Stellungnahme zur Beschäftigerhaftung Stand II/2011



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Transkript:

Stellungnahme zur Beschäftigerhaftung Stand II/2011 I. Zielsetzung Verbunden mit Insolvenzen von Arbeitskräfteüberlassern besteht bei den Beschäftigerbetrieben vermehrt das Bedürfnis, darüber informiert zu werden, welche Haftung diese trifft, sollte der Arbeitskräfteüberlasser Löhne nicht ausbezahlen, Abgaben nicht oder nicht gehörig abführen oder im schlimmsten Fall insolvent werden. Sinn dieses Merkblattes ist es daher, Beschäftigerbetriebe über die Haftungsbestimmungen (speziell nach 14 AÜG) aufzuklären und Möglichkeiten zur Reduzierung des Haftungsrisikos bereits bei Vertragsschluss mit dem Arbeitskräfteüberlasser aufzuzeigen. Auf Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG)oder des Wettbewerbsrechts (UWG) wird in diesem Beitrag nicht eingegangen. II. Bürgschaft nach 14 AÜG 1) 14 Abs 1 AÜG- grundsätzliches Haftungsprinzip Gemäß 14 Abs 1 AÜG haftet der Beschäftiger als Bürge für bestimmte Ansprüche die der Überlasser gegenüber seinen Gläubigern nicht erfüllt. Intention dieser Haftungsbestimmung ist es, einerseits den Schutz der überlassenen Arbeitskraft zu gewährleisten und andererseits den Beschäftiger zu einer sorgfältigen Auswahl des Überlassers zu bewegen. 1 Dies soll auch dazu führen, schwarze Schafe unter den Arbeitskräfteüberlassern zu enttarnen. 2 a.) Wann kann der Beschäftiger in Anspruch genommen werden? 1 Vgl. Geppert, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz 180; RIS-Justiz RS0120833. 2 Erläut-RV 450 BlgNr. 17 GP 21. Seite 1 von 11

Diese Haftungsbestimmung setzt voraus, dass der Beschäftiger seine Zahlungspflicht gegenüber dem Überlasser noch nicht erfüllt hat. Nach dem Gesetzeswortlaut haftet der Beschäftiger als Bürge isd 1355 ABGB. Dies bedeutet, dass der Bürge (=Beschäftiger) für die Schuld des Hauptschuldners (=Überlasser) mithaftet, wenn dieser seine Schuld nicht erfüllt. Die Forderung des Dritten besteht zuerst gegen den Hauptschuldner. Der Gläubiger muss also die Schuld (etwa Zahlungsrückstände) zuerst beim Überlasser einmahnen. Diese Mahnung kann auch außergerichtlich erfolgen. Es ist nicht erforderlich, dass der Dritte den Überlasser auf Zahlung klagt. Der Dritte muss dem Überlasser nach der Mahnung einen angemessenen Zeitraum zur Bezahlung der Schuld einräumen. Verstreicht diese Frist, kann der Dritte die Schuld beim Beschäftiger einfordern. 3 Es steht dem Dritten auch zu, den Beschäftiger dann sofort auf Zahlung zu klagen. 4 Zusammengefasst haftet der Beschäftiger nach Abs 1 daher, wenn er seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Überlasser noch nicht erfüllt hat und der Dritte den Überlasser erfolglos gemahnt hat. b.) Wofür haftet der Beschäftiger? Der Beschäftiger haftet für 5 die gesamten Entgeltansprüche, die der überlassenen Arbeitskraft für die Beschäftigung in seinem Betrieb zustehen: Zur Berechnung ist der Zeitraum maßgebend, in welchem die überlassene Arbeitskraft im Betrieb des Beschäftigers eingesetzt war. Konkret ist daher zu fragen, welche Ansprüche der Arbeitskraft für die Zeit der Arbeitsleistung im Beschäftigerbetrieb zustehen. Auszugehen ist vom weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff, sodass auch aliquote Sonderzahlungen (etwa Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration) umfasst sind. 6 die entsprechenden Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung 3 Vgl. Mader/W. Faber in Schwimann, ABGB 3 1355 Rz 1f. 4 Schwarz in Sacherer/Schwarz 2, AÜG 247. 5 Vgl. 14 Abs 1 AÜG. 6 Vgl. Schindler in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar, 14 AÜG Rz 7f. Seite 2 von 11

