AR ZUSAMMENFASSUNG. Nach der Stoffabgrenzung des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien (Stand: Jänner 2014)



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Transkript:

AR ZUSAMMENFASSUNG Nach der Stoffabgrenzung des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien (Stand: Jänner 2014) Andreas Maierhofer (studium.von-maierhofer.net) INHALT 1. Die wichtigen arbeitsrechtlichen Bundesgesetze und ihre Regelungsgebiete...3 2. Gesetzliche Interessenvertretungen*...4 3. Koalitionen...5 4. Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts...6 5. Die Organe der Belegschaft...8 6. Die Parteien des Arbeitsvertrags... 10 7. Bedeutung des Verfassungsrechts für das Arbeitsrecht*... 12 8. Der Kollektivvertrag... 13 9. Die Betriebsvereinbarung... 17 10. Die freie" Betriebsvereinbarung... 19 11. Betriebsänderungen, ihre betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen und Ausübungen... 19 12. Der Arbeitsvertrag... 19 13. Die Individual- und Betriebsübung... 22 14. Die Gleichbehandlungspflicht... 23 15. Die Weisung... 25 16. Abschluss des Arbeitsvertrages*... 26 17. Einstellungsgebote und -verbote*... 27 18. Die Dauer des Arbeitsvertrages... 28 19. Das Arbeitnehmerschutzrecht*... 29 20. Die Arbeitspflicht (Hauptleistungspflicht AN)... 31 21. Die Entgeltpflicht (Hauptleistungspflicht AG)... 32 22. Nebenpflichten... 33 23. Urlaub... 34 24. Arbeitszeit... 36 25. Entgeltanspruch ohne Arbeitsleistung... 40 26. Dienstnehmerhaftung, Risikohaftung des Arbeitgebers... 41 27. Vertragsanpassung, Widerruf, Teilkündigung*... 44 Seite 1 von 66

28. Individual- und kollektivrechtliche Probleme des Betriebsübergangs... 44 29. Die Beendigung... 45 30. Rechtsfragen anlässlich der Beendigung... 54 31. Die Abfertigung alt/neu... 54 32. Betriebspensionen*... 56 33. Verzicht auf Ansprüche *... 58 34. Insolvenz des Arbeitgebers*... 58 35. Die Mitbestimmung... 60 36. Der Arbeitskampf*... 64 ERFORDERLICHE VORKENNTNISSE AUS BÜRGERLICHEM RECHT... 66 Legende: * Hier werden nur Übersichtsfragen gestellt, ohne in die Tiefe zu gehen [CB xyz ] Hier wird auf Casebook Arbeits- und Sozialrecht (von Mazal) Fälle verwiesen, um die Situation besser verstehen zu können. Quellen: Tomandl / Schrammel Arbeitsrecht I + II Brodil / Risak / Wolf Arbeitsrecht in Grundszügen Zusammenfassung von a0946704@unet.univie.ac.at Diverse Internetseiten Seite 2 von 66

1. Die wichtigen arbeitsrechtlichen Bundesgesetze und ihre Regelungsgebiete sowie das Recht der Europäischen Gemeinschaft (Rechtsquellen, Organe, EuGH)* Allgemeines Einteilung in kollektives AR: Verhältnis von Gruppen (kollektiven) von AN und AG. Verbändewesen (Interessenvertretungen), das Recht des KV und der Betriebsverfassung und individuelles AR: Zweipersonales Verhältnis: AG - AN, hauptsächlich Privatrecht und Arbeitnehmerschutzrecht (öffentlich-rechtlich) B-VG: Gesetzgebung und Vollziehung Bund Zuständig. Ausnahmen sind Land und Forstwirtschaft sowie spezielle Vertragsbedienstete von Länder und Gemeinden. Seit Beitritt EU (1.1.1995) weite Kompetenzbereiche des Arbeits- und Sozialrechts bei EU (Verordnungen, Richtlinien und EuGH). Bsp. Betriebsübergangs-RL, Gleichbehandlungs-RL Richtlinien werden in Österreichisches Gesetz transformiert. Gleichbehandlungsgesetz und Betriebsübergang in AVRAG geregelt. Europarechtskonforme Interpretation: Betriebsübergang ist so zu definieren, wie EuGH das sagt. Rom I-Verordnung regelt Rechtsverhältnisse mit Auslandsberührung (Kollisionsregeln). Aber nur die privatrechtlichen Aspekte. Öffentlich-rechtliche Normen unterliegen dem Territorialitätsprinzip, wie z.b. betriebsverfassungsrechtliche Kündigungs- und Entlassungsschutz. Normalerweise AR des gewöhnlichen Arbeitsortes, nach dem Ausstrahlungsprinzip bleibt auch dieses Anwendbar, wenn AN in einem anderen Staat arbeitet, Dauer egal, wichtig ist nur der Rückkehrwille des AN. Bei mehreren Arbeitsorten ist der Ort der Niederlassung des AG (!) maßgebend. Stufenbau der Rechtsordnung: I. Europarecht II. Verfassungsrecht III. Zwingendes Gesetzesrecht IV. Kollektivvertrag, Satzung V. Betriebsvereinbarung VI. Arbeitsvertrag VII. Dispositives Gesetzesrecht VIII. Weisung des Arbeitgebers Normen eines untergeordneten Systems können keine Normen des Systems darüber verschlechtern, jedoch verbessern (relativ Zwingend). Seite 3 von 66

2. Gesetzliche Interessenvertretungen* Rechtsnatur Organisation der Wirtschaftskammern Wirtschaftskammern (im Hinblick auf KollV) Die Art. 120a 120c B-VG gestatten dem einfachen Gesetzgeber, durch Gesetz Interessenvertretungen als Selbstverwaltungskörper einzurichten. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (jur. P.) mit Pflichtmitgliedschaft und Umlagehoheit, außerdem sind sie weitestgehend Weisungsfrei, dem Staat kommt ein Aufsichtsrecht zu. Es gibt ständische Berufsvereinigungen (Selbstständige und Unselbständige in einer Kammer, kann bei KV Abschlüssen zu Problemen führen, siehe unten Apotheker, Ärztekammer, Bauern) und getrennte Berufsvereinigungen (Vertreten nur AN oder AG Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer). Aufbau dieser Kammern in gewissen Punkten ähnlich: Dreigliedrigkeit: Vollversammlung Organ mit breiter Mitgliedschaft. Grundsatzfragen (Finanzen, Bestellung des Präsidiums, Erlassung von Geschäftsordnungen) Präsidium exekutive Spitze. Führt laufende Geschäfte Vorstand Kontrolle und Unterstützung des Präsidiums Wirtschaftskammern Die Wirtschaftskammern beraten ihre Mitglieder in AR-Fragen, nominieren Laienmitglieder für Arbeits- und Sozialgerichte und Schlichtungsstellen und vertreten ihre Mitglieder auch in Verfahren vor diesen Behörden. Außerdem können sie Gutachten zu Gesetzesentwürfen, die die Interessen ihrer Mitglieder berühren, erstatten (Lobbyismus). Die Organisation der WK ist einzigartig und komplex: Sie besteht aus insgesamt zehn Teilen: neun Wirtschaftskammern, eine in jedem Bundesland und der Wirtschaftskammer Österreich mit Sitz in Wien. Sie sind selbstständige jur. P. Jede der zehn Wirtschaftskammern gliedert sich in sieben Sparten (z.b. Gewerbe und Handwerk, Industrie, Handel, etc.). Sie sind unselbstständige Untergliederungen der Landeskammern. Diese Sparten wiederum gliedern sich in Fachgruppen (Baugewerbe, Maschinenindustrie, Lebensmittelhandel, etc.). Sie sind ebenfalls selbstständige jur. P. Da es dank der Pflichtmitgliedschaft keine Stimmgewichtung nach Einlagen gibt, wie in freiwilligen Interessenvertretungen oft üblich, haben Klein- und Mittelbetriebe wesentlich bessere Chancen. Hat ein Unternehmen verschiedene Betriebe, die zu verschiedenen Fachgruppen gehören, so ist der AG in allen Fachgruppen eingetragen, dies hat besonders auf die KV Unterworfenheit eine Bedeutung. KV-Fähig sind alle Fachgruppen, Fachverbände, Landeskammern und die Bundeskammer. Daher ist es gut möglich, dass ein Unternehmen mehreren KV unterworfen ist. Probleme werden steht s nach dem Subsidiaritätsprinzip angegangen: Zuerst versucht man sie auf Fachgruppenebene zu lösen, ist das Problem Fachgruppenübergreifend, geht es auf die Landeskammer über, im äußersten Fall geht es an die Bundeskammer. Seite 4 von 66

