TENNIS-LEHRPLAN. Deutscher /S^ Tennis Bund ISP BAND 2



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Transkript:

TENNIS-LEHRPLAN Deutscher /S^ Tennis Bund ISP BAND 2

TENNIS-LEHRPLÄIi Deutscher BAND 2 Tennis Bund Unterricht & Training

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar Bearbeitet von Rüdiger Bornemann Hartmut Gabler Gerhard Gläsbrenner Jock Reetz Richard Schönborn Peter Scholl Karl Weber Bildnachweis Archiv Deutsche Tennis Zeitung: S. 213 Baader: S. 9, 92, 95, 102, 182, 197 re., 216 Collmann: S. 64 Exler: S. 2/3, 21, 22 (2x), 41, 49, 52, 53 (2x), 108, 111, 122, 123 (2x), 125, 127, 128, 129, 130, 151, 160/161, 191, 192, 197 li., 198, 200, 208, 220, 247, 249 Jakobs: S. 172 (3x), 173 (2x), 174, 175 (3x), 176 (3x), 177 (3x), 178 (3x), 179 (3x), 180 (8x) Reetz: S. 12, 31, 56, 57, 68, 69, 74, 75, 115 Weber: S. 232 Zeichnungen: Jörg Mair Umschlagfoto: Thomas Exler Umschlaggestaltung: Werbeagentur Sander & Krause Layout: Bücherwerkstatt A. v. Ertzdorff BLV Verlagsgesellschaft mbh München Wien Zürich 80797 München 8., durchgesehene Auflage BLV Verlagsgesellschaft mbh, München 2004 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Stalling GmbH, Oldenburg Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-405-16833-3

Vorwort Der Deutsche Tennis Bund (DTB) umfaßt zur Zeit ca. 2,3 Millionen Mitglieder. Von diesen Mitgliedern betreiben fast alle ihren Sport aktiv und mit Begeisterung, denn der Tennissport ist eine faszinierende Sportart. Doch für viele ist er zugleich auch unerwartet schwierig. Auf allen Leistungsebenen - von der einfachen Übungsstunde über die Clubmeisterschaften und Verbandsspiele bis hin zum Spitzentennis - besteht deshalb ein großes Interesse daran, diese schwierige Sportart zu verbessern, um noch erfolgreicher spielen zu können und dadurch mehr Freude am Tennis zu haben. Der Deutsche Tennis Bund hat daher seine Lehrarbeit in den letzten Jahren stark intensiviert und auf eine breite Basis gestellt. In diesem Rahmen ist auch diese Ausgabe des auf den neuesten Erkenntnissen beruhenden Tennis-Lehrplans»Unterricht & Training«zu sehen. Er ergänzt den Tennis-Lehrplan Band 1»Technik & Taktik«. Diese beiden Bände sollen jedoch nicht nur die Grundlage für die Lehrarbeit der C-, B- und A-Trainer darstellen, sondern auch allen Interessierten - vom Anfänger über den Fortgeschrittenen bis zum Turnierspieler-, helfen, mehr vom Tennis zu verstehen und ihr Spiel zu verbessern. Der Lehrplan wurde von Autoren erstellt, die nicht nur den Ausschuß für Lehrarbeit und den Ausschuß für Sportwissenschaft des Deutschen Tennis Bundes vertreten, sondern auch in der Tennislehrer- und Trainer-A-Ausbildung mitwirken und somit Praxis und Theorie gut miteinander verbinden. Der erste Teil dieses neu konzipierten Bandes, der den Unterricht thematisiert, beantwortet die Frage, wie die im Tennis-Lehrplan Band 1»Technik & Taktik«dargestellte Technik gelehrt und gelernt werden kann. Deshalb soll dieser Lehrplan Hilfe und Anregung für die Unterrichtspraxis, aber auch für die Ausbildung im Bereich des Deutschen Tennis Bundes darstellen. Im Hinblick auf den zweiten Teil des Bandes, der das Training thematisiert, sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen, daß das hohe Niveau des deutschen Tennissports auf der Grundlage einer jahrelangen soliden Arbeit der Trainer beruht. Ein zentrales Ziel des Deutschen Tennis Bundes besteht deshalb darin, die Nachwuchsförderung so zu intensivieren, daß die derzeitigen Erfolge bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus fortgesetzt werden können. Ich wünsche deshalb gerade auch diesem Buch eine gute Resonanz, hoffe, daß es zur Fortsetzung des derzeitigen hohen Leistungsstandards beiträgt und danke dem Verlag sowie insbesondere den Autoren für das große Engagement, das sie bei der vorliegenden völligen Neubearbeitung aufgebracht haben. Dr. Claus Stauder Präsident des Deutschen Tennis Bundes

Inhalt 5 Vorwort 8 Einleitung 10 Merkmale des Tennisspiels als Grundlage für Unterricht und Training 13 Grundlagen des Tennisunterrichts Faktoren des Unterrichtsgeschehens 14 Lernen 16 Lehren 25 Methodische Konzeptionen 27 Unterrichtsmaßnahmen 30 Planung und Durchführung des Tennisunterrichts 41 Lernen und trainieren in Gruppen 46 50 Tennisunterricht mit verschiedenen Zielgruppen Anfängertennis - Kleinfeldtennis - Kindertennis 50 Allgemeines zum Tennisunterricht mit Anfängern 51 Elementarschule 56 Fortgeschrittene Erwachsene im Freizeittennis 60 Schultennis 64 Tennis mit Behinderten 66 70 Konzept der trefforientierten Methode Das Konzept der funktionalen Bewegungsanalyse 70 75 Anwendung der methodischen Reihen Grundschlag - Vorhand und Rückhand 76 Aufschlag 78 Aufschlag mit Drall 79 Schmetterball 80 Schmetterball aus dem Sprung 82 Flugball - Vorhand und Rückhand 83 Lob- Vorhand und Rückhand 84 Topspin - Vorhand und Rückhand 86 Slice - Vorhand und Rückhand 87 Stop- Vorhand und Rückhand 89 Halbflugball - Vorhand und Rückhand 90 93 Leistungsanforderungen als Grundlage des Trainings Physikalische und biomechanische Analyse der Tennistechnik 94 Leistungsphysiologische Aspekte 96 Psychische Anforderungen 97 Analysen von Weltklassespielern 99 103 Leistungsentwicklung und Leistungsprognose Talentbestimmung 103 Talentsuche 105 Talentförderung 106 112 Allgemeine Trainingsgrundlagen Belastung und Anpassung 112 Belastung und Erholung 114 Überbelastung und Übertraining 115 117 Koordinationstraining Definition und Systematik 117 Koordinative Fähigkeiten 117 Prinzipien des Koordinationstrainings 120 Qualitätsmerkmale des Koordinationstrainings 121

