1 56,5 53,6 55,3 45,5 2,5 25,9 8,2 16,9 10,8 24,1 3,0 2,0 12,1 3,7 18,1 21,2 3,0 junge Volljährige; 2016; Berechnungen der AKJ Stat Beinahe jeder zweite junge Mensch aufgrund von Unversorgtheit in der Heimerziehung Bei den Gründen für die Gewährung einer erzieherischen Hilfe wurde in den letzten Jahren eine Verschiebung in der Zusammensetzung der jungen Menschen in der stationären Unterbringung erkennbar. Wurden Unterbringungen im Rahmen der Heimerziehung bis 2013 hauptsächlich aufgrund einer eingeschränkten Erziehungskompetenz der Eltern bzw. Sorgeberechtigten gewährt, steht seit 2014 mit einem Anteil von 20% erstmalig die Unversorgtheit junger Menschen an erster Stelle. Bis 2016 hat sich dieser Hilfegrund noch einmal erheblich erhöht: Bei mittlerweile fast jedem zweiten jungen Menschen ist dies der Hauptgrund für die Gewährung einer Heimerziehung (vgl. Abb. 5). Auch diese Entwicklung verweist auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge als größer werdende Zielgruppe stationärer Hilfen. Tiefergehende Analysen mit Blick auf Alter und Geschlecht der Adressat(inn)en können dies untermauern (vgl. auch Fendrich/Tabel 2017): Der Anteil der männlichen Jugendlichen im Alter von 15 bis unter 18 Jahren, für die Unversorgtheit als Hauptgrund für die stationäre Hilfe angegeben wurde, fällt im Jahr 2016 mit 71% sehr hoch aus. 2014 betrug dieser bereits 40% (ohne Abb.).

8 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) Abb. 5: Heimerziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) nach dem Hauptgrund der Hilfe (Deutschland; 2013 bis 2016; begonnene Hilfen; Anteil in %) 1 % 100,0 80,0 60,0 40,0 20,0 7,3 7,7 6,2 5,5 8,7 13,3 11,5 6,8 8,8 8,7 5,5 7,3 6,9 6,8 5,8 4,4 10,3 12,8 10,3 16,9 18,2 12,4 9,9 9,2 14,7 15,4 11,0 10,9 45,2 36,2 Schulische/berufliche Probleme Entwicklungsauffälligkeiten/ seelische Probleme Auffälligkeiten im sozialen Verhalten Belastungen des jungen Menschen durch familiäre Konflikte Belastungen des jungen Menschen durch Problemlagen der Eltern Eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern Gefährdung des Kindeswohls 0,0 15,5 2013 (N = 34.661) 19,5 2014 (N = 37.188) 2015 (N = 44.621) 2016 (N = 58.176) Unzureichende Förderung des jungen Menschen Unversorgtheit des jungen Menschen 1 Ohne Zuständigkeitswechsel der Jugendämter Fragestellungen für Fachpraxis und Politik Die Ergebnisse der KJH-Statistik zu den erzieherischen Hilfen 2016 zeigen, dass Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige zentrale institutionalisierte Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zur Unterstützung der bis etwa Anfang 2016 in hoher Zahl unbegleitet nach Deutschland eingereisten Minderjährigen darstellen. Diese Leistungen zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und der Verselbstständigung der jungen Menschen werden in nennenswertem Umfang in Anspruch genommen und verändern das Bild von Hilfen zur Erziehung und Hilfen für junge Volljährige spürbar nicht nur mit Blick auf die Höhe der Fallzahlen, sondern auch hinsichtlich der Verteilungen nach Alter, Geschlecht, Herkunft und den Gründen der in Anspruch genommenen Jugendhilfeleistung. Die Ergebnisse der KJH-Statistik sind aber nicht nur Grundlage für den Erkenntnisgewinn, sondern es ergeben sich auch Fragestellungen, die Praxisentwicklung unterstützen oder auch Ausgangspunkt für politisches Handeln sein können beispielsweise: 1. Wie haben sich die Aufgaben für die Träger der Kinder- und Jugendhilfe angesichts der Bedarfslagen sowie der gestiegenen Fallzahlen bei den stationären Unterbringungen verändert? 2. Wie belastend stellen sich die Lebenslagen der jungen Menschen in den Einrichtungen angesichts ihrer Fluchterfahrungen, aber auch mit Blick auf ihre aktuellen lebensweltlichen Bezü-

9 Aktuelle Entwicklungen in den Hilfen zur Erziehung Datenbasis 2016 (Stand: Dez. 2017) ge, dar? Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Asylantragsverfahren und deren Ausgänge? 3. Wie gut gelingen Trägern und Adressat(inn)en die gemeinsame Klärung und Herausarbeitung von individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarfen? 4. Wie sind Schnittstellen zwischen Jugendhilfeträgern und Ausländerbehörden ausgestaltet? Inwieweit sind Einrichtungen in Netzwerkstrukturen und Verantwortungsgemeinschaften für geflüchtete junge Menschen eingebunden? 5. Wie stellt sich vor Ort die Lage auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt dar? Welche Angebote sind vorhanden, um die Verselbstständigung dieser jungen Menschen zu ermöglichen? Literatur Deutscher Bundestag: Bericht über die Situation unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Deutschland. Unterrichtung durch die Bundesregierung. Drucksache 18/11540, Berlin 2017. Fendrich, S./Tabel, A.: Steigende Bedeutung junger Menschen mit Migrationshintergrund in den Hilfen zur Erziehung, in: Kom Dat Jugendhilfe, 2016, Heft 3, S. 9-12. Fendrich, S./Tabel, A.: Erwartbarer Ausbau der Heimerziehung junge Geflüchtete als wichtige Adressat(inn)en, in: Kom Dat Jugendhilfe, 2017, Heft 1, S. 15-18. Fendrich, S./Pothmann, J./Tabel, A.: Monitor Hilfen zur Erziehung 2016, Dortmund 2016. Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJ Stat, www.akjstat.tu-dortmund.de) gehört zum Forschungsverbund DJI/TU Dortmund an der Technischen Universität Dortmund. Seit 1997 analysiert die AKJ Stat die Ergebnisse der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik zu u.a. der Kindertagesbetreuung, der Kinder- und Jugendarbeit oder auch den Hilfen zur Erziehung. Darüber hinaus entwickelt sie im Dialog mit Statistischen Ämtern sowie der Fachpraxis, Politik und Wissenschaft Vorschläge zur Weiterentwicklung der Statistik. Gefördert wird die AKJ Stat durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW (MKFFI) sowie die TU Dortmund. Kontakt: Dr. Jens Pothmann, Technische Universität Dortmund, Fakultät 12, CDI-Gebäude/Forschungsverbund, Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik, Vogelpothsweg 78, 44227 Dortmund, Tel.: 0231/755-5557, Fax: 0231/755-5559, E-Mail: jens.pothmann@tu-dortmund.de