3. Koalitionen Begriff / Rechtsgrundlagen / ÖGB Unter dem Begriff Koalition versteht man die freiwillig gebildete Vereinigung von AN und AG mit dem Ziel der Förderung und Wahrung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder. Charakteristischer Weise besteht Gegnerfreiheit (AN oder AG können nicht den jeweils anderen Interessengruppen beitreten) und Gegnerunabhängigkeit (Kein indirekter oder direkter Einfluss der Gegner ). Ein Problem der Koalition besteht darin, dass jene Personen, die nicht Mitglied sind, seitens der Koalition benachteiligt werden bzw. auf diese Druck ausgeübt werden könnte. Andererseits besitzen Koalitionen eine Macht, die bis in die Staatswillensbildung reichen kann. Koalitionsrecht im objektiven Sinn löst diese Probleme. Wird Einzelpersonen das Recht zur Bildung oder zum Beitritt zu Koalitionen eingeräumt, spricht man von Koalitionsrecht im subjektiven Sinn (besser: Koalitionsfreiheit). Grundlage des geltenden Koalitionsrechts sind Art. 12 StGG und Art. 11 EMRK, die Vereinigungsfreiheit garantieren. Neben der s.g. Positiven Koalitionsfreiheit ist nach hm auch die negative Koalitionsfreiheit durch die Verfassung garantiert; es ist dies die Freiheit, einer Vereinigung nicht beizutreten oder aus ihr auszutreten. Auch auf einfachgesetzlicher Stufe finden sich mehrere koalitionsrechtliche Normen. Insb. soll verhindert werden, dass Koalitionen mittels Ausübung von Druck Arbeitsplätze bloß für eigene Mitglieder sichern. Der ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) ist die einzige umfassende Gewerkschaftsorganisation in Österreich und hat 1,2 Millionen Mitglieder. Er vertritt die Interessen der unselbständig Beschäftigten, aber auch der Menschen in Ausbildung, der Arbeitslosen und der Pensionisten. Daneben existieren nur einige kleine Arbeitnehmerorganisationen. Seine 9 Fachgewerkschaften sind lediglich Organe des ÖGB. Bei diesen Fachgewerkschaften dominiert das Industriegruppenprinzip, d.h. es werden sämtliche Beschäftigte einer bestimmten Wirtschaftssparte zusammengefasst. Weitere Organe: Präsidium, Bundeskongress, Bundesvorstand, Kontrollkommission. Aufgaben des ÖGB: Neben der Vertretung seiner Mitglieder im Arbeitsleben hat er auch Kultur und Bildungsaufgaben. Weiters hat er auch sozialrechtliche Fragen aufgegriffen. Er hat einen großen Einfluss auf alle drei Staatsfunktionen. Insb. stellt er die Funktionäre der Arbeiterkammern. Freiwillige Arbeitgebervereinigungen Unternehmer überlassen die Vertretung der Arbeitgeberinteressen Großteiles den Kammern, die bestehenden Unternehmervereinigungen bemühen sich eher um Interessenvertretung in wirtschaftlichen Fragen. Nur in wenigen Branchen schließen Arbeitgeber-Koalitionen auch Kollektivverträge ab (etwa im Bank- oder Versicherungswesen). Seite 5 von 66

4. Grundlagen des Betriebsverfassungsrechts Rechtsgrundlagen Arbeitnehmerbegriff Betrieb /Unternehmen / Konzern* Belegschaften* Rechtsgrundlage: 2. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG). ist die rechtliche Ordnung der Interessenvertretung der AN innerhalb der Betriebe, Unternehmen und Konzerne. Findet grundsätzlich auf alle Betriebe Anwendung, in denen mehr als vier stimmberechtigte AN dauerhaft beschäftigt sind. Betriebe darunter sind Kleinstbetriebe, hier können keine Organe der AN errichtet werden. Nicht anwendbar: Land- und Forstwirtschaft, staatliche Verwaltungsstellen, Post, Telekom. Erster Teil enthält kollektive Rechtsgestaltung (KV, Satzung, Mindestlohntarif, Lehrlingsentschädigung und grundlegende Bestimmungen über die BV). Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist ein anderer, als der des herkömmlichen arbeitsvertraglichen AN-Begriffs. alle im Rahmen eines Betriebes beschäftigten Personen einschließlich Lehrlinge und Heimarbeiter ohne Unterschied des Alters. Das Betriebsverfassungsrecht gilt nur für Personen, die unter diese Definition fallen. Wichtig ist neben der persönlichen Abhängigkeit vor allem die faktische Einbindung in den Betrieb. Anders als beim arbeitsvertraglichen AN-Begriff ist der Rechtsgrund unbeachtlich. So sind laut Betriebsverfassung auch Beamte (obwohl kein privatrechtlicher Vertrag, sondern hoheitlicher Bestellungsakt), illegale beschäftigte (kein gültiger Arbeitsvertrag), sowie Leiharbeiter (kein Vertrag zwischen Besteller und AN) in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht als AN zu sehen. Andererseits werden AN des Betriebs ausgeschlossen, da sie meist unterschiedliche Interessenausrichtungen als der Rest der Belegschaft haben (Geschäftsführer, leitende Angestellte, etc.). Die Belegschaft ist die Gesamtheit aller AN in einem Betrieb/Unternehmen/Konzern. Die Ebenen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung Der Betrieb Arbeitsstätten, in denen selbstständig ein eigener arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird. Erste Ebene nach ArbVG (Betrieb Unternehmen Konzern). Unterschiedliche Ebenen der Mitbestimmung. Erst wenn auf Betriebsebene Belegschaftsorgane errichtet wurden, stellt sich die Frage, ob uu auf übergeordneter Ebene weitere Organe zu errichten sind. Die Elemente eines Betriebs: 1. die Arbeitsstätte als ein Ort, an dem es zum zielbewussten Einsatz von AN kommt 2. die organisatorische Einheit (Unterpunkte laut Rspr.) Einheit des Betriebsinhabers Einheit des Betriebszwecks Einheit der Organisation 3. die Betriebsmittel 4. die fortgesetzt verfolgte Tätigkeit (auf Dauer eingerichtet) 5. keine Rücksichtnahme auf den Erwerbszweck Seite 6 von 66

