Aktuelle Beiträge zu Corporate Citizenship. von Sabine Reimer, Thomas Wettenmann und Holger Backhaus-Maul. Nr. 26 (2004)



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Aktuelle Beiträge zu Corporate Citizenship von Sabine Reimer, Thomas Wettenmann und Holger Backhaus-Maul Nr. 26 (2004)

"Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor" Die als Publikationsreihe der Arbeitsstelle Aktive Bürgerschaft im Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gegründeten "Münsteraner Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor" erscheinen seit 2004 (ab Heft 23) unter Mitwirkung anderer Hochschulen als "Diskussionspapiere zum Nonprofit-Sektor" mit der ISSN Nr. 1613-8287 (Internet) bzw. ISSN 1613-0847 (Print). Publiziert werden wissenschaftliche Beiträge zu aktuellen Fragen der Dritte-Sektor-Forschung. Die Diskussionspapiere bieten insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit zur Veröffentlichung. Die Hefte erscheinen in begrenztem Umfang als Printausgaben sowie als elektronische Publikationen und stehen im PDF-Format zum kostenlosen Herunterladen unter www.dritte-sektor-forschung.de zur Verfügung. Jährlich erscheinen zwischen sechs und zehn Hefte. Der Wissenschaftliche Beirat der Diskussionspapiere und die Herausgeber entscheiden über die Annahme zur Veröffentlichung. Redaktion: Dr. Stefan Nährlich, Judith Polterauer. Aktive Bürgerschaft, Albrechtstraße 22, 10117 Berlin. Tel. 030/2400088-0; diskussionspapiere-npo@aktive-buergerschaft.de Beirat: Prof. Dr. Annette Zimmer, Professorin für deutsche und europäische Sozialpolitik im Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Holger Backhaus-Maul, verantwortlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Fachgebiet Recht, Verwaltung und Organisation im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg Prof. Dr. Bettina Hohn, Professorin für Public und Nonprofit Management an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (FHVR) Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Professor für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness im Institut für Agrarökonomie der Georg-August-Universität Göttingen Dr. Frank Adloff, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für vergleichende Soziologie am Zentrum für Europa- und Nordamerikastudien (ZENS) Georg-August-Universität Göttingen

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis 1 Einleitung Corporate Citizenship hat seit den 90er Jahren auch in Deutschland auf wirtschaftlicher, politischer, medialer und wissenschaftlicher Ebene an Interesse gewonnen. 1 Belegt wird dies nicht zuletzt durch die Beschäftigung der Enquete Kommission zur Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestages mit dem Thema 2 oder aber auch durch die Einrichtung von Kompetenzzentren und Netzwerken / Arbeitsgruppen in Netzwerken wie etwa der Arbeitsgruppe Corporate Citizenship im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). 3 Die Diskussion ist jedoch keineswegs neu und hat auch in Deutschland ihre Vorläufer. So stellt etwa Dierkes 1974 fest, dass sich die gesellschaftlichen Erwartungen an 1 Zum Begriffsverständnis vgl. unten. Ein Anzeichen für die erhöhte Aufmerksamkeit könnten neben den erwähnten Beispielen etwa auch Preisverleihungen an engagierte Unternehmen wie etwa Freiheit und Soziale Verantwortung (http://www.wiwo.de/www/fuv/index.htm 28.02.04) oder aber die Zunahme von Qualifikationsarbeiten zum Thema Corporate Citizenship sein. Wurde das Thema noch zu Beginn der 90er Jahre beispielsweise in Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) und Süddeutscher Zeitung (SZ) kaum behandelt, lässt sich für den Beginn des neuen Jahrtausends eine zunehmende Aufmerksamkeit verzeichnen Dies ergab eine Schlagwortsuche in FAZ und SZ für die Jahre 1993 / 1994 sowie 2000 / 2001. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Interesse nicht mittlerweile wieder rückläufig ist. So wird auf der Seite Der Anstoß Nachrichten aus der Philanthropie festgestellt, dass das Interesse der Bewerber für den Wettbewerb StartSocial deutlich zurückgegangen sei. Allerdings wird auch erläutert, dass dies auf verschärfte Teilnahmebedingungen zurückzuführen sein könnte (www. Deranstoss.de/standard.php und http://www.deranstoss.de/standard.php?file=040123, beides 28.02.04). Inwiefern etwa Preisverleihungen in der Tat als Anzeichen eines gewachsenen Interesses etwa der Wirtschaft gewertet werden können, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. 2 vgl.: Enquete Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Bericht Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft, Schriftenreihe Bnd.4, Opladen, 2002 sowie Enquete Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen, Schriftenreihe Bnd.2, Opladen, 2003 3 vgl.: http://www.b-b-e.de/themen/06_corporate_citizenship/index.php (28.02.2004).

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Unternehmen gewandelt hätten. 4 Er führt dies auf die sogenannten externen negativen Kosten eines rein an ökonomischen (und nicht auch sozialen und ökologischen) Kriterien orientierten unternehmerischen Handelns zurück und fordert vor dem Hintergrund des Humanen Kapitalismus und im Kontext der Sozialindikatorenforschung, dass Unternehmen diese nichtökonomischen Kosten und Nutzen in Entscheidungsprozesse und Rechnungslegung einbeziehen sollten. Die aktuelle Debatte scheint am Scheideweg zu stehen und es wird sich nun zeigen müssen, inwiefern es sich lediglich um eine neue Phase handelt, die ohne großes Erbe wieder verebbt. Im folgenden sollen die Positionen der Diskussion nachgezeichnet werden (2). Im Anschluss daran soll erläutert werden, wie Corporate Citizenship von Unternehmen umgesetzt wird (3). Hierfür wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit neun Unternehmensrepräsentanten zu konkreten Projekten bürgerschaftlichen Engagements geführt. Im Sample sind in langfristigen Projekten engagierte Unternehmen verschiedener Größe und unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche vertreten. 5 2 Corporate Citizenship in der Diskussion Die Idee des Corporate Citizenship / der Corporate Social Responsibility stammt aus den USA. Wood / Logsdan stellen fest, dass die Idee der Corporate Social Responsibility bereits auf die 20er Jahre zurückgehe, jedoch erst in den 50er / 60er Jahren Bekanntheit erlangt habe als Versuch, neben staatlicher Regulierung und individueller Verantwortung Wirtschaft sozialverträglich zu gestalten. 6 In den 60er / 70er Jahren sei Corporate Social Responsibility im Zeichen zunehmender gesetzlicher Regelungen als Versuch verwendet 4 Dierkes, M., Die Sozialbilanz, Ein gesellschaftsbezogenes Informations- und Rechnungssystem, Frankfurt / Main, 1974 5 Grundlage der Ausführungen ist meine Diplomarbeit: Reimer, S., Corporate Cititzenship: Zwischen Gemeinwohlorientierung und Gewinnmaximierung, Eine empirische Studie, Berlin, 2002, unveröff. Diplomarbeit. Gedankt sei an dieser Stelle Dr. E. Priller (WZB) sowie meinen Gutachtern: Prof. Dr. W. Zapf und Prof. Dr. H. Ganßmann. Den organisatorischen Hintergrund für die Untersuchung bildete die Arbeitsgruppe Wirtschaft des Arbeitskreises der Friedrich Ebert Stiftung (FES). Gedankt sei an dieser Stelle Albrecht Koschützke (Koordination des Arbeitskreises, FES) und Dr. Maria Oppen (Mitglied der Arbeitsgruppe Wirtschaft, WZB) sowie Dr. Frank Heuberger (Mitglied der Arbeitsgruppe Wirtschaft, Staatskanzlei Rheinland Pfalz). Die Ergebnisse der Studie finden sich in dem Papier: Heuberger, F.; Oppen, M.; Reimer, S., Der deutsche Weg zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen, 10 Thesen zu Corporate Citizenship in Deutschland, im Erscheinen. 6 Wood, D.J., Logsdan, J.M., Theorising Business Citizenship, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 84 ff. 2

