Rechtsinfo für igz-mitgliedsunternehmen Münster, den 14.11.2008 Änderungen beim Kurzarbeitergeld Chancen für die Zeitarbeit verbessert 1. Was ist Kurzarbeitergeld (KUG)? Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, das im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsentgelt unabhängig von der tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeit zu zahlen. Der Arbeitgeber trägt damit auch das Beschäftigungsrisiko, dass er den Arbeitnehmer entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen einsetzen kann. Der Gesetzgeber hat gesehen, dass in solchen Situationen Unternehmen in Existenzgefahr geraten können und dadurch Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Das KUG dient dem Ziel den Betrieben die eingearbeiteten Arbeitnehmer und den Arbeitnehmern die Arbeitsplätze zu erhalten sowie den Arbeitnehmern einen Teil des durch die Kurzarbeit bedingten Entgeltausfalls zu ersetzen. 2. Welche Chancen auf KUG bestanden bisher für Zeitarbeitnehmer? Durch eine sehr einschränkende Fassung der Durchführungsanweisungen (DA) der Bundesagentur für Arbeit war der Anspruch auf KUG für die Zeitarbeitnehmer faktisch ausgeschlossen. Das wurde damit begründet, dass schwankende Beschäftigungsmöglichkeiten zum typischen Betriebsrisiko von Zeitarbeitsunternehmen gehörten. Dieser Ansicht schloss sich auch die Rechtsprechung an (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.12.2007 - L 13 AL 4932/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.08.2006 - L 12 AL 168/05). Lediglich bei Entfallen sämtlicher Beschäftigungsmöglichkeiten durch ein unabwendbares Ereignis (z.b. Stromsperre) wollte man den Anspruch auf KUG nicht völlig ausschließen. 3. Was hat sich durch die neuen Durchführungsanweisungen grundsätzlich geändert? Mit Information vom 05.11.2008 (Geschäftszeichen: SP III 32 71169 / 71170, siehe Anlage 1) wurden die DA zum Kurzarbeitergeld in der Zeitarbeit ergänzt. Die neuen Durchführungsanwei-
sungen formulieren nunmehr konkrete Voraussetzungen für den Anspruch auf KUG für die Zeitarbeitnehmer, wodurch die Transparenz der Entscheidungen und die Aussichten für die Gewährung des KUG erhöht wird. Allerdings wird nach wie vor die Ansicht vertreten, dass ein Zeitarbeitsunternehmen in besonderem Maße das Risiko für den Bestand der Arbeitsverhältnisse trägt. Die Anforderungen für einen Anspruch auf KUG sind nach wie vor sehr hoch. Allerdings erwähnen die DA die krisenhafte Entwicklung im Finanzsektor. Die DA wurden offensichtlich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung geändert. Deshalb darf man vorsichtig optimistisch sein im Hinblick auf die Ausübung des verwaltungsmäßigen Ermessens. 4. Wie lauten die neuen Anforderungen im Detail? Die DA orientieren sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betriebsbedingten Kündigung (Urteil vom 18.05.2006 2 AZR 412/05) Der Anspruch auf KUG setzt demzufolge voraus, dass nicht nur eine kurze Auftragsschwankung vorliegt, sondern auch in absehbarer Zeit kein Folgeauftrag zu erwarten ist. Ein derartiger Sachverhalt liegt vor, wenn vertraglich vorgesehene Beschäftigungsmöglichkeiten bei Entleihern infolge kurzfristig vorgenommener Produktionseinschränkungen enden und aufgrund einer Prognose anderweitige Einsatzmöglichkeiten in absehbarer Zeit mit der Folge nicht gegeben sind, dass den Arbeitnehmern ordentlich betriebsbedingt nach 1 KSchG gekündigt werden kann. Die erste Voraussetzung dürfte z.b. bei den akut aufgetretenen Produktionseinschränkungen in der Automobil- und Zulieferindustrie zu bejahen sein. Die zweite Voraussetzung knüpft an die genannte Entscheidung des BAG an, in der eine betriebsbedingte Kündigung in der Zeitarbeit nur dann als sozial gerechtfertigt bezeichnet wurde, wenn sie aufgrund eines dauerhaften und perspektivisch anhaltenden Auftragsrückgangs ausgesprochen wird; kurzfristige Auftragsschwankungen und Auftragslücken genügen nicht. Diese Verfestigung des Auftragsrückgangs soll unter daran überprüft werden, ob sich in einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten ab Antragstellung KUG eine Beschäftigungsmöglichkeit abzeichnet. Das erscheint ein ungerechtfertigt strenger Maßstab zu sein, der weit über das hinaus geht, was das BAG in der genannten Entscheidung ausgesprochen hat. Das BAG hat bewusst auf einen festen Prognosezeitraum verzichtet. Das Zeitarbeitsunternehmen hat das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten nachzuweisen. Unter Umständen kann vom Zeitarbeitsunternehmen verlangt werden, dass Mitarbeiter umgeschult oder fortgebildet werden, damit sie in anderen Branchen einsetzbar sind.
