Allgemeine Psychologie II Prof. Dr. Björn Rasch, Cognitive Biopsychology and Methods University of Fribourg 1
Denken Denkpsychologie befasst sich mit den inneren (mentalen) Prozessen der Verarbeitung von Informationen. Denken als höhere kognitive Funktion Umfasst niedrigere kognitive Funktionen (u.a. Aufmerksamkeit, Mustererkennung, bildhafte Vorstellung) Setzt Wissen voraus (z.b. Rechenregeln zum Lösen einer Gleichung) Definitorische Aspekte des Denkens Mental ablaufender Prozess der Verarbeitung von Informationen Inhalt und Ablauf abhängig von der denkenden Person und dem Kontext Denken kann zu einer Handlung führen oder nicht Mentales Durchspielen von Handlungsalternativen Denkprozesse können Gegenstand des Denkens sein Metakognition 2
Wissenschaftliches Vorgehen 3 Björn Rasch
Take-Home Messages Denkpsychologie befasst sich mit den inneren (mentalen) Prozessen der Verarbeitung von Informationen. Denken als höherer kognitiver Prozess, umfasst niedrigere kognitive Prozesse. Deduktives Schlussfolgern Logisches Schlussfolgern auf Basis fest vorgegebener Tatsachen Aussagenlogik, Wahrheitswert und Wahrheitstafeln Formale Aussagenlogik und Syllogismen Modus Ponens, Modus Tollens, Acceptance of Consequent, Denial of Antecedent Anwendung der formalen Logik im Alltag (aber auch von Experten) oft schwierig Induktives Schlussfolgern Menschen entscheiden oft nicht rational, sondern verwenden Heuristiken Entscheiden oft mit Unsicherheit, Zeitdruck, hohem Risiko Entscheidungen mit Heuristiken sind effizient, schnell, benötigen wenige Informationen Verfügbarkeitsheuristik, Repräsentationsheuristik, Ankerheuristik Fehler: Conjunction error, base-rate fallacy, overconfidence Rekognitionsheuristik, Take-the-Best (TBT) Heuristik 4
Take-Home Messages Problemlösen: Reduktion der Diskrepanz zwischen einem Ist-Zustand und einem angestrebten Zielzustand (Soll-Zustand). Operatoren: Massnahmen zur Reduktion der Ist-Soll Diskrepanz Einfaches Problemlösen Ist-Zustand und Soll-Zustand sind klar definiert und bekannt Operatoren sind verfügbar und müssen nur richtig eingesetzt werden Sequentielle Probleme vs. Einsichtprobleme Problem: Wenig relevant für den Alltag Komplexes Problemlösen Ist-Zustand und /oder Soll-Zustand sind nicht klar definiert / unbekannt Operatoren zur Problemlösen müssen erst gefunden oder generiert werden Alltagsnähe, Einfluss von Komplexität, Zeitdruck, Emotion, Motivation, IQ etc. Simulationen können zur Diagnose / Training genutzt werden Probleme: geringe Reliabilität, Validität fraglich Intelligenz und Kreativität als Voraussetzung für komplexes Problemlösen 5
Sprache Universelle Struktur von Sprache Phoneme Kleinste lautliche Einheit der gesprochenen Sprache Grapheme Bsp.: /t/ vs. /k/ bei Tasse vs. Kasse Dient zur Unterscheidung von Bedeutung, hat selbst keine Bedeutung Kleinste graphische Einheit eines Schriftsystems Meist einzelne Buchstaben, oft auch Kombinationen (/sch/) Das gleiche Graphem kann für unterschiedliche Phoneme stehen Morpheme Bsp.: tough; plough, dough Graphem /ough/ wird unterschiedlich ausgesprochen Kleinste bedeutungshaltige Einheit der Sprache Meistens eine Silbe, muss aber nicht Silben entsprechen Bsp.: Hunde hat zwei Morpheme: Hund und e 6
Take Home Messages 7 Sprache Fähigkeit, abstrakte Ideen durch eine komplexe Abfolge von Zeichen und Signalen zu kommunizieren (genuin menschliche Fähigkeit) Universelle Struktur (Phoneme / Grapheme, Morpheme, Grammatik) Grammatik ist das Regelwerk der Sprache Phonologie, Morphologie, Syntax Laut- und Wortverarbeitung Anforderungen an Segmentierung und Variabilität Wortproduktion: Planung, Formulierung, Artikulation Wortverstehen: Aktivierung ähnlicher / Hemmung unähnlicher Worte Unterstützt durch Betonung, Sprachmelodie und Bedeutungs- / Satzkontext Abruf / Abgleich mit Bedeutungen der Worte aus dem mentalen Lexikon Satzverarbeitung: Holzwegmodell vs. Einschränkungsmodelle Parsing: Syntaktische Analyse eines Satze (automatisch unbewusster Prozess) Phasen der Satzverarbeitung: Parsing, Prüfung der Bedeutung, Reanalyse des Parsings EEG-Korrelate der Phase: ERN (N120); N400; P600
