Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz



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Transkript:

SCHRIFTENREIHE UMWELT NR. 384 Luft Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz Status-Bericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL

SCHRIFTENREIHE UMWELT NR. 384 Luft Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz Status-Bericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene Herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL Bern, 2005

Herausgeber Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) Das BUWAL ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Autorin Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL) Zitiervorschlag EKL, 2005: Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz. Status-Bericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene (EKL). Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL, Ed.), Schriftenreihe Umwelt Nr. 384, Bern. 168 S. Kontaktstelle Peter Straehl, Sekretariat der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene (EKL), BUWAL, Abteilung Luftreinhaltung und NIS, 3003 Bern, Tel. +41 (0)31 322 99 84 Gestaltung METEOTEST, Fabrikstrasse 14, 3012 Bern Titelfotos Markus Senn, BUWAL/Docuphot Bezug Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Dokumentation CH-3003 Bern Fax + 41 (0)31 324 02 16 E-Mail: docu@buwal.admin.ch Internet: www.buwalshop.ch Bestellnummer und Preis SRU-384-D / CHF 25. (inkl. MWSt) BUWAL 2005

Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis...3 Abstract...5 Vorwort...7 Zusammenfassung...9 Einleitung...13 1. Überblick Stickstoff-Kreislauf...15 2. Belastung mit lufthygienisch relevanten Stickstoffverbindungen...21 2.1. Emissionen...21 2.2. Stickstoffhaltige Aerosole als Teil des Schwebestaubes...28 2.3. Luftschadstoff-Konzentrationen...34 2.4. Luftschadstoff-Depositionen...42 2.5. Europäische Depositionsmodellierung...46 2.6. Beitrag der Stickstoff- und Schwefeldeposition zur Bodenversauerung...50 3. Auswirkungen von reaktiven Stickstoff-Komponenten...53 3.1. Auswirkungen auf empfindliche Ökosysteme...53 3.1.1. Waldökosysteme (EUNIS class G)...54 3.1.1.1. Waldboden...55 3.1.1.2. Waldbäume...61 3.1.1.3. Waldbodenvegetation...72 3.1.1.4. Waldfauna...76 3.1.1.5. Critical Loads für Waldökosysteme...78 3.1.2. Halbtrockenrasen (EUNIS class E 1.2)...78 3.1.3. Pfeifengrasriedwiesen (EUNIS class E 3.5)...81 3.1.4. Alpine Zwergstrauchheiden (EUNIS class F2)...82 3.1.5. Alpine Rasen (EUNIS class E 4.3, E 4.4) und neutrale bis saure Trockenrasen (EUNIS class E 1.7)...83 3.1.6. Flachmoore (EUNIS class D4)...84 3.1.7. Hochmoore (EUNIS class D1)...85 3.1.8. Aquatische Ökosysteme...88 3.1.8.1. Oligotrophe Stillgewässer (Littorellion) (EUNIS class C 1.1) 88 3.1.8.2. Seen...88 3.2. Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit...90 3.2.1. Stickstoffdioxid...91 3.2.1.1. Experimentelle Studien...91 3.2.1.2. Kurzfristige Auswirkungen von NO 2 in der Stadtluft...92 3.2.1.3. Langfristige Auswirkungen von NO 2 in der Stadtluft...94 3.2.1.4. Stickoxide in der Raumluft...99 3.2.1.5. Kurzfristige einmalige Belastungssituationen, Unfälle mit NO 2 99 3.2.2. Stickstoffmonoxid...100 3.2.2.1. Körpereigene Produktion...100 3.2.2.2. Klinische Studien...100 3.2.2.3. Epidemiologische Studien...100

4 Abstracts 3.2.3. Schwebestaub und Stickstoffverbindungen...101 3.2.3.1. Schwebestaub...101 3.2.3.2. Bevölkerungs- und arbeitsmedizinische Studien mit Nitraten 102 3.2.3.3. Stickstoffhaltige organische Verbindungen...102 3.2.4. Ozon...103 3.3. Auswirkungen auf Materialien...105 4. Beurteilungskriterien...107 4.1. Critical Loads für Ökosysteme...107 4.1.1. Kriterien und Methoden...107 4.1.2. Anwendung der empirischen Methode...109 4.1.3. Anwendung der SMB Methode...112 4.2. Immissionsgrenzwerte...115 4.3. WHO Air Quality Guidelines...116 5. Risikobewertung...119 5.1. Ökologische Bewertung...119 5.2. Bewertung hinsichtlich Gesundheit...123 5.3. Materialien...125 6. Möglichkeiten zur Reduktion der Stickstoff-Belastung...127 6.1. Handlungsbedarf...127 6.2. Rechtslage...133 6.3. Möglichkeiten zur Emissionsminderung...135 6.3.1. Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei Stickoxiden...135 Technische Massnahmen...136 Strukturelle Verbesserungen...137 Ökonomische Massnahmen, Anreizmassnahmen...137 Vollzugsverbesserung Controlling...137 6.3.2. Möglichkeiten zur Emissionsminderung beim Ammoniak...138 Einsatz der besten verfügbaren Techniken zur Emissionsminderung...138 Verbesserung der Stickstoff-Nutzung in der Landwirtschaft...139 Einfluss des Nutztierbestandes...139 7. Schlussfolgerungen und Empfehlungen...141 8. Literaturverzeichnis nach Kapitel...149

Abstracts 5 Abstracts Stichwörter: Stickstoffhaltige Luftschadstoffe, Emissionen, Deposition, Critical Loads, Auswirkungen, Ökosysteme, Gesundheit Stickstoffhaltige Luftschadstoffe wie die Stickoxide aus der Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen und Ammoniak aus der Landwirtschaft intensivieren den Stickstoffkreislauf in der Natur und haben so vielfältige Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Im Status-Bericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene (EKL) werden die Beziehungen zwischen den Emissionen der stickstoffhaltigen Luftschadstoffe und den Auswirkungen auf verschiedenste Rezeptoren (Menschen, Ökosysteme, Materialien) aufgezeigt. Die nachgewiesenen Auswirkungen - Eutrophierung, Versauerung, Direktwirkungen von Stickoxiden, Feinstaub und Ozon - und die damit verbundenen Risiken zeigen, dass die Belastungen zu hoch sind. Von den Wirkungen abgeleitete Schadstoffeintragsgrenzen (Critical Loads) und Grenzwerte für Schadstoffkonzentrationen werden vielerorts deutlich überschritten. Diese Überschreitungen können abgebaut werden, wenn die Emissionen der Stickoxide und jene von Ammoniak gegenüber dem Stand von 2000 etwa halbiert werden. Die erforderlichen hohen Emissionsminderungen können nur mittelfristig und mit einem Paket von zahlreichen Einzelmassnahmen in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe erreicht werden. Der konsequenten Anwendung des Stands der Technik zur Emissionsbegrenzung kommt ein hoher Stellenwert zu. In Ergänzung zu den technischen Ansätzen werden aber auch strukturelle Massnahmen, ökonomische Lenkungsinstrumente und eine Steigerung der Effizienz bei der Nutzung von Energieressourcen als wichtig eingestuft, um die ökologischen Ziele und jene für den Schutz der menschlichen Gesundheit erreichen zu können. Mots-clés: Composés azotés, polluants, émission, dépôts, charges critiques, effets, écosystèmes, santé Les polluants atmosphériques azotés, tels que les oxydes d azote provenant de la combustion des carburants et des combustibles ainsi que l ammoniac issu de l agriculture, renforcent le cycle de l azote, affectant ainsi de diverses manières l environnement et la santé de l homme. Le présent rapport de la Commission fédérale de l hygiène de l air (CFHA) met en évidence les liens existant entre les émissions de polluants azotés et les effets sur différents récepteurs (l homme, les écosystèmes et les matériaux). Les effets démontrés eutrophisation, acidification, effets directs des oxydes d azote, des poussières fines et de l ozone et les risques qui y sont associés indiquent que la charge en polluants est trop élevée. En maints endroits, les valeurs limites pour les dépôts de polluants (charges critiques, critical loads) fixées sur la base des effets constatés, ainsi que les valeurs limites pour les concentrations de polluants, sont nettement dépassées. Ces dépassements pourraient être supprimés en diminuant de moitié environ les émissions d oxydes d azote et d ammoniac par rapport à leur niveau de 2000. Les réductions importantes des émissions, qui s avèrent nécessaires, pourront uniquement être atteintes à moyen terme, et ce en mettant en œuvre toute une série de mesures individuelles dans différents domaines (transports, agriculture, industrie et artisanat). Une application cohérente de la technique la plus performante s avère ici d une importance capitale. Les approches techniques doivent néanmoins être complétées par des mesures structurelles, des instruments d incitation économique

