Basel II und die Entwicklungsländer



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Transkript:

- 1 - Basel II und die Entwicklungsländer Markus R. Algner/Harald J. Bolsinger Diskussionspapier Die Auswirkungen der geplanten Neufassung der bestehenden Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) hat in den vergangenen zwei Jahren für rege Diskussion gesorgt. Nachdem von vielen Seiten die Folgen für den Bankensektor der Industrieländer und für Unternehmen analysiert wurden, zeigen die Autoren mögliche Konsequenzen für die Kapitalversorgung in Entwicklungsländern auf. Dipl.-Kfm. Harald J. Bolsinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Entwicklungspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg und beschäftigt sich unter anderem mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung ärmster Länder. Forschungsschwerpunkte von Dipl.-Kfm. Markus R. Algner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Genossenschaftswesen an der Universität Erlangen-Nürnberg, sind neue Finanzierungsstrategien im Zusammenhang mit Basel II und Unternehmensrating. 1. Basel I als Antwort auf die Schuldenkrise Bereits 1988 wurde vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 1 die geltende Eigenkapitalvereinbarung mit dem Umsetzungstermin 1992 veröffentlicht. 2 Durch den weltweiten Verdrängungskampf im Bankensektor war das Eigenkapital international tätiger Banken auf einen gefährlich tiefen Stand gefallen. Wesentlicher Hintergrund dazu war die Schuldenkrise der 80er Jahre, die die notorische Unterfinanzierung im Rahmen der Reinvestition von Petro-Dollars in Entwicklungsländern vor allem der USamerikanischen Banken enthüllte, die in besonderem Maße vom Ausfall verschiedener souveräner Großschuldner betroffen waren. Die Besorgnis der Zentralbankpräsidenten hinsichtlich dieser Entwicklung war ausschlaggebend für eine Regelung, die Banken verpflichtet, für vergebene Kredite einen Mindeststandard an Eigenkapital zu hinterlegen. Forderungen werden entsprechend ihrer Schuldnerkategorie zu einem Korb risikogewichteter Aktiva zusammengefasst. Diese Aktiva sind pauschal mit mindestens 8 % Eigenkapital zu hinterlegen. Kredite an OECD-Staaten sind durch eine Null- 1 Dieser Ausschuss von Bankenaufsichtsbehörden und Zentralbanken wurde 1974 von den Präsidenten der Zentralbanken der G10-Länder ins Leben gerufen. Gegenwärtig sind in diesem Gremium hochrangige Vertreter der Bankenaufsicht der zwölf wichtigsten Industrieländer (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Schweiz, USA und Großbritannien) vertreten. Der Baseler Ausschuss ist eingegliedert in die 1930 gegründete Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), welche als weltweites Forum für Zentralbanken dient und in Finanzkrisen unterstützend tätig wird. 2 Basle Committee on Banking Supervision (Ed.): International Convergence of Capital Measurement an Capital Standards, Basle 1988.

