Vorwort 5 5 Ihr Vermögen in guten Händen Häufig schließen sich an einen Todesfall Erbstreitigkeiten an, vor allem, wenn kein Testament existiert, das die Wünsche des Verstorbenen klar und unangreifbar dokumentiert. Im folgenden Kapitel lesen Sie: weshalb eine Erbfolgeregelung so wichtig ist (S. 6 ff.) und wie das Gesetz ohne Testament oder Erbvertrag regelt, wer wie viel erbt (S. 7 ff.).
6 Ihr Vermögen in guten Händen Weshalb Sie ein Testament verfassen sollten Zum Verfassen eines Testaments sind Sie nicht verpflichtet. Sie brauchen weder ein Testament zu errichten noch einen Erbvertrag abzuschließen. Nur sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass ohne jegliche Vorkehrungen von Ihnen die gesetzliche Erbfolge in Kraft tritt und der Fiskus durch die Erbschaftsteuer einen erheblichen Anteil an Ihrem Vermögen erhalten kann. Möchten Sie also nicht alle Ihre nächsten Verwandten nach der gesetzlichen Erbfolge bedenken, Ihr Vermögen auch Menschen oder Institutionen vermachen, die in der gesetzlichen Erbfolge nicht vorgesehen sind, oder Ihre Ersparnisse möglichst wenig steuerbelastet Ihren Erben zukommen lassen, sollten Sie vorbeugen. Durch ein Testament oder einen Erbvertrag können Sie Ihre Erbfolge individuell regeln. Und durch eine rechtzeitige geschickte Vermögensverwaltung können Sie Freibeträge so nutzen, dass Ihre Erben möglichst wenig versteuern müssen. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, wie Sie Ihre Erbangelegenheiten am günstigsten regeln können und welche Formalitäten und Einschränkungen Sie dabei unbedingt beachten müssen.
Gesetzliche Erbfolge was ist das? 7 Die Versuchung, möglichst wenig an den Fiskus zu verschenken, ist verständlicherweise groß. Vergessen Sie aber nicht, dass Ihr Ehepartner bzw. Ihre Ehepartnerin Sie um einige Jahre überleben könnte. Wenn Sie dann z. B. schon den größten Teil Ihres Vermögens aus Steuerersparnisgründen an Ihre Kinder verschenkt haben, könnte das Folgen für Ihren Ehepartner haben, die Sie in dieser Form gewiss nicht gewollt hätten. Gesetzliche Erbfolge was ist das? Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten also die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach dem Grad ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Erblasser, d. h. zu demjenigen, der etwas zu vererben hat. Es wird nach Ordnungen eingeteilt (das sog. Parentelsystem ). Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge (Kinder und Kindeskinder) des Verstorbenen. Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Gesetzliche Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Gesetzliche Erben der ferneren Ordnung sind die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Verwandte nachfolgender Ordnung sind nur zur Erbschaft berufen, wenn es keinen Verwandten der vorherigen Ordnung gibt.
8 Ihr Vermögen in guten Händen Gesetzliche Erben erster Ordnung Jedes Kind des Verstorbenen bildet mit seinen Kindern und Kindeskindern einen so genannten Stamm. Alle Stämme erben nach der gesetzlichen Erbfolge zu gleichen Teilen. Fällt ein Stammerbteil an mehrere Nachkommen, so werden diese wiederum in Stämme eingeteilt, die zu gleichen Teilen zur Erbschaft berufen sind (d. h. dass ihnen beim Tod des Erblassers ihr Anteil am Erbe zusteht). Innerhalb der Stämme schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling die durch ihn mit dem Verstorbenen verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus. Das bedeutet, dass allein durch die Tatsache, dass er lebt, seine Kinder beispielsweise noch nicht erben. Es sind also in erster Linie die Kinder des Erblassers zur Erbschaft berufen. An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten dessen Abkömmlinge. Schlägt ein Erbe seine Erbschaft aus, so wirkt das so, als sei dieser Erbe nicht mehr am Leben. An seine Stelle tritt der Verwandte, der geerbt hätte, wenn der ursprünglich berufene Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben gewesen wäre. Beispiel Erich Kunz hinterlässt seinen Sohn Holger mit dessen Kindern Horst und Helga sowie seine Tochter Berta mit ihren Kindern Bernd, Birgit und Beate. Holger mit seinen Kindern und Berta mit ihren Kindern bilden jeweils einen Stamm. Hinterlässt Erich Kunz beispielsweise ein Vermögen in Höhe von 120 000, so erhalten die beiden Stämme Holger und Berta jeweils die Hälfte, nämlich 60 000. Ist Holger zur Zeit des Erbfalls bereits verstorben, so erben dessen Kinder Horst und Helga jeweils die Hälfte des Anteils seines Stammes, also 30 000. Berta schließt, da sie noch lebt, ihre Kinder Bernd, Birgit und Beate von der Erbfolge aus,
