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Transkript:

NEWSLETTER ARBEITSRECHT Anzuwendendes Recht bei Arbeitsverträgen mit grenzüberschreitendem Charakter Unwirksamkeit einer Stichtagsregelung für Jahressonderzahlungen Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitsvertrag Betriebsbedingte Kündigung und freier Arbeitsplatz im Ausland Anfechtung eines extrem vorteilhaften Arbeitsvertrages wegen Täuschung Gestellung gemäß 4 Abs. 3 TVöD als unzulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung Dezember 2013 www.heussen-law.de

Höchstrichterliche Entscheidungen: Anzuwendendes Recht bei Arbeitsverträgen mit grenzüberschreitendem Charakter EuGH-Urteil vom 12.09.2013 C-64/12 Auch nach der Insolvenz schreibt Schlecker europäische Rechtsgeschichte: der EuGH äußert sich zum Anknüfungskriterium des Landes der gewöhnlichen Verrichtung der Arbeit im Hinblick auf das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende nationale Recht, wenn die Parteien keine oder wegen zwingender Verletzung von Schutzrechten keine wirksame Rechtswahl vorgenommen haben. Der EuGH stellt vorrangig auf den gewöhnlichen Verrichtungsort des Arbeitnehmers vor anderen maßgeblichen Anknüpfungskriterien der ROM I-Verordnung ab, lässt aber im Einzelfall nach Würdigung sämtlicher Gesichtspunkte auch eine andere Entscheidung zu. Der Sachverhalt Die Firma Schlecker mit Sitz in Ehingen stritt mit der Geschäftsführerin der ca. 300 Filialen der Drogeriemarktgruppe in den Niederlanden anlässlich einer Versetzung der Klägerin zu unveränderten Vertragsbedingungen als Bereichsleiterin Revision nach Dortmund. Die Klägerin, die ursprünglich bei Schlecker in Deutschalnd gearbeitet hatte, wohnte in Deutschland und arbeitete seit 11 Jahren ohne Unterbrechung in den Niederlanden. Die Klägerin widersprach der einseitigen Versetzung. Sie trat zwar ihre neue Tätigkeit in Dortmund an, klagte aber in den Niederlanden zunächst auf Nichtigkeit, später auf Auflösung ihres Vertragsverhältnisses. Im Rechtsmittelverfahren wurde ihr Arbeitsvertrag aufgelöst und ihr eine Abfindung in Höhe von rd. EUR 560.000 zugesprochen. Die Entscheidung erging unter der Voraussetzung, dass niederländisches Recht auf den Vertrag anwendbar war. Obwohl die Klägerin umfassend in die deutschen Sozialversicherung eingegliedert war, habe deutsches Recht in ihrem Vertrag nicht stillschweigend vereinbart werden können. Der von Schlecker angerufene niederländische Kassationsgerichtshof stellte fest, dass das niederländische Recht einen weitergehenden Schutz gegen die vom Arbeitgeber angeordnete Änderung des Arbeitsortes gewähre als das deutsche Recht, setze das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor, die insbesondere die Anwendung von Art. 6 II des Übereinkommens von Rom (Rom I-VO) auszulegen ist. Seite 1