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis worden, staatliche Eingriffe mit dem Hinweis auf freiwillige Verantwortungsübernahme und Selbstregulierung abzuwehren. Mit der Reagan-Ära und zunehmender Popularität wirtschaftsliberaler Positionen habe eine (Rück-) Orientierung zu der Auffassung stattgefunden, dass die (einzige) Aufgabe von Unternehmen in der Erzielung von Gewinnen und deren Ausschüttung an die Shareholder bestehe. In den 90er Jahren habe die Idee allerdings unter einem strategischen und nicht mehr auf die (umfassende) gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensführung zielenden Fokus als Corporate Citizenship wieder Aufmerksamkeit erfahren. 7 Die Verwendung und Abgrenzung der Begriffe Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship ist in der Literatur alles andere als eindeutig. Neben der unklaren Abgrenzung der Konzepte von Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility, d.h. der Verwendung teils als Synonyma, teils in (widersprüchlicher) Abgrenzung zueinander, werden auch neue Begriffe vorgeschlagen (Business Citizenship, Global Corporate Citizenship, Corporate Societal Responsibility etc.). Die begrifflichen Verwirrungen zwischen Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility können zumindest zum Teil auf die nicht explizierten Bezüge zum (politischen) Konzept des Bürgers (Corporate Citizenship) und zum ethischen Aspekt der Verantwortung (Corporate Social Responsibility) zurückgeführt werden. 8 Wegen der unterschiedlichen Begriffsverwendungen sowohl in der Literatur als auch in den Unternehmen werden Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen etc. im folgenden synonym verwandt. Corporate Social Responsibility / Corporate Citizenship wirft die Frage nach der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft und somit dem Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft auf. In der Debatte können drei Positionen unterschieden werden: Der 7 Für eine kurze Entwicklungsgeschichte vgl. auch (teils den vorgestellten Autoren widersprechend): Windsor, D., Corporate Citizenship: Evolution and Interpretation, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 42 ff. Vgl. weiter für eine Skizze der Geschichte des Social Accounting: Antal, A.B.; Dierkes, M.; MacMillan, K.; Marz, L., Corporate Social Reporting Revisited, Schriftenreihe der Abteilung Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunktes Technik-Arbeit-Umwelt am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB-Papers, FS II 02-105: 3 f. 8 Diese Bezüge werden etwa auch deutlich bei Fombrun, der sich von einem politischen bzw. ethischen Konzept absetzt und stattdessen auf soziale und ökonomische Konzepte zurückgreifen will: Against the moral concept of responsibility and the political concept of citizenship, we therefore juxtapose two others: the social concept of integration and the economic concept of reputation. (Fombrun, C.J., Three Pillars of Corporate Citizenship: Ethics, Social Benefit, Profitability, in: Tichy, N.M.; McGill, A.R.; Clair, L. S. (Hrsg.), Corporate Global Citizenship: Doing Business in The Public Eye, New York, 1997: 28). 3

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis klassisch wirtschaftsliberalen Position der Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen steht die Forderung nach unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber. Einen dritten Weg stellt die Position der mit dem unternehmerischen Eigennutzen argumentierenden Konzeption dar. 9 Position der Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung Die Position lehnt eine gesellschaftliche Verantwortung generell ab, weshalb sie hier nicht in aller Breite zu behandeln ist. Ein klassischer Vertreter der wirtschaftsliberalen Position und der Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen ist der Ökonom Milton Friedman. 10 Ihm zufolge besteht die Aufgabe (und gesellschaftliche Verantwortung) von Unternehmen darin, im Rahmen bestimmter Regeln Gewinne zu erzielen und diese an die Shareholder weiterzuleiten. Position der Befürwortung gesellschaftlicher Verantwortung aufgrund ethischer Argumentation Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung aus ethischen Gründen wird z.b. von Ulrich gefordert. 11 Grundlage der Argumentation von Ulrich ist der republikanische Liberalismus, den er in Abgrenzung zum wirtschaftlichen Liberalismus konzipiert. Corporate Citizenship wird als eine Form von Unternehmensethik interpretiert 12 und definiert als: 9 Vgl. für diese Unterscheidung auch Seitz, B., Corporate Citizenship, Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der Globalität, Stuttgart, 2002 10 Die Position Friedmans wird z.b. bei Seitz beschrieben: Seitz, B.; Corporate Citizenship, Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der Globalität, Stuttgart, 2002: 30 ff. 11 Ulrich, P., Republikanischer Liberalismus und Corporate Citizenship Von der ökonomistischen Gemeinwohlfiktion zur republikanisch-ethischen Selbstbindung wirtschaftlicher Akteure, Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik Nr. 88, St. Gallen, 2000 12 In Deutschland lassen sich drei unternehmensethische Ansätze unterscheiden. Für die drei Positionen vgl.: Homann, K.; Bloome-Drees, F., Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen, 1992; Steinmann, H.; Löhr, A., Grundlagen der Unternehmensethik, Stuttgart, 1994 sowie für eine kurze Skizze der Grundlagen: Steinmann, H.; Schreyögg, H., Management, Grundlagen der Unternehmensführung, Konzepte Funktionen Fallsstudien, Wiesbaden, 2000; Ulrich, P., Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik, Hochschule St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Beiträge und Berichte Nr.55, 1993 4