131 Techniktraining Bedeutung der Technik 131 Technikarten 131 Tennistechnische Entwicklung 131 Individuelle Voraussetzungen 133 Einführung in die Trainingspraxis 133 Dosierung der Belastung 134 Methodische Hinweise zum Techniktraining 135 145 Taktiktraining Taktik erlernen 145 Taktik trainieren 146 Aufschlagtraining 148 Returntraining 149 Grundlinienspiel 149 Netzspiel 150 152 Konditionstraining Ausdauer 153 Kraft 159 Schnelligkeit 164 Beweglichkeit 170 Heimprogramm 173 181 Psychologische Grundlagen/ Psychologisch orientiertes Training Auffallende psychologische Phänomene und Probleme 181 Psychologische Trainingsformen 182 Psychologisches oder psychologisch orientiertes Training? 193 Abschließende Bemerkungen 198 201 Trainingsund Wettkampfplanung Periodisierung 201 Steuerung des Trainings 203 Trainingseinheit 203 Training mit verschiedenen Zielgruppen 205 Talentierte Kinder und Jugendliche 206 Training mit Frauen 211 Training im Senioren-Wettkampftennis 212 214 Wettkampfbetreuung Einführung 214 Betreuung im Wertkampf 216 Betreuung nach dem Wettkampf 219 Betreuung bei mehreren Wettkämpfen an einem Tag 221 Weiterführende Betreuung 221 222 Sportmedizinische Aspekte Sportmedizinische Betreuung 222 Verletzungen im Tennis 223 Leistungskontrolle und Leistungstest 232 Tennis unter extremen Bedingungen 238 Ernährung des Tennisspielers 243 250 Zur pädagogischen Verantwortung des Trainers

Einleitung Der vorliegende Tennis-Lehrplan Band 2»Unterricht & Training«stellt eine Überarbeitung und Zusammenfassung der beiden bisherigen Bände»Methodik«(1993) sowie»training und Wettkampf«(1993) dar. Er ergänzt den Lehrplan Band 1»Technik & Taktik«, der 1995 neu überarbeitet erschien. Hauptziel des ersten Teils dieses Bandes, der den Unterricht im Tennis thematisiert, ist, nützliche Hilfen, Empfehlungen und Informationen für die Praxis des Tennisunterrichts zu geben. Die methodischen Aussagen zu den einzelnen Problemen und Fragen des Lernens und Lehrens basieren auf praktischen pädagogischen und methodischen Erfahrungen sowie auf sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Adressaten sind alle diejenigen, die sich in irgendeiner Weise direkt oder indirekt mit dem Lehren und Lernen von Tennis befassen. Das können Tennislehrer und Trainer in den Vereinen, Verbänden oder Tennisschulen sein, aber auch Lehrkräfte und Studenten an Schulen und Hochschulen sowie schließlich Tennisanfänger oder Fortgeschrittene, die sich selbst oder anderen im Tennis weiterhelfen wollen. Nicht zuletzt ist auch an die Eltern gedacht, die ihren Kindern beim Erlernen des Tennisspiels konkrete Hilfen geben wollen. Das Lehrplanwerk des Deutschen Tennis Bundes ist so konzipiert, daß die einzelnen Bände einerseits spezielle Aspekte des Tennis behandeln, andererseits aber auch aufeinander aufbauen und sich ergänzen. So bildet der Lehrplan Band 1»Technik & Taktik«eine Grundlage für diesen Band, in ihm werden die Tennistechniken in Wort und Bild dargestellt und begründet. Mit Hilfe des ersten Teils dieses Bandes können diese Techniken nun im Tennisunterricht gelehrt und gelernt werden. Dieser methodische Teil kann und will keine Patentrezepte anbieten, dafür sind die Situationen im Tennisunterricht aufgrund sich ständig ändernder Bedingungen zu vielfältig und verschieden. Er skizziert aber Methoden und Verfahren, die sich bewährt haben und gibt praktische Beispiele. In der Praxis des Tennissports wird noch vielfach die Auffassung vertreten, das beste Training zur Vorbereitung auf Wettkämpfe bestehe darin, Trainingsspiele durchzuführen und an möglichst vielen Wettkämpfen teilzunehmen. Demgegenüber zeigt die Entwicklung der Spitzenleistungen im Tennis und in anderen Sportarten, die in starkem Maße auch von der Entwicklung der Trainingswissenschaft beeinflußt wird, daß ein gezieltes und systematisches Training von Technik und Koordination, Taktik, Kondition und Psyche, verbunden mit einer langfristigen Trainingsplanung, regelmäßiger sportmedizinischer Betreuung und einer intensiven Wettkampfbetreuung, zu einer wesentlichen Steigerung der allgemeinen und individuellen Leistungsfähigkeit führt. Diese Themen werden im zweiten Teil dieses Bandes hauptsächlich behandelt. Die Auswahl der Themen und ihr Umfang orientieren sich vor allem an den praktischen Erfordernissen und am Stand des Wissens. Aus Platzgründen konnte einiges, was den einen oder anderen sicher interessiert hätte, nicht aufgenommen oder erschöpfend behandelt werden; hier wird auf die Buchreihe»DTB-Trainerbibliothek«verwiesen. Lehrpläne dieser Art sind vor allem durch das Problem gekennzeichnet, Theorie und Praxis angemessen zu verbinden. Im folgenden wird versucht, die theoretischen Zusammenhänge nur so weit darzustellen, daß die praktischen Beispiele begründet werden können und somit auch eine Basis dafür gegeben ist, daß jeder Trainer eigene Übungsformen entwickeln kann. Die angeführten Beispiele stellen deshalb keine Rezepte dar, sie sollen vielmehr als exemplarische Anregungen aufgefaßt werden, die in der Praxis des Trainings

mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unter besonderer Berücksichtigung des Leistungsniveaus und geschlechtsspezifischer Gesichtspunkte flexibel umgesetzt werden sollen. Eine weitere Schwierigkeit eines solchen Lehrplans besteht auch darin, daß nicht alle Erkenntnisse der allgemeinen Trainingslehre ohne weiteres auf den Tennissport übertragen werden können. Deshalb wird im folgenden versucht, so weit wie möglich von einer spezifischen Analyse der Struktur der Sportart Tennis auszugehen. Hauptadressaten des zweiten Teils dieses Bandes sind Trainer und Sportlehrer. Aber auch für jeden am Training und Wettkampf Interessierten soll dieser Band Informationen und Anregungen vermitteln. Die Anregungen sollen auch so verstanden werden, daß sie kritisch überprüft und in der Praxis weiterentwickelt werden können. Denn nicht nur das Spiel unterliegt ständigen Veränderungen, das gleiche gilt auch für die allgemeine und sportartspezifische Trainingslehre. Schließlich soll noch darauf hingewiesen werden, daß dieser Lehrplan als Handbuch im Sinne eines Nachschlagewerkes gedacht ist. Man kann ihn zu bestimmten Themenbereichen und Einzelfragen von Unterricht und Training gezielt zu Rate ziehen, ohne ihn von vorne bis hinten studieren zu müssen. Rüdiger Bornemann Hartmut Gabler Gerhard Glasbrenner Jock Reetz Richard Schönborn Peter Scholl Karl Weber 9