Die Entscheidung Der EuGH bestätigte die freie Rechtswahl nach Art. 6 Rom I-VO als Vorrang gegenüber den speziellen Kollisionsnormen der Art 3 und 4, soweit die Rechtswahl nicht dazu führt, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bedingungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 6 I mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Dann prüfte er die spezifischen Anknüpfungskriterien, anhand derer mangels einer audrücklichen Rechtswahl das anzuwendende nationale Recht festzulegen ist. Das seien nach Art. 6 II das Kriterium des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet und nachrangig, in Ermangelung eines solchen (festen) Ortes, das Kriterium der Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, es sei denn, beide Kriterien seien nicht anwendbar, weil sich aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass der Arbeitsvertrag oder die Arbeitsumstände engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweisen würden. Als solche Umstände kamen in Betracht, dass der Arbeitgeber eine deutsche juristische Person war, das Gehalt vor dem EURO in DM ausgezahlt wurde, Fahrtkosten vom Wohnsitz in Deutschland nach den Niederlanden bezahlt wurden, die Sozialbeiträge ebenso wie die Altersrentensicherung in Deutschland entrichtet wurden und der Vertrag auf zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts verwies. Die Entscheidung legt das Kriterium des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, nach Art. 6 II lit. a weit aus und gewährt ihm in der Regel Vorrang. Bezweckt wird dadurch der Schutz des Arbeitnehmers als schwächerer Vertragspartner, aber dies führe nicht zwangsläufig zur Anwendung des für ihn günstigeren Rechts. Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit in den Vertragsbeziehungen seien ebenfalls abzuwägen. Daher darf das nationale Gericht sämtliche Gesichtspunkte berücksichtigen, die das Arbeitsverhältnis kennzeichnen und diejenigen würdigen, die seiner Meinung nach am maßgeblichsten sind. Im Einzelfall kann es daher zu dem Ergebnis kommen, dass ein Vertrag enger mit einem anderen Staat als dem der gewöhnlichen Verrichtung der Arbeit verbunden ist. Eine automatische Abweichung vom Regelfall auch bei Vorliegen anderer relevanter Umstände wird aber ausgeschlossen. Praktikerhinweis: Die praktische Bedeutung der Entscheidung ist angesichts der Vielzahl von grenzüberschreitenden Entsendungen von Arbeitnehmern groß. Allerdings gibt der EuGH den nationalen Gerichten im Hinblick auf Einzelfallentscheidungen einen ungewöhnlich großen Beurteilungsspielraum, so dass eine verlässliche Einschätzung im Vor- Seite 2

hinein schwierig ist. Nicht alle Umstände, die beim anzuwendenden Recht in Abweichung vom Regelfall auf das Wohnsitzland hinweisen, sind aber beachtlich, so z.b. die Staatsangehörigkeit. Es empfiehlt sich, beim Abschluss von Entsendeverträgen große Sorgfalt walten zu lassen. Reinhold Kopp Rechtsanwalt Fachbereich: Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht Schwerpunkt: Gesellschaftsrecht, Compliance, Corporate Governance, Corporate Responsibility, Arbeitsrecht im Unternehmen reinhold.kopp@heussen-law.de Unwirksamkeit einer Stichtagsregelung für Jahressonderzahlungen Stichtagsregelung für Sonderzahlungen mit Mischcharakter ist unwirksam Urteil des BAG vom 13.11.2013 10 AZR 848/12 Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch eine Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistungen darstellt, kann im Arbeitsvertrag nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. des jeweiligen Jahres abhängig gemacht werden, indem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Der Sachverhalt Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit 2006 bei einem Verlag als Controller beschäftigt war. Er erhielt von der Beklagten jährlich mit dem Novembergehalt eine Gratifikation, ab dem Jahr 2007 eine als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe eines Monatsentgelts. Jeweils im Herbst eines Jahres erhielten die Arbeitnehmer ein Schreiben der Beklagten, in dem Richtlinien der Auszahlung aufgeführt waren. Im Schreiben für das Jahr 2010 hieß es u.a., die Zahlung erfolge an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befänden. Verlagsmitarbeiter sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 eines Bruttomonatsgehalts als Sonderzahlung erhalten. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund Eigenkündigung am Seite 3

