Die Agrarumweltprogramme: eine Bilanz nach zehn Jahren



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Transkript:

Der kritische Agrarbericht 2004 Die Agrarumweltprogramme: eine Bilanz nach zehn Jahren von Frieder Thomas, Elisabeth Hartmann, Rainer Luick und Onno Poppinga Im Zuge der EU-Agrarreform von 1992 hat man sie eingeführt: die Agrarumweltprogramme. Dies war ein wichtiger Schritt, um Ziele des Natur- und Umweltschutzes in die Agrarpolitik zu integrieren. Die bisherige Umsetzung der Agrarumweltmaßnahmen in Deutschland wurde jüngst in einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes analysiert. Die Erfahrungen zeigen, dass agrarökologische Ziele nur dann zu erreichen sind, wenn die verschiedenen Förderprogramme kohärent aufeinander abgestimmt werden (1). Im Jahre 2000 waren in Deutschland rund 4,2 Millionen Hektar in Agrarumweltmaßnahmen integriert, fast ein Viertel der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche (2). Von den 44,5 Milliarden Euro, die die EU 2002 für die Landwirtschaft ausgab, flossen zwei Milliarden Euro (4,5 Prozent) in Agrarumweltmaßnahmen. In Deutschland wurden 1999 Mittel in Höhe von rund 612 Millionen Euro für Agrarumweltmaßnahmen ausgegeben. Dieser Betrag enthält die Anteile von EU, Bund und Ländern. Bezogen auf die 1999 geförderte Fläche waren dies im Durchschnitt 129 Euro pro Hektar (3).Zum Vergleich: die Preisausgleichszahlungen bei Getreide betragen rund 350 Euro je Hektar. Typologie der Programme Die Agrarumweltmaßnahmen werden in Deutschland von den 16 Bundesländern aufgelegt und unterscheiden sich beträchtlich voneinander, je nachdem, ob es sich eher um produktionsbezogene oder um naturschutzbezogene Maßnahmen handelt (Abb. 1). Überwiegend produktionsbezogene Maßnahmen tragen dazu bei, landwirtschaftliche Produktionsformen umweltfreundlich(er) zu gestalten. Die Maßnahmen werden in der Regel flächendeckend angeboten.sie sind nicht auf bestimmte Standorte begrenzt. Es lassen sich verschiedene Ansätze unterscheiden: Die Maßnahme erfasst den gesamten Betrieb (z.b. Förderung des Ökologischen Landbaus). Die Maßnahme erfasst einen bestimmten Betriebszweig mit all seinen Flächen (z.b. Grünlandextensivierung auf dem gesamten Grünland oder Verzicht auf Herbizide im gesamten Ackerbau). Die Maßnahme bezieht sich auf ein bestimmtes Produktionsverfahren (z. B.Mulchsaat,biologische Schädlingsbekämpfungsverfahren, Untersaaten in Mais). Zum Schutz genetischer Ressourcen gibt es Förderprogramme für Zucht und Haltung von bedrohten Nutztierrassen sowie für Zucht und Anbau gefährdeter Nutzpflanzen. Überwiegend naturschutzbezogene Maßnahmen werden für konkrete Einzelflächen angeboten. Ihre Ziele liegen vorwiegend im Arten- und Biotopschutz sowie im Erhalt der Kulturlandschaft. Hier lassen sich folgende Ansätze unterscheiden: Traditionelle Produktionsformen sollen gezielt erhalten werden (z.b. Bewirtschaftung von Streuobstwiesen). Die Bewirtschaftung wird an Naturschutzzielen ausgerichtet (z.b.später Wiesenschnitt).Die erzeugten Produkte können jedoch im landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden (das spät geschnittene Heu ist zwar qualitativ schlecht,kann aber in der Jungviehaufzucht oder in der Pferdehaltung Verwendung finden). Landwirtschaftliches Know-how sowie vorhandener Maschinenbesatz werden bewusst genutzt (Landschaftspflege durch Landwirte,z.B.Mähen von Feuchtwiesen und Entsorgung des nicht weiter verwendbaren Mähgutes). 172