Merkmale des Tennisspiels als Grundlage für Unterricht und Training Gruppierung von Sportarten nach Leistungsanforderungen Die einzelnen Sportarten unterscheiden sich u.a. durch die unterschiedliche Ausprägung der leistungsbeeinflussenden Faktoren. Betrachtet man die Sportarten unter diesem Aspekt, lassen sie sich in Gruppen zusammenfassen. So kann man z. B. fünf Gruppen voneinander unterscheiden: Kampfsportarten (z.b. Boxen, Ringen) Kraft- und Schnellkraftsportarten (z.b. Gewichtheben, Sprünge, Sprint) Ausdauersportarten (z. B. Langstreckenlauf, Rudern) Kompositorische Sportarten (z.b. Geräteturnen, Eiskunstlaufen) Sportspiele (z.b. Fußball, Tennis) D. h., in jeder dieser Gruppen sind bestimmte Faktoren (z. B. Ausdauer oder Schnelligkeit) in besonderem Maße notwendig, um hohe Leistungen erzielen zu können. Trotzdem gibt es innerhalb jeder Gruppe noch viele Besonderheiten, wie unterschiedliche Ausprägungen einzelner Faktoren und deren Zusammenhänge untereinander. Um internationales Spitzenniveau zu erreichen, benötigt ein Spieler ca. 8 bis 10 Jahre. Ist dieses Niveau erreicht, was nur wenigen gelingen kann, dauert es noch ca. 2 bis 4 Jahre, bis der Spieler seine individuelle Höchstleistung erreicht. Diese relativ lange Zeitspanne (ca. 10 bis 14 Jahre) macht deutlich, daß die Entwicklung der leistungsbestimmenden Faktoren im Tennis insgesamt viel Zeit in Anspruch nimmt. Bedenkt man, daß im Tennis eine Vielzahl von leistungsbestimmenden Faktoren von Bedeutung ist, was später im einzelnen noch ausgeführt wird, dann wird deutlich, wie schwierig diese Sportart auch auf niedrigeren Leistungsstufen ist. Spezifische Kennzeichen des Tennisspiels Ball und Schläger Beim Tennis muß man nicht nur ein, sondern zwei Objekte beherrschen - den Ball und den Schläger. Dabei muß über das eine (Schläger) das zweite Objekt (Ball) gesteuert werden. Hinzu kommen spezifische Besonderheiten wie enorme Ballgeschwindigkeiten (bis über 200 km/h) und Schlägergeschwindigkeiten (bis 150 km/h) sowie das Schlägergewicht. Rückschlagspiel Die Besonderheit dieses Rückschlagspiels besteht darin, daß die Spielpartner/Gegner durch ein Netz voneinander getrennt sind und daß es dadurch zu keinem Körperkontakt kommen kann, wie dies z.b. bei Mannschaftssportspielen der Fall ist. Wie auch bei anderen Schläger-Rückschlagspielen ist beim Tennis im Vergleich zu Mannschaftsspielen wie Fußball o.a. (auch Volleyball) ein wesentlicher Unterschied darin zu sehen, daß der Ball jeweils hin- und hergespielt wird. Unterschiedliche Zählweise und Regeln Die traditionelle Zählweise des Tennissports findet man in keiner anderen Sportart wieder. Die Besonderheit der Zählweise und der Regeln besteht vor allem darin, daß jedes Spiel in jedem Satz von neuem beginnt und daß deshalb ein Spieler auch bei sehr hoher Führung im Satz oder Match seines Sieges noch keineswegs sicher sein kann. 10

Merkmale des Tennisspiels Keine Zeitbegrenzung eines Matches Die meisten Sportarten haben eine festgelegte oder zumindest eine ziemlich genau absehbare Zeitabgrenzung. Ein Tennismatch kann beim Spiel über zwei Gewinnsätze zwischen ca. 30 Minuten und 3 1 / 2 Stunden dauern; ein Match über fünf Sätze überschreitet u. U. die 5 Stunden. Schon diese unterschiedliche Matchdauer fordert von den Spielern eine Reihe von Eigenarten, die bei anderen Sportarten gar nicht oder nur begrenzt in dieser Qualität und in diesem Umfang auftreten. Intervallartige Belastung Die Ballwechsel erstrecken sich über 20 bis 25% der Spieldauer (auf Sand). Der Rest des Matches besteht aus Pausen. Turniercharakter und ganzjährige Saison Das Wettkampftennis besteht aus Turnieren und aus Mannschaftswettkämpfen. Die Turniere werden in der Regel in Form von Ausscheidungswettbewerben (K.-o.-System) gespielt. Der Spieler muß hierbei im allgemeinen pro Tag mindestens ein Match absolvieren. Die internationalen Turniere dauern meistens eine Woche, die»grand-slam- Turniere«sogar zwei Wochen. Es gibt aber auch dreitägige Veranstaltungen (Freitag bis Sonntag), bei denen ein Spieler sogar mehrere Spiele am Tag spielen muß. Bei fast allen Turnieren kommen noch Doppelkonkurrenzen hinzu. Das hat besondere Anforderungen an die Spieler zur Folge. Oft werden ganze Turnierserien gespielt, bei denen für die einzelnen Veranstaltungen sogar von Kontinent zu Kontinent gewechselt wird oder bei denen sich Turniere im Freien und in der Halle abwechseln. Die zunehmende Professionalisierung des Turniertennis und die damit verbundene Abhängigkeit der Spieler von Ranglistenergebnissen führt zu einer nahezu ganzjährigen Spielsaison für die Besten. Spiel- und Wettkampftätigkeit auf verschiedenen Alters- und Leistungsstufen Im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten kann man organisiertes Wettkampftennis in nahezu jedem Alter und auf jeder Leistungsebene ausüben. Viele ehemalige Spitzensportler aus anderen Sportarten steigen nach der Beendigung ihrer Karriere auf Tennis um und versuchen sogar bis ins hohe Alter, Tennis wettkampfmäßigzu spielen. In kaum einer anderen Sportart gibt es so viele aktive Sportler jeden Alters wie im Tennis. Der Tennissport aus breitensportlicher Perspektive Der Tennissport ist in erster Linie Breitensport. Tennis kann man mit Freunden, Bekannten, Familienangehörigen, mit Jungen, mit Älteren, zu zweit, zu viert und beim Unterricht in der Gruppe spielen. Tennis kommt vielfältigen Motiven entgegen, z.b. dem Geselligkeits- und Kommunikationsbedürfnis, Leistungsmotiv, Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, Gesundheits- und Fitneßmotiv, Bedürfnis nach Spannung und Entspannung, Bedürfnis nach sportlichem Ausgleich, Wunsch nach Selbsterfahrung. Tennis kann im Freien und in der Halle als Ganzjahressport gespielt werden - und dies ein Leben lang. Tennis ist in diesem Sinne eine sog. Lifetime-Sportart: Dies hängt auch damit zusammen, daß der persönliche Aufwand im Spiel leicht dosierbar ist. Tennis kann man mit geringer Anstrengung spielen, man kann es mit einem weit schwächeren Partner aufrechterhalten, und man kann das Spiel zeitlich stark verkürzen. Man kann sich aber auch mit totalem Engagement in einem Hitzematch gegen einen etwa gleich starken Gegner völlig verausgaben. Schließlich bietet der Tennissport auch deshalb günstige Bedingungen, weil er einen geringen Organisationsgrad aufweist. Im Vergleich zu manch anderen Sportarten kann man dem Tennissport als Hobbysport terminlich relativ flexibel nachgehen, zumal nur ein Spielpartner notwendig ist. Diese Merkmale des Tennisspiels - seine spezifischen Leistungsanforderungen, seine strukturimmanenten Kennzeichen (Ball und Schläger, Rückschlagspiel, Regeln u.a.) und seine breitensportlichen Merkmale - beeinflussen im übergeordneten Sinne den Unterricht und das Training im Tennis. 11

