Seite 1 von 8 Stabilisierung der Finanzmärkte Empfehlung zu internationalen und nationalen Maßnahmen der fiskalischen Nachhaltigkeitspolitik 9. November 2010 Ergebnis Stabile Finanzmärkte und solide Staatsfinanzen sind viel stärker als bisher zum Gegenstand von zukunftsorientierter Politik zu machen, weil sie eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaften sind. Der Nachhaltigkeitsrat bestärkt die Bundesregierung darin, sich international und in der Europäischen Union konsequent für präventive Maßnahmen zur Finanzmarktstabilität und für die Haushaltsüberwachung einzusetzen und hierbei auch neue Wege zu gehen. Der Nachhaltigkeitsrat rät dazu, die Nachhaltigkeit der Finanzmarktentwicklung durch geeignete Indikatoren zu messen und als Frühwarnung regelmäßig berichten zu lassen. Die Finanzmärkte sollen angehalten werden, Geschäftsmodelle, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, zu stärken: International bestärkt der Nachhaltigkeitsrat die Bundesregierung in ihrem Bemühen, dass die zu treffenden Maßnahmen an allen wesentlichen Finanzplätzen wettbewerbsneutral und flächendeckend eingeführt werden und nicht hintergangen oder zur Quelle erneuter Instabilität werden. Für Deutschland rät der Nachhaltigkeitsrat der Politik in Bund und Ländern an, den Landesbankensektor neu zu ordnen und zu entstaatlichen. Neben der Bankenregulierung sind begleitende Maßnahmen erforderlich, die die essentiellen Aufgaben der Finanzmärkte im Klimaschutz und bei der Gestaltung des demographischen Wandels unterstützen, für die konkrete Vorschläge gemacht werden.
Seite 2 von 8 Präambel Ökologische, ökonomische und soziale Gesichtspunkte müssen ausgewogen zusammengebracht werden, um eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Im Hinblick auf die weltweiten Finanzmärkte ist dies jedoch noch nicht der Fall. Aus Sicht des Rates für Nachhaltige Entwicklung sollte die fiskalische Dimension der Nachhaltigkeitspolitik stärker in den Blick genommen werden. Mit dieser Stellungnahme äußert sich der Nachhaltigkeitsrat erstmalig zur fiskalischen Nachhaltigkeit von Finanzmärkten. Das bevorstehende G20 - Treffen in Seoul im November 2010 gibt der Stellungnahme den aktuellen Anlass, ihre Stoßrichtung ist indessen langfristig und betrifft sowohl die internationale als auch die nationale Politik. In der Vergangenheit hat der Rat verschiedentlich zu Einzelaspekten der Finanzpolitik, insbesondere zur Generationengerechtigkeit Stellung genommen und eine faire Lastenverteilung zwischen den Generationen angemahnt. In der akuten Phase der Finanz- und Wirtschaftskrise hat der Rat 2009 die Einführung einer nationalen Schuldenbremse befürwortet, aber auch grundsätzlich darauf hingewiesen, dass eine neue Sicht auf den Umgang mit finanziellen Ressourcen wie auch natürlichen Lebensgrundlagen erforderlich ist, um Wege aus der Krise zu finden und gangbar zu machen. In diesem Sinne unterstützt der Rat auch den Vorstoß der Bundesregierung, im Rahmen der G20 eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften mit gemeinsam getragenen Prinzipien und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Ebenso unterstützt der Nachhaltigkeitsrat die fiskalpolitischen Forderungen der Initiative Nachhaltige Stadt von 16 Oberbürgermeistern deutscher Städte, die für ausgeglichene Haushalte und den Schuldenabbau zugunsten kommender Generationen eine strukturelle Entlastung der Kommunen fordert. Der Nachhaltigkeitsrat wird auch weiterhin zu wichtigen Aspekten eines nachhaltigen Wirtschaftens Stellung nehmen. Dabei muss es auch darum gehen, den Ordnungsrahmen zu verbessern, die Kriterien für Nachhaltigkeit auf allen staatlichen Ebenen zu schärfen und auch die Selbststeuerung einer nachhaltigen Wirtschaft am Finanzmarkt zu verbessern und mit Schlüsselindikatoren verbindlicher und wirksamer zu machen. Akteure an den Finanzmärkten und in Wirtschaftsunternehmen wie auch in der Politik sollen dazu ermutigt werden, neue Wege