Gesetzliche Erbfolge was ist das? 9 d. h., Berta erhält 60 000, während ihre Kinder leer ausgehen. Schlägt sie jedoch die Erbschaft aus, so erhalten Bernd, Birgit und Beate jeweils ein Drittel des Erbes aus dem Stamm Berta, also 20 000. Erbanteile ermitteln Bei komplizierteren Familienverhältnissen lassen sich die Erbanteile anhand eines Stammbaums bestimmen. Beispiel Der hochbetagte Erblasser E hinterlässt mehrere Kinder (K), Enkel (E) und Urenkel (UE). Die im Schaubild mit versehenen Abkömmlinge sind vorverstorben, ihre in Klammern angegebenen Erbteilquoten gehen auf ihre Abkömmlinge über. K1 erbt ein Drittel und schließt seine Kinder E1 und E2 von der Erbfolge aus. E3 erhält 1/6, die Hälfte des Erbteils von K2, und schließt seine Kinder UE1 und UE2 von der Erbfolge aus. UE3 und UE4 erhalten zusammen den Erbteil von E4, jeder erhält also 1/12. UE5 erhält den Drittelerbteil von K3, der über E5 auf ihn übergegangen ist. E 1/3 K1 (1/3) K 2 (1/3) K 3 0 E1 0 E2 1/6 E3 (1/6) E4 (1/3) E5 0 UE2 0 UE2 1/12 UE4 1/12 UE4 1/3 UE5
10 Ihr Vermögen in guten Händen Gesetzliche Erben zweiter und höherer Ordnung Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben zur Zeit des Erbfalls keine Erben der ersten Ordnung, aber die Eltern, so erben diese allein und zu gleichen Teilen. Sind Abkömmlinge eines verstorbenen Elternteils nicht vorhanden, erbt der überlebende Elternteil allein. Beispiele Der kinderlose, unverheiratete oder verwitwete Verstorbene hinterlässt seine Eltern und Geschwister. Die Eltern werden jeweils zu einem Halb gesetzliche Erben. Der kinderlose, nicht verheiratete Verstorbene E, der keine Geschwister hat, stirbt nach seinem Vater. Seine Mutter ist Alleinerbin. Gesetzliche Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Leben die Großeltern zur Zeit des Erbfalls und sind keine Erben der ersten und der zweiten Ordnung vorhanden, erben sie wiederum allein und zu gleichen Teilen. Die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge sind gesetzliche Erben der vierten Ordnung. Gesetzliche Erben der ferneren Ordnung sind die entfernteren Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Wie wird der Ehegatte berücksichtigt? 11 Wie wird der Ehegatte berücksichtigt? Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten hängt vom ehelichen Güterstand und vom Grad der Verwandtschaft der außer ihm noch vorhandenen gesetzlichen Erben, z. B. der Kinder, Eltern und Geschwister, ab. Zugewinngemeinschaft Ist nicht in einem notariellen Vertrag etwas anderes vereinbart worden, leben Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall erbt der überlebende Ehegatte neben Verwandten erster Ordnung (also Abkömmlingen des Verstorbenen) die Hälfte, neben Eltern des Verstorbenen und deren Abkömmlingen drei Viertel, neben Großeltern drei Viertel, ansonsten allein. Die Erbanteile bei Gütertrennung Falls die Ehegatten Gütertrennung vereinbart hatten, erbt der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen bei einem Kind die Hälfte, bei zwei Kindern ein Drittel, bei drei und mehr Kindern ein Viertel, neben Eltern und deren Abkömmlingen die Hälfte, neben Großeltern die Hälfte, ansonsten allein. Eher selten: Gütergemeinschaft Bei der nur selten vereinbarten Gütergemeinschaft erbt der überlebende Ehegatte neben Abkömmlingen ein Viertel, ne-
12 Ihr Vermögen in guten Händen ben Eltern und deren Abkömmlingen die Hälfte, neben Großeltern die Hälfte, ansonsten allein. Eingetragene Lebenspartner Nach dem alten Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz waren die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Vergleich zu Ehegatten erheblich benachteiligt. Während Ehegatten hohe Freibeträge und den niedrigsten Steuersatz beanspruchen können, stand Lebenspartnern lediglich ein geringer Freibetrag zu. Sie mussten die Erbschaft zudem nach dem höchsten Steuersatz versteuern. Diese Ungleichbehandlung wurde vom Gesetzgeber durch das reformierte Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, das 2009 in Kraft getreten ist, in wesentlichen Punkten beseitigt. Zwar sind die Lebenspartner nach wie vor der Steuerklasse III zugeordnet, jedoch sind sie nun bei den Freibeträgen und den weiteren Vergünstigungen, z. B. bei der Vererbung von Immobilien, den Ehegatten gleichgestellt. Pflegeleistung wird honoriert Viele Pflegebedürftige werden von ihren Kindern zu Hause gepflegt. Bis zum 31.12.2009 wurde diese Pflegeleistung nur dann beim Erbe berücksichtigt, wenn sie während längerer Zeit und unter Verzicht auf ein eigenes berufliches Einkommen erfolgte. Seit dem 01.01.2010 können Abkömmlinge bei der Erbauseinandersetzung auch dann einen Ausgleich für die erbrachte Pflegeleistung verlangen, wenn sie weiterhin be-