Take Home Messages Textverarbeitung Aktive Prozesse, Text- vs. Rezipientengesteuert Sprachentwicklung Kindern lernen Sprache schnell und spontan, genetische Veranlagung Bereits Säuglinge haben sprachrelevante Fähigkeiten Lallphasen / Wortrezeption / Wortproduktion / Wortschatzexplosion Kritische vs. sensible Periode des Spracherwerbs Theorie der Universalgrammatik (Noam Chomsky) Sprachstörungen Störungen der Sprachentwicklung: Dyslalie, Dyslexie, Dysgraphie, Legasthenie Neurologisch bedingte Sprachstörungen (z.b. Wernicke-Aphasie, Broca-Aphasie) Sensorische Sprachstörungen und mentale Retardation Die linke Hemisphere ist für Verarbeitung von Sprache meist dominant. Linkslateralisierung von Sprache (Wada-Test, Split Brain Patienten) 8
Sprache und Denken Beeinflusst die Sprache das Denken? Die Sapir-Whorf Hypothese Benjamin Whorf und Edward Sapir (1950) Unsere Grammatik und unser Wortschatz bestimmt unser Denken. Das linguistische Relativitätsprinzip: Nutzer deutlich unterschiedlicher Grammatiken werden durch ihre Grammatik zu unterschiedlichen Arten der Beobachtung und zu unterschiedlichen Einschätzungen äusserlich ähnlicher Beobachtungen geleitet und sind deshalb als Beobachter nicht äquivalent, sondern müssen zu leicht unterschiedlichen Ansichten der Welt gelangen (Whorf, 1956, S. 221). Sprache und Denken Sprache kann Denken beeinflussen (aber nicht determinieren, Sapir-Whorf) Vor allem (Farb-) Differenzierung und Erinnerungen 9
Evolution von Sprache (M.M.) 10
Evolution von Sprache (M. M.) 11
Take Home Messages Arbeitsdefinition Emotion Emotionen sind aktuelle Zustände von Personen, mit einer bestimmten Qualität, Intensität und Dauer, die in der Regel objektgerichtet sind Emotionen sind von einem charakteristischen Erleben (Gefühl), Verhalten und physiologischen Veränderungen (Erregung) begleitet Stimmung: Geringe Intensität, längere Dauer, fehlen von Objektgerichtetheit Physiologische Emotionstheorien James-Lange Theorie: Emotionen sind die Wahrnehmung der peripherphysiologischen Erregung ( Ich bin traurig, weil ich weine ) Cannon-Bard Theorie: Emotionen werden im Gehirn verursacht Aktivierung emotionaler Zentren im Gehirn, die das emotionale Gefühl und die periphere Erregung verursachen Zweifaktorentheorie: Emotionen beruhen auf peripheren und zentralen Faktoren Schacter & Singer: Emotionen beruhen auf peripherer Erregung und der Bewertung der Situation als emotional und Auslöser der Erregung Neo Jamesianische Theorien: Somatische Marker / Embodiment 12
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Take Home Messages Verhaltenstheorien der Emotion Emotionale Reaktionen werden durch Konditionierung gelernt / gelöscht Fall des kleinen Albert, Fall des kleinen Peter Evolutionstheoretische Emotionstheorien Emotionen sind während der Evolution entstanden und lösen adaptives Verhalten aus, dass das Überleben des Organismus begünstigt (hat) Müssen heute nicht mehr unbedingt adaptiv sein Gesichtsausdruck bei Emotionen angeboren und universell Paul Ekmans neurokulturelle Theorie Gesichtsausdruck durch Emotionen ausgelöst, kann durch kulturelle display rules verändern werden Basisemotionen: Freude, Furcht, Ekel, Ärger, Traurigkeit, Überraschung Problem: Keine Einigkeit, wie viele Basisemotionen es gibt Gibt keine eindeutige Definition Sekundäremotionen: Stolz, Scham, Eifersucht, Ehre etc. Problem: keine klare Definition, nicht durch Mischung von Basisemotionen erklärbar 14
Transaktionales Stressmodel (Lazarus) Coping Möglichkeiten Problemorientiert Situation selbst ändern Informationssuche Direkte Handlungen Unterlassen von Handlungen Emotionsorientiert Bezug zur Situation ändern Emotionen verändern Erregung abbauen Bewertungsorientiert Reappraisal Situation neu bewerten Bsp.: Belastung als Herausforderung ansehen 15