6 Abstracts ainsi qu une utilisation plus efficace des sources d énergie mesures considérées comme importantes pour atteindre les objectifs écologiques et sanitaires visés. Parole chiave: Inquinanti atmosferici azotati, emissioni, deposito, carichi critici, ripercussioni, ecosistemi, salute dell uomo Gli inquinanti atmosferici azotati, quali gli ossidi di azoto generati dal consumo di combustibili e carburanti e l'ammoniaca proveniente dall'agricoltura, intensificano il ciclo dell'azoto nella natura e si ripercuotono quindi in vari modi sull'ambiente e sulla salute dell'uomo. Il rapporto redatto dalla Commissione federale per l igiene dell aria (EKL) illustra il legame esistente tra le emissioni di inquinanti atmosferici azotati e le ripercussioni sui diversi ricettori (uomo, ecosistemi, materiali). Le ripercussioni documentate eutrofizzazione, acidificazione, effetti diretti causati da ossidi di azoto, polveri fini e ozono e i conseguenti rischi mostrano che il tasso di inquinamento rilevato è eccessivo. Stabiliti in seguito alle ripercussioni registrate, i valori limite di depositi (carichi critici) e i valori limite delle concentrazioni d inquinanti sono chiaramente superati in molti luoghi. Tali immissioni eccessive possono essere ridotte diminuendo di circa la metà le emissioni di ossidi di azoto e di ammoniaca rispetto ai livelli del 2000. Il forte calo auspicato può essere ottenuto soltanto a medio termine e con l'adozione di un insieme di singole misure in vari settori (trasporti, agricoltura, industria ed artigianato). Un ruolo determinante per la limitazione delle emissioni è svolto dall'applicazione coerente dello stato della tecnica. Tuttavia, per realizzare gli obiettivi ecologici e di protezione della salute umana sono considerati importanti, a complemento delle soluzioni di carattere tecnico, anche l adozione di misure strutturali, il ricorso a strumenti d incentivazione economica e l'utilizzazione più efficiente delle risorse energetiche. Key words: Air pollutants containing nitrogen, Emissions, Deposition, Critical loads, Effects, Ecosystems, Human health Air pollutants containing nitrogen such as nitrogen oxides arising from the combustion of heating and motor fuels, as well as ammonia from agriculture, intensify the circulation of nitrogen in the environment, leading to multiple effects on the habitat and human health. In the status report of the Federal Commission for Air Hygiene (EKL), the relationship between the emissions of air pollutants containing nitrogen and their effects on various receptors (humans, ecosystems, materials) is described. The demonstrated risks resulting primarily from the direct effects of nitrogen oxides, fine particles and ground-level ozone, and also from indirect effects such as eutrophication and acidification, clearly show that exposure levels are too high. The threshold values for pollutant deposition (critical loads) and for pollutant concentration derived from such effects are substantially exceeded at many sites. To counteract this, the emissions of nitrogen oxides and ammonia would have to be lowered to about half the levels existing in 2000. This large reduction can only be achieved in the middle term by applying a package of selective measures in the areas of traffic, agriculture, industry and the trades. In reducing the level of emissions, it is essential to consistently apply the best available abatement techniques. To achieve the ecological objectives and those relating to human health, it is important that in addition to these, structural measures, procedures involving economic incentives and steps to raise the efficiency of energy systems be adopted.

Vorwort 7 Vorwort Das Konsum- und Mobilitätsverhalten unserer Gesellschaft, aber auch zahlreiche industrielle und gewerbliche Produktionsprozesse haben zur Folge, dass über die Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen und durch die landwirtschaftliche Nutztierhaltung grosse Mengen an stickstoffhaltigen Luftschadstoffen (Stickoxide, Ammoniak) in die Atmosphäre ausgestossen werden. Die stickstoffhaltigen Luftschadstoffe und ihre Umwandlungsprodukte wie sekundäre Aerosole und Ozon haben vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen auf Menschen, Vegetation, Ökosysteme und Materialien. Über den Luftpfad werden sie mehr oder weniger weiträumig verfrachtet und an Orten deponiert, wo sie eigentlich nicht hingehören. Sie beeinträchtigen dort naturnahe Ökosysteme wie Wälder, artenreiche Wiesen und Hochmoore, die an stickstoffarme Standorte gebunden sind. Dies müsste nicht so sein, gibt es doch zahlreiche Möglichkeiten zur Minderung der Emissionen von Stickoxiden und von Ammoniak. Mit dem vorliegenden Status- Bericht versucht die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL), die komplexen Zusammenhänge zwischen den Emissionen der Luftschadstoffe und den Auswirkungen in verständlicher Form aufzuzeigen. Auf der Basis einer Risikobewertung werden schliesslich der Handlungsbedarf abgeleitet und mögliche Massnahmen evaluiert, die zum Erreichen von ökologisch und gesundheitlich unbedenklichen Stoffflüssen erforderlich sind. Angesichts des hohen Handlungsbedarfs empfiehlt die EKL, die vorhandenen Möglichkeiten zur Emissionsminderung bei den Stickoxiden und beim Ammoniak konsequent auszuschöpfen. Dazu gehören die Anwendung des besten Stands der Technik zur Emissionsbegrenzung in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe, aber auch geeignetere Rahmenbedingungen (Infrastrukturverbesserungen, ökonomische Anreize), mit denen ein umweltschonendes Handeln gefördert werden kann. Ich möchte den Experten, die an der Vorbereitung dieses Berichts gearbeitet haben, sowie allen Mitgliedern der Kommission für die gute Zusammenarbeit herzlich danken. Die EKL hat den Status-Bericht an ihrer Sitzung vom 13. Mai 2004 verabschiedet. Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL) Ursula Ackermann-Liebrich Präsidentin