Von besonderer Bedeutung ist die organisatorische Einheit. Es ist oft wichtig zu unterscheiden, ob es sich um einen unselbstständigen Betriebsteil, oder einen eigenen Betrieb handelt (v.a. nach der Rspr.). 1. Einheit des Betriebsinhabers Verschiedene Arbeitsstätten, die einem Inhaber gehören bilden die erste Voraussetzung für den Betriebsbegriff. Es ist die äußerste Grenze. Verschieden Arbeitsstätten mit verschiedenen Inhabern können nur dann als ein Betrieb bezeichnet werden, wenn diese sich zu einer Einheit zusammengeschlossen haben (selbes gilt für eine Arbeitsstätte mit mehreren Inhabern). 2. Einheit des Betriebszwecks Die in Frage kommende Arbeitsstätte muss einen einheitlichen Zweck verfolgen. Es handelt sich um den unmittelbaren, insb technischen Zweck, der letzten Endes in der Erzielung von Arbeitsergebnissen zum Ausdruck kommt. 3. Einheit der Organisation Die Arbeitseinheit muss ein gewisses Maß an Selbstständigkeit aufweisen. Z.B. Koordination der AN, Anordnung von Überstunden, Einteilung des Urlaubs, etc. Auslagerung einer zentralen Personalabteilung für mehrere Betriebe, oder eine ausgelagerte Buchhaltung ist nicht wesentlich. Wurden aber kaum Befugnisse an den Betriebsinhaber delegiert und herrscht kein gewisses Maß an Selbstständigkeit, so handelt es sich um einen unselbstständigen Betriebsteil. Sollte es unklar sein, kann die Betriebseigenschaft gerichtlich festgestellt werden. Das Unternehmen Wird nicht genau im ArbVG definiert. Ist auch nur von Bedeutung, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe, dh Arbeitsstätten, in denen selbstständig ein eigener arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird, umfasst = gegliedertes Unternehmen. Wichtig hierbei ist 1. die wirtschaftliche Einheit 2. die Betriebe müssen denselben Betriebsinhaber besitzen 3. nach hm auch eine rechtliche Einheit im Sinne des Handelsrechts Liegt ein Unternehmen im Sinne des ArbVG vor, so muss ein Zentralbetriebsrat errichtet werden. Ist dies nicht der Fall, so wird nach ArbVG nicht zwischen Betrieb und Unternehmen unterschieden. Der Konzern Die dritte vom ArbVG vorgesehen Ebene der Mitbestimmung. Ebenfalls keine Definition im ArbVG, nach hm ist der gesellschaftsrechtliche Konzernbegriff zu verwenden. Somit ist ein Konzern als rechtlich selbstständige Unternehmen, die zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind zu bezeichnen. Es handelt sich bei einem Konzern also nicht um einen Rechtsträger, insb nicht um eine juristische Person. Der Unterschied zwischen Unternehmen und Konzern: Werden mehrere Betriebe desselben Inhabers zusammengefasst, spricht man von einem Unternehmen. Liegen aber verschiedene Betriebe, von verschiedenen Rechtspersonen, die denselben wirtschaftlichen Zweck unter einer einheitlichen Leitung verfolgen vor, so spricht man von einem Konzern. Seite 7 von 66

5. Die Organe der Belegschaft Betriebsversammlungen (Arten, Aufgaben, Ordnungsvorschriften) Betriebsräte (Arten, Aufgaben* Rechtsnatur, Mitgliedschaft, Wahl*, Wahlanfechtung, Nichtigkeit, Beendigung; Kompetenzabgrenzung) europäischer Betriebsrat* Rechtsstellung des Betriebsrats und seiner Mitglieder Die Belegschaft sind all jene Personen, die AN is der BV sind und im Rahmen eines Betriebes beschäftigt werden. Verschiedene Organe für Arbeiter und Angestellte (außer, es wird anders Beschlossen). Die Belegschaft wird mit einer Reihe von Rechten ausgestattet, allerdings ist sie keine juristische Person (sie darf z.b. nicht über Vermögen frei verfügen). Sie kann daher als juristische Teilperson bezeichnet werden. Es besteht kein direkter Zwang (is von Strafandrohungen) Belegschaftsorgane zu errichten, AN können frei entscheiden. Ist kein BR ernannt, so gibt es auch keine betriebliche Mitbestimmung. Entscheiden sie sich aber dafür, muss der Betriebsinhaber den Organen der Belegschaft die zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Sacherfordernisse (z.b. Räumlichkeiten, Büroausstattung, Telekommunikation) in einem der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des BR angemessenen Ausmaß unentgeltlich zur Verfügung stellen. Außerdem muss ein Betriebsfonds errichtet werden, welcher sämtliche Kosten des BR decken soll. Gespeist wird dieser durch BR-Umlage und Zuwendungen des AG. a.) Die Betriebsversammlung Einberufung: BR, wenn nicht vorhanden, der älteste AN. Kommt der BR seiner Pflicht nicht nach, so kann bei Gericht eine verlangt werden. Zweimal jährlich, bzw. wenn es ein Drittel der AN bzw. der BR Mitglieder verlangt Teilnahmeberechtigung: Alle AN (unabhängig ihrer Nationalität), stimmberechtigt sind nur AN, die das 18. Lebensjahr vollendet haben Anspruch auf Arbeitsfreistellung, nicht jedoch auf Entgeltfortzahlung (außer speziell in Arbeitsverträgen, Kollektivvertrag oder Betriebsverfassung festgelegt) Beschlüsse bedürfen idr mindestens die Hälfte der stimmberechtigten AN sowie der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Kompetenzbereiche: Errichtung eines BR (Wahl des Wahlvorstandes, Beschluss auf Errichtung eines gemeinsamen BR). Kontrolle des BR und Kontrolle der Finanzen. b.) Der Betriebsrat Mindestens ein Mitglied. Je mehr AN, desto mehr Mitglieder, jedoch mit starker Beschränkung (10 AN 2 Mitglieder, 1000 AN 13 Mitglieder) auf vier Jahre. Wählbar (passiv Wahlberechtigt) sind alle AN, die das 18. LJ überschritten haben und mindestens 6 Monate im Betrieb tätig waren. In größeren Betrieben (mehr als 150 AN) können eventuell auch Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsfunktionäre in den BR gewählt werden. Seite 8 von 66

BR Wahl: Betriebsversammlung wählt Wahlvorstand, diesem obliegt die Vorbereitung (Wahlkundmachung, Zusammenstellung der Wählerliste, Entgegennehmen der Wahlvorschläge) und Durchführung der Wahl (gleiche keine Stimmgewichtung, unmittelbare keine Wahlmänner, geheime und persönliche Wahl). Das Ergebnis ist im Betrieb kundzumachen und dem Betriebsinhaber, dem Arbeitsinspektorat sowie den AG- und AN- Interessenvertretungen mitzuteilen. Spätestens sechs Wochen nach der Wahl müssen der Vorsitzende und sonstige Funktionäre gewählt werden. Erst danach ist der BR handlungsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden nach außen vertreten. Bei schweren Verfahrensmängeln bei der Wahl ist diese nichtig. Bei weniger schweren Mängeln ist eine Anfechtung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Ergebnisses möglich, danach ist die Wahl geheilt und gültig. Die Tätigkeitsdauer des BR endet mit Ablauf der Funktionsperiode (4 Jahre), bei dauernder Betriebseinstellung, dauernder Funktionsunfähigkeit, Enthebung durch Betriebsversammlung, Rücktritt, erfolgreiche Wahlanfechtung. Nicht jedoch durch Absinken der Belegschaft unter fünf AN. Rechtsstellung: Die Mitgliedschaft ist ein Ehrenamt und somit unentgeltlich. Barauslagen werden durch den BR-Fonds getragen, Sachmittel durch den Betriebsinhaber. BR-Mitglieder dürfen nicht benachteiligt werden, sie sollen aber auch keine Vorteile aus ihrem Mandat ziehen. Sie besitzen einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz um die Mitglieder vor dem AG zu schützen. Grundsätzlich sind BR Agenden während der Freizeit zu erledigen, ist dies nicht möglich, so kann eine Arbeitsfreistellung mit Entgeltfortzahlung ermöglicht werden. Bei Betrieben mit mehr als 150 AN hat der BR einen Rechtsanspruch auf permanente Freistellung von einem oder mehreren Mitgliedern des BR von der Arbeit unter Entgeltfortzahlung. Der Besuch von Schulungen/Fortbildungen ist ebenfalls vorgesehen ( Bildungsfreistellung ). Befugnisse der Belegschaft: in sozialen Angelegenheiten Angelegenheiten, die eine Mehrzahl von Arbeitnehmer, insb die gesamte Belegschaft, betreffen. in personellen Angelegenheiten Mitwirkung bei personellen Einzelentscheidungen (Aufnahme von AN, Versetzungen, Beendigung von Arbeitsverhältnissen) in wirtschaftlichen Angelegenheiten Mitwirkung bei der Führung des Unternehmens sowie in Unternehmensorganen (Einteilung nach Intensität siehe S. 61) Die Belegschaftsvertretung auf überbetrieblicher Ebene Der Zentralbetriebsrat In einem Unternehmen mit mehreren Betrieben können die BR der verschiedenen Betriebe einen ZBR ernennen. Dieser ist aus den BR der Betriebe zu ernennen. Stimmen werden nach der Anzahl der in den Betrieben beschäftigten AN gewichtet Die Konzernvertretung Sind in einem Konzern in mindestens zwei Unternehmen ZBR errichtet, so können diese beschließen eine Konzernvertretung zu errichten. Die Europäische Betriebsvertretung Bei staatsübergreifenden Unternehmensstrukturen kann ein europäischer BR ernannt werden. Seite 9 von 66

