Zwischen Kreditbeschränkung und Insolvenzrisiko. Ordnungspolitische Umbrüche im deutschen Bankwesen



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Transkript:

Zwischen Kreditbeschränkung und Insolvenzrisiko. Ordnungspolitische Umbrüche im deutschen Bankwesen Die Öffentlichkeit ist inzwischen daran gewöhnt, dass die Politik klassische Grundlagen der deutschen Wirtschaft aufgibt. Entweder wird dies mit einem ideenpolitischen Ziel begründet. So geschehen beim Verzicht der D-Mark zugunsten einer europäischen Gemeinschaftswährung. Oder man erklärt, die zähe Wachstums- und Beschäftigungskrise Deutschlands schulde sich gerade seinen überkommenen Wirtschaftsstrukturen. Damit verbinden sich üblicherweise Verweise auf ausländische Staaten, deren Volkswirtschaften in vielen Bereichen anders, vermeintlich besser als die deutsche verfasst seien. Aus solchen Erwägungen hat jede Bundesregierung seit der Wiedervereinigung größere und kleinere Veränderungen eingeleitet. Ein Ende dieser Abkehr von den eigenen, ehedem bewährten Fundamenten ist nicht in Sicht. Die bisherigen Ergebnisse sind freilich ebenso umstritten wie die dafür vorgenommenen Maßnahmen. Mehr noch: Was unter der Bezeichnung "Reformen" dem deutschen Wirtschaftsstandort helfen sollte und vorwiegend von angelsächsischen Vorbildern übernommen wurde, hat einen mehrjährigen, robusten Aufschwung nicht bewirkt. Große Teile der Bevölkerung befürchten vielmehr eine weitere Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. An die Wirtschaftserfolge der Bundesrepublik in ihren besten Jahren anzuknüpfen, scheint aussichtslos. Die fruchtlose Anpassung an äußere Zwänge und Zudringlichkeiten schreitet gleichwohl unaufhaltsam voran. Das alternative Vorgehen, die sozialen Stärken und Bedürfnisse Deutschlands gegen unfaire und von den Bürgern nicht gewollte Wettbewerbsbedingungen offensiv zu verteidigen, findet in der politischen Klasse keinen Halt. Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik verliert darüber ihre zentralen Bausteine. Einer, der künftig zu entfallen droht, ist das stabile, zu einem wesentlichen Teil gemeinwohlorientierte deutsche Bankwesen. Seine Leistung für Währungsvertrauen, mittelständische Kreditversorgung und Ersparnisbildung wird weithin anerkannt. Das hat dem deutschen Banksystem aber keinen Bestandsschutz verliehen. Eher steht seine Qualität durch ordnungspolitische Eingriffe der Europäischen Union und das Vordringen rein gewinnorientierter Bankengeschäftsmodelle auf dem Spiel. Dem setzt die deutsche Politik keinen Widerstand entgegen. Im Juli 2005 werden "Anstaltslast" und "Gewährträgerhaftung" für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland abgeschafft. Gegen diese staatlichen Haftungs- und Solvenzgarantien hatte die Bankenvereinigung der Europäischen Union Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt. Nach einem Prüfverfahren entschied die Kommission, dass Anstaltslast und Gewährträgerhaftung dem öffentlich-rechtlichen Bankensektor einen unzulässigen, gegen die Prinzipien des Binnenmarktes verstoßenden Wettbewerbsvorteil verschaffen. Der staatliche Rückhalt sei eine Privilegierung, für die Landesbanken und Sparkassen keine Gegenleistung an die Gebietskörperschaften entrichteten. Als Gewährträger standen die Gebietskörperschaften bislang dafür ein, bei Insolvenz eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts die Ansprüche der Gläubiger zu befriedigen. Die Anstaltslast bezog sich darauf, etwaige Verluste auszugleichen und die Fortführung des Bankbetriebs zu verbürgen. Während die Gewährträgerhaftung demnächst vollständig entfällt, öffentlich-rechtliche Banken in Deutschland mithin nicht länger vor Insolvenz geschützt sind, wird die Anstaltslast eingeschränkt. Gebietskörperschaften dürfen dann nur noch im Rahmen der üblichen Eigentümerrechte tätig werden. Allein Kreditinstitute mit eng gefasstem Förderkatalog können sich künftig überhaupt noch auf staatliche Haftungsgarantien stützen. Infolgedessen werden Landesbanken und Sparkassen nicht mehr vollständig gegen Illiquiditätsrisiken geschützt sein. Im