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis die programmatische Kurzformel für eine auf der Konzeption des republikanischen Liberalismus aufbauende und von ihr her politisch-philosophisch aufgeklärte Unternehmensethik. 13 Während vom Wirtschaftsliberalismus die Freiheit des einzelnen in der Abgrenzung und Abwehr anderer (also negativ) konzipiert werde, lege der republikanische Liberalismus ein positives Freiheitsverständnis zugrunde, nämlich in der Tradition Aristoteles` als Teilnahme an der re publica, der öffentlichen Sache. Die Annahme, dass das Gewinnprinzip dem Gemeinwohlprinzip dienlich sei, wird insofern kritisiert, als dieses die Gerechtigkeitsproblematik nicht berücksichtige. Das Gemeinwohl werde als Summe der Interessen aller definiert, womit die Vor- und Nachteile der einzelnen miteinander verrechnet würden. Statt der Sichtweise von Unternehmen als lediglich wirtschaftlichen Institutionen plädiert Ulrich dafür, Unternehmen als quasi-öffentliche Institutionen anzusehen. Unternehmerisches Handeln berühre gesellschaftliche Fragen und Interessen genuin und müsse auch gegenüber der Gesellschaft insgesamt sowie insbesondere den unternehmerischen Bezugsgruppen offengelegt und gerechtfertigt werden. Corporate Citizenship bedeute ein guter Unternehmensbürger zu sein. Dies wird abgegrenzt zu Corporate Social Responsibility, worunter Ulrich lediglich karitative Aktivitäten ohne einen tiefergreifenden unternehmerischen Wandel versteht. Corporate Citizenship drückt sich Ulrich zufolge auf zwei Ebenen aus: Unternehmen sollen auf der Ebene der Rahmenordnung mitwirken, dies freilich nicht mit lobbyistischen Beiträgen, sondern im Sinne des Gemeinwohls. Vorrangiges Ziel sei hier, die Begrenzung des Prinzips der Gewinnmaximierung zu erreichen. Auf der Ebene unternehmerischen Handelns wendet Ulrich sich gegen das Shareholder-Prinzip. Gewinnstreben soll stets moralisch begrenztes Gewinnstreben sein. Die Interessen der unternehmerischen Bezugsgruppen seien in unternehmerische Entscheidungen miteinzubeziehen. Dies soll nicht nach der 13 Ulrich, P., Republikanischer Liberalismus und Corporate Citizenship Von der ökonomistischen Gemeinwohlfiktion zur republikanisch-ethischen Selbstbindung wirtschaftlicher Akteure, Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik Nr. 88, St. Gallen, 2000: 20 5

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Durchsetzungsfähigkeit der Ansprüche aufgrund der Machtstellung der Stakeholder 14 gegenüber dem Unternehmen geschehen. Vielmehr sei zu prüfen, inwiefern die Ansprüche aus einer normativen Perspektive gerechtfertigt seien. Ethisch argumentieren auch Wood / Logsdan. 15 Sie plädieren dafür, dass Unternehmen einen Beitrag leisten sollten, eine gerechte Gesellschaft anzustreben und zu erhalten. Sie seien ihren jeweiligen Bezugsgruppen sowie der Gesellschaft insgesamt verpflichtet. Das Engagement für gesellschaftliche Belange sollte nicht zuvorderst dem Nutzenkalkül entspringen, sondern vielmehr ethisch motiviert sein. Dies sehen Wood / Logsdan im Konzept der Corporate Social Responsibility verwirklicht. Eine strategische Orientierung und eine Durchführung von gemeinschaftsbezogenen Programmen und Aktivitäten ohne ethische Motivation sei abzulehnen. Position der Befürwortung gesellschaftlicher Verantwortung aufgrund ökonomischer Argumentation Unter die dritte Position fallen Ansätze, die einen betriebswirtschaftlichen Nutzen in gesellschaftsbezogenem Engagement sehen. So betont Windsor ausdrücklich die strategische Nutzung des Engagements durch das Unternehmen und die Verbindung von sozialen und unternehmensbezogenen Interessen im Corporate Citizenship Konzept: At a minimum, corporate citizenship understood explicitly as strategic investment in the firm s social and natural environments for sustainable corporate growth and profitability arguably aligns corporate and social interests to mutual benefits in win-win outcomes for all stakeholders of the firm. The essential idea thus arguably broadens and enriches the older notion of corporate social responsibility. 16 14 Während mit Shareholdern die Anteilseigner bezeichnet werden, werden unter Stakeholdern die Bezugsgruppen eines Unternehmens verstanden. Hierunter können neben den Shareholdern Mitarbeiter, Kunden oder etwa die Kommune fallen. 15 Wood, D.J.; Logsdan, J.M., Theorising Business Citizenship, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 84 ff. 16 Windsor, D., Corporate Citizenship, Evolution and Interpretation, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 42 6

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Fombrun etwa, der ein dreidimensionales Konzept von Corporate Citizenship zugrunde legt 17, sieht den wirtschaftlichen Gewinn in der Bildung von Reputation. Diese entstehe durch die Ausbalancierung der Interessen aller Stakeholder des Unternehmens. A citizenship outlook is consistent with stakeholder models that expect managers to balance the interests of all groups affected by the actions, decisions, policies, or practices of a company. [ ] Reputational capital is built up from the quality and kind of repeated experiences a company has had with all of its stakeholders. 18 Würden die Interessen einer Bezugsgruppe des Unternehmens verletzt, verlöre dieses über kurz oder lang seine Glaubwürdigkeit dieser Gruppe gegenüber. Umgekehrt führe die Erfüllung von Stakeholder-Ansprüchen zu einer größeren Akzeptanz von Produkten / Dienstleistungen und Aktivitäten des Unternehmens. Eine auf den unternehmerischen Eigennutzen abzielende Argumentation findet sich auch bei Westebbe / Logan, die folgendes Verständnis zugrunde legen: Corporate Citizenship ist das gesamte koordinierte und über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement des Unternehmens zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Hierbei sollen alle Arten von Ressourcen des Unternehmens unter besonderer Berücksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen genutzt werden. Wesentliches Element von Corporate Citizenship ist die bewusste und gezielte Kommunikation des gesellschaftlichen Engagements gegenüber möglichst vielen Zielgruppen. 19 Die Autoren beziehen Corporate Citizenship also auf über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehendes Engagement, nicht jedoch auf den Geschäftsprozess selbst. Allerdings bemerken Westebbe / Logan, dass eine glaubhafte Unternehmenskommunikation die Unterlassung von Handlungen, die der bewussten Nicht-Kommunikation unterlägen, voraussetzte. Bestehendes Engagement solle besser 17 We propose a three-part view of citizenship as: 1) a reflection of shared moral and ethical principles; 2) a vehicle for integrating individuals into the communities in which they work; and 3) a form of enlightened self-interest that balances all stakeholders` claims and enhances a company s long-term value. (Fombrun, C.J., Three Pillars of Corporate Citizenship: Ethics, Social Benefit, Profitability, in: Tichy, N.M.; McGill, A.R.; Clair, L. S. (Hrsg.), Corporate Global Citizenship: Doing Business in The Public Eye, New York, 1997: 32) 18 Ebd.: 38, Hervorhebung im Original. 19 Westebbe, A.; Logan, D., Corporate Citizenship, Unternehmen im gesellschaftlichen Dialog, Wiesbaden, 1995: 17 7