6. Die Parteien des Arbeitsvertrags Arbeitnehmer Arbeitgeber Angestellte (Anwendbarkeit des AngG 1921) Arbeiter Vertragsbedienstete (Abgrenzung und Unterschiede zu Beamten) Die Arbeitnehmer Das Arbeitsrecht befasst sich nur mit AN, nicht aber mit Personen, die in sonstiger Weise (z.b. als Selbstständige oder als Familienangehörige) Arbeit für andere verrichten. Der Arbeitnehmerbegriff ist daher grundlegend wie umstritten, doch gibt es einen festen Kern. Grundsätzlich gilt: AN verrichten ihre Arbeit in einer vom AG geschaffenen und geleiteten Organisation auf deren Rechnung und Risiko. Der Arbeitnehmerbegriff variiert dabei etwa je nachdem ob es sich um ein betriebsverfassungsrechtliches Problem handelt oder um die Frage nach dem Entgeltanspruch. Allgemeine Charakteristika aller Arbeitnehmerbegriffe Die Arbeitnehmerbegriffe in ABGB, ArbVG und ASVG unterscheiden sich recht stark, aus ihnen einen Begriffskern abzuleiten erweist sich als schwierig. Vor allem die Bedeutung der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist umstritten. Die Bildung des Arbeitnehmerbegriffes kann daher nur bei der Art des Arbeitvollzuges ansetzen, auf den Gegenstand der Arbeitsleistung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob jemand aus freien Stücken in persönlicher Abhängigkeit bei einem anderen beschäftigt ist. Es gibt standardisierte Kriterien, bei deren Vorliegen die persönliche Abhängigkeit bejaht wird: Unterwerfung unter die betrieblichen Ordnungsvorschriften (z.b. Arbeitszeit und -ort) Weisungsgebundenheit Kontrollunterworfenheit Disziplinäre Verantwortlichkeit Nicht als AN gilt, wer seine Arbeitsleistung nur für ganz kurze Zeit (weniger als einen Tag) oder diese nicht persönlich erbringen muss. Weiters wird jemand, der nicht an eine Arbeitszeit, sondern an einen Erfolg gebunden ist, nicht als AN zählen. All diese Kriterien sind jedoch bloß Indizien für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit. Der Arbeitnehmerbegriff ist ein Typusbegriff, der sich nicht abschließend umschreiben lässt. Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff AN im Sinne des Betriebsverfassungsrechts sind alle im Betrieb beschäftigten Personen. Es stellt damit bloß auf das Faktum der Einbindung in die Organisation des Betriebes ab. Als Folge des Zweckes des ArbVG zählen folgende Personen nicht zu den AN: Personen, die wichtige Arbeitgeberfunktionen im Betrieb wahrnehmen. Bei juristischen Personen sind dies Mitglieder jenes Organs, das zur gesetzlichen Vertretung berufen ist. Leitende Angestellte, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zukommt. Personen, die aus gänzlich anderen Beweggründen ohne Arbeitsvertrag im Betrieb tätig werden (etwa aus religiösen oder karitativen Gründen) Personen, die im Rahmen eines behördlichen Freiheitsentzuges beschäftigt werden Kurzfristig zu Schulungs- und Ausbildungszwecken beschäftigte Personen (Praktikanten, Volontäre) Seite 10 von 66

Einzelne Fallgruppen In der Praxis tauchen Gestaltungen auf, die vom typischen Erscheinungsbild des AN mehr oder weniger stark abweichen. Die Einordnung des Arbeitsverhältnisses gestaltet sich oft schwierig. Schwierig ist die Unterscheidung zwischen der Auslagerung von Arbeitsplätzen (insb. Telearbeit) und der Heimarbeit. Ist der Arbeit Verrichtende an Arbeitszeiten gebunden, muss persönliche Weisungen befolgen und sich Kontrollen gefallen lassen gilt er als AN. Heimarbeiter sind jedoch, obwohl keine AN, betriebsverfassungsrechtlich eben jenen gleichgestellt. Arbeiter Angestellte Beide unterliegen dem Arbeitsrecht. Wieso ist Unterscheidung wichtig? Unterschiede: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Kündigungsfristen und -termine Entlassungsrecht Unterschiedliche KVs für Arbeiter und Angestellte Unterschiedliche Betriebsverfassungen (Teilung der Belegschaft innerhalb des Betriebs) Unterschiede im Sozialrechts Verschiedene Beitragssätze Pensionsversicherung (Invalidität Berufsunfähigkeit) [ mehr im Bereich Sozialrecht ] Angestellter nach 1 AngG Das AngG gilt für das Dienstverhältnis von Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung kaufmännischer (Handlungsgehilfen) oder höherer, nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind. Den von diesem Tatbestand nicht erfassten Rechtsbegriff bilden die Arbeiter. a.) Kaufmännische Dienste Sind Dienste, die normalerweise von einem Kaufmann verrichtet werden und eine gewisse kaufmännische Ausbildung benötigen. Darunter versteht man zum Beispiel AN, die im Wareneinkauf, in der Preisgestaltung oder in der Verwaltung des Bestellwesens tätig sind. Auch höhere Verkaufstätigkeiten sowie Marketing. Auch verkaufsfernere Tätigkeiten, die zur Verwaltung eines Betriebes notwendig sind: Buchführung, Geldgebarung, Warenüberprüfung oder EDV-Arbeiten. b.) Höhere nichtkaufmännische Dienste Sie zeichnen sich durch Anforderungen an eine größere Selbstständigkeit, Eigenständigkeit, Denkfähigkeit,... sowie eine höhere fachliche Durchdringung der Arbeitsaufgaben. Formale Ausbildungen sind nicht vorausgesetzt, jedoch Vorkenntnisse oder Schulungen. Nicht jede Arbeitskraft kann diese Tätigkeiten binnen kurzer Zeit erledigen. Beispiele: Werkmeister, Vorarbeiter, Fahrlehrer, qualifizierte Musiker, Objektleiter von Reinigungsfirmen, etc. Sonderfall Fußballer: Strittig gewesen (siehe Tomandl/Schrammel!), nach OGH wbl 2004/307 sind Fußballer als Arbeiter zu qualifizieren. Sonderfall höherwertige Facharbeiter : Ein Oberkellner, dem Kellner unterstehen und dem zudem noch Kompetenzen in der Dienstzuteilung zugekommen sind, wurde nach OGH nicht als Angestellter qualifiziert (OGH RdW 1995, 435). Anders jedoch der Rezeptionschef (OGH ecolex 1999, 714) Seite 11 von 66