Take Home Messages Appraisaltheorien der Emotion Betonen die Wichtigkeit kognitiver Evaluationen für Emotionen Kognitiv-motivationale Theorie von Lazarus Primäres Appraisal, Sekundäres Appraisal, Reappraisal Transaktionales Stressmodel (Möglichkeiten des Coping) Dimensionale Emotionstheorien Annahme: Es gibt keine diskreten Emotionen Kernaffekt lässt sich auf 2 (3) Dimensionen darstellen (z.b. Circumplexmodel) Valenz, Erregung, Dominanz (IAPS-Bilder, P. Lang) Neurowissenschaftliche Emotionstheorien Erklärung von Emotionen durch neuronale Grundlage Limbische System an Emotionsentstehung entscheidend beteiligt Amygdala als zentrale Struktur (wichtig für negative und positive Emotionen) Amgydala Theorie der Furcht (LeDoux) Amygdala zentral für Furchtlernen / Furchtauslösen, high vs. low road (Frühwarnsystem) 16
Neurowissenschaftliche Emotionstheorien Amygdala Theorie der Furcht 17 Joseph LeDoux Informationen zur Furcht fliessen in Amygdala zusammen Amygdala löst Veränderungen im Verhalten, Erleben, Physiologie aus Furchtkonditionierung: Assoziationen zwischen CS und US werden in der Amygdala gebildet High road: Pfad über Kortex zur Amygdala Low road Direkter Pfad über Thalamus zu Amygdala Erklärt schnelle vorbewusste Furchtreaktion Frühwarnsystem Rasch et al., 2009, PNAS
Take Home Messages Motivationspsychologie: Das wozu und wie zielgerichteten Handelns erklären Motiv, Motivation Volition Verhalten als Interaktion zwischen Können und Wollen Wollen ist Interaktion zwischen Person und Situation Triebtheorien erklären Verhalten durch Abbau eines inneres Drucks Psychoanalyse (Freud), behavioristische Triebtheorie (Hull), teilweise Lewin Theorien zu Person-Umwelt Bezügen stellen subjektive Wahrnehmung / Intention sowie Zug der Umwelt/Situation in den Vordergrund Feldtheorie (Lewin), Person-Umwelt Bezug (Murray), Willenspsychologie (Ach) Explizite und implizite Motive 18 McClelland: Annahme der Motiv Trias (Leistung, Macht,Glück/Wärme) Explizite Motive: bewusstes Selbstbild einer Person, durch Befragung messbar Implizite Motive: unbewusste affektgesteuerte Bedürfnisse, durch prospektive Verfahren messbar (z.b. TAT) Korrelation zwischen expliziten / impliziten Motiven niedrig, Inkongruenz möglich
Motivation Drei zentrale Themenkomplexe Individuelle Präferenz für bestimmte Handlungsziele und spezifische handlungsbezogene Emotionen zentraler Begriff: Motiv Auswahl und Setzen von Handlungszielen zentraler Begriff: Motivation Ausführen und Regulieren von Handlungen Zentraler Begriff: Volition 19
Take Home Messages McClelland: Annahme der Motiv Trias (Leistung, Macht,Glück/Wärme) Explizite Motive: bewusstes Selbstbild einer Person, durch Befragung messbar Implizite Motive: unbewusste Bedürfnisse, prospektive Verfahren (z.b. TAT) Korrelation zwischen expliziten / impliziten Motiven niedrig, Inkongruenz möglich Erwartung * Wert Theorien Subjektiv erwarteter Nutzen = Wahrscheinlichkeit * Nutzen der Alternative Ziel: Nutzenmaximierung (Nutzenfunktion für Gewinne/Verluste verschieden) Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-Theorie (Vroom 1964) Risikowahlmodell der Leistungsmotivation (Atkinson, 1957) Attributionale Motivationstheorien Automatische vs. aktive Ursachenzuschreibung von Erfolg / Misserfolg Günstige vs. ungünstige Attributionsstile Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen Zielsetzung und Zielrealisierung, motivationale und volitionale Phasen Volitionale Kontrollstratgien und Implementierungsintentionen 20
Rubikon Modell der Handlungsphasen Handlungsverlauf bei Zielsetzung und Zielrealisierung Berücksichtigung motivationaler und volitionaler Phasen Heckhausen & Gollwitzer (1987) 21
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 22