30.09.2010. Mit der Klage hatte der Kläger eine anteilige Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2010 begehrt. Die Entscheidung Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Im Rahmen der Revision hat der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Beklagte entsprechend dem Klageantrag jedoch zur Zahlung verurteilt. Dies mit der Begründung, dass die Sonderzahlung nach den Richtlinien einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit für die Betriebstreue belohnen soll, die Sonderzahlung zugleich aber auch eine Vergütung für die im Laufe des Jahres geleistete Arbeit darstellt. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich deshalb um einen Jahressonderzahlung mit Mischcharakter, weil die Zahlung gemäß den Richtlinien der Beklagten von der Anzahl der Monate mit bezahlter Arbeitsleistung abhängig war. Damit steht die Regelung nach Auffassung des Gerichts im Widerspruch zum Grundgedanken des 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem klagenden Arbeitnehmer einen monatlich bereits anteilig erworbenen Anspruch auf Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung entzieht. Aus diesem Grund sieht das Bundesarbeitsgericht die in den Richtlinien vereinbarten Stichtagsregelungen nach 307 Abs. 1 S. 1 BGB für unwirksam an. Dies wird zudem damit begründet, dass in dem zu entscheidenden Fall keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Sonderzahlung eine Gegenleistung für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere vom Kläger jedoch nicht erbrachte Arbeitsleistungen sein sollte. Praktikerhinweis Dieses Urteil zeigt erneut, dass bei der Gestaltung der Vertragsklauseln für Jahressonderzahlungen unbedingt darauf zu achten ist, dass diese keinerlei Entgeltcharakter haben, wenn eine Stichtagsregelung gewünscht ist. Sofern die Klausel einen Mischcharakter oder einen reinen Vergütungscharakter aufweist, sind Stichtagsregelungen unwirksam. Claudine Gemeiner Rechtsanwältin Fachbereich: Arbeitsrecht Schwerpunkt: Arbeitsrecht, Spanisches Recht, Mergers & Acquisitions claudine.gemeiner@heussen-law.de Seite 4

Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitsvertrag Urteil des BAG vom 25.09.2013 10 AZR 282/12 Gegenstand eines Werkvertrages kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Fehlt es an einem vertraglich festgelegten abgrenzbaren, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, kommt ein Werkvertrag kaum in Betracht, weil der Auftraggeber dann durch weitere Weisungen den Gegenstand der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz erst bindend organisieren muss. Der Sachverhalt Der Kläger arbeitete seit 2005 aufgrund mehrerer Werkverträge für das Bayrische Landesamt für Denkmalpflege. Zunächst war der Kläger nach dem Werkvertrag befasst mit der Bearbeitung von etwa 500 Fundmeldungen, der Erstellung von etwa 500 Fundberichten und weiteren Tätigkeiten wie etwa das Inventarisieren, die Kartierung und die Anfertigung von kurzen schriftlichen Berichten. Seit Ende 2006 hat der Kläger an der Nachqualifizierung und Revision der Bayrischen Denkmalliste gearbeitet. Der Kläger hat dabei Bodendenkmäler bearbeitet und für die Liste nachqualifiziert. Er hat in den Dienststellen des Denkmalamts gearbeitet. Einen Schlüssel zu den Dienststellen hat der Kläger nicht besessen. Er war zu den üblichen Arbeitszeiten in den Dienststellen tätig, hat aber am Zeiterfassungssystem nicht teilgenommen. Er hatte einen PC-Arbeitsplatz mit persönlicher Benutzerkennung, hatte die Richtlinien des Projekthandbuchs des Denkmalamts zu beachten, mehrere Schulungen zum Informationssystem des Denkmalamts besucht, zeitweise über eine dienstliche E-Mail-Adresse verfügt und war außerdem im Outlook- Adressverzeichnis der Behörde aufgeführt. Der letzte Werkvertrag betraf die Nachqualifizierung der Stadt Fürth und nannte als zu erbringende Leistungen u.a. Tätigkeiten wie Erfassung der Maßnahmen und zusammenfassende Darstellung der Maßnahmeergebnisse, Bewertung der Ergebnisse, Thesaurierung der Ergebnisse, Vorschläge für Erfassung erforderlicher Nachträge, digitale Kartierung, etc. Der Kläger arbeitete in der Dienststelle des Denkmalamts in Nürnberg. Nach Aufforderung der zuständigen Referentin bearbeitete er auch Nachfragen zu bereits abgeschlossenen Vorgängen. Der Kläger vertrat die Auffassung, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis, das nicht aufgrund der zuletzt vereinbarten Befristung beendet worden sei. Seite 5