für die Lohnzuschläge 7 nach dem BUAG 8. c.) Wer kann den Beschäftiger in Anspruch nehmen? Die überlassene Arbeitskraft für Entgeltansprüche Der Sozialversicherungsträger für Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge Die BUAK für Lohnzuschläge. Die Haftung für diese Ansprüche ist betragsmäßig nicht beschränkt. 2) 14 Abs 2 AÜG- Haftungseinschränkung bei Erfüllung der Verpflichtungen Nach 14 Abs 2 AÜG haftet der Beschäftiger nur mehr als Ausfallsbürge, wenn er seine Verpflichtungen aus der Überlassung gegen den Überlasser nachweislich erfüllt hat. a.) Wann kann der Gläubiger den Beschäftiger in Anspruch nehmen? Wenn der Beschäftiger seine Zahlungsverpflichtungen gegen den Überlasser bereits nachweislich erfüllt hat, kann der Beschäftiger vom Dritten nur mehr als Ausfallsbürge gemäß 1356 ABGB in Anspruch genommen werden. Dies bedeutet, dass der Beschäftiger nur haftet, wenn der Gläubiger den Überlasser geklagt und vergeblich gegen ihn Exekution geführt hat. Wenn eine Exekution von vornherein zwecklos ist (etwa weil der Überlasser unbekannten Aufenthaltes ist), kann der Beschäftiger aber sofort in Anspruch genommen werden. 9 b.) Wofür und gegenüber wem haftet der Beschäftiger? Der Umfang der Haftung entspricht jenem nach 14 Abs 1 AÜG. c.) Zusammenfassung 7 Diese sind in der BUAG-Zuschlagsverordnung, BGBl. II Nr. 419/2010, geregelt. 8 Lohnzuschläge wurden mit der Novelle 2009, BGBl. I Nr. 70/2009, in die Haftung aufgenommen. 9 Vgl. Schwarz in Sacherer/Schwarz 2, AÜG 248. Seite 3 von 11

Zusammengefasst haftet der Beschäftiger nach 14 Abs 2 AÜG nur als Ausfallsbürge, wenn er seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Überlasser bereits erfüllt hat und der Dritte den Überlasser geklagt und gegen ihn Exekution geführt hat. 3) 14 Abs 3 AÜG- Haftungsfreistellung im Insolvenzfall Ist der Überlasser insolvent entfällt nach 14 Abs 3 AÜG die Haftung des Beschäftigers als Bürge, wenn die überlassene Arbeitskraft Anspruch auf Insolvenz- Entgelt nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz hat und die Befriedigung der in Abs. 1 erwähnten Ansprüche tatsächlich gewährleistet ist. a.) Wann tritt die Haftungsfreistellung für den Beschäftiger ein? Die Bestimmung ist anzuwenden, wenn gegen den Überlasser ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder der Insolvenzantrag mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde. 10 b.) Für welche Forderungen haftet der Beschäftiger dennoch? Ansprüche der überlassenen Arbeitskraft Der Beschäftiger wird von seiner Haftung in jenem Umfang befreit, in dem die Ansprüche der überlassenen Arbeitskraft durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) gesichert sind. Erhält die Arbeitskraft das ihr zustehende Entgelt zur Gänze vom Fonds, kann sie den Beschäftiger nicht in Anspruch nehmen. Eine Deckung durch den IEF-Fonds könnte beispielsweise nicht gegeben sein, wenn es sich um arbeitnehmerähnliche überlassene Arbeitskräfte handelt 11 oder wenn die Arbeitskraft seit langer Zeit überlassenen ist und ein hohes Einkommen bezieht 12. Ansprüche der Sozialversicherungsträger 10 Vgl. Schwarz in Sacherer/Schwarz 2, AÜG 249. 11 1 ESG 12 Dies aufgrund der Betragsbeschränkung 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG. Seite 4 von 11