Grundlagen des Tennisunterrichts 12

Grundlagen des Tennisunterrichts Tennisunterricht ist (wie jeder Unterricht) eine Veranstaltung geplanten und organisierten Lernens, die mit pädagogischen Zielen verbunden ist. Die Pädagogik befaßt sich mit der Frage, wie vor allem die Entwicklung heranwachsender Menschen (Kinder und Jugendliche) durch Erziehung sinnvoll beeinflußt werden kann. In zunehmendem Maße befaßt sie sich aber auch mit der Lebensgestaltung erwachsener, älterer und behinderter Menschen. Die Sportpädagogik ist ein Teilgebiet dieser allgemeinen Erziehungswissenschaft und ein Teilgebiet der Sportwissenschaft. Sie bemüht sich um die Zusammenhänge von Sport und Erziehung. Auf den Tennisunterricht bezogen, liefert sie zum einen die theoretische und möglichst wissenschaftlich abgesicherte Grundlage für die Praxis des Unterrichts und gibt zum anderen dem Unterrichtenden (also dem Lehrer) Hilfen dafür, sein Unterrichtsverhalten pädagogisch verantworten zu können. Die pädagogische Verantwortung des Lehrers besteht darin, daß er all seine unterrichtlichen Maßnahmen vorwiegend an der Entwicklung seines Schülers ausrichtet, und nicht etwa, wie man es im Tennis leider immer wieder erlebt, z. B. am Ehrgeiz von Funktionären und Eltern. Pädagogische Verantwortung zu tragen heißt auch, sich um die Gesamtentwicklung des Schülers zu sorgen und nicht nur den Erfolg im Tennis im Auge zu haben. Dieses Problem stellt sich für den Trainer besonders, wenn es z.b. um die Entscheidung geht, ob sein Schüler frühzeitig die Schullaufbahn zugunsten einer Profitenniskarriere aufgeben soll. Einleitend wurde schon gesagt, daß der Tennisunterricht eine Veranstaltung geplanten und organisierten Lernens ist, die mit pädagogischen Zielen verbunden ist. Von diesem Ansatz lassen sich drei Merkmale ableiten, die den Tennisunterricht kennzeichnen: Lernziele und Inhalte des Unterrichts (Didaktik) Bedingungen des Unterrichts Planen, Organisieren und Durchführen des Unterrichts (Methodik) Die Didaktik befaßt sich vor allem mit den Zielen und Inhalten des Unterrichts. Lernziele sind technische, taktische, konditionelle und psychische Fertigkeiten, aber auch Kenntnisse über Regeln und Strukturen des Tennissports sowie soziale Kompetenzen wie z.b. Fairneß und Kameradschaftlichkeit. Die Inhalte des Unterrichts bestehen dementsprechend aus Übungen im Technik-, Taktik-, Konditionsbereich usw. Es können aber auch Gespräche sein, um bestimmte Einstellungen des Schülers kennenzulernen und zu entwickeln. Im Zentrum der Inhalte des Unterrichts steht die Tennistechnik (Schlagtechniken, Beinarbeit) mit ihren verschiedenen Lösungsmöglichkeiten für taktische Aufgaben - unabhängig davon, in welchem Rahmen der Tennisunterricht (ob im Verein, in der Schule oder in einer kommerziellen Einrichtung) stattfindet. Denn das oberste didaktische Ziel ist stets, die Spielfähigkeit zu erreichen und zu verbessern, sowohl im Sinne des Miteinander- als auch des Gegeneinanderspielens. Es ist deshalb wichtig, daß der Lehrer die Tennistechnik gemäß ihrer Struktur angemessen vermittelt, d.h. beispielsweise besonderen Wert auf das richtige Treffen des Balles (im Zusammenhang mit Beinarbeit, Ausholen, Gewichtsverlagerung und Ausschwung) legt. Die Bewegungslehre als wichtiges Teilgebiet der Sportwissenschaft liefert hierzu die Grundlage (siehe Tennis-Lehrplan Band 1, Technik & Taktik). Je mehr die Ziele im Tennisunterricht nicht nur am Erlernen des Tennisspiels, sondern auch an Leistungssteigerungen ausgerichtet werden, desto mehr ergeben sich Überschneidungen mit dem Bereich der Trainingslehre, die hierfür die Grundlage liefert. In jedem Unterricht muß berücksichtigt werden, welche Bedingun- 13

Grundlagen des Tennisunterrichts gen dem Unterricht zugrunde liegen. So macht es einen Unterschied, ob der Unterricht unter schlechten oder unter günstigen institutionellen (räumlichen, personellen und finanziellen) Bedingungen stattfindet. Unterschiede ergeben sich z. B. auch beim Vergleich des Unterrichts in einem Verein oder in einer kommerziellen Tennisanlage bzw. im Rahmen eines Tenniskurses im Urlaub. Aktuelle Unterrichtsbedingungen ergeben sich durch die Person des Schülers und des Lehrers sowie durch die Beziehungen zwischen Lehrer und Schüler bzw. Schüler und Schüler: Wie sind die Schüler motiviert? Wie lernfähig sind sie? Ist die Gruppe homogen? Welchen Führungsstil bevorzugt der Lehrer? Wie können die Lerneffekte kontrolliert werden? Mit solchen und anderen Fragen befaßt sich die Sportpsychologie. Die Methodik des Tennisunterrichts stellt nun die Lehre von den Vermittlungs- und Aneignungsverfahren (Methoden) dar, das»wie«der Gestaltung der unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse. Während die allgemeine Methodik das behandelt, was für alle Sportarten gültig ist, z.b. das Prinzip»vom Leichten zum Schweren«, versucht die spezielle Methodik, die Erkenntnisse der allgemeinen Methodik auf einzelne Sportarten, in diesem Fall auf das Tennisspiel, zu übertragen. Nach den bisherigen Ausführungen wird deutlich, daß sich die Methodik des Tennisunterrichts vor allem auf die Sportpädagogik, Bewegungslehre, Sportdidaktik, Trainingslehre und Sportpsychologie stützt. Sie befaßt sich also mit der Frage, wie einzelne konkrete Lernschritte schnell erreichbar sind, wie übergreifende Fähigkeiten langfristig zu entwickeln sind, wie Unterrichtsstunden aufgebaut werden können, wie der Unterricht zu organisieren und der Ablauf zu optimieren ist und wie die Lernkontrolle durchgeführt werden kann. Als Grundlage des Tennisunterrichts werden behandelt: Faktoren des Unterrichtsgeschehens (im Sinne eines Überblicks) Lernen (des Schülers) Lehren (durch den Unterrichtenden) Unterschiede von Einzel- und Gruppenunterricht Methodische Konzeptionen (als grundlegende Konzepte des methodischen Vorgehens) Einzelne Unterrichtsmaßnahmen (wie z.b. Korrigieren, Vormachen, Zuspielen) Planung und Durchführung des Tennisunterrichts (auf der Grundlage der vorangegangenen Punkte) Faktoren des Unterrichtsgeschehens Nach diesen einführenden begrifflichen Erläuterungen läßt sich der Tennisunterricht als ein Geschehen auffassen, in dem der Lehrer auf der Grundlage didaktischer Zielvorstellungen versucht, dem Schüler (den Schülern) bestimmte Inhalte mit entsprechenden Methoden zu vermitteln, wobei der Schüler im Zentrum der pädagogischen Bemühungen des Lehrers steht. Anders formuliert: Der Unterricht ist auch als ein interaktives Geschehen zwischen Lehrer und Schüler(n) zu verstehen, in dem sich beide mit den weiteren Faktoren des Unterrichtsgeschehens, den Zielen, Inhalten und Methoden auseinandersetzen, wobei sich alle diese Faktoren gegenseitig bedingen. Die Faktoren können zur Verdeutlichung noch weiter differenziert werden. Zu den einzelnen wesentlichen Faktoren werden im folgenden verschiedene Bedingungen und Eigenschaften aufgeführt. Der (die) Schüler Allgemein-sportliche Voraussetzungen Tennisspezifisches Können Lernbereitschaft Lernfähigkeit Interessen Jeweils in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand Die Ziele Fertigkeiten wie Aufschlag, Vorhand, Lob erwerben und verbessern Taktische Kenntnisse und Verhaltensregeln erwerben und verbessern Fähigkeiten wie Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer verbessern Wissen z. B. über Regeln, Wettspielordnung aneignen Einstellungen, Motivationen entwickeln Wettkämpfe auf bestimmtem Niveau spielen können u.a. Inhalt/Stoff Übungs-, Spiel- und Trainingsformen Technischer Aspekt Taktischer Aspekt Konditioneller Aspekt Psychologischer Aspekt Lehrer Äußere Erscheinung Auftreten Pädagogisches Geschick Tennisspezifisches Wissen und Können Motivations- und Begeisterungsfähigkeit 14