Die Entscheidung Das BAG hat wie auch bereits die Vorinstanzen entschieden, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, das im Übrigen durch die Befristung auch nicht beendet wurde. In einem ersten Schritt hat das BAG herausgearbeitet, dass entgegen der Vertragsbezeichnung doch kein Werkvertrag vorlag. Für die Abgrenzung zum Dienstvertrag ist maßgebend, ob ein bestimmtes Arbeitsergebnis bzw. ein bestimmter Arbeitserfolg oder nur eine bestimmte Dienstleistung als solche geschuldet wird. Der selbständige Werkunternehmer organisiert die für die Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und ist für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Besteller verantwortlich. Wie stets legt das BAG Wert darauf, dass die Abgrenzungsentscheidungen zwischen Werk-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsparteien vorzunehmen ist, sondern sich nach dem wirklichen Geschäftsinhalt beurteilt. Es ist hierbei eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen und der objektive Geschäftsinhalt den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wenn sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung widersprechen, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Wichtig ist die Abgrenzung zwischen Weisungen nach Werkvertragsrecht und Weisungen eines Arbeitgebers kraft Arbeitgeberstellung. Auch das Werkvertragsrecht kennt Weisungen, die der Werkbesteller gegenüber dem Werkunternehmen vornehmen kann (vgl. 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Werk beziehen, können im Rahmen eines Werkvertrags erteilt werden. Davon abzugrenzen ist aber die Ausübung von Weisungsrechten bezüglich des Arbeitsvorgangs und der Zeiteinteilung. Die Vornahme solcher Weisungen spricht für ein Arbeitsverhältnis. Das BAG hat entschieden, dass bereits nach den schriftlichen Vertragsgrundlagen nicht hinreichend klar war, dass tatsächlich bestimmte Arbeitsergebnisse oder Arbeitserfolge geschuldet waren. Das Gericht hat die geschuldeten Tätigkeiten als tätigkeitsbezogene Leistungen qualifiziert, die zwar Gegenstand eines freien Dienstverhältnisses sein können, aber keinen konkreten Werkerfolg darstellen. Da ein Werkvertrag somit ausschied, hatte sich das BAG nur noch damit zu befassen, ob ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis vorlag. Diese Abgrenzungsfrage hat das BAG nach ständiger Rechtsprechung danach vorgenommen, ob Seite 6

eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beklagten festzustellen war und der Kläger weisungsabhängig tätig wurde. Für eine solche Eingliederung bzw. Weisungsabhängigkeit sprachen eine Vielzahl von Anhaltspunkten: Es war dem Kläger nicht gestattet, die Fachsoftware auf einen eigenen Rechner aufzuspielen, um die Tätigkeiten auch an einem anderen Ort als der Behörde wahrnehmen zu können. Der Kläger war zeitlich in die Arbeitsabläufe der Dienststellen eingebunden. Da er keinen Schlüssel zu den Diensträumen besaß, konnte er nur zu den vorgegebenen Zeiten der Dienststellen arbeiten. Die Nichtteilnahme an der Zeiterfassung hat das Gericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung als unerheblich erachtet, da der Kläger nach dem wahren Geschäftsinhalt nicht in der Lage war, seine Arbeitszeit frei einzuteilen. Außerdem war der Kläger auch inhaltlichen Weisungen unterworfen. Hier war wichtig, dass der Kläger mehrfach auch zu weiteren Leistungen herangezogen wurde, die nicht bereits vorab vereinbart waren. Eine Gestattung der Weitergabe des Auftrags regelte der Vertrag nicht, Erfüllungsgehilfen durfte der Kläger nicht einsetzen. Praktikerhinweis: Folgende Hinweise sind für die Praxis wichtig: Die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitsvertrag sollte nach dem Prüfungsschema des BAG durchgeführt werden, das diese Frage in zwei Schritten prüft: In einem ersten Schritt wird geprüft, ob aufgrund des Vorliegens eines abgrenzbaren Werks ein Werkvertrag überhaupt vorliegen kann. Selbst bei Verneinung eines Werkvertrages liegt aber nicht automatisch ein Arbeitsvertrag vor, sondern ist auch ein freies Dienstverhältnis denkbar, was in einem zweiten Prüfungsschritt nach den bekannten Kriterien der Eingliederung bzw. der Weisungsabhängigkeit festzustellen ist. Von besonderer Wichtigkeit für das Vorliegen eines Werkvertrages ist die Vereinbarung einer detaillierten und werkvertragstypischen Leistungsbeschreibung, die sich auf konkrete und abgrenzbare Werkerfolge zu erstrecken hat. Vor allem dann, wenn eine solche Leistungsbeschreibung nicht mit hinreichender Schärfe vorgenommen werden kann, sondern auch tätigkeitsbezogene Aspekte umfasst, kommt es darauf an, sämtliche Anhaltspunkte für eine Eingliederung in den Betriebsablauf bzw. eine Weisungsabhängigkeit strikt zu vermeiden. Die Leistungsbeschreibung muss in der praktischen Durchführung ernst genommen werden. Die Erweiterung geschuldeter Erfolge durch zusätzliche Weisungen bzw. nachträgliche Anforderungen ist auf alle Fälle zu vermeiden. Wenn sich im Laufe eines Projekts die Notwendigkeit einer Erweiterung der Aufgabenstellungen zeigt, ist dieses Problem nicht durch eine einseitige Weisung des Auftraggebers zu lösen, Seite 7

sondern sollten die Parteien einen gesonderten Nachtrag zu der Leistungsbeschreibung vereinbaren. Andreas Gilles, LL.M. (Univ. N.S.W.) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Fachbereich: Arbeitsrecht Schwerpunkt: Individual- und Kollektivarbeitsrecht, Unternehmensmitbestimmung andreas.gilles@heussen-law.de Seite 8

Betriebsbedingte Kündigung und freier Arbeitsplatz im Ausland BAG, Urteil vom 29.08.2013, 2 AZR 809/12 (Pressemitteilung Nr. 52/13) Die aus 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten (ggf. auch im Wege einer Änderungskündigung), bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Der Sachverhalt Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Sie unterhält in Tschechien eine Betriebsstätte, in der sie Verbandsstoffe herstellt. Die Endfertigung der Stoffe erfolgte in einem am Sitz der Beklagten in Nordrhein-Westfalen gelegenen Betrieb. In diesem war die Klägerin seit 1984 als Textilarbeiterin tätig. Im Juni 2011 beschloss die Beklagte dann, ihre gesamte Produktion in der tschechischen Betriebsstätte zu konzentrieren. In Deutschland sollte nur noch die Verwaltung bestehen bleiben. Vor diesem Hintergrund erklärte die Beklagte gegenüber den an ihrem Sitz in Nordrhein-Westfalen beschäftigten Produktionsmitarbeitern eine ordentliche Beendigungskündigung. Die Klägerin hat die Kündigung im Kern damit angegriffen, dass die Beklagte ihr - im Wege des milderen Mittels einer Änderungskündigung - die Möglichkeit habe geben müssen, über eine Fortsetzung der Tätigkeit in Tschechien zumindest nachzudenken. Die Entscheidung Die Kündigungsschutzklage blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Aufgrund der Verlagerung der Endfertigung in die tschechische Betriebsstätte habe die Beklagte so das BAG - keine Möglichkeit mehr, die Klägerin in einem inländischen Betrieb weiter zu beschäftigen. Der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ( KSchG ) sei gemäß 23 Abs. 2 KSchG nur auf Betriebe anzuwenden, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Das BAG ließ es aber dahinstehen, ob Beschäftigungsmöglichkeiten im Ausland möglicherweise dann zu berücksichtigen seien, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb als Ganzen oder einen Teilbetrieb unter Wahrung der Identität ins Ausland verlagere. Seite 9