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis gebündelt werden, um nicht nur gesellschaftlich, sondern auch für das Unternehmen nützlicher zu sein. Corporate Citizenship stelle hierfür eine Technik dar. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass im Fall der kategorischen Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung dem Gewinnprinzip Gemeinnützigkeit nicht nur prinzipiell, sondern auch in Einzelfällen unterstellt wird. Die Verantwortung und Kompetenz zur Lösung gesellschaftlicher Probleme wird in der Politik gesehen. Dies wird in der Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen insbesondere mit der Begründung kritisiert, dass im Zuge der Globalisierung länderübergreifende Transaktionen immer mehr zunähmen und die nationalstaatliche Kontroll- und Regelungsinstanz ihre Grenzen erreiche. In soziale Verantwortung voraussetzenden Ansätzen wird u.a. auf die sogenannten externen negativen Kosten unternehmerischen Handels verwiesen. Es wird eine Orientierung unternehmerischer Entscheidungen nicht nur an ökonomischen, sondern auch an sozialen und ökologischen Kriterien gefordert. Des weiteren soll das Unternehmen über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinaus gesellschaftlich engagiert sein. In den Ansätzen, die ein Engagement (auch) aus strategischen Gründen befürworten, wird sozusagen der happy case konstruiert: eine gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensführung und / oder ein über die Geschäftstätigkeit hinausgehendes gesellschaftliches Engagement soll sowohl den unternehmerischen Bezugsgruppen als auch dem Unternehmen selbst dienlich sein. Das marktwirtschaftliche Grundprinzip der Gewinnmaximierung wird nicht in Frage gestellt. Es findet gewissermaßen eine Verkehrung statt: Das Gemeinwohlprinzip wird direkt auf Unternehmen angewendet und soll dem Gewinnprinzip dienlich sein. Unternehmen sollen auch gemeinwohlorientiert handeln, nicht obwohl, sondern gerade weil damit langfristig höhere Gewinne erzielt werden können. 20 20 In der Perspektive der Shareholder-Stakeholder-Debatte wird in Verantwortung ablehnenden Ansätzen die Steigerung des Shareholder Value betont. Bei ethisch orientierten Ansätzen liegt ein normativer Stakeholder Ansatz vor, dass heißt, dass Bezugsgruppen des Unternehmens aufgrund ihrer gerechtfertigten Ansprüche in Entscheidungsprozesse des Unternehmens einbezogen werden sollen (vgl. z.b. vgl.: Ulrich, P. Was ist gute Unternehmensführung? Zur normativen Dimension der Shareholder- Stakeholder-Debatte, in: Kumar, B.N.; Osterloh, M.; Schreyögg, G. (Hrsg.), Unternehmensethik und die Transformation des Wettbewerbs, Shareholder-Value Globalisierung Hyperwettbewerb, Festschrift für Horst Steinmann zum 65. Geburtstag, Stuttgart, 1999: 27-53) In ökonomisch argumentierenden Ansätzen liegt eine strategisches Stakeholder Konzept vor. Unternehmerische Bezugsgruppen werden hier aufgrund der Durchsetzungsfähigkeit ihrer Interessen gegenüber dem Unternehmen einbezogen (vgl. 8

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis 3 Corporate Citizenship in Unternehmen Die Debatte über Corporate Citizenship ist stark normativ geprägt. Empirische Untersuchungen zur Umsetzung von Corporate Citizenship in Unternehmen in Deutschland gibt es eher wenige. Neben einer Reihe von Best Practice Sammlungen sind insbesondere zwei quantitative Untersuchungen zu nennen, die allerdings beide mit geringen (10% bzw. 6%) Rücklaufquoten zu kämpfen haben. 21 Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Selbstselektion nur die Unternehmen sich beteiligten, die überhaupt wenn nicht überdurchschnittlich gesellschaftlich engagiert sind und dies deutlich kommunizieren. Unklar ist auch, inwiefern sich nur solche Unternehmen beteiligten, die ihr Engagement unter den Begriffen des Corporate Citizenship oder bürgerschaftlichen Engagements fassen. Im Abschlußbericht der quantitativen, international vergleichenden Studie konstatiert Seitz, dass Corporate Citizenship in den meisten Unternehmen Teil der Unternehmenswerte sei. 22 Der Großteil der Unternehmen habe Corporate Citizenship in der jüngsten Zeit innerhalb der letzten fünf Jahre in die Unternehmensgrundwerte aufgenommen. Eine umfassende Implementation in unternehmensinterne Steuerungssysteme habe jedoch nicht stattgefunden. Zentrale Erkenntnis ist, dass Corporate Citizenship als Idee zwar in den Unternehmen in jüngerer Zeit große Aufmerksamkeit erfahren habe, in den Unternehmensstrukturen jedoch (noch) keine tragende Rolle spiele. Mit der Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn sollte eine Bestandsaufnahme des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen in Deutschland, insbesondere des Mittelstands, geschaffen werden. 23 Die Autoren stellen Corporate Citizenship in den Kontext der Philanthropie-Diskussion. Ein Kernergebnis der Studie ist, dass 95% der befragten Unternehmen innerhalb der letzten fünf Jahre bürgerschaftlich engagiert gewesen seien. Die Hälfte davon sei auch schon in den Jahren davor aktiv gewesen. Dabei seien sämtliche beteiligten Großunternehmen engagiert, mittelgroße Unternehmen, worunter in dieser Studie solche mit einer neben zahlreichen anderen etwa Freeman, R.E., Stakeholders, Social Responsibility and Performance, in: Academy of Management Journal, 1999, Vol.42, No.5: 479-485). 21 Notwendigerweise können hier nur die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt werden. Einige Erkenntnisse der Studie bestätigen aber Ergebnisse der beiden Untersuchungen. Dies wird an späteren Stellen aufgezeigt. 22 Seitz, B., Corporate Citizenship: Zwischen Idee und Geschäft, Abschlußbericht, Stuttgart / Konstanz/ New York, 2002. vgl. auch Corporate Citizenship: Zwischen Idee und Geschäft - Auswertungen und Ergebnisse einer bundesweit durchgeführten Studie im internationalen Vergleich. 23 Maaß, F.; Clemens, R., Corporate Citizenship, Das Unternehmen als guter Bürger, in: Institut für Mittelstandforschung Bonn (Hrsg.), Schriften zur Mittelstandsforschung Nr.94 NF, Wiesbaden, 2002 9