Durch den IEF-Fonds werden gewöhnlich nur die Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung bezahlt. 13 Bezüglich dieser ist der Beschäftiger bei Zahlung durch den Fonds- von seiner Haftung befreit. Hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung bleibt die Haftung des Beschäftigers aufrecht. Je nachdem, ob er seine Verpflichtungen gegen den Überlasser erfüllt hat, haftet er gemäß 14 Abs 1 (Bürge) oder Abs 2 (Ausfallsbürge) AÜG. 14 Lohnzuschläge nach dem BUAG Das Insolvenzentgeltsicherungsgesetz sieht vor, dass Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz grundsätzlich vom IEF getragen werden. 15 Die Haftung des Beschäftigers beschränkt sich daher auch hier auf jene Forderungen, die nicht vom IEF getragen werden. c.) Zusammenfassung Zusammenfassend gilt die Haftungsbefreiung nach 14 Abs 3 für den Beschäftiger, wenn der Überlasser sich in Insolvenz befindet und die Forderungen vom Insolvenzentgeltfonds zur Gänze beglichen werden. III. Zurückbehaltungsrecht des Beschäftigers in der Insolvenz? Sachverhalt: Der Beschäftiger hat gegenüber dem Überlasser noch offene Schulden ihv EUR 50.000,00. Der Überlasser hat weder den überlassenen Arbeitnehmern, noch der GKK oder der BUAK Entgelt bezahlt bzw. Beiträge abgeführt. Der Überlasser befindet sich in der Insolvenz. Der Insolvenzverwalter des Überlassers fordert vom Beschäftiger die Bezahlung der offenen Verbindlichkeiten gegenüber dem Überlasser. Variante 1: Die GKK hat den Beschäftiger hinsichtlich der rückständigen Arbeitgeberbeiträge noch nicht in Anspruch genommen. Variante 2: Die GKK fordert vom Beschäftiger EUR 20.000,00. Der Beschäftiger zahlt diese Summe. 13 Vgl. für die genaue Regelung 13a IESG 14 Vgl. Wiesinger, ASoK 2009, 362 (362); Schindler in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar, 14 AÜG Rz 6. Seite 5 von 11

Frage zu Variante 1: Hat der Beschäftiger ein Zurückbehaltungsrecht (Unsicherheitseinrede) gegen den Überlasser, wenn er eine Haftung gegenüber der GKK befürchtet? Es entspricht ständiger Rechtssprechung des OGH 16, dass der Beschäftiger aufgrund der drohenden Bürgenhaftung nach 14 AÜG nicht berechtigt ist, die Erfüllung seiner Vertragspflichten gegenüber dem Insolvenzverwalter (Überlasser) zu verweigern und davon abhängig zu machen, ob der Beschäftiger vom Sozialversicherungsträger in Anspruch genommen wird oder nicht. Auch auf das Zurückbehaltungsrecht nach 1052 ABGB kann sich der Beschäftiger nicht stützen. Gemäß 1052 ABGB kann der zur Vorausleistung Verpflichtete seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn der Erhalt der Gegenleistung durch die schlechte Vermögenslage des Vertragspartners gefährdet ist. 17 Beim Dienstverschaffungsvertrag schuldet der Überlasser die Bereitstellung der Arbeitskräfte und der Beschäftiger die Bezahlung des vereinbarten Entgelts. Die Leistungspflicht des Überlassers aus einem Dienstverschaffungsvertrag ist bereits mit dem Arbeitsantritt der Arbeitskräfte im Betrieb des Beschäftigers erfüllt. 18 Mangels ausständiger Gegenleistung kann der Beschäftiger daher die Unsicherheitseinrede nach 1052 ABGB nicht erheben. Frage zu Variante 2: Ist es zulässig, wenn der Beschäftiger eine Aufrechnung gegen die Forderung des Masseverwalters (=Gemeinschuldner) vornimmt? Konkret: Der Beschäftiger zahlt EUR 20.000 an die GKK und dafür nur EUR 30.000 (statt 50.000) an den Insolvenzverwalter. Nach der Rechtsprechung des OGH 19 ist der Bürge (=Beschäftiger) berechtigt bei Insolvenz des Hauptschuldners (=Überlasser) gegen Forderungen des Gemeinschuldners (=Überlasser) mit seiner (auch aufschiebend bedingten) Regressforderung (=Zahlung an GKK) aufzurechnen. 15 Vgl. für die genaue Regelung 13b IESG. 16 OGH vom 24.09.2008, 2 Ob 261/07g; RIS-Justiz RS 0051731. 17 Vgl. RIS-Justiz RS0021084. 18 OGH vom 24.09.2008 2 Ob 261/07g. 19 OGH vom 03.09.2008, 3 Ob 143/08p. Seite 6 von 11