Natur und Umwelt Abb. 1: Typologie der Agrarumweltprogramme Landwirtschaftliche Produktion umweltfreundlich gestaltete Produktionsverfahren Arten- und Biotopschutz Landschaftspflege Nebeneffekt: Produktion oder Nebeneinkommen für Landwirte Begleitende Maßnahmen Informationsveranstaltungen Demonstrationsvorhaben Tab. 1: Kofinanzierungssätze in der Agrarumweltförderung 1 Kofinanzierung durch Alte Länder Neue Länder ohne GAK Kofinanzierung EU 50 % 75 % Bundesland 50 % 25 % mit GAK Kofinanzierung EU 50 % 75 % Bund 30 % 15 % Bundesland 20 % 10 % 1 gemäß VO (EWG) 2078/92 und VO (EG) 1257/1999 (in Prozent vom Gesamtbetrag) (4) Zur Unterstützung der genannten Maßnahmen werden Informationsveranstaltungen und Demonstrationsvorhaben angeboten. Finanzierung Die Kofinanzierung der EU für Agrarumweltmaßnahmen beträgt in der Regel in den westlichen Bundesländern 50 Prozent und in den östlichen Bundesländern 75 Prozent (Tab. 1). Der verbleibende nationale Anteil kann durch die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) kofinanziert werden (60 Prozent Bund, 40 Prozent Land), wenn die Länder die Bedingungen der Gemeinschaftsaufgabe beachten. Die GAK finanziert jedoch naturschutzbezogene Maßnahmen nur dann, wenn sie der Verbesserung der Agrarstruktur dienen. Daraus ergibt sich folgende Grundstruktur der Agrarumweltprogramme der Bundesländer: Extensivierungsmaßnahmen: Kofinanzierung durch EU und Bund; flächendeckend angeboten; Anträge durch Landwirte; Landschaftspflegemaßnahmen: Kofinanzierung durch EU; einzelflächenbezogen; Flächenauswahl durch Naturschutzbehörden; Vertragsnaturschutz: ausschließlich finanziert über Landesmittel; einzelflächenbezogen; Flächenauswahl durch Naturschutzbehörden. In vielen Bundesländern besteht die Tendenz,die bisher ausschließlich länderfinanzierten Vertragsnaturschutzprogramme so umzuformulieren, dass sie in den Genuss einer EU-Kofinanzierung kommen. Durch die zusätzlichen Finanzmittel kann der Umfang der Maßnahmen zwar erweitert werden, jedoch erweisen sich die wesentlich geringere Flexibilität und Zielgenauigkeit der EU-Vorgaben und der hohe Verwaltungs- und Kontrollaufwand als erhebliche Nachteile. Akzeptanz der Agrarumweltprogramme Die einzelnen Maßnahmen werden in der landwirtschaftlichen Praxis in sehr unterschiedlichem Maße angenommen (Tab. 2). Bundesländer, in denen die Programme auf wenig Resonanz stoßen, verweisen auf die Strenge ihrer Programme. An der Förderung des Ökologischen Landbaus nehmen je nach Bundesland zwischen einem und rund fünf Prozent der Betriebe teil. In Bezug auf die Ausschöpfung der Potenzialfläche (Fläche, die theoretisch höchstens in das Programm eingebracht werden kann) erfreut sich die Grünlandextensivierung der größten Akzeptanz. Je nach Ausgestaltung der Programme und regionalen Rahmenbedingungen ist in einzelnen Bundesländern bis zu über 80 Prozent des Grünlandes in grünlandbezogene Maßnahmen integriert. In der ersten Förderperiode haben sich die Ackerbauprogramme in der Regel auf den gesamten Betriebszweig Ackerbau bezogen (z. B. Verzicht auf mineralischen N-Dünger und / oder chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel im gesamten Ackerbau). Sie sind so schlecht angenommen worden, dass sie in einigen 173

Der kritische Agrarbericht 2004 Ländern wieder ausgesetzt wurden.nur in den Bundesländern, in denen der kontrolliert-integrierte Anbau oder aber ein modulares System (Einzelbausteine) angeboten wurden, war die Akzeptanz höher. Der kontrolliert-integrierte Anbau wurde auf 6,2 Prozent (Thüringen) bzw.9,7 Prozent (Rheinland-Pfalz) der Ackerflächen gefördert. Einzelne Bausteine in Baden-Württemberg erfreuen sich bezogen auf die Ackerkulturen,in denen sie angewendet werden konnten noch weitaus größerer Beliebtheit: Mulchsaat 68,7 Prozent, Verzicht auf Wachstumsregulatoren 58,5 Prozent, Begrünung 54,1 Prozent, Erweiterter Drillreihenabstand 35,8 Prozent. Der Umfang der Flächen, der in Arten- und Biotopschutzprogramme eingebracht wird, ist etwa verglichen mit der Grünlandextensivierung selbst in erfolgreichen Bundesländern gering.dies lässt