c.) Kanzleiarbeiten (= Büroarbeiten) Umfasst Schreibarbeiten, die über das bloße Abschreiben hinausgehen. Auch klassische Sekretariatsarbeit (Administration eines kaufmännischen Betriebes) fällt unter das AngG. Bloße manuelle Arbeiten, die von jedermann mit Pflichtschulbildung geleistet werden können zählen nicht dazu. d.) Mischtätigkeiten Möglichkeit 1: Ein AN verrichtet sowohl Arbeits- als auch Angestelltentätigkeiten. Die Tätigkeit, die zeitlich überwiegt, führt zur Zuordnung des AN. Möglichkeit 2: Ein AN ist eigentlich als Arbeiter zu qualifizieren, aufgrund vertraglicher Vereinbarung wird er aber als Angestellter behandelt Angestellter ex contractu. Dabei können auch nur einzelnen Regelungen des AngG übernommen werden. In der Betriebsverfassung zählen Arbeiter allerdings nur zu den Angestellten, wenn das komplette AngG Anwendung findet, und die entsprechende Einordnung in den KV zuzüglich der Gehaltseinstufung unwiderruflich vereinbart wurde. Arbeiter Alle AN, die nicht in der oben genannten Definition enthalten sind. Sie unterliegen Teilen der GewO, subsidiären ABGB Normen, sowie spezielle Gesetze. Land- und Forstarbeiter, Bergbau, Bäcker, Bauarbeiter,... 7. Bedeutung des Verfassungsrechts für das Arbeitsrecht* Drittwirkung der Grundrechte Arbeitsrecht kann durch Europarecht, Verfassungsgesetz, Bundes- oder Landesgesetz oder einfache Gesetze geregelt werden. Seit der B-VG Novelle 1974 besitzt der Bund eine umfassende arbeitsrechtliche Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 10 Abs. 1 Z. 11 B-VG). Sie umfasst grundsätzlich den Gesamtbereich des Arbeitsrechts, also individuelles und kollektives AR sowie Arbeitnehmerschutz (Sonderfall wieder einmal die Land- und Forstwirtschaft, hauptsächlich Landesgesetze, sowie der öffentliche Dienst: Landes- und Gemeindebedienstete und Besonderheiten bei den Lehrern). Bei der Inhaltskontrolle der KV spielen Grundrechte eine immer größere Rolle. Wichtig dabei sind vor allem der Gleichheitssatz, die Erwerbsausübungsfreiheit, die Koalitionsfreiheit und die Privatautonomie. Parteien von KV und BV stehen verfassungsrechtlichen Grenzen gegenüber, die es vor einigen Jahrzehnten noch nicht gab. Soziale Grundrechte im eigentlichen Sinn sind jedoch nicht im B-VG geregelt. Mittelbare Drittwirkung: Auf die arbeitsvertraglichen Beziehungen wirken die Grundrechte lediglich mittelbar, und zwar über die Generalklauseln und Schutzpflichten des Zivilrechts. Seite 12 von 66

8. Der Kollektivvertrag Bedeutung, Inkrafttreten und Funktionen Kollektivvertragsfähigkeit Inhalt, Auslegung und Rechtswirkungen: schuldrechtlicher und normativer Teil Kollektivvertragszuständigkeit und Geltungsbereich Kollektivvertragsunterworfenheit Kollision (auch kollektivvertragsfreier Raum), Günstigkeitsvergleich Satzung, Mindestlohntarif* und Kollektivvertrag Beendigung, Nachwirkung Die Bedeutung der KV liegt in der Herbeiführung eines überbetrieblichen Interessenausgleichs zwischen AN und AG durch die Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen, die nicht unterschritten werden dürfen (außerdem Friedensfunktion, da KV Bedingungen außer Streit stehen). Das Inkrafttreten (beginn der Normwirkung) kann von den Vertragsparteien frei festgelegt werden. Theoretisch auch Rückwirkend (von der Judikatur innerhalb bestimmter Grenzen gebilligt), aber sehr umstritten. Enthält ein KV keine Regelung über sein Inkrafttreten, so wird er ein Tag nach der Veröffentlichung (im Amtsblatt der WZ verpflichtend) wirksam. Kann befristet oder unbefristet abgeschlossen werden (im Zweifel unbefristet). KV Fähigkeit besitzen nach 4 Abs 1 ArbVG die gesetzlichen Interessenvertretungen der AG (Kammern der gewerblichen Wirtschaft) und AN (Kammern für Arbeiter und Angestellte=AK). Die AK geben Ihre KV-Fähigkeit allerdings zugunsten der Gewerkschaften ab. Kammern, die Mischformen bilden (Ärzte-, Apotheker-, Notariatskammer), können nach hm keine KVs abschließen. Sie teilen sich daher oft in zwei "Teile". Dank Sondergesetzen sind Post AG und Telekom Austria AG ebenfalls KV-Fähig. Auch freiwillige Berufsvereinigungen können kraft Verwaltungsakt KV-Fähigkeit erlangen. Diese Fähigkeit entfaltet sich aber nur bei "maßgeblicher Bedeutung" und "wirtschaftlicher Unabhängigkeit" des Vereins und beschränkt sich lediglich auf die AN, welche dem Verein angehören. Der Abschluss eines KV durch eine freiwillige Berufsvereinigung führt zum Verlust der KV-Fähigkeit der gesetzlichen Interessenvertretung hinsichtlich jener Mitglieder, die der freiwilligen Berufsvereinigung angehören. Damit hat der Gesetzgeber den Vorrang freiwilliger Berufsvereinigungen normiert ( 6 ArbVG). Der Inhalt eines Kollektivvertrages besteht aus: a) dem schuldrechtlichen Teil ( 2 Abs. 2 Z 1 ArbVG), der die Organisationen verpflichtet, die den Kollektivvertrag abschließen zu(r) - Friedenspflicht - Durchführungspflicht - Einwirkungspflicht - Umgedeuteten unzulässigen normativen Bestimmungen Es handelt sich um zivilrechtliche Verpflichtungen zwischen den Organisationen. Die Normauslegung hat daher privatrechtlich zu erfolgen. b) dem normativen Teil ( 2 Abs. 2 Z 2 7 ArbVG), wobei Rechte und Pflichten Bestandteil des einzelnen Arbeitsvertrages zwischen AN und AG werden, und enthält: - Inhaltsnormen - Änderung von kollektivvertraglichen Rechtsansprüchen ehemaliger Arbeitnehmer Seite 13 von 66