- 2 - Gewichtung nicht mit Eigenkapital zu hinterlegen, Kredite an Nicht-OECD-Staaten werden jedoch mit einem Gewicht von 100 % berücksichtigt. Somit ergibt sich für Staaten ein faktischer Druck zur Mitgliedschaft in der OECD, um nicht durch die Eigenkapitalanforderung der Banken (8 % bezogen auf das Kreditvolumen) höhere Konditionen in Kauf nehmen zu müssen. Durch Basel I sollten neben der Gewährleistung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung zur Absicherung der Kreditrisiken auch einheitliche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Zwar besteht kein völkerrechtlicher Zwang zur Umsetzung der Baseler Vorschläge, jedoch finden die Regelungen weltweit in über 100 Ländern Anwendung. Insofern kann durchaus von einem globalen Bankenstandard gesprochen werden. Ein wesentlicher Kritikpunkt an Basel I ist die undifferenzierte Betrachtung des Kreditrisikos. Zwar werden einzelne Schuldnerkategorien (Staaten, Banken, Realkredite, sonstige) unterschieden, eine Berücksichtigung der Bonität des Schuldners erfolgt jedoch nicht. Die Kalkulation der Kredite steht nicht in Zusammenhang mit dem Risiko des Engagements. Somit bleiben Diversifikationseffekte, die sich durch ein risikooptimales Kreditportfolio der Bank ergeben, unberücksichtigt. Zudem wirken sich kreditrisikominimierende Maßnahmen ungenügend auf die Kapitalanforderung der Banken aus. Das Bestreben eines Kreditinstituts nach einer risikogerechten Ausrichtung der Geschäfte wird nicht belohnt. 3 Schon Basel I führte zu Verzerrungen im Kreditmarkt, welche von vielen Entwicklungsländern als unredlich empfunden wurden. Aus Sicht eines Entwicklungslandes kann beispielsweise die Einteilung in OECD und Nicht-OECD-Mitglieder bezüglich der Risikogewichtung als marktverzerrender Anreiz für eine OECD-Mitgliedschaft interpretiert werden. Die niedrige Risikogewichtung von lediglich 20 % bezüglich kurzfristiger Darlehen an emerging markets führte zu verstärkter Nutzung dieser Finanzierungsmöglichkeit, während Kredite an Nicht-OECD-Mitglieder mit Laufzeiten über einem Jahr durch eine Risikogewichtung von 100 % bestraft wurden, was einer Eigenkapitalhinterlegung von 8 % entspricht. Die verheerenden Auswirkungen einer Finanzierungspraxis, welche hauptsächlich auf kurzfristigen, reversiblen Darlehen aufgrund deutlich niedrigerer Risikogewichtung beruht, kommen erst in Krisenzeiten zum Vorschein. Die Asienkrise 1997/98 demonstrierte eindrücklich, welch gefährliche Fragilität mit fristeninkongruenter Finanzierung aufgebaut wird, und welch krisenverstärkenden Effekte diese Praxis mit sich bringt. 4 3 Vgl. exemplarisch Heinke, E. : Basel II Risikoorientierte Banksteuerung als Fundament einer neuen Bankenaufsicht, in: Mitteilungen und Berichte, Jg 33 (2002), Nr. 86, S. 49 f. 4 Griffith-Jones, S. / Cailloux, J. (1998)

- 3 - Die Vorschläge im Rahmen von Basel II beinhalten ebenfalls signifikante negative Auswirkungen auf die Lage der Entwicklungsländer, was schon allein darin begründet liegt, dass hauptsächlich Anforderungen von großen Banken der G-10, welche im Baseler Ausschuss über ihre Zentralbanken vertreten sind, im Vordergrund der Diskussion stehen. Hauptverantwortlich für die Lage der Entwicklungsländer zeichnen die weitaus differenzierteren Risikomessungsmethoden, weswegen diese näherer Betrachtung bedürfen. 2. Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) umfassendes und adäquates Risikomanagement? Die nunmehr überarbeitete Form der Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) wurde der Öffentlichkeit erstmals im Juni 1999 präsentiert und sollte den Kritikpunkten von Basel I entgegenwirken. Im Januar 2001 erschien ein zweites Konsultationspapier, welches Basis für Stellungnahmen seitens interessierter Parteien darstellte. 5 Nachdem weit über 250 Stellungnahmen dem Ausschuss vorliegen 6 und weiterhin noch nicht endgültig über alle Nachbesserungswünsche entschieden worden ist, soll die endgültige Fassung im Laufe des Jahres 2003 vorliegen. Im Juli 2002 wurden wichtige Änderungen an den Vorschlägen von 2001 vorgenommen. Vor allem die stark differenzierte Behandlung bei der Eigenkapitalunterlegung bezüglich unterschiedlich komplexer interner Risikomessungsmethoden wurde reduziert und die mögliche zyklische Funktionalität durch interne Risikomessungsmethoden überdacht. Mit einer quantitativen Analyse der potenziellen Auswirkungen bei verschiedenen Banken soll ab 1. Oktober 2002 begonnen werden. Die Ergebnisse aus dieser nunmehr dritten Studie bilden die Grundlage für die Konkretisierung der Baseler Vorschläge im zweiten Quartal 2003, welche nach einer weiteren Diskussionsrunde Ende 2003 abgeschlossen sein soll. Die Umsetzung ist geplant Ende 2006, so dass den teilnehmenden Banken eine Dreijahresfrist zur Implementierung der neuen Anforderungen zur Verfügung steht. 7 Dabei verfolgt Basel II werden folgende Ziele: 8 5 BIZ Bank für internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001. Grundlage des Beitrags ist dieses Konsultationspapier. 6 Die Stellungnahmen sind abrufbar im Internet. Vgl. bis.org. 7 Vgl. Basel Committee reaches agreement on New Capital Accord issues, 10. Juli 2002, www.bis.org, in: Press releases 2002 > New Capital Accord issues. 8 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Überblick über die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 29.