Praktikerhinweis: Das BAG setzt damit seine bisherige Rechtsprechung zum territorialen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fort. Dennoch sollte die Entscheidung nicht verallgemeinert werden. Denn Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu erwägen wäre, Arbeitnehmer im Ausland weiterzubeschäftigen, lagen in diesem mit Urteil vom 29.08.2013 entscheidenden Fall nicht vor. Die Entscheidung lässt offen, ob unter besonderen Umständen ausnahmsweise ein außerhalb Deutschlands gelegener Arbeitsplatz kündigungsrechtlich erheblich sein kann, etwa wenn ein grenzüberschreitender Betriebsübergang nach 613a BGB vorliegt oder etwa wenn in der Vergangenheit Auslandstätigkeiten übertragen wurden. Im Einzelfall sollte daher in derartigen Fällen mit Auslandsberührung geprüft werden, ob nicht doch vorsorglich statt einer Beendigungskündigung einer Änderungskündigung mit dem Angebot eines Arbeitsplatzes im Ausland erfolgen sollte. Ludwig Schleder Rechtsanwalt Fachbereich: Arbeitsrecht, Wirtschaftsrecht Schwerpunkt: Individual- und Kollektivarbeitsrecht, Vertragsgestaltung im Einund Verkauf, Lizenz-, Forschungs- Entwicklungs- und Kooperationsverträge, Vertriebsrecht ludwig.schleder@heussen-law.de Seite 10

Entscheidungen der Instanzgerichte: Anfechtung eines extrem vorteilhaften Arbeitsvertrages wegen Täuschung Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.11.2013-1 Sa 50/13 Hat ein Bewerber gute Beziehungen zu möglichen Kunden des Arbeitgebers vorgetäuscht und kommt es deshalb zum Abschluss eines für den Arbeitnehmer äußerst günstigen Arbeitsvertrages, so kann sich der Arbeitgeber im Wege der Anfechtung vom Arbeitsvertrag lösen. Der Sachverhalt Die beklagten Eheleute waren auf Grund eines Lottogewinns, über den in den Medien berichtet worden war, sehr vermögend. Die Ehefrau schrieb später Kinderbücher. Der Kläger nahm Kontakt zu den Beklagten auf und bot an, für diese als Vertriebsmanager tätig zu sein. Er machte geltend, die Chefeinkäufer von Media Markt und Saturn persönlich zu kennen und beste Beziehungen zum Ravensburger Kinderbuchverlag zu haben. Daraufhin kam es zum Abschluss eines ungewöhnlich vorteilhaften Arbeitsvertrages. Dieser sah u. a. vor eine Festanstellung auf 2 Jahre ohne Probezeit, ein Monatsgehalt von EUR 20.000 bei 13 Monatsgehältern, zusätzlich eine Gewinnbeteiligung am Buchprojekt, eine Verlängerung um 2 Jahre, wenn er nicht zuvor mit einer halbjährigen Frist gekündigt würde und eine Abfindung in Höhe von EUR 250.000, wenn der Arbeitsvertrag gleich aus welchen Gründen aufgehoben werde. Nachdem der Kläger einen Arbeitsvertrag zu geänderten Bedingungen nicht unterzeichnen wollte, fochten die Beklagten den ursprünglichen Arbeitsvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an und kündigten vorsorglich fristlos und fristgerecht. Die Entscheidung Nachdem der Kläger in erster Instanz mit seiner Klage noch obsiegt hatte, hob das LAG auf die Berufung der Beklagten die Entscheidung auf. Die Entscheidung ist noch nicht mit den Gründen, sondern nur als Presseveröffentlichung zugänglich. Darin teilt das Gericht mit, dass der Arbeitsvertrag hinfällig sei, weil er wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten sei. Das Zustandekommen des aus Sicht des Klägers extrem günstigen Arbeitsvertrages lasse sich nur dadurch erklären, dass dieser die besonderen Beziehungen zu möglichen Vertragspartnern seines Arbeitgebers arglistig vorgetäuscht habe. Seite 11

