Quantitative Personalbedarfsplanung



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Transkript:

Quantitative Personalbedarfsplanung 2 2.1 Ziele, Einordnung und Steuerungsfeld Es ist das grundsätzliche Ziel der Personalbedarfsplanung, die erforderlichen Personalkapazitäten zu ermitteln, die das Unternehmen für die Erreichung der Unternehmensziele benötigt, und zwar möglichst genau spezifiziert nach (vgl. Horsch 2000, S. 19): 77 Quantität (= erforderliche Menge an Personal?) 77 Qualität (= erforderliche Qualifikationen des Personals?) 77 Zeitpunkt/Zeitraum (= ab wann und bis wann wird das Personal benötigt?) 77 Ort (= Werk, Abteilung, Arbeitsplatz, an dem das Personal benötigt wird?) Damit ist die Personalbedarfsplanung Ausgangspunkt für viele andere Felder der Personalplanung. Signalisiert das Ergebnis der Personalbedarfsplanung, dass dem Unternehmen rein zahlenmäßig Mitarbeiter fehlen (= quantitativer Personalbedarf), dann wird das Feld der Personalbeschaffungsplanung aktiviert. Es wird dann geprüft, über welche Rekrutierungswege die benötigten Zusatzkapazitäten vom Arbeitsmarkt (= externe Personalbeschaffung) beschafft werden können. Sollten in anderen Organisationseinheiten des Unternehmens personelle Überkapazitäten bestehen, dann kann auch eine Versetzung geprüft werden (= interne Personalbeschaffung). Signalisiert das Ergebnis der Personalbedarfsplanung, dass dem Unternehmen bestimmte Qualifikationen fehlen (= qualitativer Personalbedarf), dann wird neben dem Feld der Personalbeschaffungsplanung auch das Feld der Personalentwicklungsplanung aktiviert. Es wird dann geprüft, ob und über welche Maßnahmen bei den derzeit schon vorhandenen Mitarbeitern die erforderlichen Qualifikationen geschaffen werden können. K. Watzka, Personalmanagement für Führungskräfte, DOI 10.1007/978-3-658-06003-9_2, Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 9

10 2 Quantitative Personalbedarfsplanung Ergebnis der Personalbedarfsplanung Unterkapazität Überkapazität Quantitativ Qualitativ Quantitativ Qualitativ Personalbeschaffungsplanung Personalentwicklungsplanung Personaleinsatzplanung Personalabbauplanung Personalkostenplanung Abb. 2.1 Personalbedarfsplanung als Ausgangspunkt der Personalplanung Eine Problemlösung sowohl für qualitativen als auch für quantitativen Personalbedarf könnte zusätzlich die Personaleinsatzplanung darstellen. Beim Personaleinsatz geht es im Kern um die Zuordnung von Mitarbeitern auf Stellen. Wird diese optimiert, dann erübrigt sich mitunter die Beschaffung zusätzlicher Mitarbeiter oder Qualifikationen. Ergebnis der Personalbedarfsplanung könnte aber auch sein, dass das Unternehmen über zu viele Mitarbeiter verfügt. Aktiviert wird dann das Feld der Personalabbauplanung. Es wird geprüft, über welche Maßnahmen die überflüssigen Personalkapazitäten abgeschöpft werden können. Dies sollte möglichst sozialverträglich geschehen (z. B. Kurzarbeit, Angebot von Teilzeitstellen, Vorruhestand), so dass die betriebsbedingte Kündigung nur das letzte Mittel ( Ultima Ratio ) ist. Denkbar wäre im Übrigen auch, dass das Unternehmen zwar rein zahlenmäßig nicht zu viele Mitarbeiter hat, diese jedoch überqualifiziert sind. Die Situation könnte eintreten, wenn Geschäftsprozesse verändert werden (z. B. Automatisierung) oder das Unternehmen sein