Zu beachten sind jedoch die insolvenzrechtlichen Vorschriften 20, etwa: das den Rückgriff begründende Rechtsgeschäft (die Bürgschaft 21 ) muss mehr als 6 Monate vor Konkurseröffnung begründet worden sein 22, oder ansonsten der Bürge (=Beschäftiger) hatte von der Zahlungsunfähigkeit des Beschäftigers weder Kenntnis noch musste er diese haben. Die Vorgehensweise in Variante 2 ist daher nach dem OGH grundsätzlich zulässig. 23 Zusammenfassung Dem Beschäftiger steht gegen den Überlasser kein Zurückbehaltungsrecht oder die Unsicherheitseinrede hinsichtlich des dem Überlasser geschuldeten Entgelts zu, wenn einen Haftung nach 14 AÜG befürchtet wird. Eine Aufrechnung des Regressanspruches des Beschäftigers aufgrund von Zahlungen etwa an den Sozialversicherungsträger gegen den Entgeltanspruch des Überlassers ist unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Bestimmungen in der Insolvenz des Überlassers zulässig. IV. Auftraggeberhaftung 24 a.) Rechtsgrundlage Die Regelungen finden sich im AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz (AGH). Dieses wurde durch die Bestimmungen 67a bis 67d, 112a sowie 635 in das ASVG eingefügt. b.) Haftungsgrund Nach 67a ASVG haftet ein Unternehmen wenn es zur Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurde und diesen Auftrag an einen anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt. 20 20 IO. 21 Bürgschaft wird mit vertraglich vereinbartem Überlassungsbeginn der Arbeitskraft begründet. Dies wird hier im Ergebnis wohl bedeuten, dass die überlassene Arbeitskraft mehr als 6 Monate beim Beschäftiger beschäftigt sein musste. 22 20 Abs 2 IO. 23 aa Riel, Forderungsbetreibung bei konkursverfangenen Arbeitskräfteüberlassern, ZIK 2009/6, 2. Seite 7 von 11

Auch die Erbringung von Bauleistungen durch überlassene Arbeitskräfte fällt unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, da auf den Bauleistungsbegriff des 19 Abs 1a UStG abgestellt wird: Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen. c.) Umfang der Haftung Die Haftung bezieht sich auf alle Beiträge und Umlagen die das beauftragte Unternehmen im Zusammenhang mit Bauleistungen an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat. d.) Haftungsausmaß Grundsätzlich haftet der Beschäftiger für alle Sozialversicherungsbeiträge für die überlassenen Arbeitskräfte, welche bis zum Ende des Kalendermonats fällig werden, in dem die gänzliche oder teilweise Zahlung des Werklohnes erfolgt bis zum Höchstausmaß von 20% des geleisteten Werklohnes (=Überlassungsnettoentgelt). Beispiel: Arbeitskräfteüberlasser (Unternehmen C) überlässt im Zeitraum Mai 2010 bis Juli 2010 dem Unternehmen A (Generalunternehmer) Arbeitskräfte zur Erbringung von Bauleistungen. Unternehmen C zahlt vereinbarungsgemäß am 2.9.2010. Unternehmen A haftet im Ausmaß von 20% des am 2.9.2010 geleisteten Nettoentgeltes. e.) Haftungsbefreiung Ob tatsächlich eine Haftung des Beschäftigers besteht hängt davon ab, ob der Arbeitskräfteüberlasser zum Zeitpunkt der Zahlung des Überlassungsentgeltes in die HFU-Liste eingetragen ist. Überlasser ist in HFU-Liste eingetragen 24 Verwiesen wird auch auf die Stellungnahme IV/2009 AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz-Praxistipps für Arbeitskräfteüberlasser der WKO. Seite 8 von 11

Gemäß 67a Abs 3 ASVG entfällt die Haftung, wenn das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in der Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) nach 67b Abs. 6 geführt wird. Überlasser ist nicht in HFU-Liste eingetragen Ist der Arbeitskräfteüberlasser zum Zeitpunkt der Zahlung nicht in der HFU-Liste eingetragen, haftet der Beschäftiger mit 20% des geleisteten Netto- Überlassungsentgeltes. Von dieser Haftung kann sich der Beschäftiger jedoch befreien, wenn er 20 % des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum, welches bei der WGKK eingereicht ist 25, überweist. 26 f.) Anspruchsberechtigter Die Haftung besteht gegenüber dem Sozialversicherungsträger. V. Empfehlungen zur Absicherung des Beschäftigers Das Risiko für den Beschäftiger besteht darin, dass er oft keine Kenntnis hat, ob der Überlasser die Löhne seiner Mitarbeiter bezahlt, oder Sozialversicherungsabgaben und BUAG-Zuschläge abführt. Folgende Maßnahmen können zu einer Minderung des Risikos beitragen: 1. Der Beschäftiger kann vom Überlasser eine von der zuständigen Gebietskrankenkasse und von der BUAK auszustellende Bestätigung, dass keinerlei Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge oder Zahlungsrückstände offen aushaften (landläufig Unbedenklichkeitsbescheinigung), verlangen. 2. Überlässt der Überlasser nicht Mitarbeiter seines eigenen Unternehmens, sondern eines Dritten (Kettenüberlassung) müssten Unbedenklichkeitsbescheinigungen von den tatsächlichen Arbeitgebern eingefordert werden. Der Beschäftiger kann mit dem Überlasser (als Vertragspartner) auch vereinbaren, dass der Überlasser 25 Vgl. 67c ASVG. 26 67a Abs 3 Z 2 ASVG. Seite 9 von 11