Praktikerhinweis: Die Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, dass eine Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber wegen Täuschung nach 123 Abs. 1 BGB möglich ist, wenn die Täuschung durch den Arbeitnehmer für den Abschluss des Vertrages ursächlich geworden ist. Die entschiedenen Fallkonstellationen beziehen sich darauf, dass ein Arbeitnehmer wahrheitswidrig auf eine berechtigt gestellte Frage geantwortet hat, beispielsweise nach der Schwerbehinderteneigenschaft, der Schicht- und Nachtschichttauglichkeit und von Vorstrafen. Die Frage nach persönlichen Eigenschaften des Arbeitnehmers muss aber für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung und im Sinne des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes zulässig sein. Reinhold Kopp Rechtsanwalt Fachbereich: Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht Schwerpunkt: Gesellschaftsrecht, Compliance, Corporate Governance, Corporate Responsibility, Arbeitsrecht im Unternehmen reinhold.kopp@heussen-law.de Seite 12

Gestellung gemäß 4 Abs. 3 TVöD als unzulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 17. April 2013 4 TaBV 7/12 Ein (öffentlicher) Arbeitgeber, der gemäß 4 Abs. 3 TVöD seine bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer an einen Dritten zur dortigen dauerhaften Leistungserbringung gestellt, betreibt eine unzulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung. Die mit dem Gestellungsvertrag einhergehende dauerhafte Übertragung des Direktionsrechts auf den Dritten ist in entsprechender Anwendung von 9 Nr. 1 1. Alt. AÜG unwirksam. Die Gestellung führt aber nicht dazu, das zugleich auch der Arbeitsvertrag zwischen Vertragsarbeitgeber und Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von 9 Nr. 1 2. Alt. AÜG unwirksam würde, wenn der Arbeitnehmer ursprünglich nicht zur Überlassung eingestellt wurde. Mangels Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages gilt deshalb auch kein Arbeitsverhältnis mit dem Dritten gem. 10 Abs. 1 Nr. 1 als zustande gekommen. Im Falle einer solchen unwirksamen dauerhaften Gestellung verbleiben die Mitbestimmungsrechte gem. 87 BetrVG beim für den Betrieb des gestellenden Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat. Gegen die Entscheidung wurde wegen der grundsätzliche Bedeutung Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Sachverhalt Die bisherige Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zur Zulässigkeit und zu den Sanktionen bei dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung ist uneinheitlich. Zumeist handelt es sich in den entschiedenen Fällen um solche, bei denen Personalgestellungsgesellschaften Mitarbeiter im Konzern oder an Dritte überlassen. Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg betrifft soweit ersichtlich - erstmalig einen Fall der Personalgestellung nach 4 Abs. 3 TVöD. Der Betriebsrat eines zu einem Klinikverbund gehörenden Klinikums verlangte die Korrektur eines Dienstplanes. Erstellt hatte diesen Plan eine ebenfalls dem Verbund angehörende Service GmbH ( S-GmbH ). Diese war von dem Klinikum im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der Erbringung verschiedener Serviceleistungen in den Bereichen Hauswirtschaft, Reinigungsdienst und Speisenverpflegung beauftragt worden. Zur Aufgabenerfüllung setzte die GmbH eigenes und ihr seitens des Klinikums auf der Grundlage eines Personalgestellungsvertrages gemäß 4 Abs. 3 TVöD gestelltes Personal ein. Der GmbH war dazu von dem Klinikum das Weisungsrecht hinsichtlich der gestellten Beschäftigten übertragen worden. Das Klinikum klagte auf Feststellung, dass dem Betriebsrat hinsichtlich der gestellten Mitarbeiter kein Mitbe- Seite 13