Zusammenfassung 9 Zusammenfassung Stickstoffhaltige Luftschadstoffe wie die Stickoxide (NO X ) aus Verbrennungsprozessen und Ammoniak (NH 3 ) aus der Landwirtschaft sind mit dem Stickstoffkreislauf in der Natur stark vernetzt. Hohe Emissionen dieser zwei Luftschadstoffe intensivieren den Umsatz von Stickstoff und tragen so zu einer Vielzahl von Umweltproblemen bei, aber auch zur Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit. Die Stickoxide haben direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Vegetation, aber auch indirekte Auswirkungen auf beide Rezeptoren über die Bildung von bodennahem Ozon. Stickoxide und Ammoniak tragen zur Bildung von sekundären Aerosolen bei. Diese sind Teil des Feinstaubs, der deutliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Insbesondere über die Aerosolbildung und deren Deposition auf Gebäudeoberflächen tragen die Stickoxide und Ammoniak auch zur Gesteinszerstörung an Bauwerken bei. In der Schweiz war im Jahr 2000 bei den Stickoxid-Emissionen die Hauptquelle der Verkehr (58%), bei den Ammoniak-Emissionen die Landwirtschaft (93%). Insgesamt wurden 77'200 Tonnen Stickstoff (NO X -N und NH 3 -N) ausgestossen, 59% davon von der Landwirtschaft, 27% vom Verkehr, 11% von der Gruppe Industrie/Gewerbe und 3% von den Haushalten. Die Stickoxid-Emissionen verzeichneten ab 1950 bis 1985 eine steile Zunahme von 10'000 auf 54'000 Tonnen NO X -N, wofür hauptsächlich der Strassenverkehr verantwortlich ist. Zwischen 1985 und 2000 haben sie um rund 40% auf 33'200 Tonnen NO X -N abgenommen. Ein weiterer Rückgang bis 2020 ist voraussichtlich als Folge weiterer technischer Massnahmen zur Emissionsminderung bei den Quellen zu erwarten. Die Ammoniak-Emissionen haben sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis um das Jahr 1980 herum etwa verdoppelt. Von 1990 bis 2000 haben sie vor allem aufgrund eines Rückgangs der Nutztierzahlen von 54'300 auf 44'000 Tonnen NH 3 -N, das heisst um 19% abgenommen. Seither haben sie sich kaum mehr verändert. Die Überwachung der Luftschadstoff-Konzentrationen in der Schweiz zeigt bei den Stickoxiden eine Abnahme der Belastung, die gut mit dem Rückgang der berechneten Emissionen übereinstimmt. Die Ammoniak-Konzentrationen werden in der Schweiz erst seit dem Jahr 2000 an zahlreichen Stationen gemessen. Eine einzige längere Messreihe zeigt zwischen 1993 und 2003 keinen signifikanten Trend der Konzentrationen. Da die räumliche Variation der Ammoniak-Konzentrationen hoch ist, kann daraus jedoch nicht auf einen gesamtschweizerischen Trend geschlossen werden. Auffallend ist aber, dass auch die an verschiedenen Stationen gemessenen Frachten von Ammonium im Regen seit 1985 unverändert hoch sind. Die verfügbaren Immissionsdaten für Ammoniak und Ammonium lassen demnach den für 1990 bis 2000 berechneten Rückgang der Ammoniak-Emissionen nicht erkennen. Stickoxide und Ammoniak werden nach der Emission über unterschiedlich grosse Distanzen verfrachtet, umgewandelt und schliesslich nahe oder fernab der Emissionsquellen trocken oder nass in naturnahe Ökosysteme eingetragen. Die Folgen

10 Zusammenfassung sind eine Überdüngung (Eutrophierung) und Versauerung dieser Systeme mit vielfältigen Langzeit-Auswirkungen auf Vegetation und Fauna (Biodiversität), Struktur und Funktion. Zu den empfindlichen Ökosystemen gehören Wälder, artenreiche Naturwiesen und Trockenrasen, Hochmoore, Flachmoore, Heidelandschaften und nährstoffarme Stillgewässer. Wird die Umweltbelastung mit Stickoxiden, Ammoniak und ihren Umwandlungsprodukten in der Schweiz anhand der national und international festgelegten wirkungsorientierten Kriterien (Immissionsgrenzwerte der Luftreinhalte-Verordnung, Critical Loads und Levels der UNECE) beurteilt, so kann festgestellt werden, dass sie deutlich zu hoch ist. So sind zum Beispiel mehr als 90% der Waldstandorte und rund 55% der Flächen von weiteren naturnahen Ökosystemen mit übermässigen Stickstoffeinträgen belastet. Die Stickstoffverbindungen sind heute auch überwiegend für die Depositionen mit versauernder Wirkung verantwortlich. Im schweizerischen Durchschnitt bestehen gegenwärtig rund zwei Drittel der Stickstoffeinträge aus reduzierten Stickstoffverbindungen, die ihren Ursprung in den Ammoniak- Emissionen haben. Die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub (PM10) werden in Städten, Agglomerationen und entlang stark befahrener Strassen überschritten, jene von PM10 teilweise auch in ländlichen Regionen. Die Ozonbelastungen sind vor allem im Sommerhalbjahr grösserräumig zu hoch. Die Überschreitungen von wirkungsorientierten Grenzwerten können dann abgebaut werden, wenn die Emissionen der Stickoxide und jene von Ammoniak gegenüber dem Stand von 2000 etwa halbiert werden. Die erforderlichen hohen Emissionsminderungen können nicht kurzfristig, sondern nur mittelfristig und mit einem Paket von zahlreichen Einzelmassnahmen in verschiedenen Bereichen erreicht werden. Aus der Sicht der Luftreinhaltung ist die konsequente Anwendung des Stands der Technik prioritär. Insbesondere in der Landwirtschaft besteht bei der Anwendung des Stands der Technik zur Minderung der Ammoniak-Emissionen ein Nachholbedarf. Emissionsarme Techniken beim Umgang mit Hofdüngern aus der Nutztierhaltung sind sowohl für Stallsysteme als auch für die Hofdüngerlagerung und ausbringung bekannt, werden aber in der Praxis noch zu wenig eingesetzt. Mit geeigneten Anreizen und Förderprogrammen, u.a. mit einer Neuausgestaltung der ökologischen Direktzahlungen unter Einbezug des Kriteriums Luftreinhaltung, kann den emissionsarmen Techniken zum Durchbruch verholfen werden. Im Verkehrsbereich besteht nach wie vor ein Potenzial zur technischen Minderung der Emissionen. Dabei ist zu beachten, dass das bisher Erreichte (z.b. Emissionsminderung bei benzinbetriebenen Motorfahrzeugen mit geregelten Dreiwegkatalysatoren) nicht durch eine Förderung des Einsatzes von Technologien mit einem schlechteren Emissionsprofil gefährdet wird. Dieselbetriebene Motorfahrzeuge müssen in diesem Sinn nicht nur mit einem System zur wirksamen Minderung der Emissionen von lungengängigen Feinstaubpartikeln ausgerüstet werden, sondern auch mit einem Entstickungs(DeNO X )-System, damit auch bei den Stickoxiden ein