Pflegeleistung wird honoriert 13 rufstätig waren. Voraussetzung ist jedoch, dass für die Pflegeleistung kein angemessenes Entgelt gewährt oder vereinbart wurde. Die Höhe des Ausgleichs wird sich voraussichtlich an den Sätzen der gesetzlichen Pflegeversicherung orientieren. Der Ausgleichsanspruch richtet sich gegen die weiteren Abkömmlinge, die zusammen mit dem Pflegenden als gesetzliche Erben berufen sind oder entsprechend als Erben eingesetzt wurden. Beispiel: Wie erfolgt der Ausgleich? Der verwitwete Erblasser wird jahrelang von seiner Tochter gepflegt, während sich sein Sohn nicht um ihn kümmert. Der Erblasser stirbt, ohne ein Testamen zu hinterlassen. Der Nachlass beträgt 100.000, die Pflegeleistung ist mit 20.000 zu bewerten. Vom Nachlass werden zu Gunsten der Tochter 20.000 abgezogen und der verbleibende Betrag von 80.000 nach den Erbquoten von ½ verteilt. Der Sohn erhält 40.000, die Tochter 60.000. Ausgleichsberechtigt sind nur Abkömmlinge, nicht jedoch z.b. Schwiegertöchter, die oftmals an Stelle der Söhne die Pflege übernehmen. In diesen Fällen sollte eine klare Vereinbarung darüber getroffen werden, wie die Pflegeleistung zu vergüten ist. Die pflegende Person kann aber auch in einem Testament durch ein Vermächtnis begünstigt werden.
14 Ihr Vermögen in guten Händen Welche Erbfolge ist für Sie die richtige? Im Regelfall wird die gesetzliche Erbfolgeregelung nicht Ihren persönlichen Interessen und Wünschen entsprechen. Anhand der folgenden fünf Schritte können Sie das individuell für sich überprüfen. Fünf Schritte zu Ihrem persönlichen Testament 1 In einem ersten Schritt sollten Sie klären, welche persönlichen Ziele Sie bei Ihrer Erbfolgeregelung verwirklichen wollen. Diese Ziele hängen von Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Familiensituation ab. Häufig stehen folgende Ziele im Vordergrund: finanzielle Absicherung des Ehepartners Vermögensübertragung an Kinder oder sonstige Verwandte Zuwendungen an nahe stehende Personen oder Vereinigungen Ausschließung oder Beschränkung von Erb- oder Pflichtteilsansprüchen einzelner Verwandter Reduzierung der erbschaftsteuerlichen Belastung Sicherung der Existenzgrundlage des eigenen Unternehmens Sicherung des Familienbesitzes
Welche Erbfolge ist für Sie die richtige? 15 Zwischen diesen Zielen bestehen Konflikte. So kann beispielsweise der Vermögensübertragung an Ihre Kinder die finanzielle Absicherung Ihres Ehegatten entgegenstehen. Regelungen, die von der Steuerbelastung her vorteilhaft sind (z. B. frühzeitige Vermögensverteilung durch Schenkungen an die Nachkommen), können den überlebenden Ehepartner in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Zur Bestimmung Ihrer persönlichen Erbfolgeregelung sollten Sie deshalb eine Bewertung der einzelnen Ziele vornehmen und eine entsprechende Prioritätenliste erstellen. 2 In einem zweiten Schritt sollten Sie den voraussichtlichen Nachlass in Ihre Überlegungen einbeziehen. Bei komplizierten Eigentums- und Vermögensverhältnissen ist die Erstellung eines ungefähren Bestandsverzeichnisses hilfreich. 3 Im dritten Schritt sollten Sie überlegen, welchen Personen Sie welche Vermögenswerte, Rechte oder Erbschaftsgegenstände zuwenden wollen, um die zuvor geklärten Ziele zu erreichen. Dabei sollten Sie die Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten der zu Bedenkenden berücksichtigen sowie insbesondere bei größeren Vermögenswerten die erbschaftsteuerlichen Belastungen bedenken. 4 Anschließend sollten Sie prüfen, wie sich die gesetzliche Erbfolge auswirkt. So erkennen Sie am besten, welche Abweichungen davon zur Verwirklichung der eigenen persönlichen Ziele erforderlich sind. Danach müssen Sie ermitteln, mit welchen Gestaltungsmitteln in Testamenten oder Erbverträgen Sie die von Ihnen gewünschten Vermö-
16 Ihr Vermögen in guten Händen gensübertragungen regeln können. Dazu müssen Sie sowohl das Pflichtteilsrecht als auch das Erbschaft- und Einkommensteuerrecht berücksichtigen. 5 Im letzten Schritt müssen Sie nun einen Erbvertrag abschließen oder das Testament errichten, wobei Sie selbstverständlich die Mustertexte in diesem TaschenGuide als Vorlagen verwenden können (s. S. 67 ff.).