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Beschäftigtenzahl von 20 bis 99 Beschäftigten subsumiert werden, nahezu vollständig, von den Kleinunternehmen mit unter 20 Beschäftigten vier fünftel. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag dazu leisten, Corporate Citizenship auf empirischer Ebene zu erfassen. Das Erkenntnisinteresse besteht darin herauszufiltern, wie Corporate Citizenship von Unternehmen umgesetzt wird. Besonderes Interesse gilt der Frage, welche Ziele mit dem Engagement verfolgt werden, wie es sich um unternehmensund gesellschaftsbezogene Ziele verhält. Hierfür wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit den für einzelne Projekte zuständigen Unternehmensrepräsentanten geführt sowie Dokumente und Internetauftritte der Unternehmen zugrunde gelegt. 24 Die Auswahl der Unternehmen fand statt auf der Grundlage von Teilnehmern des Wettbewerbs Freiheit und Verantwortung. In diesem Rahmen darauf geachtet, dass möglichst eine breite Facette von Unternehmen im Sample vertreten ist. So sind Unternehmen des produzierenden und dienstleistenden Gewerbes, kleine und große, national und international agierende Unternehmen vertreten. Weiterhin wurden nur solche Projekte ausgewählt, die langfristig angelegt sind. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen nicht die Unternehmen, sondern die einzelnen Projekte bürgerschaftlichen Engagements. Somit können Aussagen auch nicht für das gesamte Engagement des Unternehmens, sondern nur für einzelne Projekte gelten. Im folgenden werden die Projekte kurz vorgestellt, eine allgemeine Charakterisierung der Projekte gegeben und die Ergebnisse der Studie vorgestellt. 25 Es handelte sich um folgende Projekte und Unternehmen: 24 Die Begriffe Corporate Citizenship, Corporate Social Responsibility, bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen etc. wurden synonym verwandt. Es wurde ein breites Verständnis von Corporate Citizenship zugrunde gelegt: hierunter wurde eine gesellschaftlich verantwortliche Unternehmensführung und / oder über die Geschäftstätigkeit hinausgehendes Engagement, das aus gemeinwohl- oder gewinnorientierten Motiven erfolgt, verstanden. Da allerdings die Projekte im Zentrum der Untersuchung standen, wurden Aspekte der Unternehmensführung nicht oder nur z.t. am Rande behandelt. Die Arbeitsgruppe ging von folgendem Verständnis von Corporate Citizenship aus: die strategische Investition des Unternehmens in das natürliche und soziale Umfeld des Unternehmens mit dem Ziel, nachhaltiges Wachstum und Profilabilität zu fördern, die Reputation nach Außen und Innen zu steigern und dabei zugleich das Gemeinwohl zu befördern. Da allerdings z.b. die Ziele, die mit den Projekten verfolgt wurden, offen abgefragt wurden, wäre auch eine rein auf das Gemeinwohl orientierte Perspektive zur Geltung gekommen. Dass dies nicht der Fall war, kann allerdings auch durch die Auswahl (Teilnehmer am Wettbewerb Freiheit und Verantwortung) begründet sein. Bei den Interviews handelt es sich um face to face Interviews mit einer Dauer von ca. 1,5 Stunden, die zwischen Februar und Mai 2002 in den Räumlichkeiten der jeweiligen Unternehmen geführt wurden. 25 Es handelt sich um eine explorative Studie, deren Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Unternehmen in Deutschland übertragbar sind. Es handelt sich um neun Fälle, deren Auswahl nicht repräsentativ für die 10

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Betapharm Institut (Betapharm): Das Engagement des 1993 in Augsburg gegründeten Generikaanbieters geht auf das Jahr 1994 zurück. 1999 wurde das Betapharm Institut gegründet, das Maßnahmen im Sinne der ganzheitlichen Krankheitsbewältigung erforscht. business@school (Boston Consulting Group, BCG): Mit dem Projekt business@school sollen wirtschaftliche Inhalte an Schulen vermittelt werden. Es handelt sich um eines der Kernprojekte der Unternehmensberatung, die 1963 in den USA, 1973 in Deutschland gegründet wurde. Seit seiner Gründung investiert das Unternehmen 2 2,5 % seiner Personalkapazität in pro bono Projekte. Schulen im gesellschaftlichen Verbund (Bayrische Motoren Werke, BMW): Schulen im gesellschaftlichen Verbund entstand 1990 als KIDS an einer Berliner Oberschule. Seit 2000 wurde das Projekt an vier Standorten der BMW Group unter Einbeziehung der BMW-Ausbildungsbereiche als Modellvorhaben durchgeführt und von der Freien Universität Berlin wissenschaftlich begleitet. Das gesellschaftspolitische Engagement der BWM Group / Standort München / Konzernzentrale ist aus dem Engagement des Automobilherstellers im Sinne der Standortkommunikation der 80er Jahre erwachsen und umfasst Schwerpunkte wie Verkehrssicherheit, interkulturelles Lernen, Hochbegabtenförderung, Schulbildung. Fairnetzen (BOV): Bei Fairnetzen handelt es sich um eine Stiftung, die 2000 von dem Webservices-Anbieter gegründet wurde, um bereits bestehendes Engagement zu bündeln. Aufgabe der Stiftung ist es, Kontakte und Partnerschaften zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen zu vermitteln. Modellprojekt der BOV ist eine Computerschule in Sao Joao de Fronteira, Brasilien, die 1997 gegründet wurde und bis heute betreut wird. Volunteering Programm (Ford): Im Volunteering Programme von Ford Deutschland werden seit 2000 Mitarbeiter des Unternehmens für sechszehn Stunden engagierten Unternehmen in Deutschland ist. Es kann jedoch anhand einzelner Projekte erklärt werden, wie Corporate Citizenship von Unternehmen umgesetzt wird. 11

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis im Jahr bezahlt freigestellt, um an gemeinnützigen Projekten mitzuwirken. Hierfür wird mit gemeinnützigen Organisationen kooperiert. Das Projekt wird explizit als ein Teil des ganzheitlichen Corporate Citizenship des Unternehmens verstanden. Dies wird auf vier Dimensionen bezogen: den Produktionsprozess, das Produkt, die Beziehungen zu Mitarbeitern (Innenverhältnis) und anderen Stakeholdern (Außenverhältnis). Hauptbereiche des Engagements sind vor allem Bildung und Umwelt. Volunteering Programm (Niketown Berlin / Nike): Mit der Gründung von Niketown wurde das Volunteering Programm entwickelt, für das 16 Mitarbeiter für ein halbes bis zu einem Jahr für 2,5 Stunden in der Woche freigestellt werden. Diese Zeit wird in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten Berlins investiert. Das Engagement wird über eine Mittlerorganisation (agens 27) abgewickelt. Computer helfen heilen und leben (Siemens, Bonn): Computer helfen heilen und leben ist vor rund 20 Jahren entstanden. Grundidee war es, behinderten Menschen einen Zugang zur Informationstechnologie zu verschaffen sowie selbige zur Therapieunterstützung einzusetzen. Switch (Siemens, München): In dem 1998 entstandenen Projekt switch werden Führungskräfte für acht Tage in gemeinnützige Organisationen entliehen. Im Rahmen des Projektes kooperieren das Unternehmen, die Stadt München (als Mittlerorganisation) und gemeinnützige Organisationen. Tatendrang (Xynias, Wetzel, v. Büren): Xynias, eine 1998 in München gegründete Werbeagentur ist seit seiner Gründung pro bono für den Verein Tatendrang e.v. tätig, der Ehrenamtliche für die Arbeit in gemeinnützigen Organisationen sucht und vermittelt. 26 26 Die Beschreibungen können notwendigerweise nicht vollständig sein. Des weiteren beziehen sie sich auf den Zeitpunkt der Erhebung (2002). 12