2 Dreisäulensystem des deutschen Bankwesens aus Genossenschaftsbanken, privaten Geschäftsbanken und öffentlich-rechtlichen Instituten verlieren letztere damit eine ihrer wichtigsten politischen Zweckbestimmungen: die unbedingte Sicherheit der Einlagen. Zusätzlich zu der europarechtlichen Nivellierung der deutschen Bankenlandschaft wird den öffentlich-rechtlichen Kreditbanken noch von anderen Seiten zugesetzt. Auf Kritik stößt die im internationalen Vergleich nur mäßige Rentabiltität des deutschen Bankensektors, seine hohe Filialdichte sowie der große Staatsanteil an dem gesamten Kreditgewerbe (Brunner et al. 2004: 1). Gemessen an der Bilanzsumme verfügten Sparkassen und Landesbanken in 2002 über einen Marktanteil von 36 Prozent. Bei den Bankaktiva entfallen sogar fast 40 Prozent auf die öffentlichrechtlichen Institute. Daran macht sich auch der Vorwurf der privaten Banken fest, die herausragende Stellung der öffentlich-rechtlichen Banken würde insgesamt auf die Erträge drücken, weil der staatliche Einfluss die Gewinnorientierung über Jahrzehnte gedämpft habe (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2004: 16). In der Konkurrenz mit den subventionierten Angeboten der flächenmächtigen Sparkassen hätten die privaten Geschäftsbanken ihre Ertragsziele zurücknehmen müssen. Mit der Beseitigung der Staatsgarantien geben sich diese Kritiker freilich nicht zufrieden. Darüber hinaus müsse das starre Dreisäulensystem fallen, um den privaten Banken geschäftserweiternde Beteiligungen an öffentlich-rechtlichen Instituten, ggf. sogar deren Übernahme zu ermöglichen. Schließlich werden Sparkassen und Landesbanken von den neuen Kreditvergaberichtlinien des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht besonders erfasst. Die im Juni 2004 verabschiedete Rahmenvereinbarung der G-10 Gruppe sieht revidierte Eigenkapitalanforderungen vor, die ab 2006 von den nationalen Bankaufsichtbehörden angewandt werden sollen. Gemäß Basel II genügt es künftig nicht mehr, ausgereichte Kredite pauschal mit 8 Prozent Eigenkapital zu unterfüttern. Die bisherige Regelung von 1988, der Basel-I-Satz, wird um Risikokomponenten erweitert. Fortan wird anhand bankinterner Ratings das eingegangene Kreditrisiko bei einem Geschäft genauer bestimmt,. Nach dem Ausmaß des Kreditrisikos richtet sich die Höhe des vorzuhaltenden Eigenkapitals. Ausschlaggebend für die Ermittlung des Kreditrisikos ist das Bonitätsgewicht des Kreditnehmers, das wiederum von der Ausfallwahrscheinlichkeit abhängt. Basel II soll die Solidität und Krisenfestigkeit des internationalen Bankensystems fördern (Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 2004: 2). Andererseits wird das Abkommen tief in die Kreditvergabe der öffentlich-rechtlichen Institute in Deutschland hineinreichen. Das Kreditengagement der deutschen Sparkassen ist hoch. Kredite an Nichtbanken machen derzeit rund 60 Prozent der Bilanzsumme aller Sparkassen aus. Dabei handelt es sich überwiegend um mittelständische Kreditnehmer. Da deren Bonität nur durchschnittlich ist, das neue Baseler Regelwerk die Ausfallwahrscheinlichkeit aber stärker als bisher gewichtet, werden die Mindestkapitalanforderungen und Refinanzierungskosten der kreditgewährenden Banken steigen. Unabweisbar geraten die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Deutschland unter Druck. Damit stehen ihr gesetzgebersicher Auftrag und ihre Leistungen zur Disposition, ohne dass dafür ein gleichwertiges, geschweige denn überlegenes Ersatzangebot geschaffen wird. Auf entschlossene politische Abwehr stoßen die vorgenannten Entwicklungen nicht. Auch im Kreditwesen zieht sich die Politik von öffentlichen Aufgaben zurück. Sie verkennt dabei die einschneidenden wohlfahrtsmindernden Konsequenzen, verfolgt mit Beteiligungsverkäufen kurzfristige Haushaltsinteressen oder hat sich von vornherein dem ideologischen Abbau staatlicher Schutzvorkehrungen verschrieben. Mit dem Entzug der staatlichen Haftungsgarantien entstehen den öffentlich-rechtlichen

