Baustein 2 Mädchen und Frauen in gewerblich-technischen Berufen Teil 1: Chancen 1. Was heißt das überhaupt Frauenberuf und Männerberuf? Definition Männerberuf: Frauenanteil ist kleiner als 20% Definition Frauenberuf: Frauenanteil ist größer als 80% Definition Mischberuf: Frauenanteil liegt zwischen 20 % und 80% Typische Frauenberufe sind beispielsweise Arzthelferin, Apothekenhelferin, Hauswirtschafterin, Nahrungsmittelverkäuferin, Rechtsanwalt- und Notargehilfin, Schneiderin, Floristin, Friseurin, Hotelfachfrau, Bürokauffrau. Zu den Mischberufen gehören die meisten kaufmännischen und verwaltenden Berufe: Technische Zeichnerin, Werkstoffprüferin, Vermessungstechnikerin, Chemielaborantin, Köchin, Bäckerin. Typische Männerberufe sind vor allem im Metall-, Elektro- und Baubereich zu finden. Jungen wie Mädchen greifen in ihrer Berufswahl stark auf geschlechtstypische Berufe zurück. Dabei konzentrieren sich Jungen stärker auf Männerberufe als Mädchen auf Frauenberufe. Eintritt in Berufe im Jahr 1997 1 : in Frauenberufe 14% in Männerberufe 36% in Mischberufe 50% Zu beachten dabei ist: Es gibt wesentlich weniger Frauenberufe (14 Berufe) als Männerberufe (80 Berufe)! Das heißt, insgesamt gibt es wesentlich mehr Ausbildungsberufe, die weitgehend Männern vorbehalten bleiben. Mädchen konzentrieren sich wesentlich stärker als Jungen auf nur wenige Berufe. Jungen konzentrieren sich noch stärker als Mädchen auf geschlechtstypische Ausbildungsberufe. 1 Aktuellere Zahlen liegen uns leider nicht vor. 11
2. Einkommen in Männer- und in Frauenberufen Frauen verdienen nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes (März 2004) nach Abschluss der Ausbildung im Durchschnitt fast ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Verdienst einer Angestellten in Schlüsselbranchen wie dem Produzierenden Gewerbe sowie dem Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe betrug im vergangenen Jahr durchschnittlich 2.517 Euro pro Monat. Dies waren rund 30 Prozent weniger als bei Männern. Bei den Arbeiterinnen ist der Verdienst der Frauen mit 1.837 Euro pro Monat um 26 Prozent unter dem der Männer geblieben. Bezogen auf Männer- und Frauenberufe ist dieser Unterschied noch wesentlich größer: Ein Jahr nach Ausbildungsabschluss kann das Einkommen von Männern in Männerberufen um bis zu 50 Prozent höher liegen als das von Frauen in Frauenberufen. Pauschal kann man sagen: je weiblicher ein Beruf ist, desto geringer ist das Einkommen. In vielen frauentypischen Berufen ist der Verdienst so gering, dass er auch bei längerfristiger Erwerbstätigkeit nur wenig über dem Minimum zur eigenen Existenzsicherung liegt. Beispiel Arzthelferin: Einer Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Folge verdienen 5 Jahre nach Ausbildungsabschluss 75% der gelernten und in ihrem Beruf tätigen Arzthelferinnen monatlich weniger als 800,- Euro netto. Damit liegt das Einkommen der Arzthelferinnen am Existenzminimum. Bei Friseurinnen liegt das Einkommen im Durchschnitt noch unter dem von Arzthelferinnen. Gründe hierfür sind 1. unterschiedliche Einkommensniveaus in Männer- und in Frauenberufen, aber auch 2. das unterschiedliche Einkommensniveau innerhalb einzelner Berufsgruppen. Eine vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführte Betriebsbefragung ergab Hinweise auf einen sehr unterschiedlichen Einsatz von jungen Männern und jungen Frauen mit gleichen technisch-gewerblichen