- Sozialpläne - Betriebsverfassungsrechtliche Normen - Gemeinsame Einrichtungen - Sondergesetzliche Befugnisse Verboten sind dynamische Verweise ( auf die jeweils geltende Verfassung ) von Normen auf die Regelungen eines anderen Normgebers. Interpretation eines KV Grundsätzlich zieht die Rechtsprechung unter Zustimmung der Lehre zur Auslegung von Kollektivverträgen die Bestimmungen des ABGB heran, wonach Verträge zuallererst nach der Absicht der Parteien auszulegen sind. Wie immer im Schuldrecht, müssen sich die KV-Parteien bemühen, ihre vereinbarten Bestimmungen zu erreichen ( Durchführungsund Einwirkungspflicht ) sowie alles zu unterlassen, was der Durchsetzung des KV zuwiderläuft ( Torpedierungsverbot ). Dies gilt allerdings nur für den schuldrechtlichen Teil der Kollektivverträge. Die meisten Kollektivverträge beinhalten aber auch einen normativen Teil, welcher der Rechtsprechung zu Folge nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren ist. Im Unterschied zur Auslegung des schuldrechtlichen Teils eines Kollektivvertrages spielt bei der Auslegung des normativen Teils des Kollektivvertrages der Wortlaut eine größere Rolle, die Absicht der Parteien bei Abschluss des Kollektivvertrags ist nur eine von mehreren Interpretationsmethoden. Der Oberste Gerichtshof argumentiert vor allem damit, dass der normative Teil des Kollektivvertrags auch für die Normunterworfenen verständlich sein muss. Deshalb kann nicht allein auf die Absicht der Parteien abgestellt werden, sondern anhand des Wortlauts der Normen muss für den dem Kollektivvertrag unterworfenen Dienstnehmer erkennbar sein, welche Rechtsfolgen von den Kollektivvertragsparteien beabsichtigt waren. Kollektivvertragszuständigkeit und Geltungsbereich Zu unterscheiden ist zwischen der Kollektivvertragszuständigkeit (abstrakter, maximal durch die Kollektivvertragsparteien regelbarer räumlicher, persönlicher und fachlicher Bereich) und Geltungsbereich (der Bereich, auf den die Normwirkung eines KV tatsächlich Wirkung hat). Der KV entfaltet nur innerhalb seines fachlichen (z.b. nicht ganzer Lebensmittelhandel, sondern nur Fischhandel) räumlichen (z.b. das gesamte Bundesgebiet, das Bundesland Wien, die Gemeinde x, etc.) und persönlichen (z.b. Arbeiter oder Angestellte, Frauen, Ausländer, etc.) Geltungsbereichs Normwirkung, dieser wird durch die Parteien (innerhalb des vorgegebenen abstrakten Kollektivvertragszuständigkeitsbereichs) festgelegt. Überschreitet der Geltungsbereich den Kollektivvertragszuständigkeitsbereich, so hat er außerhalb dieses Bereichs keine Normwirkung. Kollektivvertragsunterworfenheit 8 Z 1 ArbVG KV-Angehörigkeit kraft Mitgliedschaft Grundsätzlich unterliegt ein AN dem KV des AG. Ein AG wiederum unterliegt dem KV, dessen angehörige Körperschaft einen KV abgeschlossen hat. Unerheblich dabei ist, ob man schon Mitglied zur Zeit des Abschlusses war, oder man erst später eingetreten ist. Tritt der AG aus einem Verband aus, so unterliegt er weiterhin dem bestehenden KV, spätere Änderungen sind für diesen aber unbeachtlich ( Versteinerungsprinzip ). Wird der Verband gewechselt, so unterliegt man dem KV des neuen Verbandes. Außenseiterwirkung: Der Kollektivvertrag eines AG gilt auch für die AN, die nicht der Gewerkschaft angehören. Seite 14 von 66

8 Z 2 ArbVG KV-Angehörigkeit kraft Betriebsübergang Findet ein Betriebs(teil)übergang auf einen nicht KV-Unterworfenen AG statt, so gilt der KV des Veräußerers für den Übernehmer. Ist der Übernehmer bereits KV-Unterworfen, so gilt dies nicht. Dient zur Übergangslösung und Rechtssicherheit für die AN. 8 Z 3 ArbVG KV-Angehörigkeit von verbundenen Gewerben Erbringt ein AG im Rahmen eines verbunden Gewerbes fachübergreifende Leistungen, dann besteht KV-Angehörigkeit zu jenem KV, der dem jeweils ausgeübten Wirtschaftsbereich entspricht, egal ob er Mitglied der kollektivvertragsabschließenden Partei ist oder nicht. 2 Abs 13 GewO 1994 - KV-Angehörigkeit kraft unbefugter Gewerbsausübung ( Pfuscher ) Bezüglich eines AG, der unbefugt ein Gewerbe betreibt, wird die Geltung des für dieses Gewerbe geltenden KV fingiert. Kollektivvertragskollision [CB Kollision im Studentenheim ] Grundsatz der Tarifeinheit = Das ArbVG geht davon aus, dass jedes Arbeitsverhältnis nur einem KV unterliegen und darüber hinaus innerhalb eines Betriebes auch nur ein KV zur Anwendung kommen soll. Geht ein AN einer Mischtätigkeit nach, so kann er auch nur einem KV unterliegen. Vier Fallgruppen sind zu unterscheiden: 1. Vorrang freiwilliger Berufsvereinigungen Ist ein AG Mitglied einer gesetzlichen Interessenvertretung (z.b. Wirtschaftskammer) und auch einer freiwilligen Berufsvereinigung (z.b. Sparkassenverband), so ordnet 6 ArbVG den Vorrang des KV der freiwilligen Berufsvereinigung an (sofern einer besteht). Tritt der AG aus dieser Vereinigung aus, so bleibt der alte KV so lange erhalten, bis ein neuer, auf Mitgliedschaft beruhender KV besteht. 2. Mischbetriebe Übt ein AG mehrere Gewerbe aus, und ist daher auch Mitglied mehrerer Fachverbände (mit eigenen KV), so gibt 9 ArbVG Auskunft: a) Ein AG mehrere KV aber auch mehrere Betriebe mit unterschiedlichen Funktionen AN unterliegen dem KV, mit der nächsten fachlichen und örtlichen Beziehung b) Ein AG mehrere KV nur ein Betrieb AN unterliegen dem KV der Berufsvereinigung, die für den Betrieb die maßgebliche Wirtschaftliche Bedeutung hat. Festzustellen entweder durch festschreiben in der BV, oder durch feststellen, welcher Bereich dem Betrieb das Geprägte gibt (Art und Zweck des Betriebs, Anzahl der AN in diesem Bereich, Umsatz- Gewinnverhältnisse) Ist kein Bereich maßgeblich Wirtschaftlich von Bedeutung, so kommt der KV mit der höchsten Anzahl an AN im Betrieb zur Anwendung. 3. AN in Mischverwendung Arbeitet ein AN in mehreren Betrieben eines AG, oder geht unterschiedlichen Tätigkeiten nach, so unterliegt er dem KV, der seiner zeitlich überwiegend ausgeübten Beschäftigung entspricht. Ist dies nicht feststellbar, so unterliegt er dem KV, mit der größeren Zahl an AN im Anwendungsbereich (nicht im Betrieb oder beim AG, sondern überhaupt). 4. Außenseiterkollision Außenseiterwirkung: Der Kollektivvertrag eines AG gilt auch für die AN, die nicht der Gewerkschaft oder einer Interessenvertretung angehören. Wenn der AG aber mehreren KV unterliegt, kommt es zu Kollision. Gesetzlich nicht geregelt. Nach hm gehört der AG aber dem KV der Interessenvertretung an, der der AG zuerst beigetreten ist (Lex posterior derogat legi priori) Seite 15 von 66