3 Kreditinstituten erhebliche Mehrbelastungen. Wollen die Sparkassen das bisherige Niveau der Einlagensicherheit halten, werden sie dafür höhere Beiträge an den freiwilligen Sicherungsfonds abführen müssen. Für die Landesbanken zeichnen sich durch den Verlust der Gewährträgerhaftung deutlich niedrigere Bonitätsnoten ab. Sorgte die Trägerschaft der Bundesländer bislang für erstklassige Bonitätsbewertungen, so werden die bald auf sich allein gestellten Landesbanken eine deutliche Herabstufung durch die Rating-Agenturen erfahren. Entsprechende Risikoaufschläge werden die Refinanzierungsbedingungen der Landesbanken verschlechtern und verteuern. Während die Sparkassen trotz der Mehrkosten für die Einlagensicherung noch im Gewinnbereich bleiben dürften, würden die Landesbanken bei unveränderter Ertragslage mitunter tief in die Verlustzone geraten. Die Folgen für die Kreditvergabepraxis der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sind leicht auszumachen. Sowohl Sparkassen wie Landesbanken werden das Risikogewicht ihrer Aktiva vermindern, ihr Kreditgeschäft zurückführen und zum Ausgleich ihrer Mehrkosten die Kreditzinsen erhöhen. Mittelständischen Unternehmen wird die Fremdmittelbeschaffung für Investitionen erheblich erschwert. Dieser Gefahr hofft die Bundesregierung vergeblich zu begegnen, indem sie die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einer Mittelstandsbank umbaut. Eine einzige Institution wird die ausgreifende Kreditverknappung, die Verengung der Kreditkanäle auf allen Ebenen nicht verhindern. Ebenso werden die Versuche der Bundesländer, mit abgespaltenen Spezialinstituten der Landesbanken oder staatlichem Beteiligungsbesitz an den Landesbanken die Mittelstansförderung in gleichem Umfang aufrechtzuerhalten, scheitern. Unter solchen Umständen mögen einzelne Prestigeprojekte noch gefördert werden, die breit gestreuten kreditwirtschaftlichen Leistungen der öffentlich-rechtlichen Institute indessen einbrechen. Abhilfe durch das Expansionsstreben privater Geschäftsbanken in den Sparkassensektor darf man nicht erwarten. Sie werden die Lücke der mittelständischen Kreditversorgung am wenigsten füllen. Umso bedenklicher ist es, dass die Politik private Bankgeschäftsstrategien gegenüber den Gemeinwohlzielen der öffentlich-rechtlichen Institute in die Vorhand kommen lässt. Private Kreditinstitute betreiben Bankgeschäfte ausschließlich zur Gewinnmaximierung. Die öffentlich-rechtlichen Institute wollen und müssen zwar auch Erträge erwirtschaften, nehmen aber zugleich einen allgemeinen, vom Gesetzgeber festgelegten Auftrag wahr: die Förderung der Sparund Vermögensbildung, die Kreditvergabe an kleine, mittlere und neu gegründete Unternehmen. sowie die Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Daran sind die privaten Banken nicht interessiert. Worauf sich ihre Begehrlichkeit nach enttäuschenden Geschäftsjahren im Investment Banking richtet, ist das Privatkundengeschäft der Sparkassen. Übernahme oder anteilsmäßiger Besitz öffentlich-rechtlicher Institute würde privaten Banken dieses lukrative Ertragsfeld erschließen. Die unentbehrliche volkswirtschaftliche Kreditfunktion der Sparkassen droht dadurch allerdings zu erlahmen. Die privaten Geschäftsbanken haben sich von dem Kreditgeschäft stark zurückgezogen. Die Kredite der privaten Banken an Nichtbanken sanken in ihrem Anteil an der gesamten Bilanzsumme von 62 Prozent in 1992 auf 41 Prozent in 2002 (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2004: 33). Demgegenüber haben die Sparkassen den Anteil der Buchkredite an ihrer Bilanzsumme im gleichen Zeitraum von 58 auf 60 Prozent ausgebaut. Sollten private Banken mit ihren Standbeinen im Investment Banking, der Industriefinanzierung und Vermögensberatung künftig auf die Sparkassen zugreifen können, werden sie deren Kreditgeschäftsvolumen zweifellos einschränken. Die gegen die öffentlich-rechtlichen Institute gerne vorgebrachte, den Staat fälschlicherweise unter