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis In den meisten der Projekte handelt es sich um solche, die mit Personaleinsatz geführt werden. So werden etwa Mitarbeiter an gemeinnützige Organisationen entliehen oder sind im Rahmen von pro bono Projekten tätig. 27 In einigen Fällen werden auch andere Ressourcen als personelle, etwa finanzielle Mittel, eingesetzt. Die Relation zur Kernkompetenz des Unternehmens schwankt in seiner Ausprägung von sehr eng bis sehr weit. So liegt eine sehr enge Relation bei pro bono Projekten, eine sehr weite bei dem Einsatz von Mitarbeitern in gemeinnützigen Organisationen vor. Zielgruppe des Engagements ist vorrangig Jugend / Bildung, teils Gesundheit und Soziales ohne Spezifizierung. Die Projekte gehen oft auf zufällige, persönliche Kontakte der Mitarbeiter zurück, teilweise auch auf Kontakte der Unternehmensführung. Durch alle Interviews wurde das Engagement und persönliche Interesse der für die Projekte / für das Engagement Zuständigen deutlich. Eine geplante Initiierung des Engagements war weitaus seltener und scheint insbesondere bei nicht-eigentümergeführten, großen, USstämmigen Unternehmen der Fall zu sein. Für Großunternehmen, insbesondere wenn es sich um deutsche Unternehmen handelt, ist auf der anderen Seite festzustellen, dass das Engagement insgesamt historisch gewachsen und teils dezentral organisiert ist. Die Projekte sind im Unternehmen unterschiedlich angesiedelt, so bei a) Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder Standortkommunikation, b) der Personalabteilung und c) der Unternehmensführung. Es findet sich auch eine Mischform der Ansiedlung oder ein eigens eingesetzter Mitarbeiter, der für Corporate Citizenship zuständig ist. Von einer ganzheitlichen, das ganze Unternehmen durchdringenden, strategischen Einbindung und Ausrichtung des Corporate Citizenship Konzeptes kann nicht gesprochen werden. Es werden mit den Projekten sowohl gesellschafts- als auch unternehmensbezogene Ziele verfolgt. Unternehmens- und gesellschaftsbezogene Ziele liegen immer in Kombination vor, teils wird dies auch ausdrücklich betont: Wir haben noch nie versucht, einen Pseudoaltruismus zu verkaufen. Es [das Engagement] war auch eine Not, wir hatten nicht viele Werbemittel und es war eine pfiffige Idee. [...] Es muß sich manches im Denken der Leute ändern [...] Die sozialen Schieflagen werden größer und breiter und wir haben eine Verantwortung, etwas zu tun [...] 27 Hierunter wird verstanden, dass die Kompetenzen und die übliche Tätigkeit und Leistung des Unternehmens für gemeinnützige Projekte kostenlos eingesetzt werden (pro bono aus dem lateinischen: für das Gute). 13

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Die gesellschaftsbezogenen Ziele können in drei Ebenen untergliedert werden: a) grundsätzliche Angaben, b) Ziele, die auf die Unterstützung der gemeinnützigen Organisationen / Zielgruppen des Engagements gerichtet sind sowie c) die Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Die grundlegenden Ziele sind dabei eher allgemeiner Art und nehmen Teile der aktuellen Debatte um Corporate Citizenship zum Teil auf. Genannt wird etwa der Wunsch: gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen ein guter Bürger sein zu wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen gesellschaftliche Anerkennung erwerben zu wollen Sinnhaftigkeit zu produzieren Gutes zu tun / zu einer gerechten Gesellschaft beizutragen in das gesellschaftliche Umfeld investieren zu wollen nachhaltig wirtschaften zu wollen. Dabei werden solche oder sinnhaftig solche Ziele eher im Leitbild festgeschrieben, wenn es sich um ein größeres Unternehmen handelt. Diejenigen Unternehmen, die mit Personaleinsatz im Sinne der Personalentwicklung engagiert sind, wollen das bürgerschaftliche Engagement ihrer Mitarbeiter auch über den Projekteinsatz hinaus fördern. 28 Die unternehmensbezogenen Ziele lassen sich in öffentlichkeitsbezogene und personalbezogene Ziel untergliedern. 29 Personalbezogene Ziele richten sich auf den Personalmarkt (die Rekrutierung hochqualifizierter Arbeitskräfte), den Mitarbeiter im allgemeinen (Motivation, Unternehmensbindung, Sinnhaftigkeit) oder den Mitarbeiter im Sinne der Kompetenzsteigerung. Die öffentlichkeitsbezogenen Ziele lassen sich untergliedern in Ziele, die auf die Öffentlichkeit allgemein oder am Standort gerichtet sind, den Kunden ohne das Ziel der Absatzsteigerung oder den Kunden mit dem Ziel der 28 Wobei hier zu diskutieren wäre, inwiefern es sich bei den Projekteinsätzen überhaupt um bürgerschaftliches Engagement handelt. 29 Dies entspricht den Ergebnissen von Maaß / Clemens. Vgl. hierzu: Maaß, F.; Clemens, R., Corporate Citizenship, Das Unternehmen als guter Bürger, in: Institut für Mittelstandforschung Bonn (Hrsg.), Schriften zur Mittelstandsforschung Nr.94 NF, Wiesbaden, 2002: 81f. 14