zu gehen, um Zukunftsfähigkeit zu erreichen. Hierzu wird sich der Nachhaltigkeitsrat in Bälde mit einem Vorschlag an die beteiligten Kreise wenden. Der Nachhaltigkeitsrat hat diese Stellungnahme am 10. November 2010 beschlossen und der Bundesregierung übermittelt. Vorbemerkung Finanzmarktstabilität ist eine Voraussetzung für Erfolge und Leistungen der Realwirtschaft. Phasen der Instabilität gefährden die erforderlichen Investitionen in Zukunftsaufgaben wie die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und die weltweite Bekämpfung der Armut. Die herrschende Unsicherheit an den Finanzmärkten steht langfristigen Investitionen und Innovationen entgegen. Zudem werden die öffentlichen Haushalte durch Finanzkrisen bzw. de-
Seite 3 von 8 ren Bekämpfung in hohem Maße belastet. Zusätzlich sind zu berücksichtigen die hohen Verbindlichkeiten aus den nicht oder nicht hinreichend finanzierten Sozialsystemen. Allerdings wohnt dem Finanzsystem eine gewisse Instabilität inne: Freie Märkte werden immer vom Herdenverhalten beeinflusst, und es wird auch in Zukunft zu Übertreibungen, zu Phasen des kollektiven Überschwangs wie des abrupten Stimmungsumschwungs kommen. Die anhaltende Finanz- und Wirtschaftkrise war bei weitem nicht die erste Krise und sie wird wohl auch nicht die letzte Krise gewesen sein. Entscheidend ist es aber, eine Gefährdung des gesamten Systems und den dann erforderlichen massiven Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel zu verhindern. Für so großdimensionierte öffentliche Rettungspakete wie in den Jahren 2009/2010 dürfte ein zweites Mal kein öffentlicher Konsens herzustellen sein. Schon heute ist die Kritik groß, dass Verluste sozialisiert wurden. In diesem Sinne sind mehr Finanzmarktstabilität und eine größere Risikotragfähigkeit für langfristige Investitionen nötig, um zu einer nachhaltigen Entwicklung zu kommen. Es ist erforderlich, die Entwicklung von Ungleichgewichten, zum Beispiel der Überschuldung des staatlichen und privaten Sektors, bereits in einem frühen Stadium zu vermeiden, die Risiken im gesamten System zu begrenzen sowie bestehende Ungleichgewichte abzubauen. Daraus ergeben sich zwei Schwerpunkte für Politik und Wirtschaft, a) das Bemühen um die Stabilität der Finanzmärkte und eine gleichgewichtige Entwicklung sowie b) die Durchsetzung nachhaltiger Geschäftsmodelle im Finanzsektor. Hierzu empfiehlt der Rat für Nachhaltige Entwicklung die folgenden Maßnahmen. Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte Solide Staatsfinanzen Die Reform und Stärkung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts ist für eine nachhaltige Entwicklung erforderlich. Der Nachhaltigkeitsrat fordert die Bundesregierung daher auf, sich weiterhin für eine essentielle Reform des Pakts einzusetzen. Die akute Vertrauenskrise im Euroraum zeigt eindringlich die Bedeutung solider Staatsfinanzen für die Finanzmarktstabilität auch wenn die derzeit hohe Verschuldung zum Teil eine direkte Folge der vorangegangenen Finanzkrise ist. Vertrauen wird am besten durch Konsolidierung der Haushalte hergestellt. Dies betrifft nicht nur Griechenland, Irland und andere Länder, die besonders im Fokus der Kapitalmärkte stehen, sondern auch die übrigen Länder Europas, nicht zuletzt Deutschland. Auch hierzulande hat ein Abbau der Staatsdefizite hohe Priorität. Generell ist bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte mit Augenmaß vorzugehen. Allzu starke Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen können die Erholung der Konjunktur gefährden. Deutschland hat mit dem Verschuldungsbegrenzungsgesetz (Schuldenbremse) einen gangbaren Weg beschritten. Diese Selbstbeschränkung schließt nicht die Möglichkeit konjunktureller Staatsdefizite aus, um die Konjunktur zu stabilisieren, sondern zielt darauf, das Defizit auf ein langfristig tragbares Niveau zu begrenzen. Langfristig tragbar ist ein Niveau, das dem Interessenausgleich zwischen den Generationen entspricht.