- 4 - Förderung der Sicherheit und Solidität des Finanzwesens; Beibehaltung der gegenwärtigen Eigenkapitalausstattung des Bankensystems; Verbesserung der Wettbewerbsgleichheit im Bankensystem; Umfassendere Behandlung der Risiken; Schaffung einer Eigenkapitalausstattung, die dem Risikograd der spezifischen Bankgeschäfte entspricht; Anwendungsschwerpunkt auf international tätige Banken; Eignung aber für alle Institute. Um diese Ziele zu verwirklichen, setzen die neuen Baseler Vorschläge auf drei Grundpfeilern auf. Der erste Grundpfeiler die Mindesteigenkapitalanforderungen besteht bereits seit dem Baseler Akkord von 1988. Weitere neuartige Grundpfeiler bilden bankinterne Risikobewertungsverfahren, welche einer Überprüfung durch Aufsichtsinstanzen unterzogen werden und die Stärkung der Marktdisziplin durch strengere Offenlegungspflichten seitens der Banken. Das Rating Grundlage jeder Bonitätsbeurteilung Als Basis für die Ermittlung des Kreditrisikos dient ein Rating des Schuldners. Ratings stellen Meinungen über die künftige Fähigkeit und rechtliche Verpflichtung eines Emittenten dar, Zins- und Tilgungszahlungen einer von ihm begebenen Schuldverschreibung termingerecht und vollständig zu erfüllen. 9 In der Bankenpraxis versteht man unter Rating meist ein Bonitätsurteil. 10 Das Interesse liegt hierbei in der Bestimmung einer Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Zahlungsstörung, die bereits dann gegeben ist, wenn neben dem vollständigen Ausfall bereits eine Verzögerung im Vollzug der Zahlung auftritt. 11 Das Rating wird in Form einer Note dargestellt. Nachstehende Abbildung gibt einen Überblick über die Ratingeinstufung und deren Bedeutung der marktführenden privatwirtschaftlichen Ratingagenturen Moody s und Standard & Poor s. 9 Vgl. Berblinger, Jürgen: Marktakzeptanz des Rating durch Qualität, in: Büschgen, Hans E./Everling, Oliver (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden 1996, S. 31. 10 Vgl. Everling, Oliver: Rating, in: Gerke, Wolfgang/Steiner, Manfred (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2. Auflage, Stuttgart 1995, Sp. 1602. 11 Vgl. Berblinger, Jürgen: Marktakzeptanz des Rating durch Qualität, in: Büschgen, Hans E./Everling, Oliver (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden 1996, S. 31 f.