Zusammenfassung 11 Emissionsniveau erreicht wird, das nicht höher ist als jenes der benzinbetriebenen Motorfahrzeuge mit fortschrittilicher Abgastechnik. Im Bereich Industrie und Gewerbe besteht vor allem bei Grossanlagen ein Potenzial zur weiteren Emissionsminderung durch Anpassung an den Stand der Technik. Bei stationären Motoren und Zementöfen zum Beispiel ist der Einsatz von DeNO X - Systemen zur weiteren Senkung der Stickoxid-Emissionen möglich. In Ergänzung zu den technischen Ansätzen zur Emissionsminderung ist darauf zu achten, dass Infrastrukturen nicht in eine Richtung entwickelt werden, die zu einer kontinuierlichen Zunahme und Begünstigung der Verkehrsleistungen mit dem Privat- und Schwerverkehr führen. Die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene ist noch deutlich zu wenig fortgeschritten und die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs in den Agglomerationen ist offensichtlich vielerorts noch ungenügend, um dem Trend in Richtung Zunahme des motorisierten Privatverkehrs begegnen zu können. Ebenfalls in Ergänzung zu den technischen Ansätzen zur Emissionsminderung können von einem zielorientierten Einsatz von ökonomischen Instrumenten (z.b. Lenkungsabgaben, Steuerdifferenzierungen) wesentliche Anreize für ein umweltschonendes Handeln erwartet werden, insbesondere auch in Richtung einer substantiellen Steigerung der Effizienz bei der Nutzung von Energieressourcen. Das Potenzial in diesem Bereich ist nicht ausgeschöpft. Nicht zuletzt muss festgestellt werden, dass jeder Einzelne mit seinem Konsum- und Mobilitätsverhalten zur Entlastung des intensivierten Stickstoff-Kreislaufs beitragen kann.

Einleitung 13 Einleitung Der Statusbericht der Eidg. Kommission für Lufthygiene (EKL) will in erster Linie die Vielfalt der Auswirkungen von übermässigen Stickstoffbelastungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit aufzeigen. Die EKL ist sich bewusst, dass sie damit eine komplexe und stark vernetzte Problematik thematisiert, deren Auswirkungen für Laien in vielen Fällen nicht unmittelbar sichtbar sind. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich die Auswirkungen als Folge einer über längere Zeit chronischen Überbelastung in vielen Ökosystem-Kompartimenten manifestieren. Stickstoff in seinen verschiedenen chemischen Formen spielt bei einer Vielzahl von Umweltproblemen eine wesentliche Rolle. Stickstoffverbindungen, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre ausgestossen und über kürzere und längere Distanzen verfrachtet werden, tragen zur Versauerung und Eutrophierung von Böden, Grundwasser und Oberflächengewässern bei. Beeinträchtigt werden die Funktionen und die Vitalität von zahlreichen empfindlichen Ökosystemen, deren Biodiversität sowie deren Qualität als Folge von stofflichen Belastungen wie zum Beispiel Nitrat- und Aluminium-Auswaschung ins Grundwasser. Stickstoffverbindungen sind auch von grosser Bedeutung bei der Bildung des bodennahen Ozons und weiterer Photooxidantien, die vor allem während Sommersmogepisoden in erhöhten Konzentrationen auftreten. Diese Folgeschadstoffe haben Auswirkungen auf die Vegetation und die menschliche Gesundheit. Stickstoffverbindungen tragen überdies zur Bildung sekundärer Aerosole bei, die Bestandteil des lungengängigen Feinstaubs sind. Der Bericht geht neben den Auswirkungen auch auf die Ursachen ein, die im Wesentlichen bei den Emissionen von Stickoxiden aus Verbrennungsprozessen und den Emissionen von Ammoniak aus der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung liegen. Der Handlungsbedarf und die Möglichkeiten zur Emissionsminderung in beiden Bereichen werden analysiert und aufgezeigt. Der Bericht beruht auf dem Stand der Kenntnisse von Mitte 2004. Als beratende Kommission des UVEK gibt die EKL schliesslich ihre Empfehlungen betreffend Ausgestaltung der Luftreinhaltepolitik zur Minderung der Emissionen von umweltbelastenden Stickstoffverbindungen ab.

1. Überblick Stickstoff-Kreislauf 15 1. Überblick Stickstoff-Kreislauf Stickstoff (N) spielt im Stoffwechsel aller Lebewesen eine zentrale Rolle. Der natürliche Umsatz von Stickstoff wird durch die Verbrennung von fossilen Brenn- und Treibstoffen sowie durch die Landwirtschaft intensiviert. Als Folge davon gelangen reaktive Stickstoffverbindungen in die Gewässer (Nitrat), in die Atmosphäre (Stickoxide, Ammoniak, Lachgas) und schliesslich über verschiedene Ausbreitungs- und Depositionspfade in empfindliche Ökosysteme, die an stickstoffarme Standorte gebunden sind. Die Stickstoffkreisläufe sind sowohl global als auch national intensiviert. Eine Entlastung ist in erster Linie an Veränderungen im Bereich der Produktion von tierischen Nahrungsmitteln, im Ernährungsverhalten und beim Einsatz von fossilen Brenn- und Treibstoffen gebunden. Stickstoff spielt im Stoffwechsel der Lebewesen eine zentrale Rolle. Stickstoff (N) spielt im Stoffwechsel aller Lebewesen eine zentrale Rolle. Für Mensch und Tier stellen die Pflanzen die benötigten Stickstoffverbindungen (Proteine, Aminosäuren) bereit. In vielen Ökosystemen ist aber das Wachstum der Pflanzen durch die Verfügbarkeit von Stickstoff begrenzt, und die in der Atmosphäre vorhandene grosse Menge an molekularem Stickstoff (N 2 ) kann von den meisten Pflanzen nicht genutzt werden; sie benötigen reaktiven Stickstoff in Form von Ammonium (NH + 4 ) oder Nitrat (NO - 3 ). In natürlichen und halb-natürlichen Ökosystemen werden diese beiden Stickstoffverbindungen durch den Abbau (Mineralisierung) abgestorbener Biomasse nachgeliefert, wobei ein Teil im Boden fixiert und ein anderer Teil durch Pflanzen aufgenommen und in organische Verbindungen eingebaut wird. Sind Bindung und Freisetzung von Stickstoff mengenmässig und zeitlich aufeinander abgestimmt, so besteht ein Gleichgewicht und der Stickstoff bewegt sich in einem Kreislauf, ohne dass grössere Mengen aus dem Ökosystem verloren gehen. In der Landwirtschaft ist der Umsatz von Sticksoff intensiviert. In der Landwirtschaft wird der natürliche Umsatz von Stickstoff intensiviert, indem Stickstoff zusätzlich zum natürlichen Angebot eingebracht wird. Dies ist notwendig, damit eine hohe Produktivität der Kulturen und damit die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Diese Zufuhr von Stickstoff geschieht einerseits durch den Anbau von Pflanzen, welche aufgrund einer Symbiose mit Bakterien zur biologischen Stickstofffixierung befähigt sind und so Stickstoff (N 2 ) aus der Atmosphäre auf andere Nutzpflanzen übertragen. Dies sind vorab die Leguminosen (Schmetterlingsblütler), zu denen wichtige Kulturpflanzen wie Klee, Soja, Bohne und Erbsen gehören. Heute werden auf diesem Weg weltweit rund 40 Tg N fixiert (1 Teragramm (Tg) N entspricht einer Million Tonnen Stickstoff), zusätzlich zu den geschätzten 100 Tg N, welche die Natur ohne menschlichen Einfluss liefert (Galloway et al., 1995). Andererseits werden aus N 2 industriell hergestellte mineralische Stickstoffdünger in der Landwirtschaft verwendet. Deren Verbrauch hat weltweit seit 1960 stark zugenommen und betrug 1997 über 90 Tg N (Abb. 1). Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat in den 90er-Jahren vorübergehend eine Abnahme bewirkt, für die Zukunft wird aber aufgrund des Bevölkerungswachstums und bei einer Zunahme des Fleischkonsums eine weitere Steige-