Faktoren des Unterrichtsgeschehens Abb. 1 Erleichterte Aufschlagbewegung: Hochnehmen des Schlägers vor dem Körper (links), Schlagen nach vorne oben (rechts) Der konkrete Ablauf des Unterrichts hängt von all diesen Bedingungen ab, also vom Schüler, den Zielen, den Inhalten und dem Lehrer. Daß sich diese Bedingungen gegenseitig beeinflussen, soll an zwei Beispielen deutlich gemacht werden: Beispiel 1: Ein erwachsener Anfänger möchte gerne das Tennisspiel so schnell und gut erlernen, daß er mit seinen Bekannten spielen kann. Zunächst paßt der Lehrer die Lernziele den Interessen und Lernvoraussetzungen des Schülers an. Dann wird der Stoff so strukturiert, daß er den Lernzielen angemessen ist. Beim Aufschlag z.b. könnte das Lernziel vor allem auf Sicherheit ausgerichtet werden. Dies führt dazu, daß Hauptaktion und Hilfsaktionen des Aufschlages (vgl. Tennis-Lehrplan Band 1) wesentlich vereinfacht werden, indem der Schüler den Schläger mit dem Vorhandgriff faßt, ihn vor dem Körper aufwärts führt und ihn schließlich kontrolliert gegen den Ball beschleunigt (Abb. 1). Diese Technik ist schnell zu erlernen und bietet eine relativ große Sicherheit. Sie ermöglicht allerdings kaum schnelle und mit Drall geschlagene Bälle, was im Wettkampf auf mittlerer und höherer Leistungsstufe jedoch erforderlich wäre, und ist deshalb keine allgemein (sondern nur ganz speziell) zu empfehlende Technik. An der Strukturierung dieses Stoffes richtet sich der Lehrer auch aus, wenn er seine Methoden der Stoffvermittlung wählt. So entscheidet er sich in diesem Falle z. B. für die Ganzheitsmethode und bevorzugt die methodischen Maßnahmen des Anweisens, Erklärens und Korrigierens. Beispiel 2: Ein 9jähriger talentierter Junge möchte das Tennisspiel so gut erlernen, daß er gegebenenfalls einmal ein guter Turnierspieler werden kann. Somit ergeben sich spezifische Ziele, die vor allem an den Strukturen des Wettkampftennis orientiert sind. Der Lehrer berücksichtigt in besonderem Maße den körperlichen und psychischen Entwicklungsstand seines Schülers, um ihn angemessen zu fordern (allerdings auch nicht zu überfordern). Er strukturiert den Stoff so, daß ihn der Schüler (Jahre später) optimal im Wettkampf einsetzen kann, d.h., daß er beispielsweise einen Aufschlag lehrt, bei dem der Schläger mit Rückhandgriff in der Hauptaktion steil aufwärts-vorwärts bis zum Treffpunkt des Balles optimal beschleunigt wird (Abb. 2). Dies ermöglicht schnelle und mit Drall geschlagene Bälle. Dazu sind allerdings bestimmte Hilfsaktionen zweckmäßig, wie Schwingen des Schlägers in einen tiefen Punkt der Schleife hinter dem Rücken, Bo- Abb. 2 Optimale Aufschlagbewegung: Beschleunigen des Schlägers aus einer tiefen Schleife (links) steil aufwärts-vorwärts zum Treffpunkt in größtmöglicher Reichhöhe (rechts) genspannung u.a. Eine solche Technik ist schwerer zu erlernen und bedarf ausgeprägter motorischer Grundeigenschaften. Der Lehrer wird also diesen Stoff im Sinne einer langfristigen Planung vermitteln und dementsprechend Übungsreihen anbieten, Bewegungsaufgaben stellen usw. Die Ziele und Voraussetzungen des Schülers sowie die gewählten Methoden der Stoffvermittlung wirken sich schließlich wiederum auf seinen Unterrichtsstil aus. An diesen beiden Beispielen zeigt sich also, daß für den konkreten Unterricht keine Patentrezepte gegeben werden können. Vielmehr muß der Lehrer die verschiedenen Faktoren in ihrer prinzipiellen Wirkung kennen und auf die konkrete Unterrichtssituation anwenden. An dieser Stelle muß deshalb auch darauf hingewiesen werden, daß sich die im Lehrplan Band 1 behandelten Techniken nur auf allgemeine Grundsituationen beziehen. Individuelle Bedingungen und spe- 15