Produkt- oder Dienstleistungsspektrum umstellt (z. B. Herstellung von Standardprodukten unter Verzicht auf planungsintensive, kundenindividuelle Einzelfertigung). Da die vorhandenen Überqualifikationen in der Regel zu unnötigen Personalkosten führen, stellt sich auch hier die Problematik der Personalabbauplanung. Parallel zu allen angesprochenen Personalplanungsfeldern ist zusätzlich die Personalkostenplanung relevant, bei der die Kosten für alle Zusatzkapazitäten und alle zu ergreifenden Aktivitäten/Instrumente kalkuliert werden. Abbildung 2.1 fasst nochmals zusammen ( ähnlich RKW 1996, S. 18). Nach dieser übergreifenden Einordnung nun konkret zur quantitativen Personalbedarfsplanung, die sich mit der erforderlichen Anzahl an Mitarbeitern beschäftigt. In vielen Unternehmen wird sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen. Schätzungen über den dicken Daumen sind häufig anzutreffen. Nicht selten ist auch der Jammeransatz. Diejenige Führungskraft, die am lautesten und penetrantesten über Arbeitsüber-

2.1 Ziele, Einordnung und Steuerungsfeld 11 lastung in der eigenen Abteilung klagt, bekommt am ehesten zusätzliche Mitarbeiter bewilligt. Mit einer rational vorgenommenen Personalbemessung hat dies allerdings nichts zu tun. Welche Gründe sprechen nun für eine möglichst genaue Personalbedarfsplanung? Eine personelle Überdeckung führt zu unnötigen Personalkosten und damit unnötigen Gewinnschmälerungen oder gar Verlusterhöhungen. Lassen wir konkrete Zahlen sprechen. Im Jahr 2013 betrug der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst in Deutschland im produzierenden Gewerbe 3.963. Hinzu kommen dann noch Lohnnebenkosten für den Arbeitgeber in Höhe von etwa 72 % (u. a. für Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubsvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Sonderzahlungen; Institut der Deutschen Wirtschaft 2014, S. 62). Auf ein Jahr gerechnet verursacht im Durchschnitt über alle Branchen und alle Beschäftigtengruppen hinweg jeder Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe Personalkosten von fast 82.000. Würde man nur isoliert die Gruppe der Angestellten betrachten, dann läge dieser Wert noch deutlich höher. Im Gegensatz zum gewerblichen Bereich ist bei den Angestellten oft noch schwieriger zu entscheiden, ob sie wirklich ausgelastet sind. Verstecken sich bei einem mittelständischen Unternehmen fünf Angestellte, die eigentlich nicht benötigt werden, dann kann das im Einzelfall deutliche Teile des Jahresgewinns kosten. Aber auch eine personelle Unterdeckung kann zu Problemen führen: Aufträge können nicht angenommen werden; es kommt zu Opportunitätskosten in Form von entgangenem Gewinn. Verspätet abgearbeitete Aufträge führen unter Umständen zu Konventionalstrafen. Kunden wandern aufgrund zu langer Lieferzeiten ab. Überstundenzuschläge bei den vorhandenen Mitarbeitern verteuern die Arbeitsstunde überproportional und führen zu ansteigenden Lohnstückkosten, die dann wieder in die Produktpreise einkalkuliert werden müssen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens vermindern. Qualitätsverschlechterung und Fehler entstehen durch zu hohen Zeitdruck. Zu starke Leistungsverdichtung führt bei den vorhandenen Mitarbeitern zu ansteigenden Fehlzeiten aufgrund von physischen oder psychischen Krankheitsbildern. Die Unerträglichkeit der Arbeitssituation führt zu Frustkündigungen und löst so hohe Kosten für die Rekrutierung, Auswahl und Einarbeitung neuer Mitarbeiter aus. Stillstandszeiten bei kapitalintensiven technischen Anlagen entstehen. Es gibt also viele gute Gründe, eine möglichst genaue Personalbedarfsplanung vorzunehmen. Dies sollte auch mit hinreichendem zeitlichen Vorlauf geschehen, denn personalwirtschaftliche Reaktionsmaßnahmen benötigen oft längere Zeit (z. B. Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeitern, Fortbildung, Personalabbau über Vorruhestandsprogramme). Ein theoretisches Idealziel im Sinne von kein Mitarbeiter zu viel, keiner zu wenig wird man wohl kaum erreichen können. Aber man sollte in seine Nähe kommen. Aller-

12 2 Quantitative Personalbedarfsplanung Toleranz der Kunden für Lieferzeiten Zielkonflikt Basisziel 1: Personalkostenminimierung durch Vermeidung von Personalüberdeckung Basisziel 2: Vermeidung von Personalunterdeckung Personalentwicklungsbedarf Innovationsbedarf Qualitätssensibilität des Herstellungsprozesses Abb. 2.2 Steuerungsfeld der quantitativen Personalbedarfsplanung dings ist auch zu sehen, dass schon die Realisierung der beiden Basisziele Vermeidung von Überdeckung und Unterdeckung einen gewissen Zielkonflikt birgt. Das eine impliziert eine möglichst kurze Personaldecke, das andere wegen schwer prognostizierbarer Auslastungsschwankungen eine gewisse Reservehaltung, also eine etwas längere Personaldecke. In der Praxis ist das Steuerungsfeld der quantitativen Personalbedarfsplanung allerdings noch ein wenig komplexer und geht über die reine Überlegung, wie viele Mitarbeiter man zur Abarbeitung der anstehenden Aufträge benötigt, hinaus (Abb. 2.2): Tolerieren (externe oder interne) Kunden auch längere Lieferzeiten, dann ist man personalplanerisch in der komfortablen Lage, den Personalbedarf an einem Durchschnittsbedarf ausrichten zu können. Personalengpässe können via Lieferzeitverlängerung auf den Kunden überwälzt werden. Für Luxusartikelhersteller oder Unternehmen in (technologischen) Monopolstellungen trifft dies häufig zu. Akzeptieren die Kunden dagegen im Extremfall keinerlei Lieferzeiten wie das z. B. bei Just-in-time-Lieferverträgen der Fall ist, dann muss sich die Personalbedarfsplanung eher an der Spitzenlast ausrichten. Temporäre Überkapazitäten sind dann kaum vermeidbar. Zu prüfen ist weiterhin, wie sensibel die Erstellungsqualität eines Produktes oder einer Dienstleistung auf eine personelle Unterdeckung reagiert. Treten bei Personalengpässen sehr schnell inakzeptable Qualitätsverschlechterungen auf, dann sind Unterdeckungen in jedem Fall zu vermeiden. Denkbar wäre dies z. B. bei der Fallbearbeitung in einer juristischen Kanzlei oder im Beratungssektor. Sind für ein Unternehmen Innovationen und permanente Weiterentwicklung zentrale Erfolgsfaktoren, dann ist dies bei der Personalbedarfsplanung explizit zu berücksichtigen. Denn von Mitarbeitern, deren Zeit und Energie zu 100 % vom operativen Tagesgeschäft absorbiert werden, kann man kaum neue Produktideen, Verbesserungsvorschläge oder