16 1. Überblick Stickstoff-Kreislauf rung des weltweiten Düngerverbrauchs erwartet. In der Schweiz ist der Trend beim Einsatz von Mineraldüngern seit Beginn der 1990er-Jahre bis 1997 rückläufig. Ab dann ist wieder ein leichter Anstieg zu beobachten. Weltweite N-Düngerproduktion (Tg N/a) 100 80 60 40 20 0 1960 1970 1980 1990 2000 100 80 60 40 20 0 Handelsdüngerverbrauch CH (kt N/a) Herstellung weltweit Verbrauch Handelsdünger CH Abb. 1 Zeitliche Entwicklung der weltweiten Produktion von Stickstoffdüngern (FAO, 1999) und der in der Schweiz verfügbaren Handelsdünger (SBV 2001). Stickstoffverluste nehmen mit der Intensivierung des N-Kreislaufs zu. Im Vergleich zu anderen Sektoren wird heute innerhalb der Landwirtschaft, das heisst im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion, weitaus am meisten Stickstoff umgesetzt. Ein Teil des Stickstoffs geht aus den intensiven landwirtschaftlichen Produktionssystemen verloren und kehrt letztlich direkt oder indirekt als N 2 oder Lachgas (N 2 O) wieder in die Atmosphäre zurück. Zwischenstufen auf diesem Weg sind u.a. die Emission von Ammoniak (NH 3 ), oder die Auswaschung von Nitrat (NO - 3 ) ins Grundwasser. Diese Stickstoffverluste nehmen mit der Intensivierung des Stickstoffkreislaufs zu, weil das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich schwer zu kontrollieren ist. Dies führt dazu, dass unter heutigen Bedingungen weltweit durchschnittlich nur etwa 60% des Stickstoffs aus den Düngern und aus biologischer Fixierung in pflanzliche Produkte gelangen (Van der Hoek, 1998). Die übrigen 40% gehen an die Umwelt verloren. Stickstoff wird in der Pflanzenproduktion effizienter genutzt als in der Tierproduktion. Zwei Drittel der pflanzlichen Produkte werden als Futtermittel in der Tierproduktion verwendet und verbleiben innerhalb des Systems. In der Tierproduktion kann aber der Stickstoff bedeutend weniger effizient genutzt werden als in der Pflanzenproduktion. Weltweit gelangen nur gerade 10% des Stickstoffs aus Futtermitteln in tierische Produkte (Van der Hoek 1998), in der Schweiz liegt der Anteil bei 15% (Schmid et al. 2000). Der übrige Teil des Stickstoffs wird von den Tieren ausgeschieden und kann als Hofdünger in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden. Ist die Menge des anfallenden Stickstoffs im Einklang mit dem Bedarf für die Düngung, so wird die Stickstoffbilanz der Tierproduktion durch dieses interne Recycling aufgebessert, besonders dort wo die Tierzahl an die verfügbare Fläche gebunden

1. Überblick Stickstoff-Kreislauf 17 ist. Allerdings besteht bei Lagerung und Ausbringung dieser Hofdünger ein grosses Verlustpotenzial für Ammoniak und andere N-Verbindungen, das durch technische Massnahmen reduziert werden kann (Menzi et al. 1997). Stickoxide entstehen bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Eine weitere Quelle für reaktiven Stickstoff stellen die Verbrennungsprozesse dar. Speziell die Verbrennung von fossilen Energieträgern in Automotoren oder Heizanlagen führt zur Bildung von Stickstoff in oxidierter Form, insbesondere von Stickoxiden (NO, NO 2 ), welche direkt an die Atmosphäre abgegeben werden. 1990 wurden durch menschliche Aktivitäten weltweit gut 30 Tg N als Stickoxide in die Atmosphäre ausgestossen (Olivier et al., 1998), in der Schweiz rund 45 kt (Jahr 1995, BUWAL 1995). Nach kurzem Aufenthalt in der Atmosphäre gelangen die Stickoxide durch Trockendeposition oder als Nitrat mit Regen und Schnee wieder auf die Erdoberfläche. Über die verschiedenen Depositionspfade wird den Ökosystemen zusätzlicher Stickstoff zugeführt. Stickstoffflüsse in der Schweiz (Abb. 2) In der Schweiz beträgt der Stickstoffimport in die Landwirtschaft jährlich rund 160 kt N, davon 65 kt aus Handelsdüngern (einschliesslich 5 kt aus Klärschlamm), je 35 kt aus Deposition und biologischer Fixierung, 25 kt aus eingeführten Futtermitteln, und etwa 1 kt N aus Naturdüngern wie Kompost und Torf (vgl. Schmid et al. 2000). Vom Stickstoff in den Handelsdüngern gehen etwa 6% in Form von Ammoniak oder Stickoxiden verloren. Der weitaus grösste Teil des im Pflanzenbau gebundenen Stickstoffs wird für die Tierernährung eingesetzt, ein kleiner Teil von 10 kt gelangt direkt in die menschlichen Nahrungsmittel. Dieser N-Fluss ist geringer als jener aus der Tierproduktion. Ammoniak- Emissionen und Nitrat- Auswaschung sind die bedeutendsten Stickstoffverluste der Landwirtschaft. Die Nährstoffausscheidungen von Nutztieren können aufgrund der Alterstruktur und Nutzungsart der Tiere berechnet werden (Menzi et al. 1997). Die Ausscheidungen der Milchkühe werden in Abhängigkeit von der Milchleistung berechnet. Der von den Nutztieren ausgeschiedene Stickstoff wird aufgeteilt auf Gülle, Mist und Ausscheidungen beim Weidegang. Insgesamt scheiden die Nutztiere in der Schweiz jährlich rund 140 kt N aus, davon gelangen gegen 70% in den Acker- und Futterbau und der Rest geht hauptsächlich als Ammoniak (NH 3 ) und Lachgas (N 2 O) in die Atmosphäre verloren (Schmid et al. 2000). Im Zusammenhang mit dem Einsatz der Hofdünger in der Pflanzenproduktion gehen weitere 1 kt N als Ammoniak in die Atmosphäre und insgesamt 40 kt N hauptsächlich als Nitrat ins Grundwasser und in Oberflächengewässer. Dieser Eintrag in die Gewässer entspricht einem Verlust von etwa 20% des Stickstoffs aus Tierausscheidungen und Handelsdüngern. Rund die Hälfte des Stickstoffs wird vor dem Erreichen der Ozeane zu N 2 und N 2 O umgewandelt und an die Atmosphäre abgegeben. Der Stickstoff in den Nahrungsmitteln wird von den Menschen wieder ausgeschieden und meist mit dem Abwasser in Gewässer eingeleitet. In der Schweiz werden durch die Kläranlagen rund 30% dieses Stickstoffs zurückgehalten, der Rest gelangt hauptsächlich als Nitrat in die Gewässer (BUWAL 1996).