Für die Zeitarbeit gilt deshalb die Besonderheit, dass nur eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Null in Betracht kommt, weil der Zeitarbeitnehmer nur dann von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Nicht vorgesehen ist das Modell, dass die Zeitarbeitnehmer im Hinblick auf die Kurzarbeit das gleiche Schicksal erfahren wie die Stammmitarbeiter. Die Zeitarbeitnehmer befinden sich also nicht beim Kunden. 5. Könnte ein gefülltes Arbeitszeit- oder Urlaubskonto dem Anspruch auf KUG entgegenstehen? a) Urlaub Ist der Urlaub bereits festgelegt worden und fällt dieser in die Zeit der Kurzarbeit, wird der Anspruch auf KUG abgelehnt. In der Zeitarbeit dürften solche großzügig für die Zukunft vereinbarten Urlaubszeiten eher selten sein. Fraglich ist, wie die Eintragung in Urlaubslisten beim Kunden zu bewerten ist. Das dürfte jedenfalls dann nicht zur Ablehnung des KUG führen, wenn sich das Zeitarbeitsunternehmen die eigenständige Entscheidung über die Gewährung von Urlaub vorbehält. Denn dann ist der Urlaub durch Eintragung in die Urlaubslisten beim Kunden noch nicht festgelegt worden. Bei noch nicht festgelegtem Urlaub gilt der Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer nicht zugemutet wird, diesen in die Zeit einer Kurzarbeit zu legen, wenn für die Lage des Urlaubs andere Wünsche bestehen. Erfolgt die Kurzarbeit am Jahresende, bestehen höhere Anforderungen für den Arbeitnehmer nachzuweisen, dass er den Urlaub jetzt nicht nehmen kann. Denn grundsätzlich muss der Urlaub bis zum Jahresende genommen werden muss, sofern kein Übertragungstatbestand (betriebliche Gründe; Krankheit) besteht. b) Arbeitszeitkonto (AZK) Vom Arbeitnehmer wird verlangt, dass er sein AZK zunächst abbaut, bevor er KUG in Anspruch nimmt. Der Gesetzgeber sieht für diesen Grundsatz einige Ausnahme vor ( 170 Abs. 4 Satz 3 SGB III). Ein Mindestguthaben ist unberührt zu lassen. Dieses bemisst sich nach dem kleinsten Monatsguthabenwert der letzten 12 Monate. Bsp.: Der Mitarbeiter hatte im letzten Jahr schwankende Guthabenwerte zwischen 50 Stunden und 150 Stunden. Dann muss der Arbeitnehmer den Mindestbestand von 50 Stunden nicht abbauen. 6. Wie viele Arbeitnehmer müssen mindestens betroffen sein? Es müssen im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% betroffen sein. Eine Niederlassung ist dann ein Betrieb im Sinne dieser Vorschrift, wenn dieser eine eigene Leitung hat, die sowohl den arbeitstechnischen Zweck der Überlassung steuert als auch die Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich wahrnimmt. Auch auf eine selbständige Betriebs-
abteilung, etwa die Abteilung Zeitarbeit in einem Mischunternehmen, kann der erhebliche Arbeitsausfall bezogen sein. 7. Haben auch Arbeitnehmer einen Anspruch, deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder durch Aufhebungsvertrag beendet wird? Der Zweck des KUG, die Beschäftigungsverhältnisse zu stabilisieren, ist nicht gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Deshalb besteht in diesen Fällen kein Anspruch. Sofern der Anspruch bereits gewährt wird, endet er im Zeitpunkt der Kündigung oder des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ( 172 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) 8. Wie kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit bewirken? Der Arbeitgeber darf die Kurzarbeit nur anordnen, wenn dazu eine Ermächtigungsgrundlage in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung besteht. Der igz-/dgb-tarifvertrag sieht keine Regelungen für die Kurzarbeit vor. Wegen der geringen Zahl von Betriebsräten in den Mitgliedsunternehmen, dürfte eine Betriebsvereinbarung nur selten zur Grundlage werden. Die Anordnung von Kurzarbeit ist mitbestimmungspflichtig ( 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). In betriebsratslosen Betrieben kann nur aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen eine Verringerung der Arbeitszeit erreicht werden. Durch einseitige Weisung des Arbeitgebers kann Kurzarbeit nicht angeordnet werden. Wegen der auf dem Arbeitgeber lastenden Beweislast, die gerade in der Zeitarbeit im Hinblick auf die Garantie besonders streng ist, ist von mündlichen Vereinbarungen abzuraten. Wenn sich der Arbeitnehmer weigert, kommt im Grunde nur eine Beendigungskündigung in Betracht, da die Arbeitszeit auf Null reduziert wird. Deshalb bleibt kein Raum für eine Änderungskündigung. 9. Was und wo muss beantragt werden? Der Arbeitsausfall ist bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen, in dessen Bezirk der Betrieb liegt. Es ist zu empfehlen, die über die Seite www.arbeitsagentur.de zu erhaltenden Antragsformulare zu verwenden, da auf diese Weise keine entscheidungserheblichen Angaben übersehen werden können (Antragsformular hier eingestellt). Sodann besuchen Vertreter der Arbeitsagentur das Zeitarbeitsunternehmen, ob das Vorliegen der Grundvoraussetzungen im persönlichen Gespräch zu klären. 10. Wie hoch ist das KUG? Verglichen wird das ohne die Kurzarbeit vereinbarte Entgelt (Sollentgelt) mit dem durch die Kurzarbeit entstehenden verringerten Entgelt (Istentgelt) Die daraus entstehende Nettoentgeltdifferenz wird grundsätzlich zu 60% ausgeglichen. Bei Arbeitnehmern, die mindestens ein Kind haben, das nach Steuerrecht zu einem Freibetrag führt ( 32 EStG), erhöht sich die Erstattung auf 67%. Bei einer hier in Rede stehenden Reduzierung der Arbeitszeit auf Null beträgt der Erstattungsbetrag demzufolge insgesamt 60 bzw. 67% des Sollentgelts. Im Einzelnen gibt es hier-
zu komplizierte Berechnungen, für die die Arbeitsagentur Tabellen unter www.arbeitsagentur.de bereit hält. 11. Für welchen Zeitraum wird KUG gewährt? Der Anspruch auf KUG beginnt frühestens in dem Monat, in dem KUG beantragt wurde. Der Bezugszeitraum ist durch eine Verordnung auf 12 Monate für den Zeitraum bis 31.12.2008 festgesetzt worden. Das Kabinett hat eine neue Verordnung für 2009 beschlossen, demzufolge der Bezugszeitraum auf 18 Monate verlängert wird. Der Anspruch entsteht für alle Arbeitnehmer, deren Anspruch bis zum 31.12.2009 entsteht. Demzufolge dürfte die verlängerte Bezugsfrist auch schon für Arbeitnehmer gelten, deren Kurzarbeitergeld vor dem 01.01.2009 beantragt wurde. Die vorstehend genannten Voraussetzungen und Inhalte des KUG sind nicht abschließend, sondern enthalten die wichtigsten Punkte. Bitte beachten Sie zusätzlich die gesetzlichen Vorschriften ( 169-179 SGB III) sowie das Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit (eingestellt unter igz-intern-aktuelles, Meldung vom 13.11.2008. RA Dr. Martin Dreyer (igz-rechtsreferat)