2.2 Grundsätzliche Ablaufschritte 13 tiefgründiges Nachdenken über die Optimierung der eigenen Arbeitsabläufe erwarten. Innovationen brauchen zeitliche Freiräume. Ein eleganter Weg wäre, diese explizit mit einem zeitlichen Prozentsatz von der Arbeitszeit in allen Stellenbeschreibungen zu berücksichtigen. Ähnlich müsste man für Stellen argumentieren, bei denen der Mitarbeiter seine Qualifikationen immer wieder an veränderte Herausforderungen anpassen und aktualisieren muss. Auch diese Personalentwicklungsaktivitäten brauchen zeitlichen Freiraum und müssen in der quantitativen Personalplanung berücksichtigt werden. 2.2 Grundsätzliche Ablaufschritte Die Vorgehensweise bei der quantitativen Personalbedarfsplanung lässt sich in vier Schritten beschreiben ( ähnlich Horsch 2000, S. 19 ff.): 1. Schritt: Feststellung des Bruttopersonalbedarfs (= SOLL) Hier erfolgt die Kalkulation, wie viele Mitarbeiter zur Erreichung der Unternehmensziele benötigt werden. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Unternehmensziele und die daraus abgeleiteten Abteilungsziele klar formuliert sind. Ein stark vereinfachtes Beispiel: Ein Automobilhersteller, der plant, im kommenden Jahr 2 Mio. Fahrzeuge zu produzieren, und dabei 80 % der Teile von externen Zulieferern beziehen und 5 % der Fahrzeuge im neu zu erschließenden Absatzmarkt Nordafrika verkaufen möchte, muss sich also überlegen, wie viele Montagemitarbeiter, wie viele Einkäufer und Materialdisponenten und wie viele Marketingexperten und Vertriebskräfte er zur Realisierung dieser Ziele benötigt. Je differenzierter die zu bewältigenden Standardaufgaben und die Ziele je Organisationseinheit beschrieben sind, umso genauer werden auch die Ergebnisse der quantitativen Personalbedarfsplanung sein. Die Festlegung des Bruttopersonalbedarfs muss für die Gegenwart, aber auch prognostisch für Zeitpunkte in der Zukunft erfolgen. Welche Methoden dafür einsetzbar sind, wird in Kap. 2.3 näher erörtert. 2. Schritt: Festlegung eines Reservebedarfs Die Ermittlung des Bruttopersonalbedarfs geht noch von der Prämisse aus, dass die Mitarbeiter immer zur Verfügung stehen. Dies trifft natürlich nicht zu. Urlaubsansprüche und Krankheitszeiten sind die wichtigsten Gründe, aus denen das Unternehmen nicht über die Mitarbeiter verfügen kann. Für solche Fälle muss eine Reservehaltung an Personalkapazität eingeplant werden. Abbildung 2.3 zeigt ein typisches Kalkulationsschema für den Reservebedarf in der Praxis ( ähnlich RKW 1996, S. 107). In unserem Beispiel müsste also der aus Schritt 1 ermittelte Bruttopersonalbedarf wegen eines vorzuhaltenden Reservebedarfs um 22 % nach oben korrigiert werden. Jedes Unternehmen muss die Parameter für seinen Reservebedarf natürlich individuell bestimmen. Liegen z. B. die Krankenstände höher (niedriger), dann wäre auch der Prozentwert

14 2 Quantitative Personalbedarfsplanung 1. Jährliche Betriebszeit 365 Jahrestage - 104 arbeitsfreie Samstage und Sonntage - 10 arbeitsfreie Feiertage --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- = 251 potenzielle Arbeitstage (= 100% Arbeitstage; d. h. 1 Arbeitstag = 0,4 %) --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 2. Ermi lung des Reservebedarfs 30 Tage Tarifurlaub 12,0 % 2 Tage unbezahlter Urlaub 0,8 % 1 Tag Sons ger Urlaub (z.b. Schwerbehinderte) 0,4 % 2 Tage Mu erschutz, Erziehungsurlaub 0,8 % 2 Tage für Fortbildung/Bildungsurlaub 0,8 % 5 Tage für temporär nicht besetzte Arbeitsplätze 2,0 % 12 Tage Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit 4,8 % 1 Tag Freistellung für Betriebsräte 0,4 % : 55 Tage Reservebedarf: 22 % Abb. 2.3 Kalkulation des Reservebedarfs entsprechend anzupassen. Beschäftigt das Unternehmen keine Frauen oder hat keinen Betriebsrat, dann entfallen die Positionen für Mutterschutz und Freistellung für Betriebsräte. Systematisch unterschätzt wird häufig die Position temporär unbesetzte Arbeitsplätze. Gerade in Unternehmen mit höherer Fluktuation wird es nicht immer gelingen, frei gewordene Arbeitsplätze sofort wieder neu zu besetzen. Längere Rekrutierungsphasen müssen im Reservebedarf berücksichtigt werden. Wie hoch der Reservebedarf letztlich angesetzt werden muss, hängt ganz entscheidend davon ab, welche anderen Reaktionsmechanismen auf Personalausfall zur Verfügung stehen. So kann der Reservebedarf umso geringer ausfallen, je stärker den verbleibenden Mitarbeitern eine temporäre Leistungsverdichtung ohne negative Folgewirkungen zugemutet werden kann, konsequenzenloser mit einer Lieferzeitverlängerung reagiert werden kann, leistungsfähiger die Personalbeschaffungskanäle sind; verfügt ein Unternehmen z. B. über ein stabiles Netzwerk von Zeitarbeitsunternehmen, die bei Personalausfällen sehr kurzfristig qualifiziertes Ersatzpersonal stellen können, dann kann der Reservebedarf im Extremfall gegen null gefahren werden. 3. Schritt: Ermittlung des Personalbestandes (= IST) Der Personalbestand muss zum einen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ermittelt werden. Diese Zahl ist einer gut gepflegten Personalstatistik direkt zu entnehmen. Er muss zum

2.2 Grundsätzliche Ablaufschritte 15 ABGANGS-/ZUGANGS-TABELLE 1. Personalbestand am Anfang der Periode Abteilung Zeitraum 2016 Zeitraum 2017 Zeitraum 2018 - ABGÄNGE 2. Pensionierungen 3. Beförderungen/Versetzungen aus der Abteilung 4. Ausbildung, Fortbildung, Studium 5. Kündigung durch Betrieb 6. Auslauf befristeter Arbeitsvertrag 7. Kündigung durch Mitarbeiter 8. Tod 9. Sonstige Abgänge SUMME ABGÄNGE 2 9 = Personalbestand nach Abgängen + GEPLANTE ZUGÄNGE 10. Beförderungen/Versetzungen in die Abteilung 11. Rückkehr aus Ausbildung, Fortbildung, Studium 12. Übernahme Auszubildende 13. Neueinstellungen 14. Sonstige Zugänge SUMME ZUGÄNGE 10 14 = Personalbestand am Ende der Periode Abb. 2.4 Abgangs-/Zugangs-Tabelle anderen aber auch für künftige Zeitpunkte ermittelt werden. Damit werden dann auch Personalzugänge und -abgänge bis zu diesem Planungshorizont relevant. Unternehmen sehen sich planbaren Abgängen/Zugängen gegenüber (z. B. Ruhestand, Versetzung von Mitarbeitern, Auslaufen befristeter Arbeitsverträge), aber auch nicht planbaren Abgängen/Zugängen (z. B. Tod, Fluktuation, Mutterschaft). Mitunter kommt es auch auf den Zeithorizont an, ob Abgänge/Zugänge planbar oder nicht planbar sind. So ist die Zahl der Mutterschaftsurlaube langfristig nicht planbar, kurzfristig jedoch sehr gut, nämlich dann, wenn eine Frau dem Arbeitgeber gemäß 5 Abs. 1 Mutterschutzgesetz ihre Schwangerschaft samt Entbindungstermin mitgeteilt hat. In der Praxis empfiehlt sich zur Prognose künftiger Ab- und Zugänge der Einsatz einer Abgangs-/Zugangstabelle (Abb. 2.4), die in festen Zeitrhythmen (z. B. alle drei Monate) oder immer bei Verfügbarkeit von neuen Informationen über mögliche Abgänge/Zugänge überarbeitet werden sollte ( ähnlich RKW 1996, S. 115).