ausschließlich eigene Mitarbeiter überlässt (Verbot der Kettenüberlassung) oder, dass der Überlasser eine Haftung nach 14 AÜG vorrangig übernimmt. 3. Erlangt der Beschäftiger vor Bezahlung des Überlassungshonorars Kenntnis von den finanziellen Schwierigkeiten, etwa von Verbindlichkeiten gegenüber der Gebietskrankenkasse, kann der Überlasser eine Zahlungsanweisung an die Sozialversicherung verlangen 27. Bezahlt daher der Beschäftiger seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Überlasser direkt gegenüber der Gebietskrankenkasse, so vermindert er das Haftungsrisiko bei Insolvenz des Überlassers, insofern, als keine Sozialversicherungsbeiträge mehr offen sind und die Löhne und BUAG-Zuschläge meist durch den IEF gesichert sind. Bei Bezahlung des vereinbarten Überlassungsentgelts direkt an den Beschäftiger steht es dem Beschäftiger frei, das Überlassungshonorar zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten im Rahmen seines Betriebes heranzuziehen. Problematisch ist allerdings, dass die Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung unklar oder strittig sein kann. 4. Der Beschäftiger kann bei Bedenken über die Bonität des Überlassers eine KSV- Auskunft über die Zahlungsmoral des Arbeitskräfteüberlassers oder eine Bescheinigung des Finanzamtes (Unbedenklichkeitsbescheinigung), dass keine Abgabenrückstände bestehen anfordern. Es ist sogar denkbar, bei Abschluss des Arbeitskräfteüberlassungsvertrages vertraglich mit dem Überlasser zu vereinbaren, dass dieser ihm zur Absicherung eine Bankgarantie übergibt, die für den Fall der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nach 14 AÜG gelten soll. 5. Zur Absicherung des Beschäftigers im Hinblick auf die Auftraggeberhaftung nach dem ASVG empfiehlt sich, abzuklären ob der Arbeitskräfteüberlasser in der HFÜ-Liste aufgenommen wurde bzw. wenn nicht eine schriftliche Vereinbarung mit dem Überlasser zu treffen, dass 20% von seinem zustehenden Nettoentgelt an das Dienstleistungszentrum WGKK überwiesen werden. Diesen Betrag erhält der Arbeitskräfteüberlasser mittels Rückzahlungsantrag rückvergütet. 27 Hinzuweisen ist darauf, dass der Masseverwalter auch derartige Leistungen unter dem Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit zu prüfen hat. Seite 10 von 11

V. Zusammenfassung Die Haftung des Beschäftigers gemäß 14 AÜG wird bereits durch die vollständige Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Überlasser bereits minimiert. Auch im Insolvenzfall des Überlassers haftet der Beschäftiger als Bürge oder Ausfallsbürge nur für jene offenen Forderungen, die nicht durch den IE-Fonds gedeckt sind. Eine erhebliche Reduzierung des Haftungsrisikos kann auch durch sorgfältige Auswahl des Überlassers erreicht werden. Nicht zuletzt trägt auch die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigungen durch den Arbeitskräfteüberlasser zur Reduzierung des Risikos bei. Auch bezüglich der Auftraggeberhaftung nach dem ASVG ist es für den Überlasser möglich, das Haftungsrisiko entsprechend zu entschärfen. In den Fällen der Inanspruchnahme des Beschäftigers (Haftung) sowie der Abgabe einer Aufrechnungserklärung ist es stets ratsam, eine Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Dies vor allem aufgrund der oftmaligen Komplexität des Sachverhaltes oder der strittigen Höhe der Verbindlichkeiten. Seite 11 von 11