Qualifikationen. Es zeigt sich, dass Frauen häufig nicht ausbildungsadäquat beschäftigt werden bzw. dass sie auf weniger ausbaufähige Positionen verwiesen werden. Insgesamt bestätigten 5% der befragten Ausbildungsbetriebe einen völlig anderen Einsatz von Frauen im gewerblich-technischen Bereich und 21% einen teilweise anderen Einsatz (gleiches Ergebnis im kaufmännisch-verwaltenden Bereich: auch hier in 4% der Ausbildungsbetriebe ein völlig anderer Einsatz und in 21% ein teilweise anderer Einsatz von Frauen und Männern im gleichen Beruf im Anschluss an die Ausbildung). Diese Einkommensschere kann man sogar bei Frauen in Männerberufen beobachten: Die 3 Männerberufe, in denen Frauen am häufigsten Arbeiten (Tischler/in, Maler/in bzw. Lackierer/in und KFZ-Mechaniker/in) gehören zu der Gruppe der schlechter bezahlten Männerberufe. Und umgekehrt: bei dem am stärksten mit Männern besetzten Frauenberuf Hotelfachleute ist das Einkommen verglichen mit anderen Frauenberufen relativ hoch. Ein weiterer Grund für die niedrigere Entlohnung von Frauen liegt in ihrer vollzeitschulischen Ausbildung. In vollqualifizierenden Berufsfachschulen und in Schulen des Gesundheits- 12
wesens liegt der Frauenanteil bei knapp 80 Prozent. Das heißt, Frauen werden überproportional im Bereich der Dienstleistungen und der Gesundheit, Erziehung und Sozialpädagogik ausgebildet, also außerhalb des dualen Systems. Gewerblich-technische Berufe hingegen sind Ausbildungen, die im dualen System angesiedelt sind. Obwohl die Ausbildungswege im dualen und im vollzeitschulischen Berufsbildungssystem formal beiden Geschlechtern gleichermaßen offen stehen, zeigt sich also, dass sie faktisch einen männlichen (dualen) und eine weiblichen (vollzeitschulischen) Zuschnitt haben. Vollzeitschulische Berufsausbildungen weisen gegenüber Ausbildungen im dualen System einige, für die jungen Frauen folgenschwere, Nachteile auf: fehlende oder geringe Ausbildungsvergütung fehlende Übernahmemöglichkeit durch den Ausbildungsbetrieb verlängerte Ausbildungszeiten aufgrund höherer Anforderungen an die Vorqualifikation und/oder Festlegung eines Mindestalters für den Ausbildungsbeginn nicht alle berufsfachschulischen Ausbildungen führen zu einem qualifizierten Ausbildungsabschluss; manche bieten lediglich eine bessere Voraussetzung für die Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung im dualen oder wiederum vollzeitschulischen System. Das Gehalt einer Erzieherin beispielsweise liegt trotz höherer Vorqualifikation in der Regel unterhalb des Facharbeiterniveaus. 3. Berufswahlmotive von jungen Frauen und jungen Männern Die Anzahl der Mädchen, die einen geschlechtsspezifischen Beruf anstreben, ist wesentlich geringer als die Anzahl der Mädchen, die später einen solchen Beruf tatsächlich ergreifen. Bei Befragungen in der Sekundarstufe 1 gaben 15 % der Mädchen einen Männerberuf als primären Berufswunsch an. Jedoch nur die Hälfte dieser Mädchen wählte später faktisch eine gewerblich-technische Ausbildung. Das bedeutet, in der Phase der Berufsorientierung finden Einflüsse und Prozesse statt, die Mädchen in traditionelle Berufe lenken. Bei der Berufswahl von Jungen wie von Mädchen haben Neigung und Spaß die größte Bedeutung. Mädchen betonen jedoch mehr als Jungen soziale und kommunikative Aspekte (Umgang mit Menschen). Die Selbsteinschätzung der eigenen Eignungen und Fähigkeiten fokussiert sich bei den Mädchen auf