- 5 - Moody`s Standard & Poor s Aaa AAA sehr gut: Höchste Bonität, praktisch kein Ausfallrisiko Aa1 Aa2 Aa3 A1 A2 A3 Baa1 Baa2 Baa3 Ba1 Ba2 Ba3 B1 B2 B3 Caa1 Caa2 Caa3 Ca AA+ AA AA- A+ A A- BBB+ BBB BBB- BB+ BB BB- B+ B B- CCC CC Bonitätseinstufung Zwischen den Agenturen geringe Bewertungsunterschiede möglich sehr gut bis gut: Hohe Zahlungswahrscheinlichkeit, geringes Insolvenzrisiko gut bis befriedigend: Angemessene Deckung von Zins und Tilgungszahlung, aber auch Elemente, die sich bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Lage negativ auswirken können befriedigend: Angemessene Deckung von Zins und Tilgungszahlung, aber auch spekulative Charakteristika oder mangelnder Schutz gegen wirtschaftliche Veränderungen ausreichend: Sehr mäßige Deckung von Zins und Tilgung, auch in gutem wirtschaftlichen Umfeld mangelhaft: Geringe Sicherung von Zins und Tilgung ungenügend: Niedrigste Qualität, geringster Anlegerschutz in akuter Gefahr eines Zahlungsverzugs C SD/D zahlungsunfähig: In Zahlungsverzug Tab. 1: Ratingeinstufungen von Moody s und Standard & Poor s 12 Das Ratingurteil über den Schuldner ist gemäß Basel II ausschlaggebend für die risikoorientierte Gewichtung der Forderung bei der Berechnung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderung der betreffenden Bank. Neben dem Kreditrisiko werden das Marktrisiko (seit 1996) und operationelle Risiken berücksichtigt. Formal gilt folgender Zusammenhang: risikogewichtete Aktiva für das Kreditrisiko regulatorisches Eigenkapital + 12,5 x Eigenkapitalanforderungen für Markt- und Operationelles Risiko 0,08 12 In Anlehnung an Keiner, Thomas: Rating für den Mittelstand: Wie Unternehmen ihre Bonität unter Beweis stellen und sich günstige Kredite sichern, Frankfurt am Main 2001, S. 129.

- 6-3. Souveräne Schuldner - Externes und internes Rating Bei der Bonitätsbeurteilung des Kreditnehmers kann die Bank auf externe Ratings von Ratingagenturen (Standardansatz) oder auf intern ermittelte Ratings (IRB-Ansatz) zurückgreifen. Der Zusammenhang zwischen Rating und Eigenkapitalunterlegung für Kredite an souveräne Staaten beim Standardansatz sei anhand folgender Beispielrechnung erläutert. Basel II klassifiziert unter dem Begriff Staat Staatsregierungen, Zentralbanken und sonstige öffentliche Stellen, die von den nationalen Aufsichtsbehörden wie Staatsregierungen behandelt werden. 13 Basis bildet ein unbesicherter Staatskredit über 5.000.000 und eine geforderte Eigenkapitalquote der Bank in Höhe von 8 %. Bonitätsbeurteilung AAA bis AA- A+ bis A- BBB+ bis BBB- BB+ bis B- unter B- nicht beurteilt Risikogewicht 0 % 20 % 50 % 100 % 150 % 100 % Eigenkapitalunterlegung 0 % 1,6 % 4 % 8 % 12 % 8 % [Prozent des Kreditvolumens] Zu unterlegendes 0 80.000 200.000 400.000 600.000 400.000 Eigenkapital [ ] Tab. 2: Eigenkapitalanforderung für Kredite an Staaten in Abhängigkeit vom Rating Alternativ dürfen Banken die Bonitätsbeurteilung selbst durchführen, soweit sie dazu in der Lage sind. Der hiermit nicht zuletzt durch die Einhaltung strenger aufsichtsrechtlicher Vorgaben verbundene Mehraufwand soll durch den Anreiz geringerer Eigenkapitalanforderungen ausgeglichen werden. Als makroökonomische Schlüsselvariablen beim Rating von Staaten sind im Baseler Konsultationspapier BSP-Wachstum, Exporte, Importe, Auslandsschulden, Auslandswährungskonten und Steuerbalance genannt. Neben der ständigen Überwachung der ökonomischen und politischen Entwicklung haben die Banken im Sinne eines ganzheitlichen Ratingansatzes alle für die Beurteilung relevanten Faktoren zu berücksichtigen. 14 Wir unterstellen, dass vor allem privatwirtschaftliche Banken auf ein eigenes Rating von Staaten verzichten und bevorzugt die aufsichtsrechtlich anerkannten und leicht verfügbaren Ratings der führenden Agenturen verwenden, zumal weiche Faktoren wie zum Beispiel Demokratisierung, politische Stabilität, Seuchenaspekte (z. B. AIDS), religiöse Einflüsse oder auch potenzielle terroristische Aktivitäten schwer beobachtbar und quantifizierbar sind. 13 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Überblick über die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 72. 14 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 489-494.