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Absatzsteigerung. Teils werden auch keine weiter differenzierten unternehmensbezogenen Ziele verfolgt. Das Engagement wird auch explizit als Kommunikationsinstrument oder Personalentwicklungsmaßnahme genutzt. In nicht eigentümergeführten Unternehmen dient dies auch der Rechtfertigung des Engagements gegenüber den Shareholdern. Wenngleich das Engagement nichts neues ist, scheint sich bei den Großunternehmen doch ein Wandel im Handling und der Kommunikation seit den 90er Jahren vollzogen zu haben. 30 So war etwa ein Unternehmen bereits seit den 80er Jahren im Rahmen der Standortkommunikation aktiv, hat dieses Engagement seit den 90er Jahren jedoch verstärkt ausgeweitet und auch deutlicher kommuniziert. Als Grund hierfür wird angegeben, dass die Veränderungen mit einer veränderten Wahrnehmung unternehmerischen gesellschaftlichen Engagements und zunehmenden Erwartungen hinsichtlich der Verantwortung von Unternehmen zusammenhingen. In einem anderen Fall war das Unternehmen schon immer engagiert, nun wurde das Engagement jedoch auch als Marketingunterstützung eingesetzt. Teils wird der Wandel in der Unterstützung des Engagements mit dem Wandel von einem multinationalen zu einem transnationalen Unternehmen begründet. Teils mussten Projekte ursprünglich gegen Widerstand im Unternehmen durchgesetzt werden und erfuhren nun in jüngerer Zeit Unterstützung. Bei den kleineren Unternehmen wurde in der Regel mit der Gründung oder kurz nach der Gründung mit dem Engagement begonnen. Hier liegen die Gründungsjahre zwischen 1992 und 1998. Dies könnte verschiedene Gründe haben: a) die Gründung fiel in eine Zeit, in der die Debatte um Corporate Citizenship (wieder) auflebte, b) das Engagement stellte insbesondere für kleinere Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil dar, c) es handelt sich um ein neues Selbstverständnis der jüngeren Gründergeneration. 4 Zusammenfassung Corporate Citizenship / Corporate Social Responsibility hat in jüngerer Vergangenheit zunehmend Aufmerksamkeit erfahren. Die Idee ist jedoch keinesfalls neu, sondern bereits auf die 20er Jahre zurückzuführen. Die Begriffe in der Debatte werden nicht eindeutig verwendet, was teils auf ungeklärte Bezüge zum politischen Konzept des 30 Einen Wandel für Corporate Citizenship stellt auch Seitz fest. Vgl.: Seitz, B.; Zentrum für Wirtschaftsethik ggmbh; The Conference Board., Corporate Citizenship: Zwischen Idee und Geschäft, Abschlußbericht, Stuttgart / Konstanz / New York, 2002: 7 15

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis Bürgers (Corporate Citizenship) und zum ethischen Konzept der Verantwortung (Corporate Social Responsibility) zurückzuführen ist. In der Debatte lassen sich drei Positionen unterscheiden: die Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung, die Befürwortung aus gemeinwohlorientierten und die Befürwortung aus eigennutzenorientierten Aspekten. Die Diskussion ist normativ geprägt: empirische Erkenntnisse gibt es eher wenige. Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Sie will einen Beitrag leisten, Corporate Citizenship empirisch zu erfassen. Sie widmet sich der Frage nach der Umsetzung von Corporate Citizenship in Unternehmen in Deutschland und insbesondere der Verbindung von Gemeinwohl- und Gewinnorientierung. Es wurde u.a. folgendes deutlich: Die Entstehung ist von zufälligen, persönlichen Kontakten gekennzeichnet. Die Projekte sind eingebunden bei Öffentlichkeitsarbeit, Personalabteilung, Unternehmensführung oder durch andere Formen. Es kann nicht von einer umfassenden, strategischen Einbindung des Engagements gesprochen werden. Es lässt sich bei den größeren Unternehmen ein Wandel in Handling und Kommunikation des Engagements verzeichnen. Dieser Wandel ist vor allem auf eine veränderte Wahrnehmung gesellschaftlicher Ansprüche an Unternehmen, wie sie sich durch die Corporate Citizenship Diskussion auch ausdrückte, bedingt. In dem Beitrag Der deutsche Weg zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen 10 Thesen zu Corporate Citizenship in Deutschland stellen wir fest, dass es insbesondere zwei Aspekte sind, die für die These eines deutschen Weges zum unternehmerischen bürgerschaftlichen Engagement sprechen: a) die Beobachtung, dass zwar jüngere kleine Unternehmen mit ihrer Gründung mit dem Engagement begannen und bei größeren Unternehmen dieses durch die Corporate Citizenship Diskussion einem Wandel unterlag, jedoch die Wurzeln des Engagements weiter zurückreichten und b) die Unternehmen sich in Suchprozessen für einen Weg des Engagements befinden und nicht lediglich angelsächsische Ansätze kopieren. 31 Inwiefern ein solcher Weg tatsächlich weiter beschritten wird oder aber die Corporate Citizenship Diskussion eine weitere Welle in der immer wieder geführten Debatte darstellt, wird sich zeigen müssen. Anzunehmen ist der letztere Fall, wobei dies nicht nur für die deutsche Ausgestaltung des Corporate Citizenship gelten dürfte. 31 Heuberger, F.; Oppen, M.; Reimer, S., Der deutsche Weg zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen, 10 Thesen zu Corporate Citizenship in Deutschland, im Erscheinen 16

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis 5 Literatur Antal, A.B.; Dierkes, M.; MacMillan, K.; Marz, L., Corporate Social Reporting Revisited, Schriftenreihe der Abteilung Organisation und Technikgenese des Forschungsschwerpunktes Technik-Arbeit- Umwelt am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, WZB-Papers, FS II 02-105 Enquete Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen, Schriftenreihe Bnd.2, Opladen, 2003 Enquete Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Bericht Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft, Schriftenreihe Bnd.4, Opladen, 2002 Fombrun, C.J., Three Pillars of Corporate Citizenship: Ethics, Social Benefit, Profitability, in: Tichy, N.M.; McGill, A.R.; Clair, L. S. (Hrsg.), Corporate Global Citizenship: Doing Business in The Public Eye, New York, 1997: 27-42 Freeman, R.E., Stakeholders, Social Responsibility and Performance, in: Academy of Management Journal, 1999, Vol.42, No.5: 479-485 Dierkes, M., Die Sozialbilanz, Ein gesellschaftsbezogenes Informations- und Rechnungssystem, Frankfurt / Main, 1974 Heuberger, F.; Oppen, M.; Reimer, S., Der deutsche Weg zum bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen, 10 Thesen zu Corporate Citizenship in Deutschland, im Erscheinen Homann, K.; Bloome-Drees, F., Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen, 1992 Maaß, F.; Clemens, R., Corporate Citizenship, Das Unternehmen als guter Bürger, in: Institut für Mittelstandforschung Bonn (Hrsg.), Schriften zur Mittelstandsforschung Nr.94 NF, Wiesbaden, 2002 Reimer, S., Corporate Cititzenship: Zwischen Gemeinwohlorientierung und Gewinnmaximierung, Eine empirische Studie, Berlin, 2002, unveröff. Diplomarbeit Seitz, B., Corporate Citizenship, Rechte und Pflichten der Unternehmung im Zeitalter der Globalität, Stuttgart, 2002 Seitz, B., Corporate Citizenship: Zwischen Idee und Geschäft, Abschlußbericht, Stuttgart / Konstanz/ New York, 2002 Steinmann, H.; Löhr, A., Grundlagen der Unternehmensethik, Stuttgart, 1994 Steinmann, H.; Schreyögg, H., Management, Grundlagen der Unternehmensführung, Konzepte Funktionen Fallsstudien, Wiesbaden, 2000; Ulrich, P., Integrative Wirtschafts- und Unternehmensethik, Hochschule St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Beiträge und Berichte Nr.55, 1993 Ulrich, P., Republikanischer Liberalismus und Corporate Citizenship Von der ökonomistischen Gemeinwohlfiktion zur republikanisch-ethischen Selbstbindung wirtschaftlicher Akteure, Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsethik, Berichte des Instituts für Wirtschaftsethik Nr. 88, St. Gallen, 2000 Ulrich, P. Was ist gute Unternehmensführung? Zur normativen Dimension der Shareholder- Stakeholder-Debatte, in: Kumar, B.N.; Osterloh, M.; Schreyögg, G. (Hrsg.), Unternehmensethik und 17