Kollektivvertragsfreier Raum Für gewisse Bereiche gibt es keine Kollektivverträge (z.b. Studentenheim). Bei Kollisionen innerhalb eines Betriebes zwischen einem kollektivvertragsfreien Raum und einem geregelten Bereich, findet grundsätzlich immer der existierende KV Anwendung. Selbst, wenn die überwiegende Tätigkeit eines AN eigentlich im KVfreien Raum wäre. Ebenfalls nicht gesetzlich geregelt, jedoch beruft sich die Rspr auf das soziale Schutzprinzip, KVfreie Bereiche sollen daher vermieden werden. Günstigkeitsprinzip und Ordnungsprinzip Günstigkeitsprinzip bedeutet, dass für den Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder eines Einzelarbeitsvertrages auch dann gelten, wenn sie einer kollektivvertraglichen Regelung widersprechen, da KV- Normen relativ und nicht absolut zwingend sind. Das Ordnungsprinzip besagt, dass die stärkere Norm die jeweils schwächere verdrängt. Satzung Grundsätzlich versucht der Staat nicht in KV geregelte Bereiche einzugreifen, er soll nur einen subsidiären Zweck erfüllen. Nach 18 ArbVG kann dem normativen Teil eines KV (oder auch nur einzelnen Bestimmungen) auch außerhalb seines persönlichen, räumlichen und fachlichen Geltungsbereiches durch das Bundeseinigungsamt rechtsverbindliche Wirkung zuerkannt werden. Realisiert wird das durch die Satzung. Ein KV darf unter folgenden Bedingungen (Abs. 3) zur Satzung erklärt werden: Der KV ist gehörig kundgemacht und in Geltung Er hat überwiegende Bedeutung in seinem Geltungsbereich erlangt (die überwiegende Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsverhältnisse unterliegen diesem KV) Verhältnisse, die von der Satzung erfasst werden sollen sind im wesentlichen gleichartig und noch nicht durch einen KV erfasst Mindestlohntarif* / Lehrlingsentschädigung* Die Festsetzung von Mindestlohntarifen erfolgt durch das Bundeseinigungsamt, wenn keine KV-Fähige Körperschaft auf AG Seite vorhanden ist- Bereits die Existenz einer KV-Fähigen Körperschaft verhindert eine solche Regelung. Sie enthalten Regelungen betreffend Mindestentgelt und Mindestbeträge für den Ersatz von Auslagen. Andere Arbeitsbedingungen (wie z.b. Kündigungsfristen oder Arbeitszeit) werden von Mindestlohntarifen nicht geregelt. Prinzipiell gilt dasselbe für Lehrlingsentschädigungen, mit einem Unterschied: Die bloße Existenz einer KV-Fähigen Körperschaft verhindert das festsetzen einer Lehrlingsentschädigung nicht, das Bestehen eines KV natürlich schon. Beendigung, Nachwirkung Ein befristeter KV Kann einseitig (per eingeschriebenen Brief) gelöst werden, wenn es einer Vertragspartei unzumutbar ist daran weiterhin festzuhalten. Außerdem kann er einvernehmlich gelöst werden. Unbefristete KVs können zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden, mit der Einhaltung einer Mindestfrist von 3 Monaten. Verliert eine der Vertragsparteien die KV-Fähigkeit oder hört auf zu bestehen, so erlischt der KV ebenfalls automatisch. Mit dem erlöschen eines KV enden zwar die schuldrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen, nicht aber die Wirkungen des auf den Arbeitsvertrag einwirkungsfähigen normativen Teiles. Letzterer wirkt nach, das heißt seine Normwirkung bleibt in reduzierter Weise bestehen. Das bedeutet neue AN eines Betriebes unterliegen nicht mehr den Normen des bereits beendeten KV. AN, die vor Beendigung des KV bereits diesem unterworfen waren, bleiben im System. So lange, bis ein neuer KV an die Stelle des alten tritt. Diese Regelung dient dem Übergang von zwei KV, es sollen keine Rechtslücken entstehen und der Rechtssicherheit dienen. Seite 16 von 66

9. Die Betriebsvereinbarung Bedeutung / Rechtswirkungen / Geltungsbereich/-dauer (inkl persönlicher Geltungsbereich) Zustandekommen Inhalt Arten (Beispiele, Unterschiede) Beendigung/Nachwirkung Auslegung Bedeutung / Rechtswirkungen Die BV kann als KV auf Betriebsebene beschrieben werden. Nach 29 ArbVG ist die BV eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Betriebsinhaber und dem BR (Betriebsausschuss, Zentralbetriebsrat oder Konzernvertretung) andererseits. Das ArbVG unterscheidet wie beim KV zwischen normativen und schuldrechtlichen Teil (zu Interpretationsfragen und Drittwirkung der Grundrechte siehe Kapitel 8 - KV). Bestimmungen des normativen Teils können keine normativen Bedingungen des KV. Im Gegensatz zum KV stehen aber nicht die Regelungen von Mindestarbeitsbedingungen im Vordergrund. Es geht um die Rechte auf Mitbestimmung der Belegschaft in einem Betrieb, die Leitungsmacht des Betriebsinhabers wird geschwächt. Arbeitsbedingungen können auch geregelt werden, KV-Parteien können auch ihre Regelungsbefugnisse an die BV-Parteien übertragen. Rechtswirkung Siehe Stufenbau der Rechtsordnung im ersten Kapitel: Normen eines untergeordneten Systems (z.b. BV) können keine Normen des Systems darüber verschlechtern (z.b. KV), jedoch verbessern (relativ Zwingend). Auf BV beruhende Pensionszusagen wandeln sich mit dem Ausscheiden des AN in vertragliche Ansprüche um (nach ständiger Rspr), können daher nicht Rückwirkend verschlechtert werden, auch wenn sich BV ändert. Zustandekommen In Betrieben ohne BR ist der Abschluss einer BV nicht möglich, egal ob BR-pflichtig (aber eben ohne BR) oder Kleinstbetrieb (unter fünf AN). Ist ein Betriebsausschuss errichtet, darf dieser eine BV abschließen, ändern und aufheben. Der Geltungsbereich sind alle vom Betriebsausschuss vertretenen Gruppen. Die Befugnis kann von BR und/oder BA an den Zentralbetriebsrat mit seiner Zustimmung delegiert werden. Damit in einem Unternehmen mit verschiedenen Betrieben dieselbe BV gilt. Ohne Delegation ist das idr nicht möglich. Selbiges gilt für die Delegation von Zentralbetriebsrat an Konzernvertretung (mit seiner Zustimmung). Die Kundmachung ist Voraussetzung für den Eintritt der normativen Wirkung. Enthält die kundgemachte BV keine Bestimmung über ihren Wirksamkeitsbeginn, so gilt sie ab dem Tag nach der Unterzeichnung. Inhalt Gemäß 29 ArbVG dürfen nur Angelegenheiten geregelt werden, die auf gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Ermächtigung beruhen. Es kommt nicht nur das ArbVG in Frage, sondern die gesamte Rechtsordnung, soweit sie auf Gesetzen im formellen Sinn beruhen. Besonders wichtig ist hier aber: ArbVG, AZG, KA-AZG, UrlG, EFZG und BPG. Arten 96 ArbVG - Notwendige Betriebsvereinbarungen enthalten Regelungen, die laut ArbVG nicht ohne einer BV gesetzt werden dürfen. Fehlt der erforderliche Konsens, darf der Betriebsinhaber nicht durch Vereinbarungen mit den betroffenen AN substituieren. Dennoch getroffene Vereinbarungen sind unwirksam. Betriebliche Disziplinarordnungen Qualifizierte Personalfragebögen Die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahmen Leistungslohnsysteme Seite 17 von 66