Seite 4 von 8 Das Beispiel Griechenland zeigt, wie schwierig die Rückführung der öffentlichen Schulden ist, wenn sie zu spät begonnen wird. Griechenland etwa muss bei sonst unveränderten Bedingungen über viele Jahre hinweg einen Primärüberschuss 1 von mehr als 5 Prozent erreichen, um innerhalb von 10 Jahren die Relation Schuldenstand zu Bruttoinlandsprodukt auf das Vorkrisenniveau von 2007 zu senken. Institutionelle Reformen in der Währungsunion sind für die Rückgewinnung von Vertrauen in den Euro unabdingbar. Die europäische Finanzverfassung hat sich als nur bedingt wirksam erwiesen. Mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte der Aufbau von allzu großen Schuldenständen verhindert werden. Tatsächlich wirkte er aber nicht in dem Ausmaß disziplinierend, wie es notwendig gewesen wäre. So widersprachen die Defizitzahlen in den Jahren vor der Krise in vielen Fällen der Intention des Vertrages: Selbst im Hochkonjunktur-Jahr 2006 wiesen immer noch zehn der sechzehn Mitgliedsländer Defizite in ihren Staatshaushalten aus, davon vier sogar mehr als drei Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Vorgesehen waren in solchen Konjunkturphasen eigentlich Überschüsse. Die Vorschläge der Europäischen Kommission Ausbau der fiskalischen Vorsorge (des präventiven Arms ), Berücksichtigung des Schuldenstands, Verschärfung der Sanktionen sowie ein stärkerer Automatismus des Defizitverfahrens gehen in die richtige Richtung. Auch die Ausweitung der Überwachung auf makroökonomische Ungleichgewichte ist zu begrüßen. Auch wenn zu ihrer europäischen Durchsetzung Kompromisse erforderlich sind, rät der Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung an, weiterhin klare Sanktionsinstrumente bis hin zu Stimmrechtseinschränkungen zu fordern und an diesen auch als institutionelle Reform bei der anstehenden Diskussion um das Budget der Europäischen Union 2 festzuhalten. Da eine Verschärfung der Haushaltsüberwachung durch die EU mit der finanzpolitischen Souveränität der Mitgliedstaaten in Konflikt geraten kann, sollten neben dem Stabilitäts- und Wachstumspakt auch die nationalen Disziplinierungsmechanismen innerhalb der Mitgliedstaaten gestärkt werden. (Neues) EU-Recht muss mit dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten Hand in Hand gehen. Jedes Mitgliedsland sollte vergleichbar dem deutschen Verschuldungsbegrenzungsgesetz (Schuldenbremse) eine im jeweiligen Rechtssystem wirkungsvoll verankerte Vorgabe zum mittelfristigen Haushaltsausgleich einführen. Eine solche Vorgabe wäre zudem als Voraussetzung zum Eintritt in die Währungsunion festzuschreiben. Messung der Nachhaltigkeit der Finanzmarktentwicklung Die Politik sollte darüber hinaus ihre Bemühungen verstärken, mögliche Ursachen von Marktübertreibungen rechtzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diese (neue) Aufgabe wird derzeit unter dem Schlagwort makro-prudentielle Aufsicht 3 in der internationalen Finanzpolitik breit diskutiert. An einer Etablierung eines globalen Frühwarnsystems wird derzeit gearbeitet. Der Internationale Währungsfonds, IWF, hat bereits vor einigen Jahren 40 sog. Financial Soundness Indicators bestimmt, die für zahlreiche Länder (auch Deutschland) veröffentlicht werden. Auf europäischer Ebene wird das European Systemic Risk Board (ERSB) 4 seine Arbeit aufnehmen.