16 2 Quantitative Personalbedarfsplanung 4. Schritt: Ermittlung des Nettopersonalbedarfs Nun kann durch Gegenüberstellung von SOLL und IST zu jedem beliebigen Planungszeitpunkt der Nettopersonalbedarf nach folgender Systematik ermittelt werden: Bruttopersonalbedarf SOLL + Reservebedarf - Personalbestand IST ------------------------------------------------------------- = NETTOPERSONALBEDARF ------------------------------------------------------------- Ein positiver Nettopersonalbedarf signalisiert demnach eine Personalunterdeckung und ein negativer Nettopersonalbedarf eine Personalüberdeckung. 2.3 Methoden der quantitativen Personalbedarfsplanung 2.3.1 Kennzahlen-Methode Wie kann nun der Bruttopersonalbedarf bestimmt werden? Eine in der Praxis weitverbreitete Methode ist die Kennzahlen-Methode. Mathematisch handelt es sich um eine einfache Dreisatzrechnung mit folgendem Vorgehen (vgl. Scholz 2011, S. 126 f.; Jung 2011, S. 126 f.): 1. Schritt: Determinantenfestlegung Es wird durch Plausibilitätsüberlegungen festgelegt, von welchem Einflussfaktor (= Auslastungstreiber; Determinante des Personalbedarfs) in einem Unternehmensbereich die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter besonders stark abhängt. Beispielsweise kann das im Versandbereich die Zahl der ausgehenden Sendungen sein. 2. Schritt: Kennzahlenermittlung Dieser Einflussfaktor wird nun genutzt, um eine Kennzahl zur Personalbedarfsplanung zu errechnen. Dies geschieht, indem die durchschnittlichen Personalbestände aus einem mehrjährigen Zeitraum ins Verhältnis zur durchschnittlichen Ausprägung dieses Einflussfaktors im gleichen Zeitraum gesetzt werden. In unserem Beispiel sind in den letzten 10 Jahren im Versandbereich durchschnittlich 35 Mitarbeiter beschäftigt gewesen und haben

2.3 Methoden der quantitativen Personalbedarfsplanung 17 pro Jahr im Durchschnitt 9.800 ausgehende Sendungen bearbeitet. Aus diesen Vergangenheitsdaten lässt sich nun (gerundet) folgende Kennzahl errechnen: DurchschnittlicheMitarbeiterzahlpa.. 35 = = 0, 00357 Durchschnittliche Versandmenge pa.. 9. 800 3. Schritt: Personalbedarfsprognose Die errechnete Kennzahl wird nun genutzt, um mit ihr die erwartete Ausprägung der ausgewählten Determinante des Personalbedarfs (siehe Schritt 1) für ein bestimmtes Prognosejahr zu multiplizieren. Erwartet in unserem Beispiel das Unternehmen aufgrund einer deutlich anziehenden Branchenkonjunktur einen Anstieg der ausgehenden Sendungen im kommenden Jahr auf 13.200, dann ergibt sich der Personalbedarf durch folgende Rechenoperation: Personalbedarf Jahr X = 13. 200 0, 00357 = 47, 1 Mitarbeiter In einer kritischen Betrachtung sind folgende Grenzen dieser Methode zu sehen: 1. Es ist Voraussetzung, dass über die relevanten Inputdaten (Mitarbeiterzahlen, Ausprägung des Einflussfaktors) verlässliche Datenreihen aus der Vergangenheit vorliegen. 2. Es muss Bedingungskonstanz herrschen. Vergangenheitsdaten können nur dann für die Prognose von zukünftigen Personalbedarfen genutzt werden, wenn in der Zukunft die gleichen Rahmenbedingungen gelten wie in der Vergangenheit. Nur dann bleibt die in der Kennzahl festgehaltene Relation zwischen Mitarbeiterzahl und Einflussfaktor sinnhaft. Wird also beispielsweise eine neue Verpackungsmaschine angeschafft, die die Mitarbeiter im Versand intensiv unterstützt und damit deren Produktivität steigert, dann herrscht keine Bedingungskonstanz mehr; die Kennziffer müsste entsprechend angepasst werden. 