96a ArbVG Notwendig erzwingbare Betriebsvereinbarungen bedürfen ebenfalls der BR Zustimmung, die mangelnde Zustimmung kann aber durch eine Schlichtungsstelle (Wird im Einzelfall beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht errichtet) ersetzt werden, danach hat es dieselbe Wirkung wie eine Zustimmung des BR. Elektronische Personaldatensysteme (Inhalt geht über allgemeine Daten hinaus) Personalbeurteilungssysteme (Interessenabwägung AN AG) 97 ArbVG (Abs.1 Z 1 6a) Fakultative erzwingbare Betriebsvereinbarungen bedürfen nicht der Zustimmung des BR, können teilweise auch durch Weisung erteilt werden, es besteht jedoch die Möglichkeit der Anrufung einer Schlichtungsstelle. Allgemeine betriebliche Ordnungsvorschriften Auswahl der betrieblichen Vorsorgekassa Arbeitszeit Abrechnung und Auszahlung der Bezüge Sozialpläne Betriebsmittelnutzung 97 ArbVG (Abs.1 Z 7 26) Fakultative Betriebsvereinbarungen enthalten Regelungen, die auch ohne BR geregelt werden dürfen, die Möglichkeit der Anrufung einer Schlichtungsstelle besteht nicht. Grundsätze für den Urlaubsverbrauch Entgeltfortzahlung für Betriebsversammlungen Aufwandsersatz (z.b. Diäten und Kilometergelder) Jubiläumsgelder Gewinnbeteiligung Pensions-BV (siehe Kap. 32) Rahmenbedingungen für den Wechsel zur Abfertigung neu (siehe Kapitel 31) Beendigung Einvernehmlich Auflösung, Eintritt einer vereinbarten Bedingung, Zeitablauf, aus wichtigem Grund. Auch ex-lege: Verlust der Betriebsidentität (z.b. Wenn Betrieb dauernd still liegt) Fällt der zugrunde liegende KV weg, so ist auch die BV beendet. Kündigung von BV: Fakultative BV zum Monatsletzten dreimonatige Kündigungsfrist Notwendige BV jederzeit ohne Einhaltung einer Frist (Notwendig) Erzwingbare BV können nicht gekündigt werden Pensionskassen-BV Kündigungen gilt nur für AN, die nach der Kündigung AN in diesem Betrieb wurden. Für alte AN bleibt diese bestehen. Nachwirkung Grundsätzlich hat eine BV keine Nachwirkung, außer bei Kündigung (und natürlich eine Pensionskassen-BV). Bei Kündigung bleibt sie so lange aufrecht, bis eine neue BV oder mit den AN eine Einzelvereinbarung geschlossen wurde. Während der Nachwirkungsfrist können Regelungen durch Einzelverträge mit AN auch verschlechtert werden, die relativ Zwingende Wirkung der BV Normen geht also nach der Kündigung verloren. Seite 18 von 66

10. Die freie" Betriebsvereinbarung Wesen Erklärungsversuche Konsequenzen Regelungsinhalt, der weder durch Gesetz, noch durch KV einer Regelung durch BV vorbehalten ist, aber dennoch durch eine BV festgelegt wird, ist grundsätzlich nichtig. Vereinbarungen, die diese Grenzen überschreiten, nennt man freie Betriebsvereinbarungen. Der OGH billigt dem Inhalt solcher Vereinbarungen dennoch Rechtswirkungen zu, indem er sie zu Bestandteilen der einzelnen Arbeitsverträge macht. Wichtig dabei ist, diese Regelungen entfalten keine Normwirkung oder Nachwirkung, sie werden zur Schlüssigen Ergänzung von Arbeitsverträgen. Eine solche stillschweigende Vertragsergänzung setzt vier Voraussetzungen voraus: (1) Die AN kennen die freie Betriebsvereinbarung, (2) sie wissen, dass diese an sich rechtsunwirksam ist, (3) sie dürfen davon ausgehen, dass dies auch der AG weiß und (4) sie verhalten sich im Sinne der Vereinbarung. Grundsätzlich besteht keine kollektive Beendigung, es müsste jeder Arbeitsvertrag abgeändert werden. Nach Meinung des OGH jedoch, müssen die Rechtswirkungen auch wieder kollektiv verändert oder beseitigt werden können, wohl wieder in Absprache mit dem Betriebsrat. Neu eintretende AN sind grundsätzlich auch dieser BV unterworfen, außer es wird explizit im Arbeitsvertrag festgehalten. 11. Betriebsänderungen, ihre betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen und Ausübungen Siehe Kapitel Betriebs(teil)übergang 12. Der Arbeitsvertrag Wesen, Funktionen, Struktur, besondere Klauseln (Ausbildungskosten) Der Arbeitsvertrag Im Arbeitsvertrag verpflichtet sich der AN dem AG zur persönlichen Leistungserbringung in persönlicher Abhängigkeit. Entgeltlichkeit ist nicht erforderlich, im Zweifel gilt aber ein angemessenes Entgelt als vereinbart. Der Arbeitsvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis, wird auf bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen. Ersteres erfordert eine vereinbarte Befristung, letzteres ein besonderes empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Der AN schuldet keinen Erfolg, sondern das uneingeschränkte Zurverfügungstellen seiner Arbeitskraft. Damit ist er auch aufgrund der damit verbundenen Weisungsunterworfenheit in persönlicher Abhängigkeit tätig. Weisungsunterworfenheit an sich ist nichts Besonderes (Handwerker und Besteller), besonders ist aber abseits dieser sachlichen Weisungsunterworfenheit die persönliche Weisungsunterworfenheit. Sie schaltet die Gestaltungsfreiheit des AN bei der Erbringung der Dienstleistung weitestgehend aus (Der Handwerker hat diese Gestaltungsfreiheit aber). Der AG kann dem AN anweisen etwas in einer ganz bestimmten Weise zu tun und welche Kleidung er dabei tragen soll. Seite 19 von 66

Weiters ist die Einordnung des AN in die organisatorische und hierarchische Struktur des Betriebes des AG ein klassisches Merkmal (Arbeitszeiten, Schichtpläne, Arbeitsort, Produktionsabläufe, etc.). AN ist außerdem AG disziplinär verantwortlich (unterliegt innerbetrieblichen Ordnungsvorschriften). Wirtschaftliche Abhängigkeit ist für den Arbeitsvertrag nur insofern charakteristisch, als der AN regelmäßig nicht mit eigenen Betriebsmitteln, sondern mit Betriebsmitteln des AG tätig wird. Es bedeutet nicht, dass der AN von seinem AG wirtschaftlich Abhängig ist (Erbe, Lottogewinn, lange gespart, etc.). Wichtige Charakteristika sind also: persönliche Weisungsunterworfenheit kein Erfolg, sondern uneingeschränkte Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft Einordnung in organisatorische und hierarchische Struktur des Betriebes des AG Wirtschaftliche Abhängigkeit nur in Bezug auf die verwendeten Betriebsmittel Diese Punkte müssen nicht kumulativ gegeben sein, meist ist der beste Anhaltspunkt die persönliche Weisungsunterworfenheit. Dabei reicht die sogenannte stille Autorität des AG, sie muss also nur theoretisch möglich sein und nicht praktisch gelebt. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen Freier Dienstvertrag Im Wesentlichen dem Arbeitsvertrag ähnlich (Dauerschuldverhältnis auf Grund dessen Dienstleistungen erbracht werden), allerdings ist das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit nur schwach oder gar nicht ausgeprägt, deshalb ist der DN frei. DN kann Ablauf der Arbeit selbst regeln und jederzeit ändern und/oder keiner Weisungspflicht unterliegt und/oder sich beliebig vertreten lassen kann Auf freie Dienstverträge sind nur AR Normen (analog) anzuwenden, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des AN ausgehen. Typisch sind Tätigkeiten auf Zeit ohne persönliche Abhängigkeiten. Konsulentenverhältnisse, (nebenberufliche) Tätigkeit als Rettungsarzt, als Werbeleiter, Sprachlehrer, Kontrollore, FH Lektoren, Vereinsarzt, Rechtsberater, etc. Im Sozialversicherungsrecht nicht wirklich relevant, seit 1.1.2008 auch vollständig versicherungspflichtig (alle Formen von Erwerbstätigkeit sind seitdem versicherungspflichtig). Der Werkvertrag Der Unterschied zum Arbeitsvertrag ist das Zielschuldverhältnis. Ein Werkunternehmer schuldet dem Werkbesteller die Herstellung eines bestimmten Erfolges, der AN dem AG jedoch nur das bloße Bemühen. Der Werkunternehmer ist selbstständig tätig (keine Weisungsgebundenheit wie im AR) und hat grundsätzlich für die ordnungsgemäße Werkerstellung Gewähr zu leisten. Der Unterschied zum freien Dienstvertrag: Leistungen im Werkvertrag sind meist relativ genau umschrieben, weitere Konkretisierungen durch Weisungen sind meist nicht erforderlich (verlegen eines Parkettbodens). In freien Dienstverträgen wird meist nur gattungsmäßig umschrieben (Schreibarbeit, Kanzleidienste, etc.), weitere Weisungen des AG werden meist erteilt. Seite 20 von 66