Seite 5 von 8 Das verlässliche Zusammenwirken der globalen, regionalen und nationalen Ebenen ist unerlässlich. Die Bundesregierung sollte daher ihre Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit um Angaben zum Finanzsystem ergänzen. Diese sollten in der Folge auch in den regelmäßigen Berichten des Statistischen Bundesamts Nachhaltige Entwicklung in Deutschland reflektiert werden. Bislang sind hierin keine Indikatoren zur Nachhaltigkeit an den Finanzmärkten enthalten. Geeignete Indikatoren in diesem Kontext könnten in Anlehnung an die Indikatoren des IWF und des ESRB die folgenden sein: Verschuldungsgrad der öffentlichen Haushalte, Sozialversicherungssysteme, Unternehmen und Finanzdienstleister sowie der privaten Haushalte Fristigkeit der Verschuldung Eigenkapitalquoten der Banken und Unternehmen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Größe und Relevanz. In einem weiteren Schritt sollten diese Indikatoren unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Deutschland bewertet und in einem Gesamtindex Finanzmarktstabilität zusammengefasst werden. Dies wäre zugleich ein wichtiger Input für die Arbeit des ERSB. Die Bundesregierung sollte ihn auch in die Überprüfung und Fortschreibung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie einbringen. Durchsetzung nachhaltiger Geschäftsmodelle Stärkung der Abwehrkräfte der Finanzmarktteilnehmer Die gegenwärtigen Bemühungen im Rahmen der G20 zielen vor allem darauf ab, durch einen neuen globalen Regulierungsrahmen das gute und langfristig tragbare Risikomanagement an den Finanzmärkten zu stärken. Im Zentrum stehen dabei die neuen Bankenregeln zu Mindestkapital und Liquiditätsmanagement ( Basel III ) 5. Unabhängig von der aktuellen Krise soll für langfristige Investoren (Pensionsfonds, Versicherer) in Zukunft das geplante Regelwerk Solvency II 6 gelten. Es reduziert aber weiter die Risikotragfähigkeit der langfristigen Investments und könnte daher dem ursprünglichen Anliegen zur Absicherung langfristiger Investments entgegenwirken. Sollte dies der Fall sein, so würde die typischerweise vorhandene Fähigkeit, Risiken robust zu absorbieren, vermindert. Mit der grundsätzlichen Einigung auf neue Bankenregeln verschiebt sich der Akzent der internationalen Zusammenarbeit der G20: Fortan rückt die Umsetzung in den Mittelpunkt. Wettbewerbsneutrale und flächendeckende Implementation Der Nachhaltigkeitsrat bestärkt die Bundesregierung darin, sich international dafür einzusetzen, dass die regulativen Maßnahmen flächendeckend und wettbewerbsneutral von allen wesentlichen Finanzplätzen der G20 eingeführt werden. Die Implementierung neuer Regeln muss auf einer konsistenten Grundlage und zeitlich synchronisiert vorgenommen werden, um ansonsten drohende Anreize zur Regulierungsarbitrage zu vermeiden, die nicht die Stabilität der Märkte erhöhen, sondern zur Quelle neuer Instabilität werden könnten.