3. Es wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die in der Vergangenheit vorhandenen Personalbestände auch wirklich notwendig waren und die Mitarbeiter effizient eingesetzt waren. War dies nicht der Fall, dann wird dieser Schlendrian über die Kennziffer in die Zukunft fortgeschrieben. In diesem Zusammenhang ist eine Verfeinerung der Methode von Interesse: Zur Realisierung von vorhandenen Produktivitätsreserven könnte der errechnete erforderliche Personalbedarf um einen gewünschten Produktivitätsfortschritt korrigiert werden. In unserem Beispiel möchte das Unternehmen im Prognosejahr die Arbeitsproduktivität um 5 % steigern und nimmt daher folgende Rechenoperation vor: 47,1 Mitarbeiter 0,95 = 44,8Mitarbeiter

18 2 Quantitative Personalbedarfsplanung 4. In vielen Unternehmensbereichen wird der Personalbedarf nicht nur von einer einzigen Determinante abhängen. Die einfache Kennzahlenmethode bildet dann den tatsächlichen Personalbedarf nur unvollständig ab. Einen Ausweg bietet hier die Multiple Kennzahlenmethode als Verfeinerung. Sie gestattet es, den Personalbedarf von mehreren Einflussfaktoren abhängig zu machen. Im Kern werden dabei die Ergebnisse mehrerer Kennzahlenberechnungen gewichtet und multiplikativ verknüpft. Ist in unserem Beispiel der Personalbedarf im Versand nicht nur von der Anzahl ausgehender Sendungen, sondern auch von der Anzahl verschiedener Kunden und der Anzahl unterschiedlicher Lieferländer abhängig, dann ergibt sich (mit fiktiven Zahlen) folgende Rechenoperation: 0,4 Personalbedarf aufgrund Determinante Sendungszahl + 0,3 Personalbedarf aufgrund Determinante Kundenzahl + 0,3 Personalbedarf aufgrund Determinante Länderzahl = 0, 4 47,1+ 0,3 45,5 + 0,3 57,2 = 49, 7 Mitarbeiter Zweifellos ist der Genauigkeitsgrad des errechneten Personalbedarfs durch Einbezug mehrerer Einflussfaktoren höher; die Ansprüche an die erforderlichen Inputdaten aber ebenfalls. 5. Mit der Kennzahlen-Methode können nur die Mitarbeitergruppen geplant werden, deren Bedarf in Abhängigkeit von der Determinante schwankt. In jedem Unternehmensbereich gibt es aber Stellen, die unabhängig vom Einflussfaktor besetzt sein müssen (z. B. Abteilungsleitung, Sekretariat). Sie sind nur über einen Stellenplan zu planen. 2.3.2 Rosenkranz-Formel Die Rosenkranz-Formel zielt speziell auf die Personalbedarfsermittlung im Büro- und Verwaltungsbereich, der sich deutlich von den produzierenden Bereichen unterscheidet. Produktionsbereiche im Extremfall bei Fließbandfertigung zeichnen sich dadurch aus, dass sich bestimmte Arbeitsaufgaben (z. B. Montage von Außenspiegeln bei der PKW- Fertigung) permanent in der gleichen Form wiederholen. Damit sind diese Aufgaben für eine Zeitmessung sehr gut zugänglich. Man bestimmt also in unserem Beispiel die erforderliche Zeit für die einmalige Montage eines Außenspiegels (z. B. 10 min) und kann dann bei Kenntnis der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit (z. B. 8 h) und der täglichen Menge zu montierender Spiegel (z. B. 600) sehr einfach die erforderliche Zahl an Montagemitarbeitern für Außenspiegel errechnen, nämlich hier 12,5. Bei Büro- und Verwaltungstätigkeiten gibt es zwar auch Standardaufgaben, die sich in ähnlicher Form immer wiederholen, aber daneben gibt es auch ein breites Spektrum an Verrichtungen, die eher unregelmäßig auftreten und hinsichtlich ihres Zeitbedarfs nur schwer zu kalkulieren sind. Die Rosenkranz- Formel berücksichtigt diese Spezifika typischer Angestelltentätigkeiten und errechnet den

http://www.springer.com/978-3-658-06002-2