- 7 - Souveräne Schuldner - Entwicklungsländer und ihre Ratings Welche Konsequenzen hat Basel II auf die Kapitalversorgung von Entwicklungsländern? Diese Frage kann zunächst mit einem Ratingszenario ausgewählter Länder mit den entsprechenden Eigenkapitalanforderungen beleuchtet werden: Land Rating Aussicht Risikogewichtung nach Basel II - Standardansatz OECD- Mitglied Argentinien SD 150 % Nein 100 % Brasilien B+ Negativ 100 % Nein 100 % Ecuador CCC+ Stabil 150 % Nein 100 % Indien BB Negativ 100 % Nein 100 % Jamaica B+ Stabil 100 % Nein 100 % Kolumbien BB Negativ 100 % Nein 100 % Malaysia BBB Positiv 50 % Nein 100 % Mexico BBB- Stabil 50 % Ja 0 % Südafrika BBB- Stabil 50 % Nein 100 % Thailand BBB- Stabil 50 % Nein 100 % Tunesien BBB Stabil 50 % Nein 100 % Risikogewichtung (alt) nach Basel I Deutschland AAA Stabil 0 % Ja 0 % Tab. 3: Ratings und Risikogewichtung ausgewählter Länder nach Basel II im Vergleich zu Basel I 15 Aus der Übersicht ist erkennbar, dass Banken für Kredite an Staaten der Entwicklungsländer i. d. R. eine andere Eigenkapitalhinterlegung als bisher vorhalten müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass zusätzliche Anforderungen für das Marktrisiko und das operationelle Risiko vorherrschen, erscheint eine veränderte der Kreditvergabepraxis bezüglich Entwicklungsländern plausibel. 3.1. Der Standardansatz (SA) und seine Auswirkungen Im SA werden die Risikogewichte weiterhin kategorisiert nach souveränem Staat, Bank oder privatwirtschaftlicher Organisation. Die Unterscheidung in OECD-/Nicht-OECD-Land tritt in den Hintergrund und Kreditwürdigkeit wird durch externe Ratinginstanzen beurteilt und mit 15 Vgl. standard-poors.com. Stand: 18.07.2002. Basel II orientiert sich an der Ratingskala von Standard & Poor s. Daher wird für diese Übersicht die Sovereign Ratings List von Standard & Poor s verwendet. Basis bilden Langfristratings für Forderungen in fremder Währung. Ratings für auf heimische Währung lautende Forderungen können oftmals besser ausfallen, werden aber aufgrund der Dominanz des Dollars im internationalen Kapitalverkehr nicht herangezogen.

- 8 - einem breiteren Spektrum von Risikogewichten ausgestattet. Für Souveräne Schuldner gilt folgende Risikogewichtung: 16 Ratingbeurteilung: Vorgeschlagenes Risikogewicht AAA bis AA- A+ bis A- BBB+ bis BBB- BB+ B- bis Schlechter 0 % 20 % 50 % 100 % 150 % 100 % nicht beurteilt Tab. 4: Risikogewichtung für Forderungen an Staaten und deren Zentralbanken im Standardansatz Im Vergleich zu Basel I ergibt sich hier ein völlig neues Bild, da im alten System allein die OECD-Mitgliedschaft ausschlaggebend für eine 0%-Gewichtung bzw. 100%-Gewichtung war. Die Risikogewichtung für Banken soll folgendem Vorschlag folgen: 17 Ratingbeurteilung des Staates (Option 1) Vorgeschlagenes Risikogewicht AAA bis A+ bis A- BBB+ bis AA- BBB- BB+ bis Schlechter nicht beurteilt B- 20 % 50 % 100 % 100 % 150 % 100 % Tab. 5a: Risikogewichtung für Forderungen an Banken (Option 1) Ratingbeurteilung der Bank (Option 2) Vorgeschlagenes Risikogewicht Vorgeschlagenes AAA bis A+ bis A- BBB+ bis AA- BBB- 20 % 50 % 50 % 100 % 150 % 50 % 20 % 20 % 20 % 50 % 150 % 20 % BB+ bis Schlechter nicht beurteilt B- Risikogewicht für kurzfristige Verbindlichkeiten Tab 5b: Risikogewichtung für Forderungen an Banken (Option 2) 16 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 23. 17 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 29.