Grundlagen des Tennisunterrichts ^v-'^fl«a zielle Zielsetzungen konnten nur vereinzelt berücksichtigt werden, denn die Vielfalt der möglichen Techniken, die sich ergeben, wenn man Ziele, Situationen und individuelle Bedingungen stark variiert, hätte nicht in übersichtlicher Form dargestellt werden können. Da der Ablauf des Unterrichts von den verschiedenen Faktoren des Unterrichtsgeschehens (Schüler, Lehrer, Ziele u.a.) abhängt, werden diese Faktoren im nächsten Kapitel im einzelnen behandelt. Zunächst wird auf das Lernen der Schüler und auf ihre individuellen Lernvoraussetzungen eingegangen. Dann folgt eine Beschreibung allgemeiner Anforderungen an den Tennislehrer. Der nächste Abschnitt ist je nach den Unterrichtszielen den unterschiedlichen methodischen Konzeptionen (spielorientierte oder technikorientierte Konzeption, Ganzheits- oder Teilmethode, deduktives oder induktives Vorgehen) gewidmet. Dann folgt eine Beschreibung der konkreten Unterrichtsmaßnahmen, wie z.b. Vormachen, Zuspielen, Korrigieren.und Organisieren. Zum Abschluß dieser Grundlagen werden Gesichtspunkte der Planung und Durchführung des Tennisunterrichts beschrieben. Dieser Abschnitt beginnt mit der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile des Einzel- bzw. Gruppenunterrichts. Lernen Ein Tennislehrer, der mit einer Gruppe von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen einen Tenniskurs durchführt, wird nach einiger Zeit Änderungen im Verhalten seiner Schüler erkennen können. Eine ursprünglich nicht gekonnte Bewegung (z.b. ein Topspinschlag mit Vorhand), ein angemessenes taktisches Verhalten (z.b. Angriffsschlag mit der Rückhand) oder aber das Verlieren-Können werden sichtbar. Man sagt in diesem Falle dann: Die Schüler haben etwas gelernt. Lernen stellt ein zentrales Ziel des Unterrichts dar. Dabei ist zunächst zu klären, was unter Lernen verstanden wird und welche Formen des Lernens sich unterscheiden lassen. Anschließend wird versucht, den Vorgang des Lernens zu erklären und Phasen des Lemvorgangs zu beschreiben. Im letzten Teil dieses Kapitels werden individuelle Voraussetzungen des Lernens behandelt. Was heißt Lernen? Unter Lernen versteht man einen Vorgang, der aufgrund der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen zu relativ dauerhaften Veränderungen des Verhaltens, der Einstellungen, der Gewohnheiten und des Könnens führt. Kurzfristige Verhaltensänderungen, die durch Ermüdung, Verletzung, Alkoholkonsum, Drogeneinwirkung oder Motivationsschwankungen zustande kommen, werden nicht als Lernen bezeichnet. Lernen ist ebenfalls zu unterscheiden von Verhaltensänderungen, die durch Vorgänge wie Reifen, Wachsen und Altern bedingt sind. Während es sich bei Reifungs-, Wachstums- oder Alterungsprozessen vorwiegend um endogen (von innen) gesteuerte Vorgänge handelt, werden Verhaltensänderungen im Rahmen von Lernvorgängen primär durch äußere Informationen bzw. durch Erfahrungen hervorgerufen. Was ist der Unterschied zwischen Lernen und Trainieren? Den Unterschied von Lernen und Trainieren kann man sich wie folgt klarmachen: Lernen bezieht sich vor allem auf den (Neu-)Erwerb von Kenntnissen, Einstellungen, motorischen Fähigkeiten oder taktischen Grundmustern. Training bezieht sich auf die planmäßige und systematische Erhaltung, Förderung oder Wiederherstellung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Technik lernen Einen Vorhand-Topspin zu erlernen bedeutet z. B., die Grundform dieser Technik neu zu lernen und anzuwenden. Anwenden heißt, mit dieser neuen Technik eine taktische Aufgabe (z. B. den Ball so zu schlagen, daß er schnell und hoch vom Boden abspringt) lösen zu können und sie im»spiel miteinander«einzusetzen. Taktik lernen Analog zu den einzelnen Techniken, die als Grundmuster zur Lösung von Bewegungsaufgaben zu betrachten sind, heißt Taktik erlernen, taktische Grundmuster erlernen und durchspielen. Taktische Grundmuster sind typische und erfolgversprechende Lösungen für bestimmte Situationen, wie z. B. ein Angriffsschlag longline mit Rückhand-Slice und abschließendem Flugball cross. Voraussetzung für diesen taktischen Spielzug ist allerdings, daß die Gelegenheiten (mögliche Position für den Angriffsschlag longline und Treffpunkthöhe für den Flugball cross) gegeben sind. Der Spieler muß also die Situation wahrnehmen, 16

Lernen beurteilen und entscheiden, ob die Voraussetzungen gegeben sind, und dann entsprechend handeln. Beim Erlernen der Taktik (Durchspielen und Festigen taktischer Grundmuster) spielt das Gegnerverhalten noch keine Rolle. Technik trainieren Technik trainieren bedeutet nun, die erlernte Technik unter erschwerten Bedingungen anzuwenden und im»spiel gegeneinander«einzusetzen. Dies bedeutet nicht, daß kein Lernen mehr stattfindet; denn Lernen bedeutet immer auch Änderung des Verhaltens im Sinne der Anpassung an neue Situationen. Allerdings steht beim Trainieren das Lernen als Ziel nicht im Vordergrund, vielmehr die Anwendung der Technik unter erschwerten Bedingungen. Techniktraining Vorhand-Topspin Auf die Rückhand zugespielte Bälle werden umlaufen und mit Vorhand-Topspin in unterschiedliche Zielfelder (longline, cross) gespielt. Relativ hoch zugespielte Bälle sollen nach dem Aufsprung zunächst im abfallenden, dann im aufsteigenden Ast getroffen werden. Bei diesen Formen des Techniktrainings ist die Situation (Schlagart, Schlagrichtung etc.) weitgehend vorgegeben. Obwohl immer eine taktische Zielsetzung gegeben ist, konzentrieren sich Spieler und Trainer hauptsächlich auf die Technik. Korrekturen beziehen sich auf die zweckmäßige und»richtige«ausführung der Bewegungen. Taktik trainieren Taktik trainieren heißt, die erlernten taktischen Grundmuster unter erschwerten Bedingungen in matchähnlichen Situationen anzuwenden. Das Können und die Position des Gegners werden in die Wahmehmungs-, Beurteilungsund Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Der Spieler kann auch aus verschiedenen Möglichkeiten (Richtung, Schlagtechnik etc.) auswählen, je nachdem, welche Lösung für die Situation günstig erscheint und dem Können des Spielers entspricht. Analog zum»technik trainieren«geht es nunmehr auch hier um das»spiel gegeneinander«. Taktiktraining des Angriffsschlages mit abschließendem Flugball Spieler B erhält die Aufgabe, A so unter Druck zu setzen, daß er selbst mit einem Rückhandschlag angreifen kann. Nunmehr ist er allerdings in seiner Entscheidung frei, cross oder longline anzugreifen und den Flugball cross, longline oder als Flugballstop zu spielen. Dies hängt vor allem auch von der angemessenen Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens des Gegners im Blick auf seine eigenen Möglichkeiten, also von der Interaktionssituation, ab. Die bisherigen Formen des Erlernens und Trainierens haben sich auf den einzelnen Ballwechsel bezogen. Im Tennis erfolgreich zu sein bedeutet jedoch, viele Ballwechsel in ein übergeordnetes taktisches Konzept und in eine Matchstrategie einzuordnen. Taktik trainieren heißt also auch, solche Strategien im Matchtraining oder in matchähnlichen Trainingsformen zu trainieren. Was heißt Üben? Von Üben spricht man, wenn bereits Gelerntes durch wiederholte Ausführung oder durch Anwendung unter verschiedenen äußeren Bedingungen (z.b. Variation von Höhe und Geschwindigkeit des ankommenden Balles) stabilisiert wird. Üben erfolgt sowohl im Rahmen von Lern- als auch von Trainingsprozessen; demnach sind Übungsformen sowohl dem Lernen als auch dem Trainieren zuzuordnen. Einerseits sollten die Unterschiede zwischen Lernen und Trainieren sowie die gleichzeitige Zuordnung des Übens zu Lernen und Trainieren beachtet werden; andererseits ist aber auch noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Übergänge zwischen Lernen und Trainieren fließend sind. Die aufgezeigten Unterschiede sollen dazu helfen, in der Praxis von Unterricht und Training die mit den einzelnen Übungen verfolgten Ziele deutlich zu machen, damit die Schüler auch bewußter lernen können. Da es in der Praxis z. B. auch zwischen dem Technik- und dem Taktiktraining fließende Übergänge gibt, empfiehlt es sich, den Schülern klarzumachen, welcher Schwerpunkt in der Trainingseinheit (eher Technik oder eher Taktik) angestrebt wird. Formen des Lernens Lernvorgänge im Tennis beziehen sich häufig auf das Erlernen von Bewegungsfertigkeiten (motorischen Fertigkeiten), wie z.b. auf das Erlernen des Aufschlags. Motorische Lernformen stellen ein zentrales Ziel des Tennisunterrichts dar. Zum Erwerb einer umfassenden Spielfähigkeit im Tennis sind jedoch neben motorischen Fertigkeiten weitere Fähigkeiten zu erlernen (vgl. Tab. 1, S. 18): Das Entwickeln einer erfolgversprechenden Taktik ist nur dann möglich, wenn der Spieler gelernt hat, 17