aber kaum Rückschlüsse auf die Akzeptanz zu, da bei diesen Flächen die Potenzialfläche insgesamt gering ist. Nordrhein-Westfalen hat in seinem Evaluierungsbericht genauere Angaben zur Akzeptanz in speziellen Förderkulissen gemacht und durchaus hohe Teilnahmeraten festgestellt: Feuchtwiesenschutzprogramm 54 Prozent, Gewässerauenprogramm und Mittelgebirgsprogramm rund 20 Prozent. Ökologische Bedeutung Bei der Bewertung der ökologischen Bedeutung einzelner Maßnahmen spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: das Ziel, das einer Maßnahme zu Grunde liegt und der Umfang, inwieweit es erreicht wurde; die konkrete Ausgestaltung einer Maßnahme (die Agrarumweltprogramme der Bundesländer unterscheiden sich in Art und Umfang der Auflagen ähnlicher Maßnahmen oft sehr deutlich voneinander, zum Beispiel bei der zugelassenen Düngermenge je Hektar bei der Grünlandextensivierung); die Inanspruchnahme durch die Landwirte. Die ökologisch positiven Effekte des Ökologischen Landbaus stehen für alle Beteiligten außer Frage und wurden daher in den Evaluierungsberichten der Bundesländer zur ersten Förderperiode (bis 2000) meist gar nicht weiter untersucht. Grünlandextensivierungsprogramme dienen schwerpunktmäßig der Grünlanderhaltung insbesondere in Grenzertragslagen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der Kulturlandschaft und der Landschaftsästhetik. Die Akzeptanz ist hoch, so dass ein großer Teil des Grünlands vor Umbruch, Brache, Aufforstung oder Intensivierung geschützt ist. Die Vegetationsentwicklung auf extensivierten Grünlandflächen wird tendenziell als positiv beschrieben, allerdings ist im Vergleich mit Flächen des Vertragsnaturschutzes die Wirkung im Bereich Arten- und Biotopschutz um einiges geringer. Die Maßnahme erfüllt das mit ihr verbundene Ziel der Grünlanderhaltung auf großer Fläche. Aufgrund der weitaus geringeren Gefahr der Erosion und des Austrags von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässer und ins Grundwasser, welche die Grünlandnutzung gegenüber der Ackernutzung hat, trägt diese Maßnahme wesentlich zum abiotischen Ressourcenschutz bei. Im Ackerbau erfahren die Maßnahmen zum reduzierten Mitteleinsatz (z. B. Verzicht auf Herbizide im gesamten Ackerbau) eine so geringe Akzeptanz, dass ihre ökologische Relevanz unbedeutend ist. Von hoher und sogar noch steigender Akzeptanz sowie ökologisch großer Bedeutung sind dagegen die Maßnahmen Begrünung, Zwischenfrucht, Untersaaten oder Mulchsaat : Erosion, Boden-Nitratgehalte und Stickstoffaustrag werden deutlich reduziert. Die Mulchsaat ist allerdings sehr häufig mit einem erhöhten Pflanzenschutzmitteleinsatz verbunden, so dass Vorteile auf der einen mit Nachteilen auf der anderen Seite erkauft werden. Bayern fördert daher die Mulchsaat nur ohne den Einsatz von Totalherbiziden. Die wichtigsten Umwelteffekte der integrierten Anbauverfahren resultieren aus den Einsparungen an mineralischen Düngemitteln, der Reduzierung der Nährstoffgehalte im Boden insbesondere des Nitratstickstoffes sowie aus der Verminderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln durch konsequentes Befolgen von Warndienstaufrufen und durch den Anbau resistenter bzw. toleranter Sorten. In Sachsen konnten im integrierten Gemüseanbau im Durchschnitt 15 Prozent Stickstoff gegenüber der konventionellen N-Düngung und ein bis zwei Pflanzenschutzmaßnahmen eingespart werden. Grundsätzlich führen die in den Agrarumweltmaßnahmen beschriebenen integrierten Anbauverfahren im Vergleich zum konventionellen Anbau nur zu einer geringen Reduzierung des Einsatzes von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln. Allerdings war die Akzeptanz in den Bundesländern, in denen die Maßnahme angeboten wurde, relativ hoch, so dass die Einsparungen im Mitteleinsatz bezogen auf die gesamte Förderfläche durchaus eine ökologische Relevanz besitzen können. Weitaus vielschichtiger gestaltet sich die Bewertung von Maßnahmen im Bereich des Arten- und Biotopschutzes. Hier zwei Beispiele: Die Mehrzahl der Streuobstprogramme dienen der Erhaltung des Status quo. Der Fortbestand dieser wertvollen Lebensräume und wichtigen Elemente der Kulturlandschaft kann jedoch nur gesichert werden, wenn die Programme um die Förderung von Nach- 174