Seite 6 von 8 Neben einer angemessenen Regulierung spielt der Wettbewerb eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung nachhaltiger Geschäftsmodelle. Auch auf nationaler Ebene sind Maßnahmen erforderlich. Dabei kommt der Neuordnung der Landesbanken eine wichtige Rolle zu. Neuordnung der Landesbanken Die zahlreichen (notwendigen) Hilfsmaßnahmen für Banken haben zu nicht unerheblichen Verzerrungen geführt. Der Nachhaltigkeitsrat fordert daher die Bundesregierung auf, sich so schnell wie möglich aus den eingegangenen Bankbeteiligungen zurückzuziehen. Auf keinen Fall darf aus diesen Staatsbeteiligungen ein Dauerzustand werden. Der Fall der Landesbanken ist hier Warnung genug. Nur dank direkter und indirekter staatlicher Unterstützung konnten sich die Landesbanken auch ohne tragfähiges Geschäftsmodell am Markt halten. Günstige Refinanzierungsbedingungen erlaubten es ihnen, großzügig Kredite zu vergeben, die teilweise nicht mehr von ihrem ursprünglichen Auftrag gedeckt waren. Der Nachhaltigkeitsrat regt eine Neuordnung des Landesbankensektors an. Dabei geht es nicht nur um eine Konsolidierung und Reduzierung der Zahl der Landesbanken, sondern vor allem um eine konsequente Entstaatlichung. Die Länder sollen sich auf die öffentliche Aufgabe der Wirtschaftsförderung beschränken. Normales Bankgeschäft sollte dagegen in private Hände gelegt werden. Aktive Förderung langfristiger Geschäftsmodelle einer nachhaltigen Wirtschaft Die Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Finanzmarktteilnehmer folgen dem Vorsichtsprinzip. So notwendig sie sind, bergen sie auch die Gefahr, dass Bereitschaft und Fähigkeit der Marktteilnehmer, langfristig Risiken zu übernehmen, generell sinken. Beispiele sind Liquiditätsstandards, welche die Banken mehr Staatsanleihen kaufen lassen, oder Rechnungslegungsvorschriften, die Versicherern Aktieninvestitionen erschweren. Es erscheint daher notwendig, noch stärker als bisher über begleitende Maßnahmen nachzudenken, die das Verhalten der Marktteilnehmer beeinflussen. Die essentiellen Aufgaben der Finanzmärkte zur langfristigen Bereitstellung von Kapital für staatliche, unternehmerische und private Tätigkeiten müssen wieder in den Vordergrund rücken. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (Sicherung der Altersvorsorge) und der Klimaveränderungen (Finanzierung von technischen Innovationen zu erneuerbaren Energien) unerlässlich. Schon heute gibt es geeignete Instrumente für eine Operationalisierung dieses Gedankens, die zur Umsetzung und breiteren Anwendung anstehen. Nachhaltigkeitsbericht Zur Stärkung der Eigenverantwortung fordert der Nachhaltigkeitsrat alle Marktteilnehmer auf, neben der finanziellen Berichterstattung auch über nicht-finanzielle Risiken in der für den Kapitalmarkt relevanten Form (Nachhaltigkeitsbericht gesondert
Seite 7 von 8 oder integriert im Geschäftsbericht) öffentlich zu berichten. Die Berichterstattung ist ein geeignetes Instrument der Selbststeuerung und zum Dialog mit den Stakeholdern. Langfristige Risiken Durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen sollte die Bundesregierung die langfristige Übernahme von Risiken nachdrücklich ermutigen und kurzfristige Geschäfte ( Spekulation ) eindämmen. Dafür bieten sich mehrere Ansatzpunkte. Auf nationaler Ebene geht es vor allem um die Stärkung des Eigenkapitals, das im gegenwärtigen deutschen Steuersystem gegenüber Fremdkapital deutlich benachteiligt wird. Als Maßnahmen kommen dafür beispielsweise die Wiedereinführung der Steuerbefreiung ab einer bestimmten Mindesthaltedauer von Wertpapieren (Spekulationssteuer) in Frage; ebenso sollte die langfristige Kapitalbildung bei Privatpersonen insbesondere zum Zwecke der Altersversorgung auch im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungen steuerlich gefördert werden. Auf