klassische "weibliche" Kompetenzen wie kommunikatives Talent, sozialer Umgang und Einfühlungsvermögen. Bei den traditionellen Berufsbeschreibungen männlicher Berufe bleiben diese Aspekte außen vor, obwohl sie de facto in der Ausübung von Männerberufen häufig auch enthalten sind. 4. Schlussfolgerungen für den schulischen Unterricht Mädchen haben ein breit gestreutes Technikinteresse. Ihr Interesse geht dabei immer auch über die pure Technik hinaus. Daraus folgt: Mädchen sollten mehr Berufsfelder eröffnet werden, die dieser Interessensvielfalt gerecht werden. 13
Eine geschlechtergerechte Berufsinformation muss demnach verstärkt auf kommunikative und soziale Anteile in technischen und männlich besetzten Berufen hinweisen. Dies ist z.b. in Bezug auf den Beruf der Polizistin in den letzten Jahren geschehen. Auch in vielen technischen Berufen, beispielsweise den IT-Berufen, geschieht dies schon. Generell kann von einer zunehmenden Bedeutung sozialer, kommunikativer und kooperativer Kompetenzen auch in technikorientierten Berufsfeldern gesprochen werden (Stichwort: Kundenorientierung). Eine andere Möglichkeit ist es, im Rahmen von Berufsorientierung den Anteil von Fremdsprachenkompetenz in Berufsbildern hervorzuheben. Zudem sollten Mädchen auf Einkommensunterschiede in den verschiedenen Berufsbereichen und deren Konsequenzen hingewiesen werden. Lehrpläne und Unterrichtsstoffe, vor allem solche mit technischem Inhalt, müssen stärker in einen Kontext gebracht werden, der Mädcheninteressen berücksichtigt. So könnte beispielsweise Technik mit anderen Fächern/Themen kombiniert und verbunden werden (z.b. Ökologie, Ökonomie, Sprache). Bei der Erarbeitung physikalischer Inhalte könnten Kontexte wie Humanbiologie, medizinische Anwendungen oder Naturphänomene mit einbezogen werden. 5. Zusammenfassung Bei jüngeren Mädchen (ca. bis Klasse 7) besteht noch keine so starke geschlechtsspezifische Ausrichtung der Berufvorstellungen, diese erfolgt erst im Laufe des Berufswahlprozesses. Technikinteresse bei Mädchen ist durchaus vorhanden, es muss nur in den richtigen Kontext gestellt und gezielt gefördert werden. Es ist sehr wichtig, wie Berufsbilder dargestellt werden. Die Kombination von Technik mit anderen Bereichen ist in vielen Berufen durchaus vorhanden, sie muss nur bewusst in die Berufsinformation mit einfließen. 14
6. Didaktisch-methodische Hinweise Methode Inhalte Ziele Materialien Zeit Vortrag Was heißt das überhaupt Frauenberuf und Männerberuf? Einkommen in Männer- und Frauenberufen Berufswahlmotive von jungen Frauen und jungen Männern Entwicklung eines gendersensiblen Blickes auf Frauenund Männerberufe und die geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarktes Vermittlung erster Ansätze einer gendersensiblen schulischen Berufsorientierung Power Point Folien chancen.ppt 20 Min. Schlussfolgerungen für den schulischen Unterricht Diskussion Fragestellungen: Welche Erfahrungen wurden bisher mit Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen gemacht? Sammlung und Austausch von Erfahrungen und good practice Beispielen FlipChart, Stifte 25 Min. Wo gibt es schon konkrete Ansätze einer Berufsorientierung unter Einbeziehung von Genderaspekten an den jeweiligen Schulen? Welche Erfolge und welche Schwierigkeiten werden dabei gesehen? Dabei Bezug nehmen auf ausgewerteten Fragebogen (siehe Datei fragebogen.doc) Ausgewerteter Fragebogen GESAMTZEIT 45 Min. 15