Sabine Reimer Corporate Citizenship in Diskussion und Praxis die Transformation des Wettbewerbs, Shareholder-Value Globalisierung Hyperwettbewerb, Festschrift für Horst Steinmann zum 65. Geburtstag, Stuttgart, 1999: 27-53 Westebbe, A.; Logan, D., Corporate Citizenship, Unternehmen im gesellschaftlichen Dialog, Wiesbaden, 1995 Windsor, D., Corporate Citizenship: Evolution and Interpretation, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 42-52 Wood, D.J., Logsdan, J.M., Theorising Business Citizenship, in: Andriof, J.; McIntosh, M., Perspectives on Corporate Citizenship, Sheffield, 2001: 83-103 Internetseiten http://www.b-b-e.de/themen/06_corporate_citizenship/index.php, 28.02.2004 http://www. Deranstoss.de/standard.php, 28.02.04 http://www.wiwo.de/www/fuv/index.htm, 28.02.04 18

Thomas Wettenmann Corporate Volunteering aus Sicht des Marketing Chancen und Risiken eines Planungsprozesses 1 Einführung Im Rahmen der Initiative Saarland21 der saarländischen Landesregierung im Jahr 2001 wurde in dem Themenbereich Neuland - Gutes tun bringt Gewinn eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und dem Dritten Sektor für das Saarland präsentiert. Aus dieser saarlandweiten Kampagne wurde in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt e.v. ein erstes Pilotprojekt mit der Union Krankenversicherung AG Saarbrücken gestartet: der Bau eines Kinderspielplatzes für das Flüchtlingswohnheim in Homburg-Erbach durch engagierte Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft. Damit beschritt nicht nur die Union Krankenversicherung AG Neuland, sondern auch das Deutsche Rote Kreuz, Landesverband Saarland e.v., das das Flüchtlingswohnheim betreibt. Dieses Bespiel steht für eine neue Form des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen: dem bürgerschaftlichen Engagement von Unternehmen mittels Personaleinsatz, englisch Corporate Volunteering. Unter Corporate Volunteering lassen sich also Aktivitäten zusammenfassen, die auf einer konzeptionellen Verbindung der gemeinnützigen und betrieblichen Interessen von Unternehmen und ihren Mitarbeitern beruhen. Auch wenn Geld- und Sachspenden von Unternehmen bislang noch überwiegen, lässt sich für Deutschland ein eindeutiger Trend beobachten, bei dem Unternehmen das Engagement ihrer MitarbeiterInnen und deren Bereitstellung von Zeit unterstützen (vgl. Deutscher Bundestag, 2002, S. 226). Der Aspekt Personal, insbesondere Personalentwicklung, stellt bei Corporate Volunteering-Programmen in den Unternehmen und in der Fachliteratur häufig noch einen Schwerpunkt dar. Doch was ist mit dem Marketing, insbesondere der Kommunikationspolitik? Das Sponsoring oder die allgemeine Spendentätigkeit wird von

Thomas Wettenmann Corporate Volunteering aus Sicht des Marketing den meisten Unternehmen mehr oder minder professionell ausdrücklich in der Kommunikationspolitik genutzt. Im Bereich des Corporate Volunteering stehen wir hier in Deutschland noch am Anfang. Viele Unternehmen, die zwar solche Projekte durchführen, aber sie nicht in irgendeiner Form in der Unternehmenskommunikation einsetzen, verschenken hier Potentiale und lassen mögliche Synergieeffekte ungenutzt. Ziel des vorliegenden Papiers ist es daher, eine sinnvolle Nutzung des Corporate Volunteering in der Kommunikationspolitik eines Unternehmens aufzuzeigen. Dies kann sich in unterschiedlichen Wegen niederschlagen. Methodisches Vorgehen Der Zusammenhang zwischen Corporate Volunteering und Marketing ist im deutschsprachigen Raum noch wenig wissenschaftlich untersucht. Dieser Umstand regte eine Diplomarbeit von Thomas Wettenmann mit dem Titel Chancen und Risiken des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen aus Sicht des Marketing - eine empirische Analyse an, die dann im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft an der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, entstanden ist und diesem Diskussionspapier zugrunde liegt. Da wenige Daten aus der Literatur vorhanden waren, wurden Leitfaden-basierte Experten-Interviews eingesetzt, um erste wichtige Informationen zu gewinnen. 1 Neben dem Experten-Interview wurden in der Untersuchung des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen mittels Personaleinsatz zusätzlich ein standardisierter Fragebogen und ein semantisches Differential verwendet. Zweck des schriftlichen Teils der Befragung war zum einen die Erfassung statistischer Größen (z.b. Anzahl der Arbeitnehmer) zur Einordnung des Interviews in die Untersuchung und zum anderen konnten relevante Informationen erhoben werden, ohne im eigentlichen Interview den Erzählfluss durch entsprechendes Nachfragen zu beeinträchtigen. Das semantische Differential ist ein Instrument der Einstellungsmessung, bei dem versucht wird, subjektiv empfundene oder vermutete Einschätzungen in objektiver Weise zu untersuchen. Bei diesem Instrument beurteilen die Befragten ein Einstellungsobjekt (hier: Corporate Volunteering) anhand einer Reihe von Begriffen (i.d.r. Adjektive), die jeweils ein Gegensatzpaar bilden. Die Begriffspaare selbst markieren dabei die 1 Mehr zu den angewandten Methoden und Instrumenten bei Atteslander, 1995; Mayer, 2002; Mayring, 2000; Meuser/Nagel, 1991; Schnell et al., 1999. 20