18 1. Überblick Stickstoff-Kreislauf Abb. 2 Flüsse von reaktivem Stickstoff (ohne N 2 ) Mitte der 90er-Jahre (1994/95). Die Werte sind in kt N Jahr -1 angegeben und auf 5 kt gerundet (BUWAL 1995, BUWAL 1996, Schmid et al. 2000, Tab. 4 in Kap. 2.4). Zahlreiche Stickstoffverbindungen sind umweltrelevant. Umweltrelevante Stickstoffverbindungen Stickstoffverbindungen kommen in verschiedenen Formen in der Umwelt vor (Tab. 1). Wichtigste Quellen für die reaktiven Stickstoffverbindungen in reduzierter Form sind die Tierhaltung sowie die Düngerherstellung, in oxidierter Form sind der Einsatz von Treib- und Brennstoffen (auch biogene erzeugen NO X!). Die meisten reaktiven N-Verbindungen wie NO 2 und NH 3 verweilen nur kurze Zeit in der Atmosphäre und werden durch die nasse und/oder trockene Deposition innerhalb von Stunden oder Tagen entfernt.

1. Überblick Stickstoff-Kreislauf 19 Formel Name Form Quelle NH 3 Ammoniak Gasförmig Abbau von organischen Verbindungen (z.b. Harn und Kot); Industrielle Prozesse; häusliches Abwasser; Verkehr NH 4 + Ammonium Aerosol, Säure-Base Reaktion in der Atmosphäre in wässriger Phase NO Stickstoffmonoxid Gasförmig Verbrennungsprozesse; Bodenlebewesen NO 2 Stickstoffdioxid Gasförmig Oxidation von NO N 2 O 5 Distickstoffpentoxid Gasförmig Bildung in der Atmosphäre PAN Peroxyacetylnitrat Gasförmig Bildung in der Atmosphäre HNO 2 Salpetrige Säure Gasförmig Bildung in der Atmosphäre HNO 3 Salpetersäure Gasförmig Bildung in der Atmosphäre NO 3 - Nitrat Aerosol, in wässriger Phase Oxidation von organischen N-Verbindungen und Ammonium in Böden und Gewässern und von Stickoxiden in der Atmosphäre N 2 O Lachgas Gasförmig Mikroorganismen (z.b. Denitrifikation im Boden oder in Hofdüngern); Verkehr Tab. 1 Formen und Quellen wichtiger reaktiver N-Verbindungen in der Umwelt (BUWAL 1994, BUWAL 1996, verändert). Für oxidierte Verbindungen werden häufig die Begriffe NO X und NO Y verwendet. Als NO X wird die Summe von NO und NO 2 bezeichnet, unter NO Y versteht man die Summer aller reaktiven, oxidierten Verbindungen (ohne N 2 O). Die Summe der reduzierten Verbindungen (NH 3 + NH + 4 ) wird als NH Y bezeichnet. Der Stickstoffkreislauf kann entlastet werden. Stickstoff in verschiedenen Formen bewegt sich in einem Kreislauf, dessen Umsatz in erster Linie an die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln und den Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe gebunden ist. Da das Gesamtsystem Ernährung ein offenes System ist, gehen daraus wesentliche Mengen an Stickstoff an die Umwelt verloren. Aufgrund einer N-Bilanzberechnung für Deutschland entfallen 81% dieser Verluste auf die landwirtschaftliche Produktion und 19% auf die Abfall- und Abwasserwirtschaft (Isermann 2002). Die grössten Emissionen erzeugt die Tierhaltung, gefolgt von der N-Auswaschung und der N-Verflüchtigung verursacht durch die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche. Eine Entlastung des Stickstoffkreislaufs ist somit in erster Linie an Veränderungen im Bereich der tierischen Nahrungsmittelproduktion, im Ernährungs- und Mobilitätsverhalten der Bevölkerung sowie in der Effizienz bei der Nutzung von Energieressourcen gebunden.

2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 21 2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 2.1. Emissionen Aus lufthygienischer Sicht sind bei den stickstoffhaltigen Luftschadstoffen die Stickoxide (NO X ) und Ammoniak (NH 3 ) von Bedeutung. Die Quellengruppen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Landwirtschaft/Forstwirtschaft tragen in unterschiedlichem Ausmass zu den gesamtschweizerischen Emissionen dieser Luftschadstoffe bei. Im Jahr 2000 war bei den Stickoxiden die Hauptquelle der Verkehr (58%), beim Ammoniak die Landwirtschaft (93%). Insgesamt wurden 77'200 Tonnen Stickstoff (NO X -N und NH 3 -N) pro Jahr ausgestossen, 59% davon von der Landwirtschaft, 27% vom Verkehr, 11% von der Gruppe Industrie/Gewerbe und 3% von den Haushalten. Aus lufthygienischer Sicht sind bei den stickstoffhaltigen Schadstoffen die Stickoxide (NO X ) und Ammoniak (NH 3 ) von Bedeutung. Stickoxide werden vor allem bei der Verbrennung von fossilen Brenn- und Treibstoffen emittiert. Die Hauptquellen sind der Verkehr (Personenverkehr, Güterverkehr, Flugverkehr), der sogenannte Off-Road-Bereich (Baumaschinen, land- und forstwirtschaftliche Maschinen), die Feuerungen sowie gewisse Prozesse der Quellengruppe Industrie und Gewerbe. Stickoxide werden auch aus gedüngten landwirtschaftlichen Böden emittiert. Die NO X -Emissionen finden überwiegend als Gas in Form von Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO 2 ) statt. NO wird in der Atmosphäre rasch zu NO 2 umgewandelt; deshalb werden die Emissionen üblicherweise als Summe von NO und NO 2 angegeben. Im Jahr 2000 haben die Quellen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Land/Forstwirtschaft insgesamt 33'200 Tonnen Stickstoff in Form von Stickoxiden emittiert (Abb. 3). Der Anteil des Verkehrs ist mit 58% am grössten.