4 Rückzugzwang setzende These einer höhere Profitabilität privater Banken entbehrt gegenwärtig der Grundlage. Seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre liegt die Eigenkapitalrentabilität der deutschen Sparkassen sichtbar über dem Wert der privaten Geschäftsbanken. Mit ihren Einnahmen aus vorwiegend zinsbestimmten Geschäftsaktivitäten erzielten die Sparkassen eine weit stabilere und höhere Rendite als die auf schwankenden Finanzmärkten agierenden Privatinstitute. Insofern können diese als börsennotierte Aktiengesellschaften auch alles andere als ein Vorbild für eine Sparkassenprivatisierung sein. Die Großbanken unterliegen wegen ihres umfangreichen Beteiligungsbestandes einem erheblichen Marktrisiko (Bundesbank 2003: 63). Ein größerer Aktienkursrutsch zehrt empfindlich an deren Eigenkapital und kann Einleger zur Auflösung ihrer Depositen veranlassen. Einem solchen "bank-run" haben die privaten Banken zwar mit freiwilligen Sicherungssystemen vorgebaut. Den absoluten Vertrauensschutz, wie ihn die öffentlich-rechtlichen Institute bis zur Aufhebung der Gewährträgerhaftung auszeichnete, werden private Geschäftsbanken aber nie besitzen. Angesichts überdurchschnittlicher Rentabilität und Eigenkapitalausstattung der Sparkassen ist die Maßgabe verfehlt, auf diese Institute die strengen Kreditvergabeauflagen des Basel-II-Akkords anzuwenden. Die Regelverschärfung mag für ein zuverlässigeres Risikomanagement angloamerikanischer "global player" geboten sein. Für die lokal verankerten öffentlich-rechtlichen Institute in Deutschland entbehrt es der Notwendigkeit. Das Risikogefälle gegenüber den Geschäften der Privatbanken hätte hier stärker berücksichtigt werden müssen. Wie so oft meinte die deutsche Politik eine internationale Gefolgschaft beweisen zu müssen, die in diesem Fall für das nationale Bankensystem nicht angemessen ist. Gesetzgeber und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sollten es den öffentlichrechtlichen Instituten frei stellen, ob sie die Bonität ihrer Kreditnehmer nach den abstrakten Basel- II-Kriterien bewerten wollen. Eine rechtliche Verpflichtung, für Mittelstandskredite künftig mehr haftendes Eigenkapital bereit zu halten, würde Kreditmöglichkeiten beschneiden, für die tatsächlich genügend Sicherheiten vorliegen. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass aufgrund der revidierten Baseler Vorschriften die Eigenkapitalunterlage für mittelständische Unternehmenskredite um bis zu fünf Prozent steigen und Zuschläge auf den Kreditzins nach sich ziehen wird (Mattler/Manns 2004: 378). Zu anderen Investitionshemmnissen in Deutschland sollte nicht noch eine Kreditverknappung treten. Ohne Blick für die schwerwiegenden Folgen duldet und forciert die Politik einen Umbruch, der an den Grundlagen des Bankwesens in Deutschland rührt. Die öffentlich-rechtlichen Institute stehen davor, ihre gemeinwohldienenden Qualitäten beim Einlegerschutz, der Sparförderung und Kreditgewährung zu verlieren. Fatalerweise. Denn das volkswirtschaftliche Erfordernis gerade dieser Aufgabenerfüllung ist nicht kleiner, sondern dringender geworden. Was die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr leisten kann, müssen die Bürger durch Formen der privaten Altersvorsorge ersetzen. Dafür kann auf bestandsgeschützte Bankinstitute mit zuverlässigen, risikoarmen Angeboten der