Grundlagen des Tennisunterrichts Allgemein Motorische Lernformen Gehen, Laufen, Radfahren Kognitive Lernformen Rechnen, Lesen Emotionale Lernformen sich beherrschen Soziale Lernformen Toleranz Tennisspezifisch (bzw. sportartspezifisch) Schlagtechniken, Beinarbeit Regeln, taktisches Verhalten Niederlagen verarbeiten mit Partner kooperieren Fairneß Tab. 1 Beispiele für Lemformen wie er sich in bestimmten Spielsituationen zu verhalten hat, d.h., wie er sich zwischen verschiedenen Spielmöglichkeiten zu entscheiden hat und welche strategischen Pläne angemessen sind. Solche Lernvorgänge beziehen sich auf Wahmehmungs-, Vorstellungs-, und Denkleistungen und werden als kognitive Lernformen bezeichnet. Die richtige Taktik führt erst dann zum Erfolg, wenn der Spieler - neben den entsprechenden motorischen Voraussetzungen - über emotionale/motivationale Fähigkeiten verfügt. Der Spieler muß z.b. lernen, sich beharrlich anzustrengen, sich bei Ärger zu beherrschen und gegenüber äußeren Einflüssen stabil zu sein. Solche Formen des Lernens werden als emotionales Lernen bezeichnet. Ein Spiel gegen- oder miteinander ist nur dann sinnvoll, wenn gewisse soziale Umgangsformen eingehalten werden. Hierzu zählen das Einhalten von Spiel- und Wettkampfregeln, von informellen Regeln (Fairneß), von Kameradschaftlichkeit u.a. Die aufgeführten Lernformen lassen sich nur theoretisch voneinander trennen. In der Unterrichtspraxis sind sie eng miteinander verbunden. So kann das Erlernen einer bestimmten Schlagtechnik auch an emotionales, kognitives und soziales Lernen geknüpft sein. Der Schüler versucht während des Lernprozesses, sich ein Bild von der Struktur der betreffenden Schlagtechnik zu machen, er benötigt die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und ausdauernd zu üben, und er sollte in der Lage sein, sich innerhalb einer Gruppe zurechtzufinden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß Lernen nicht immer geplant und in einer gezielt herbeigeführten Lernsituation stattfindet (sondern auch so nebenbei erfolgen kann), und daß Lernergebnisse nicht immer positiv sein müssen. So werden häufig unökonomische Bewegungen erlernt und stabilisiert, oder es werden negative emotionale Reaktionen (z.b. Schläger wegwerfen) von Spitzenspielern nachgeahmt. Wie kommt Lernen zustande? Die Vielfalt der Lernformen, der Lernsituationen und der individuellen Voraussetzungen der Lernenden deutet an, daß Lernen auf vielfältige Art und Weise zustande kommt. Deshalb verwundert es nicht, daß es derzeit keine allgemeine Lerntheorie gibt, aus der erkennbar wäre, was sich während des Lernprozesses abspielt. Statt dessen gibt es zahlreiche Lernmodelle mit einem mehr oder weniger engen Erklärungswert. Im folgenden werden vier der bekanntesten Lernmodelle kurz beschrieben und ihre Bedeutung für die Tennispraxis aufgezeigt. Lernen am Erfolg Beim Lernen am Erfolg (das auch mit Lernen nach Versuch und Irrtum, Verstärkungslernen oder Lernen durch operantes Konditionieren bezeichnet wird) wird von folgender Annahme ausgegangen: Folgt einer Reaktion (einem Verhalten) ein verstärkender Reiz (Erfolg), so resultiert daraus eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, daß diese Reaktion später unter ähnlichen Umständen wieder auftritt. Gelingt es z. B. einem Tennisspieler, mit einer bestimmten Griffhaltung den Topspinschlag mit der Vorhand häufig nach seinen Vorstellungen erfolgreich zu spielen, so wird er wahrscheinlich diese Griffhaltung beibehalten. Hat er dagegen mit einer bestimmten Bewegungsausführung häufig keinen Erfolg, so wird er Versuchen, seine Technik zu verändern. In der Unterrichtspraxis liegt Lernen am Erfolg beispielsweise auch dann vor, wenn der Tennislehrer bestimmte Schlagausführungen oder soziale Verhaltensweisen (Reaktionen) seiner Schüler lobt oder tadelt (verstärkender Reiz). Eine erweiterte Form des Lernens am Erfolg stellt das sogenannte Shaping dar. Beim Shaping wird jede Verhaltensweise verstärkt, die in die Richtung des gewünschten Zielverhaltens weist; es wird also nicht gewartet, bis das gesamte Zielverhalten auftritt. Damit ist es möglich, auch komplexere Verhaltensweisen, die in der Regel nicht spontan gelernt werden, durch 18