22 2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen NO x -Emissionen (kt N/Jahr; %) 3.9 kt (12%) 1.9 kt (6%) 7.9 kt (24%) 19.5 kt (58%) Verkehr I + G Haushalte Landwirtschaft Abb. 3 Stickoxid-Emissionen (in Kilotonnen Stickstoff pro Jahr bzw. als prozentuale Anteile) der Quellengruppen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Landwirtschaft für das Jahr 2000 (BUWAL 2005). Beim Ammoniak (NH 3 ) stammen die Emissionen vor allem von der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. NH 3 -Emissionen entstehen sowohl bei der Haltung der Nutztiere in Ställen als auch bei der Hofdüngerlagerung und ausbringung. Aber auch beim Einsatz von N-haltigem Mineraldünger entstehen Ammoniak- Emissionen. Die Anteile der Quellen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Landwirtschaft an den gesamtschweizerischen Ammoniak-Emissionen von 44'000 Tonnen Stickstoff sind für das Jahr 2000 in Abb. 4 wiedergegeben. Der Anteil der Landwirtschaft ist mit 93% am grössten. NH 3 -Emissionen (kt N/Jahr; %) 1.1 kt (3%) 0.8 kt (2%) 0.8 kt (2%) 41.3 kt (93%) Verkehr I + G Haushalte Landwirtschaft Abb. 4 Ammoniak-Emissionen (in Kilotonnen Stickstoff pro Jahr bzw. als prozentuale Anteile) der Quellengruppen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Landwirtschaft für das Jahr 2000 (SHL und BUWAL 2005).

2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 23 Im Zusammenhang mit den Auswirkungen von übermässigen Stickstoff-Einträgen in empfindliche Ökosysteme (siehe auch Kapitel 3 und 5) sind die Gesamtemissionen von Stickstoff von Bedeutung, das heisst die Summe der Emissionen von Stickoxiden und Ammoniak. Die Anteile der verschiedenen Quellengruppen an den schweizerischen Gesamtemissionen von 77'200 Tonnen Stickstoff im Jahr 2000 sind in Abb. 5 wiedergegeben. Stickstoff-Emissionen Schweiz (kt N/Jahr; %) 20.6 kt (27%) 45.2 kt (59%) 8.7 kt (11%) 2.7 kt (3%) Verkehr I + G Haushalte Landwirtschaft Abb. 5 Gesamtemissionen von Stickstoff (NO X -N und NH 3 -N in Kilotonnen Stickstoff pro Jahr bzw. als prozentuale Anteile) der Quellengruppen Verkehr, Industrie/Gewerbe, Haushalte und Landwirtschaft in der Schweiz für das Jahr 2000 (BUWAL und SHL 2005). Die N-Emissionen von Ammoniak sind höher als jene der Stickoxide. Bei den Gesamtemissionen von Stickstoff (NO X -N und NH 3 -N) ist demnach die Landwirtschaft die Quellengruppe mit dem höchsten Anteil von 59%. Er ist rund 2.2mal so hoch wie jener des Verkehrs. Insgesamt wurden im Jahr 2000 von allen Quellengruppen 77'200 Tonnen Stickstoff in die Luft emittiert, davon 33'200 Tonnen N in Form von Stickoxiden und 44 000 Tonnen N als Ammoniak. Mit Hilfe von geografischen Informationssystemen (GIS) lassen sich die Emissionsfrachten räumlich zuordnen und kartografisch darstellen. Dazu werden zahlreiche raumbezogene Datensätze wie zum Beispiel Arealstatistik, digitale Strassennetze und Verkehrszählungen, geocodierte Betriebszählungen und Nutztierzählungen miteinander verknüpft. Die räumlichen Aktivitätsmuster werden anschliessend mit aktivitäts- und schadstoffspezifischen Emissionsfaktoren multipliziert, zum Beispiel mit spezifischen Emissionsfaktoren für einzelne Tierarten. Die resultierenden Karten (Abb. 6 und Abb. 7) zeigen, dass entsprechend den dominierenden Quellengruppen die NO X -Emissionen stark den Siedlungs- und Verkehrsachsen folgen, während die höchsten NH 3 -Emissionen in Gebieten mit intensiver Nutztierhaltung (Ostschweiz, Zentralschweiz, Teile der Kantone Bern und Freiburg) zu finden sind.

24 2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen Abb. 6 Stickoxid-Emissionskataster der Schweiz, Bezugsjahr 2000. Darstellung auf 1x1 km Raster (SAEFL 2004). Abb. 7 Ammoniak-Emissionskataster der Schweiz, Bezugsjahr 2000. Darstellung auf 1x1 km Raster (SAEFL 1996, mit Nachführungen).

2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 25 Die zeitliche Entwicklung der Stickoxid-Emissionen ist in Abb. 8 dargestellt. Die Stickoxid-Emissionen verzeichneten ab 1950 eine steile Zunahme von 10 kt N auf 54 kt N pro Jahr, wofür hauptsächlich der Strassenverkehr verantwortlich ist. Seit 1985 ist ein deutlicher Rückgang ersichtlich, der sich voraussichtlich bis 2020 infolge technischer Massnahmen zur Emissionsminderung bei den Quellen fortsetzen wird. Die Emissionen sind heute noch etwa 60% höher als 1960. Bei den Ammoniak-Emissionen existiert bislang keine Quantifizierung der historischen Emissionen unter Berücksichtigung der Veränderungen der Produktionstechnik und der Nutztierleistung. Die Entwicklung der Nutztierzahlen allein lässt keine direkten Schlüsse über Menge und zeitlichen Verlauf des in der Nutztierhaltung anfallenden Hofdüngers und der daraus resultierenden Ammoniak- Emissionen zu. Zur Entwicklung der Nutztierzahlen kann aber folgendes gesagt werden. Die Rinderzahlen haben sich zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und 1980 etwa verdoppelt auf knapp über 2 Millionen Tiere und dann zwischen 1980 und 2000 um etwa 22 % abgenommen. Mit der Zunahme der Rinderzahlen hat aber auch die Nutztierleistung zugenommen. So ist z.b. die durchschnittliche Milchleistung pro Milchkuh heute deutlich höher als früher. Die Schweinezahlen haben sich zwischen 1900 und dem Zeitraum 1970 bis 1983 mehr als vervierfacht auf rund 2.2 Millionen Tiere und seit 1983 um etwa 30 % abgenommen. Die Geflügelzahlen haben sich zwischen 1918 und 2000 etwa verdreifacht auf rund 7 Millionen Tiere. Angesichts dieser Entwicklungen und unter Berücksichtigung der Veränderungen bei der Nutztierleistung und den Produktionstechniken kann davon ausgegangen werden, dass die Ammoniak-Emissionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegenüber heute weniger als halb so hoch gewesen sein dürften. kt N 60 50 40 30 20 NH3-N (Emissions-Inventar) NOx-N NOx-N (Prognose) 10 0 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Abb. 8 Stickoxid-Emissionen der Schweiz von 1900 bis 2010 sowie Ammoniak- Emissionen von 1990 bis 2002 in kt N pro Jahr (BUWAL 1995, für NO X auch BUWAL 2000 und BUWAL 2005, für NH 3 SHL 2005).