- 9 - Bei der Einordnung einzelner Banken, sollen die zur Aufsicht bestimmten Akteure zwei Optionen haben. Zum einen ist es möglich, alle Banken eines bestimmten Landes mit einem Risikogewicht zu belegen, welches eine Kategorie schlechter ist, als das Risikogewicht des betreffenden Landes (Option 1), während als zweite Option die Heranziehung der Risikobeurteilung externer anerkannter Ratingagenturen offen steht (Option 2). Die Anreizsetzung zu Gunsten kurzfristiger Refinanzierung ist offensichtlich. Trotz neuer Kriterien, wurde auch im Basel II Vorschlag nicht ausreichend berücksichtigt, dass kurzfristige Auslandsverschuldung einen wesentlichen auslösenden Faktor im Rahmen von Währungskrisen darstellt. Schon in Basel I wurden kurzfristige Darlehen unter einem Jahr Laufzeit derart bevorzugt, dass diese auch ohne OECD-Mitgliedschaft des Heimatlandes der betreffenden Bank mit 20% Risikogewichtung belegt wurden, während längerfristige Darlehen von Nicht- OECD-Ländern 100% Risikogewichtung zu tragen hatten. Folgende Kategorien für Firmenkundschaft sind vorgesehen: 18 Ratingbeurteilung: AAA bis A+ bis A- BBB+ bis Schlechter nicht beurteilt AA- BB- Vorgeschlagenes 20 % 50 % 100 % 150 % 100 % Risikogewicht Tab. 6: Risikogewichte für Forderungen an Unternehmen Im privatwirtschaftlichen Bereich, welcher für Direktinvestitionen verantwortlich zeichnet, sind im Vergleich zu Basel I signifikante Verbesserungen gemacht worden. Anstatt der vormals vorherrschenden 100%-Gewichtung aller Darlehen dieser Kategorie, wird nun eine differenziertere Schuldnerbehandlung ermöglicht. Ein Risikogewicht von 100% für ungeratete Firmen soll steigenden Darlehenskosten für kleine Mittelständler entgegenwirken. In diesem Punkt entsteht unseres Erachtens ein Anreiz zum Ausstieg von schlecht beurteilten Firmen aus dem offiziellen Rating, wodurch sich über adverse Selektion die Risiken im ungerateten Bereich weiter erhöhen können. Verlierer durch die neuen Gegebenheiten im SA sind in erster Linie momentan schlecht geratete OECD-Länder, wie beispielsweise Mexiko, deren OECD-Mitgliedschaftsbonus entfällt 18 Vgl. BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Hrsg.): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung. Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Basel 2001, Tz. 35.