schrittweise Annäherung zu erlernen. Allerdings beschränkt sich der Anwendungsbereich des Shaping (und erst recht der des»einfachen«lernens am Erfolg) auf eher einfache Lernvorgänge. Es kann kaum erwartet werden, daß die komplexen Anforderungen im Tennis und hierbei insbesondere die Gesamtheit aller Schlagtechniken nur über das Lernen am Erfolg entwickelt werden könnten. Zur Erklärung solcher Lernvorgänge bedarf es deshalb weiterer Theorien des Lernens. Lernen am Modell Hinter der Theorie des Lernens am Modell (Beobachtungslernen) steht die Annahme, daß neue Verhaltensweisen durch Beobachtung des Verhaltens anderer entstehen. Diese im Zusammenhang mit dem Phänomen des sozialen Lernens entwickelte Modellvorstellung wird häufig auch in der Praxis des Lernens von Bewegungen sichtbar. Insbesondere Kinder sind in der Lage, allein durch das Beobachten fremden Verhaltens (z.b. einer sportlichen Bewegung) relativ schnell zu lernen (man spricht in diesem Zusammenhang auch von»lernen auf Anhieb«). Dabei wird ein beobachtetes Verhalten nicht einfach kopiert, sondern vielmehr bewertet und anschließend nachgeahmt oder nicht. So werden im Bereich des motorischen Lernens in der Regel nur Bewegungen von erfolgreichen Sportlern oder anerkannten Trainern nachgemacht. Im Unterricht wird versucht, der Theorie des Lernens am Modell dadurch gerecht zu werden, daß der Lehrer die gewünschten Verhaltensweisen (z.b. richtige Technik) selbst demonstriert oder mit Hilfe von Medien (Filme, Reihenbilder) zeigt. Kognitives Lernen Bei den kognitiven Lerntheorien (z.b. Lernen durch Einsicht) überwiegen Wahrnehmungs-, Vorstellung-, Gedächtnis- und Denkprozesse. Während des Lernprozesses wird versucht, durch die Verknüpfung vorliegender Erfahrungen und Kenntnisse mit aktuellen Gegebenheiten ein bestehendes Problem zu lösen, d.h., das Problem wird vor allem auf gedanklicher Ebene angegangen. Setzt sich z.b. ein Tennisspieler zum Ziel, einen Ball mit starkem Vorwärtsdrall zu spielen, und orientiert sich nicht wesentlich an Vorbildern, dann kann er sich, sofern er über die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, klarmachen, daß eine steile vorwärts-aufwärts gerichtete Bewegung des Schlägerkopfes nötig ist. Dies wiederum ermöglicht ihm, einen geeigneten (an taktischen Konzepten/Strategien orientierten) Handlungsplan zu entwerfen und diesen gezielt auszuführen. Da zur Strukturierung von Problemsituationen mehr oder weniger umfangreiche Vorerfahrungen notwendig sind, sind kognitive Lerntheorien insbesondere für ältere Jugendliche und Erwachsene von Bedeutung. Dies wirkt sich auch auf den Unterricht aus, in dem häufig Bewegungserklärungen gezielteres und schnelleres Lernen ermöglichen. Lernen als»inneres Spiel«Neuerdings wird vor allem empfohlen, das Lernen nicht so sehr am Erfolg, über Vorbilder und mit Hilfe von kognitiven Prozessen aufzubauen, sondern mehr Prozesse des Erlebens, des Erfühlens, des Spielen-Lassens zu betonen. Dabei wird davon ausgegangen, daß Gedanken z. B. an die einzelnen Teile der Bewegung oder an Dinge, die mit der Aufgabe nichts zu tun haben, den Bewegungsablauf stören und demnach auszuschalten sind. Man sollte sich vielmehr auf das»hier und Jetzt«in entspanntem Zustand konzentrieren. Es wird angenommen, daß die Verbindung von Wahrnehmung und Handlung als Einheit zu erleben ist, welche durch keine willentlichen Eingriffe in einzelne Abschnitte des Bewegungsablaufs gestört werden sollte, vielmehr soll der gesamte Bewegungsablauf als in sich stimmig erlebt werden. Ein wichtiges Merkmal dieser Lern-, Übungs- und Spielform ist das»geschehen-lassen«. Phasen des Lernens sportlicher Bewegungen Der Prozeß der Aneignung sportlicher Bewegungen wird häufig in charakteristische Phasen unterteilt. So wird im Verlaufe des Lernprozesses zwischen drei Lernphasen unterschieden: - Erste Lernphase - Entwicklung der Grobkoordination (Grobform) - Zweite Lernphase - Entwicklung der Feinkoordination (Feinform) - Dritte Lernphase - Stabilisierung der Feinkoordination (Stabilisierung) Der Lernende durchläuft diese Phasen in der angegebenen Reihenfolge. Andererseits stellen diese Phasen kein starres Schema dar. Die Übergänge sind fließend, der zeitliche Umfang der einzelnen Phasen ist individuell und dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe gemäß recht unterschiedlich. Erste Lernphase - Grobform Die erste Lernphase umfaßt den Lernverlauf vom ersten näheren 19

Grundlagen des Tennisunterrichts Bekanntwerden mit der neuen Bewegung bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung bei günstigen Bedingungen in der Grobform ausführen kann. In dieser Phase besteht noch kein oder nur ein undeutliches Bewegungsgefühl. Die Verbesserung des Bewegungsablaufs bei den wiederholten Bewegungsversuchen erfolgt vorwiegend über die Orientierung am Ergebnis der Bewegungshandlung und selbstverständlich auch über neue Informationen des Lehrers. Kennzeichen der Grobform Grundtechnik ist sichtbar Überflüssige Mitbewegungen Hastige Ausführung Verkrampfte Ausführung Mangelhafte Verbindung der Teilbewegungen Hoher Konzentrationsaufwand Hoher Energieaufwand (Ermüdung) Konsequenzen für die Lehrpraxis Häufiges und deutliches Demonstrieren Kurze erläuternde Informationen, damit der erste Versuch gelingt Anknüpfen an bekannte Bewegungen (z.b. Aufschlagbewegung vom Wurf ableiten) Hauptaugenmerk liegt auf der Hauptaktion Konzentriertes, aber zeitlich begrenztes Üben der vereinfachten Gesamtbewegung Erste Versuche unter erleichterten Bedingungen (z.b. Schlagen eines ruhenden Balles) Zweite Lernphase - Feinform Die zweite Lernphase umfaßt den Lernverlauf von der Grobform bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung unter günstigen Bedingungen annähernd fehlerfrei (Feinform) ausführen kann. In dieser Phase wird allmählich ein besseres Bewegungsgefühl aufgebaut. Dadurch verbessert sich die Selbstkontrolle während des Bewegungsablaufs. Das verbesserte Bewegungsgefühl ist außerdem mit der eigenen bildlichen Vorstellung von der Bewegung verbunden. Durch neue Informationen und Korrekturen des Lehrers wird diese bildliche Vorstellung umfassender und genauer. Dies hat zur Folge, daß der Bewegungsablauf in seiner räumlich-zeitlichen Abstimmung ständig genauer wird. In zunehmendem Maße soll in dieser Phase dem Übenden die Bedeutung des Bewegungsablaufs als Teil einer übergreifenden Spielhandlung klarwerden. Das bedeutet, daß seine Aufmerksamkeit vermehrt auf die Beobachtung von Partner und Ball gelenkt wird und die Bereitschaft zur flexibleren, situationsangepaßten Anwendung der gelernten Bewegungsabläufe größer wird. Das Verständnis für die taktische Bedeutung der neuen Techniken kann dadurch gefördert werden. Da das Üben zeitlich weiter ausgedehnt wird und ungewohnte Bewegungsabläufe mit den gegebenen körperlichen Voraussetzungen nicht immer bewältigt werden können, ist im Übergang vom Üben zum Trainieren für eine angemessene Berücksichtigung von Kraft-, Schnelligkeits-, Ausdauer-, Beweglichkeits- und Koordinationsübungen zu sorgen. Kennzeichen der Feinform Genaue Ausführung Sichere Ausführung Gute Verbindung von Teilbewegungen Angemessener Konzentrationsaufwand Angemessener Energieaufwand Allerdings noch Unsicherheit und Ungenauigkeit bei extremen Änderungen äußerer Bedingungen Konsequenzen für die Lehrpraxis Intensive und vielseitige Bildinformationen über den Bewegungsablauf (Vormachen, Video, Bildreihe) Genaue Beschreibung Intensives Üben unter weitgehend konstanten Bedingungen Systematische Korrekturen (von groben zu feinen Fehlern) Mentales Üben Bei Beschreibung von Teilbewegungen auf das Bewegungsgefühl hinweisen (Muskelspannung, Schwunggefühl usw.) Teilbewegungen beim Schlagen bewußt beobachten lassen (z.b. Kontrollieren des Winkels zwischen Hand und Schläger beim Ausschwingen!) Teilbewegungen, die normalerweise nicht im Gesichtsfeld liegen, beim Üben ohne Ball wahrnehmen lassen (Absenken des Schlägerkopfes beim Übergang von der Aushol- zur Schlagphase beobachten) Überprüfung der gespeicherten Bewegung, d. h. gezieltes Abfragen von Einzelheiten Verabredete Variationen des Zuspiels hinsichtlich Ballflughöhe, -richtung, -länge und -geschwindigkeit in Verbindung mit genauer Beobachtung der Bewegungen des Zuspielers, Beobachtung des Ballfluges und seines Auf- und Absprunges Üben in spielnahen Situationen (Taktik) Taktikunterricht Arbeit mit Film- und Videomaterial (Strukturierung der Wahrnehmung von Spielsituationen) Techniknahe Konditions- und Koordinationsübungen 20