europäischer und internationaler Ebene ist vor allem darauf zu achten, dass die Risikotragfähigkeit langfristiger Investoren gestärkt und nicht eingeschränkt wird. Des Weiteren sind adäquate Rechnungslegungsvorschriften essentiell, die der wirtschaftlichen Realität sowie der Risikotragfähigkeit der einzelnen Marktteilnehmer Rechnung tragen und nicht die Volatilität der Märkte noch verstärken. Ratingagenturen Die Ratingagenturen haben sich in der Finanzkrise in ihrer heutigen Form als unzulänglich herausgestellt. Der Nachhaltigkeitsrat fordert die Trennung von Beratungsmandat und Ratingmandat der Ratingagenturen für strukturierte Anleihen. Darüber hinaus wird empfohlen, alle Anstrengungen zur Etablierung einer europäischen Ratingagentur zu unterstützen. Finanztransaktionssteuer Neben der Förderung langfristiger Investitionen spricht sich der Nachhaltigkeitsrat auch dafür aus, international koordinierte staatliche Maßnahmen zur Erschwerung kurzfristiger Spekulation zu ergreifen. Dazu gehört eine Finanztransaktionssteuer, mit der vor allem ein klarer Lenkungszweck verfolgt wird. Anmerkungen 1 Der Primärüberschuss (Gesamtausgaben abzüglich Zinszahlungen) beschreibt das Verhältnis von Staatsausgaben, die dem Bürger in Form von Übertragungen oder Leistungen zu Gute kommen, und den Steuern und Abgaben im jeweiligen Jahr. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen sieht eine Finanzpolitik dann als nachhaltig an, wenn der Gegenwartswert aller Primärüberschüsse der Höhe der gegenwärtigen Staatsschuld entspricht, oder, wenn der Barwert der Nettosteuerzahlungen aller Generationen mit dem Barwert der staatlichen Ausgaben zuzüglich der ausstehenden Staatsschuld übereinstimmt. Im Einzelnen siehe Wissen-
Seite 8 von 8 schaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte, BMF-Schriftenreihe, Heft 71, Bonn 2001. 2 In der Europäischen Union bezeichnet der Ausdruck financial perspective das Sieben-Jahres- Rahmenprogramm für das Budget der Europäischen Kommission. Das laufende Programm geht bis 2013. Die Verhandlungen zur Fortsetzung 2013-2020 starten derzeit. 3 Als makroprudentielle Aufsicht bezeichnet man die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden auf den Finanzmärkten, die darauf abzielen, die Stabilität des Finanzsystems als gesamtes zu gewährleisten. http://www.finanzlexikon.de/aufsicht,%20makroprudentielle_1943.html 4 Der ESRB ist der Europäische Ausschuss für Systemrisiken. Der Ausschuss wird in Frankfurt bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt. Er soll 2011 seine Arbeit aufnehmen und Risiken im Finanzsystem identifizieren, vor Krisen warnen und im Ernstfall Maßnahmen der Krisenbekämpfung koordinieren respektive entsprechende Politikempfehlungen formulieren. Bei dem nationalen Frühwarnsystem geht es um die datengestützte Einschätzung des aktuellen Zustands des Finanzsystems. Beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte für Nachhaltigkeit wäre die Bundesregierung aufgefordert, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. 5 Der Begriff Basel III bezeichnet das ergänzende Regelwerk des Basler Ausschusses an der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel zu bereits bestehenden Eigenkapitalregeln für Finanzinstitute. Es zielt auf eine Balance zwischen einem stabileren Finanzsystem und der Vermeidung einer Kreditverknappung, sowie auf die Verbesserung der Haftungsfragen ab. 6 Der Begriff Solvency II fasst eine grundlegende Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa, vor allem der Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen, zusammen. Sie wurde am 22. April 2009 vom EU-Parlament und am 10. November 2009 von den EU-Finanzministern verabschiedet. Nach Erlass der entsprechenden Durchführungsbestimmungen wird Solvency II voraussichtlich im 1. Quartal 2013 national umgesetzt.