- 10 - und die sich unmittelbar auf ein ihrer Risikosituation eher entsprechendes Risikogewicht einstellen müssen. Trotzdem ist die Streichung des alten OECD-Kriteriums zu begrüßen, zumal es in der Vergangenheit zu kaum mit der tatsächlichen Risikosituation begründbaren Marktverzerrungen geführt hat. Anlass zur Sorge verursachen jedoch die privatwirtschaftlichen Länderratings, welche eine pro-zyklische Wirkung zur Folge haben. Der Informationsvorsprung privater Ratingagenturen in Bezug auf souveräne Schuldner ist weitaus kleiner als der im Rahmen der Beurteilung einzelner Firmen. Demzufolge ist eher eine Tendenz zur nachträglichen Trendbestätigung durch diese Agenturen zu beobachten, denn eine Trendvorhersage, was Marktbewegungen weiter verstärkt. Rating-Agenturen haben in den letzten Krisen wenig Frühwarnpotenzial bewiesen, da ihre Bewertungen größtenteils ebenso fehlerbehaftet und vergangenheitsbezogen war, wie die anderer Marktteilnehmer. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit von verschiedenen Schwellenländerschuldnern erfolgte oftmals in Folge der ohnehin vorherrschenden negativen Einschätzungen durch Investoren und verschärfte auch in diesem Fall die Krise. 19 3.2. Der Interne Ratingansatz (IRB) und seine Auswirkungen Der IRB-Ansatz basiert im Wesentlichen auf drei Elementen. Zum einen sind Risikokomponenten zu definieren wobei die Option besteht, auch auf externe standardisierte Empfehlungen zurückzugreifen zum anderen ist eine Risikogewichtungsmethodik erforderlich, welche die Aggregation und Überführung der Risikokomponenten in explizite Risikogewichte ermöglicht. Als drittes Element dienen Minimalanforderungen, die eine Bank erfüllen muss, um für die Anwendung des IRB-Ansatzes in Frage zu kommen. Hierzu zählt unter anderem eine aussagekräftige Differenzierung von Kreditrisiken, ein vollständiger und unverfälschter Ratingansatz, Überwachungsfunktionen des Ratingprozesses, Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und interne Validierung der Daten. Verpflichtend zur Erfüllung dieser Minimalanforderungen ist die Datensammlung und auswertung durch geeignete Computersysteme, sowie die Bekanntgabe der internen Vorgehensweise zur Überprüfung durch die entsprechenden Aufsichtsorgane. Die Erfüllung dieser Standards erfordert von einigen Banken, dass diese ihr Risikomanagementsysteme grundlegend überarbeiten Basel II empfiehlt dies, in ausreichender Zeit vor der offiziellen Umsetzung der Vorschläge durchzuführen. Viele Banken in Entwicklungsländern sehen sich durch die Anforderungen vor einem nahezu unbewältigbaren Problem. Kurz- 19 UNCTAD (2001): Trade and Development Report. Global Trends and Prospects. Financial Architecture. United Nations Conference on Trade and Development, Genf, S. 98f

- 11 - bis mittelfristig dürfte es kaum möglich sein, Banken, die einem Entwicklungsstand vergleichbarer Institute aus Industrieländern von ca. 1970-80 entsprechen, mit einem derartigen Know-how-Schub zu versorgen, dass diese in die Lage versetzt werden komplexe Ratingansätze intern durchzuführen. Die Zielsetzung aktuelle Risiken mit zeitnaher Sensitivität und großer Akkuratheit zu Bepreisen wird zweifelsohne durch den internen Ratingansatz erreicht, so dass ein Effizienzgewinn für das gesamte Bankensystem unterstellt werden kann. Das ist aber nur eine mögliche Betrachtungsweise. Die Sensitivitätserhöhung bezüglich Risikoveränderungen zieht ebenso systematische Konsequenzen nach sich, so dass Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsektors durch Beschleunigung von Krisen in Kauf genommen werden müssen (Erhöhung der Fragilität). Schwellen- und Entwicklungsländer sehen sich durch den IRB-Ansatz dem Problem gegenüber, dass Bankkredite an diese Länder entweder stark rationiert werden oder deren Schuldendienst unverhältnismäßig stark ansteigt. Es ist wahrscheinlich, dass ein Effekt der neuen Baseler Vorschläge darin liegt, dass sehr schlecht geratete Schuldner (BB und darunter) von Banken, die den IRB-Ansatz nutzen kaum noch Darlehen bekommen können, während moderat geratete Schuldner (BBB und darüber) und gute Schuldner in größerem Umfang als