Natur und Umwelt Tab. 2: Relative Inanspruchnahme von Agrarumweltmaßnahmen in den Bundesländern (in%) Bundesland Grünland- Umweltschonende Ökologischer extensivierung 1,2 Ackernutzung 3 Landbau 4 Baden-Württemberg 81,2 siehe unten 4,0 Bayern 66,1 17,2 2,7 Berlin 27,2 n.a. k.a. Brandenburg 46,5 7,4 5,2 Bremen 18,7 n.a. 0,3 Hamburg 11,9 n.a. k.a. Hessen 31,2 n.a. 5,7 Mecklenburg-Vorpommern 23,5 5 n.a. 3,9 Niedersachsen 4,7 n.a. 2,2 Nordrhein-Westfalen 18,2 4,3 2,3 Rheinland-Pfalz 29,4 9,7 1,8 Saarland 54,0 n.a. 5,2 Sachsen 40,5 68,3 1,0 Sachsen-Anhalt 46,4 1,0 1,6 Schleswig-Holstein 2,5 n.a. 1,2 Thüringen 82,6 6,2 1,8 n. a. = nicht angeboten Umweltschonende Ackernutzung in Baden-Württemberg k. A. = keine Angabe Verzicht auf Wachstumsregulatoren: 58,5 Prozent 1 ohne Sondermaßnahmen des Vertragsnaturschutzes Drillreihenabstand: 35,8 Prozent oder Umwandlung von Acker in Grünland Begrünung: 54,1 Prozent 2 bezogen auf die gesamte Grünlandfläche Mulchsaat: 68,7 Prozent 3 bezogen auf die gesamte Ackerfläche Verzicht auf Düngung/Pflanzenschutz: 4,1 Prozent 4 bezogen auf die gesamte landwirtschaftliche Fläche Herbizidverzicht bei Acker- und Dauerkulturen: 3,7 Prozent 5 nur auf ausgewählten Standorten angeboten Quellen: Sachstandsberichte der Bundesländer, mündliche und schriftliche Mitteilungen der zuständigen Ministerien (Daten von 2000 und 2001). pflanzung, Neuanlage und Baumpflege erweitert werden sowie um die Förderung der Fruchtnutzung. Ackerrandstreifenprogramme haben äußerst positive Effekte auf die Flora und Fauna des Agrarraumes,auf die Verbund- und die Regelfunktion der Agrarökosysteme sowie auf das Landschaftsbild. Mit geringem Aufwand können bedeutende Verbesserungen im Artenund Biotopschutz außerhalb von Schutzgebieten erbracht werden. Insbesondere die Bedeutung für Rote Liste-Arten wird von verschiedenen Autoren hervorgehoben. Die ökologische Relevanz ist allerdings gering, da die Akzeptanz bei den Landwirten fehlt. Eine Vereinfachung des Antragsverfahrens sowie angemessene Prämien könnten die Akzeptanz steigern. Organisatorisch-technische Umsetzung Honorierung Der Umfang der insgesamt für Agrarumweltmaßnahmen zu Verfügung stehenden Mittel ist Teil der agrarpolitischen Diskussion; ein substanzieller Ausbau der finanziellen Ausstattung der Programme wird von verschiedenen Interessengruppen gefordert. Die Begrenzung der Anreizkomponente auf 20 Prozent wird von zahlreichen Interviewpartnern kritisiert. Dieser Betrag sei nicht ausreichend,um einen realen Anreiz zu bieten. Die Evaluierungsberichte der Bundesländer gehen in der Regel nur auf die Honorierung einzelner Maßnahmen ein: Die Forderung nach einer Erhöhung der Ausgleichszahlungen durchzieht alle Evaluierungsberichte sowohl auf der allgemeinen Ebene, um die Akzeptanz der Maßnahmen zu erhöhen, als auch auf der konkreten Ebene einzelner Maßnahmen, bei denen explizit ein mangelnder Ausgleich von Ertragsverlust bzw. Mehraufwand festgestellt wird. Eine bundesweite Vereinheitlichung der Ausgleichszahlungen wird insbesondere für den Ökologischen Landbau gefordert, um Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen. 175