26 2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen Von Interesse sind auch die Emissionen im europäischen Vergleich. Da die Stickoxide vor allem aus den Siedlungs- und Verkehrsflächen emittiert werden, diese Flächen aber nicht für alle Länder und teilweise nicht in Form von direkt vergleichbaren Angaben vorliegen, können an Stelle davon die Emissionen pro Kopf der Bevölkerung herangezogen werden (Abb. 9). Aus Abb. 9 geht hervor, dass die schweizerischen und die deutschen Emissionen im Jahr 2000 vergleichsweise tief sind. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Ansätze zur Emissionsminderung in beiden Ländern vergleichbar sind, indem der Anwendung des Standes der Technik zur Emissionsminderung bei Anlagen seit den 1980er-Jahren ein hoher Stellenwert eingeräumt wird (z.b. Luftreinhalte-Verordnung in der Schweiz, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft in Deutschland). Hinzu kommt, dass zur Produktion von Elektrizität in der Schweiz keine Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen im Einsatz sind und dass beim Motorfahrzeugverkehr relativ früh mit der Umstellung auf emissionsarme Techniken (Katalysator bei Personenwagen) begonnen wurde. Stickoxid-Em issionen aus Verkehr und Feuerungen im europäischen Vergleich (Stand 2000) 16 14 12 kg NO x-n/kopf 10 8 6 4 2 0 Schweiz Deutschland Polen Italien Österreich Frankreich Holland Schweden England Belgien Irland Spanien Dänemark Finnland Abb. 9 Stickoxid-Emissionen (in Kilogramm NO X -N pro Kopf der Bevölkerung) aus den Quellengruppen Verkehr, Industrie/Gewerbe und Haushalten im europäischen Vergleich für das Jahr 2000 (EMEP 2003, Eurostat 2004, BFS 2004). Da die Ammoniak-Emissionen vorwiegend im Zusammenhang mit der Nutztierhaltung bei der Bewirtschaftung der Hofdünger entstehen, kann ein Vergleich der Emissionen pro Hektare Landwirtschaftsfläche Auskunft über die durchschnittliche Intensität der Emissionsflüsse geben (Abb. 10). Abb. 10 zeigt, dass die Schweiz im Jahr 2000 im europäischen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten durchschnittlichen Ammoniak-Emissionen pro Hektare Landwirtschaftsfläche gehört. Für den Vergleich wurden bei den Alpenländern Schweiz und Österreich die Sömme-

2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 27 rungsweiden zu 25% in die Landwirtschaftsfläche einbezogen, da die Aufenthaltsdauer von Nutztieren auf Alpweiden etwa 3 Monate pro Jahr beträgt. Da nicht alle Länder bei den Emissionsangaben zwischen landwirtschaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen differenzierten und die vorhandenen Angaben dazu zwischen 93 und 98% Landwirtschaftsanteil liegen, wurden jeweils 95% der Gesamtemissionen eines Landes der Landwirtschaft zugeordnet. Im Falle der Schweiz wurden die Angaben des neuen Emissionsinventars der SHL verwendet (SHL 2005). Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft im europäischen Vergleich (Stand 2000) 70 60 50 kg NH3-N/ha LF 40 30 20 10 0 Finnland Spanien Polen England Schweden Österreich Frankreich Irland Italien Deutschland Dänemark Schweiz Belgien Holland Abb. 10 Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft (in Kilogramm NH 3 -N pro Hektare Landwirtschaftsfläche) im europäischen Vergleich für das Jahr 2000 (EMEP 2003, Eurostat 2004, BFS 2004, SHL 2005). LF = Landwirtschaftliche Nutzfläche.

28 2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 2.2. Stickstoffhaltige Aerosole als Teil des Schwebestaubes Nach der Emission werden die stickstoffhaltigen Luftschadstoffe in der Atmosphäre unterschiedlich weit verfrachtet. Auf dem Weg der Verfrachtung tragen sie zur Bildung von sekundären Aerosolen bei, die als kleine Partikel Bestandteil des lungengängigen Feinstaubs sind. Die Bildung der Aerosole läuft über eine Kaskade von komplexen Umwandlungsprozessen. Die atmosphärische Aufenthaltsdauer der Partikel hängt stark von der Teilchengrösse ab. Stickstoffhaltige Aerosole sind ein Bestandteil des Schwebestaubs, der zum Beispiel als PM10 (Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 10 µm) gemessen wird. Der Schwebestaub kann in primäre und sekundäre Partikel unterteilt werden (BUWAL 1999). Die primären Partikel entstehen bei Verbrennungsprozessen, bei mechanischem Abrieb (z.b. Autoreifen, Bremsbeläge) und bei der Aufwirbelung von Staub (Resuspension). Sekundäre Partikel (Aerosole) werden durch Gas-Partikelkonversion in der Atmosphäre gebildet. Die wichtigsten Vorläufersubstanzen sind Stickstoffdioxid (NO 2 ), Ammoniak (NH 3 ), Schwefeldioxid (SO 2 ) und gewisse organische Gase (VOC). Aus diesen entstehen verschiedenste Salze mit den Hauptbestandteilen Nitrat, Ammonium und Sulfat (Abb. 11). Mit der Alterung des Aerosols verändert sich die Salzzusammensetzung. Abb. 11 Die Salzbestandteile des Feinstaubes (PM10-Fraktion) bestehen im Wesentlichen aus Ammonium, Nitrat und Sulfat. Mit fortschreitender Alterung werden die Mengenverhältnisse so verändert, dass schliesslich Ammoniumnitrat, Ammoniumsulfat und ihre Mehrfachsalze anzutreffen sind. Die chemische Zusammensetzung der primären und sekundären Partikel ist ein Abbild des regionalen und überregionalen Emissionsmusters und der von den emittierten Stoffen durchlaufenen Umwandlungsprozesse. In Tab. 2 sind die wichtigsten PM10-Bestandteile und ihre Herkunft zusammengestellt. In der Schweiz

2. Luftbelastung mit Stickstoffverbindungen 29 tragen die primären und die sekundären Partikel je etwa 50% zur Belastung mit PM10 bei (BUWAL 1999). Partikelzusammensetzung Herkunft / Vorläufersubstanzen Primäre Partikel (ca. 50%) Russ Verbrennungsprozesse (Elementarer Kohlenstoff EC und primärer organischer Kohlenstoff OC) geologisches Material / Boden Bau, Landwirtschaft, Verkehr, Wind Schwermetalle Verbrennung, Produktion Abriebspartikel mechanische Beanspruchung biologisches Material Pilzsporen, Pflanzenfragmente Sekundäre Partikel (ca. 50%) Sulfat Schwefeldioxid Nitrat Stickoxide Ammonium Ammoniak organischer Kohlenstoff (OC) VOC Tab. 2 Wichtige PM10-Bestandteile und ihre Herkunft bzw. Vorläufersubstanzen. Die Bildung der Aerosole läuft über eine Kaskade von komplexen Umwandlungsprozessen (Abb. 12). Aus den emittierten gasförmigen Luftschadstoffen und Feinstpartikeln entstehen vorerst kurzlebige Primär-Aerosole, die im Verlauf des Transports durch Koagulation, heterogene Kondensation, Anlagerung an Wassertröpfchen und Wolkenbildung in ihrer Grösse und chemischen Zusammensetzung verändert werden, bis schliesslich nach Stunden oder Tagen ein gealtertes (sekundäres) Misch-Aerosol entsteht. Aufgrund ihrer hygroskopischen Eigenschaften können die sekundären Aerosole als Kondensationskeime wirken, die Wasserkondensation verstärken, die Wolkenbildung initialisieren und mit den Niederschlägen ausgewaschen werden. Schlussendlich kommt es immer zu einer trockenen oder nassen Deposition der Partikeln auf den Boden bzw. auf Vegetationsoberflächen.