zuvor Darlehen erhalten. Geht man davon aus, dass gerade die schlecht gerateten Schuldner unter den Entwicklungsländern zu finden sind, wird deutlich, dass das Engagement international tätiger Banken in diesen Ländern stark eingeschränkt wird. Für Firmen stellt sich die Lage bei Verwendung der unterschiedlichen vorgeschlagenen Ratingansätze folgendermaßen dar 20 : Ratingklasse Ausfallwahrscheinlichkeit Basel II - SA Basel II IR AAA 0,03 1,6 1,13 AA 0,03 1,6 1,13 A 0,03 4 1,13 BBB 0,2 8 3,61 BB 1,4 8 12,35 B 6,6 12 30,96 CCC 15 12 47,04 Tab. 7: Gegenüberstellung von Risikogewichten bei Krediten an Unternehmen (Alle Werte in Prozent) 20 Jackson, P., Bank capital standards: the new Basel Accord, in: Bank of England, Spring Quarterly Bulletin, S.56, London 2001

- 12 - Es wird eindrücklich deutlich, dass unter einem Rating von BBB vor allem bei Verwendung des IRB-Ansatzes Anreize zur Kreditvergabe stark eingeschränkt werden. Die Betrachtung souveräner Schuldnerklassen ergibt ein ähnliches Bild. Bei Verwendung des standardisierten Ansatzes ergibt sich kaum eine Verschlechterung der Lage für hochverschuldete Entwicklungsländer (siehe Tabelle oben), während der interne Ratingansatz durch viel höhere Kapitalanforderungen den Zugang dieser Länder zum internationalen Kapitalmarkt stark einschränkt. Bedenkt man, dass gerade diese Länder gravierend von diesem Kapitalmarktzugang abhängig sind um etwa Strukturanpassungsprogramme durchzuführen, sind negative Auswirkungen auf deren Entwicklungsprozess nicht mehr von der Hand zu weisen. 4. Implikationen für die Binnenwirtschaft der Entwicklungsländer Binnenwirtschaftlich ist davon auszugehen, dass Banken der Entwicklungsländer in ihren eigenen Märkten eine starke Schwächung ihrer Wettbewerbsposition gegenüber Banken aus den Industrieländern erfahren werden. Kurzfristig verstärkter Wettbewerb international agierender Institute macht Übernahmen von Banken der Entwicklungsländer weitaus wahrscheinlicher, als im derzeitigen Szenario. Es ist sehr wahrscheinlich, dass vor allem die weniger entwickelten Banken aus Entwicklungs- und Schwellenländern zu Beginn der Umsetzung von Basel II den standardisierten Ansatz zur Quantifizierung ihrer Risiken nutzen. Das liegt darin begründet, dass die erforderlichen Einrichtungen für anerkannte komplexe interne Ratingverfahren in diesen Ländern erst in der Entstehung begriffen sind. Darüber hinaus werden bei konsequenter Umsetzung der Ideen aus Basel II weniger modern ausgestattete Banken aufgrund höherer Betriebsrisiken mit erhöhter Kapitalunterlegung belastet. Dies wiederum kann Auswirkungen auf deren mittelständische Kreditnehmer haben. 21 Internationale Banken der Industrieländer als Global Player werden jedoch unverzüglich in der Lage sein, fortgeschrittene Risikomanagementmethoden zu implementieren, welche im Rahmen moderater bis guter Ratingklassen einen geringeren Eigenkapitaleinsatz bei der Kreditvergabe erfordern. Dieser Wettbewerbsvorsprung führt schnell zur oben angesprochenen Konsolidierung des Bankenmarkts mit zunehmendem Einfluss der führenden international aktiven Banken. Reduzieren diese Global Player parallel dazu ihre Kreditvolumina gegenüber den Entwicklungsländern aufgrund der höheren Eigenkapitalanforderungen (wie oben dargelegt), wird der Zugriff aus Entwicklungsländern auf internationales Kapital weiter eingeschränkt. Vor dem Hintergrund, dass fresh money für 21 Cameron, D. Privatkundengeschäft durch Basel II weniger attraktiv. In: Financial Times Deutschland (12. Juni 2001)

- 13 - die wirtschaftliche Entwicklung unbedingt erforderlich ist 22, sollte die Einführungsfrist der neuen Eigenkapitalvorschriften unter Berücksichtigung der Nachteile für Entwicklungsländer verlängert und der Risikogewichtungsabstand zwischen den verschiedenen Verfahren, wie im Juli 2002 beschlossen, weiter verringert werden 23. 22 Vgl. Lachmann, W.: Entwicklungspolitik Band 3, Außenwirtschaftliche Aspekte des Entwicklungsprozesses, München 1994, S. 240. 23 Vgl. Basel Committee reaches agreement on New Capital Accord issues, 10. Juli 2002, www.bis.org, in: Press releases 2002 > New Capital Accord issues.