Der kritische Agrarbericht 2004 Da nicht alle Fördertatbestände angemessen über flächenbezogene Prämien honoriert werden können (zum Beispiel die Zucht und Erhaltung von bedrohten regionalen Kulturpflanzenarten und -sorten), sollte der Flächenbezug in entsprechenden Fällen gelockert werden. Eine regionale Differenzierung von Ausgleichszahlungen halten zwar viele Evaluierungsberichte und Experten für sinnvoll, allerdings verwaltungstechnisch für zu aufwändig. Vertreter des Ökologischen Landbaus stellen fest, dass durch den Preisverfall im Ökobereich die Prämien nicht mehr ausreichen, um die wirtschaftlichen Nachteile ökologisch wirtschaftender Betriebe auszugleichen. Modularer Aufbau der Programme Insbesondere wegen der mangelnden Akzeptanz der ersten Ackerbauprogramme und aufgrund der positiven Erfahrungen der Bundesländer, die ein modulares Angebot haben (Baukastensystem), wird nahezu einhellig ein modularer Aufbau von Agrarumweltprogrammen für sinnvoll gehalten. Bundesländer, die modulare Systeme anbieten, weisen allerdings darauf hin, dass aus verwaltungstechnischen Gründen die Zahl der Bausteine nicht unbegrenzt erweitert werden kann. Mehr Regionalität durch Flexibilität Insbesondere für den Arten- und Biotopschutz wird bisweilen eine regionalisiertere Ausrichtung von Agrarumweltmaßnahmen gefordert.da jedoch bei den naturschutzbezogenen Maßnahmen eine regionale staatliche Institution (Untere Naturschutzbehörde) aufgrund vorhandener Konzepte entscheiden kann, welche Maßnahmen den Landwirten angeboten werden, kann die Regionalität auf diese Weise gewahrt werden. Die Recherchen und Experteninterviews haben ergeben, dass es weniger um die Kreation neuer, fachlich besserer regionaler Maßnahmen geht als um eine kompetente Entscheidung vor Ort über geeignete Maßnahmen und um eine flexible Anpassung des vorhandenen Maßnahmenspektrums an die lokalen Bedingungen. Reduzierung des Verwaltungsaufwands Der bürokratische Aufwand für die Umsetzung der Agrarumweltmaßnahmen wird immer wieder beklagt, nicht nur von Landwirten. Auch von den umsetzenden Behörden wird bedauert, dass kaum mehr Raum für eine fachliche Betreuung der Programme bleibe. Aus fachlicher Sicht werden aber gleichzeitig hohe Flexibilität und Standortangepasstheit gefordert, die einer Vereinheitlichung entgegenstehen. Konkrete handhabbare Vorschläge werden daher derzeit kaum diskutiert. In eine etwas andere Richtung geht ein folgender Vorschlag: Wenn schon der Aufwand kaum reduziert werden könne, dann sollte den Betrieben zumindest eine Organisationshilfe zur Verfügung gestellt werden. Das würde insbesondere kleineren Betrieben nutzen, für die der hohe Antragsaufwand in einem schlechten Verhältnis zum Nutzen steht. Verhältnis Landwirt öffentliche Hand Das Verhältnis der Partner bei den Agrarumweltmaßnahmen (Landwirt, öffentliche Hand) hat wesentlichen Einfluss auf die Akzeptanz der Maßnahmen.Angesichts einer nicht mehr überschaubaren Fülle von Vorschriften ist die Gefahr eines Fehlverhaltens der Landwirte und damit einer Kriminalisierung groß.die Verträge im Vertragsnaturschutz werden im Gegensatz zu den Antragsverfahren für die Teilnahme an Agrarumweltmaßnahmen in den von uns durchgeführten Expertengesprächen positiver beurteilt; hier sei ein Aushandeln auf gleicher Augenhöhe möglich. Flankierende Maßnahmen Um sicherzustellen, dass die Agrarumweltprogramme nachhaltig wirken,bedarf es flankierender Maßnahmen. Das sind im Wesentlichen: Aufbau von Vermarktungsstrukturen, um die im Rahmen von Agrarumweltprogrammen erzeugten Produkte zu höheren Preisen absetzen zu können Investitionsförderung: Hier sind die Instrumente weitgehend vorhanden, müssten aber noch besser an die Bedürfnisse der Agrarumweltmaßnahmen angepasst werden. Die Notwendigkeit der Förderung betrifft zahlreiche Bereiche wie Technik oder Stallbauten.Aber auch die Förderung der Einrichtung von zusätzlichen Arbeitsplätzen wird genannt. Fortbildung und