stimmungsrecht zustehe. Wie schon das Arbeitsgericht Stuttgart lehnte auch das im Beschwerdeverfahren angerufene LAG Baden-Württemberg die Klage ab. Die Entscheidung Es urteilte, dass die Mitbestimmungsrechte bezüglich des Dienstplanes weiterhin dem Betriebsrat des Klinikums zustehen und nicht dem bei der S-GmbH bestehenden Betriebsrat. Grundsätzlich richte sich bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, die Abgrenzung der Zuständigkeit des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebs danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. In Fällen der Personalgestellung nach 4 Abs. 3 TVöD sei entsprechend zwischen Maßnahmen aus dem Betriebsverhältnis, wozu Maßnahmen gehören, die dem übertragenen Direktionsrecht des Dritten unterfallen, und aus dem Grundverhältnis zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall habe indes das Direktionsrecht über die Arbeitnehmer des Klinikums nicht wirksam auf die S-GmbH übertragen werden können. Es liege weiterhin bei dem Klinikum, sodass gar kein Betriebsverhältnis zu der S-GmbH bestehen könne. Die Personalgestellung stelle eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung dar und sei zumindest in entsprechender Anwendung von 9 Nr. 1 1. Alt. AÜG unwirksam. Unwirksam sei auch 4 Abs. 3 TVöD soweit diese Norm die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern gestatte, denn damit verstoße sie gegen höherrangiges Recht. Eine europarechtskonforme Auslegung von 1 Abs. 2 Satz 2 AÜG ergäbe, dass eine dauerhafte Überlassung gänzlich verhindert werden solle, so dass für eine dauerhafte Überlassung auch keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erteilt werden könne. Ist aber schon der Überlassungsvertrag bei an sich zulässiger Arbeitnehmerüberlassung unwirksam, wenn der Verleiher über keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt, müsse dies erst recht gelten, wenn die Arbeitnehmerüberlassung selbst wegen ihrer Dauerhaftigkeit unzulässig ist und deshalb schon gar keine Erlaubnis erteilt werden könne. Ein Betriebsverhältnis liege auch nicht deshalb vor, weil ein Arbeitsverhältnis zwischen den gestellten Mitarbeitern und der S-GmbH als zustande gekommen gelte. Anders als in den klassischen Überlassungsfällen entspräche es hier gerade nicht dem Interesse der Arbeitnehmer, einwilligungslos einen anderen Arbeitgeber/Leistungsberechtigten aufgedrängt zu erhalten. Vielmehr sei es vollkommen ausreichend, dass die Direktionsrechtsübertragung nichtig ist und deshalb in Wegfall gerät. Seite 14

Praktikerhinweis: Das Gericht geht wie selbstverständlich davon aus, dass es sich bei der Personalgestellung um eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung handelt, die wegen ihrer Dauerhaftigkeit nicht zulässig ist. Den besonderen Umständen will es nur insoweit Rechnung tragen, als die Rechtsfolgen auf die Unwirksamkeit des Personalgestellungsvertrages beschränkt werden, das Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Vertragsarbeitgeber jedoch unberührt bleibt, insbesondere kein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher entstehe. Dies kann sich jedoch nachteilig für die betroffenen Mitarbeiter auswirken, wenn nämlich eine Weiterbeschäftigung bei dem Vertragsarbeitgeber nicht mehr möglich ist. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. inwieweit das BAG die Auffassung des LAG Baden-Württemberg teilt. Zudem gibt es politische Bestrebungen, die Personalgestellung aus dem Anwendungsfall des AÜG herauszunehmen. Eine diesbezügliche Bundesratsinitiative ist jedoch auf den Bereich der Gebietskörperschaften beschränkt. Darüber hinausgehend wird zunächst nur eine Prüfung zur Anwendung des AÜG in Fällen der Personalgestellung und der sich ergebenden Konsequenzen durch die Bundesregierung gefordert. Uwe Klein Rechtsanwalt Fachbereich: Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht Schwerpunkt: Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Umstrukturierungen, Kartell- und Fusionskontrollrecht, Vertragsgestaltung uwe.klein@heussen-law.de Seite 15

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