Vermögensbildung am wenigsten verzichtet werden. Das jahrzehntelange Ansparen einer privaten Zusatzrente verlangt eine Vertrauensgrundlage, die der Staat will er sich nicht jeder gesellschaftlichen Verantwortung entziehen unterstützen muss. Private, aktienbasierte Geschäftsbanken mit quartalsmäßigen Gewinnstreben eignen sich dafür nicht. Desgleichen sind die öffentlich-rechtlichen Institute als Kreditgeber für kleine und mittlere Unternehmen nicht zu entbehren. KMU leisten einen wesentlichen Beitrag zu Wertschöpfung und Beschäftigung. Die Politik ist schlecht beraten, sollte sie das bankenorientierte Finanzsystem

5 Deutschlands zugunsten des Kapitalmarktes schwächen. Natürlich begründet die historische Rolle der Banken, den Wiederaufbau Kontinentaleuropas nach dem Zweiten Weltkrieg finanziert zu haben, keinen monopolartigen Anspruch auf die Zukunft. Dass der deutsche Kapitalmarkt an Breite, Tiefe und Aufnahmefähigkeit gewinnt, ist zu begrüßen. Allerdings wird er nicht an die Stelle der engen und dauerhaften Kreditbeziehung zwischen den KMU und ihren hauptsächlich öffentlichrechtlichen Hausbanken treten können. Die Masse der mittelständischen Betriebe in Deutschland ist als Personengesellschaft verfasst. Sie haben von vornherein keinen Zugang zum Kapitalmarkt (Lucius 2004: 157). Für eine Mittelaufnahme am Kapitalmark fehlt ihnen überdies die Größe. Und selbst wenn man von diesen strukturellen Barrieren absieht, gilt es doch immer die Finanzierungsnachteile des kurzatmigen, zuweilen von starken Kursausschlägen betroffenen Kapitalmarktes zu bedenken. Die Kreditaufnahme ist für die Unternehmen um vieles berechenbarer. Mit dem Verlust der Gewährträgerhaftung und der deutschen Zustimmung zu Basel II sind indessen Tatsachen geschaffen worden, die das bisherige Leistungsniveau der öffentlich-rechtlichen Institute gefährden. Eine Rückkehr zum status quo ante liegt außer Reichweite. Die Gebietskörperschaften setzen ihre früheren Solvenzgarantien gehorsam außer Kraft und bemühen sch bestenfalls um Schadensbegrenzung. Sie könnte immerhin darin bestehen, dass Länder und Gemeinden an den öffentlich-rechtlichen Instituten hohe Mehrheitsbeteiligungen wahren. So wären Sparkassen und Landesbanken wenigstens vor Zerschlagungen geschützt. Weitblickende Vertreter der Gebietskörperschaften werden ihre Anteilsgewichte auch dazu nutzen, das operative Geschäft der öffentlich-rechtlichen Institute nach wie vor an den Bedürfnissen des Mittelstandes auszurichten. Die angespannte Haushaltslage auf allen staatlichen Ebenen schürt freilich eine andere Versuchung: Anteile an Sparkassen und Landesbanken zu verkaufen. Eine solche Privatisierungswelle würde den öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten den Todesstoß versetzen. Bis zur nächsten großen Bankenkrise. Die letzte von 1931 ist durch Verstaatlichungen und strikte politische Regulierungen beigelegt worden. Muss es erst wieder so weit kommen? Die bewährte Dreigliederung des Bankensystem in Deutschland hat politische Fürsprecher verdient, die eher auf den Plan treten. Literatur: Brunner, Allan et al., 2004: Germany's Three Pillar Banking System. Cross-Country Perspectives in Europe. IMF Occasional Paper 233, Washington, D.C. Deutsche Bundesbank, 2003: Das deutsche Bankensystem m Stresstest, in: Monatsbericht Dezember, Frankfurt a.m., 55-63. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2004: Gutachten: Untersuchung der Grundlagen und Entwicklungsperspektiven des Bankensektors in Deutschland (Dreisäulensystem), Berlin. Lucius, Otto, 2004: Der Beitrag österreichischer Banken zum Wirtschaftswachstum, in: Bankarchiv 52, 157-158. Schulte-Mattler, Hermann / Manns, Thorsten, 2004: Basel II: Falscher Alarm für die Kreditkosten des Mittelstandes, in: Die Bank 6-7/2004, 376-380. 2004 Wolfgang Klages. Verwertung nur mit Genehmigung des Verfassers.