Information: Natur- und umweltfreundliches Wirtschaften bedarf eines fundierten Wissens. Zahlreiche Evaluierungsberichte und Experten betonen die Notwendigkeit, Fortbildungsveranstaltungen anzubieten. Insbesondere bei Maßnahmen des Arten- und Biotopschutzes sind Veranstaltungen notwendig, die Sinn und Zweck der Maßnahmen deutlich machen. Die Erfahrung zeigt, dass die Akzeptanz von Maßnahmen bei guter Beratung steigt. Trotz guter Programme: mehr Kohärenz! Agrarumweltmaßnahmen tragen einen wesentlichen Teil zur Umsetzung umwelt- und naturschutzpolitischer Zielsetzungen bei. Als Teil einer umfassenden Agrarpolitik werden sie jedoch auch von Politiken mit anderen Schwerpunktsetzungen (Marktordnungen, 176

Natur und Umwelt Einkommenspolitik etc.) beeinflusst. Sollen agrarökologische Ziele erreicht werden, sind daher nicht nur die Agrarumweltprogramme zu verbessern. Andere Politiken und Instrumente müssen so ausgestaltet sein, dass sie die Ziele der Agrarumweltprogramme unterstützen. Hierin begründet sich die Forderung nach Kohärenz innerhalb der Agrarpolitik. Autoren Dr. Frieder Thomas, Geschäftsführer am Kasseler Institut für ländliche Entwicklung; Schwerpunkte: Agrarpolitik, Agrar- und Regionalplanung. Anmerkungen (1) Grundlage dieses Beitrags sind die Ergebnisse eines Forschungsund Entwicklungsvorhabens mit dem Titel Analyse der Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht des Natur-, Umwelt- und Ressourcenschutzes: Effektivität, Schwachstellen, weitere Entwicklung. Projektnehmer war das Kasseler Institut für ländliche Entwicklung in Kooperation mit der Fachhochschule Rottenburg und der Universität Kassel. Das F+E-Vorhaben wurde gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. (1) Grundlage der Analyse waren erstens die Evaluierungsberichte der Bundesländer zu den Agrarumweltmaßnahmen der ersten Förderperiode (erschienen zwischen 1996 und 2001), zweitens die Durchführung und Auswertung von Experteninterviews sowie drittens eine Auswertung wissenschaftlicher Literatur und Positionspapiere von Politik und Verbänden. Der Projektbericht erscheint Anfang 2004 unter dem Titel Analyse von Agrarumweltmaßnahmen in der Reihe Angewandte Landschaftsökologie im Landwirtschaftverlag (www.landwirtschaftsverlag.com/bfn). Eine Übersicht über alle in den Bundesländern angebotenen Agrarumweltprogramme ist als Band 87 in der Reihe BfN-Skripten erschienen und kann beim Bundesamt für Naturschutz kostenlos angefordert werden (www.bfn.de; Telefon 0228-8491-0). (2) Ribbe, L.: Anmerkungen über die Umweltverträglichkeit des EU- Haushaltes. Projektstudie. Hrsg. von der Stiftung europäisches Naturerbe EURONATUR und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL, Rheinbach/Hamm April 2002. (3) Agrarbericht 2003 der Bundesregierung. (4) Osterburg, B.:Analyse der Bedeutung von naturschutzorientierten Maßnahmen in der Landwirtschaft im Rahmen der VO (EG) 1257/ 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums. Materialien zur Umweltforschung 36. Hrsg.: Rat von Sachverständigen für Umweltfragen,Verlag Metzler-Poeschel, Stuttgart 2002. Dr. Elisabeth Hartmann, Dozentin für Botanik an den Fachhochschulen Nürtingen und Rottenburg, freiberuflich tätig in den Bereichen Landschaftsplanung und Vegetationskunde. Prof. Dr. Rainer Luick, Professor für die Lehrgebiete Naturschutz, Landschaftsmanagement und Umweltschutz an der FH Rottenburg / Hochschule für Forstwirtschaft. Prof. Dr. Onno Poppinga, Professor für Nachhaltige Regionalentwicklung; AG Land- und Regionalentwicklung, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, Universität Kassel/Witzenhausen. Kontakt Dr. Frieder Thomas Kasseler Institut für ländliche Entwicklung Königstor 28 34117 Kassel E-Mail: thomas@kasseler-institut.org www.kasseler-institut.org 177