Fahrlässigkeitsdelikt

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Transkript:

1. Tatbestand Fahrlässigkeitsdelikt a) Erfolgseintritt Im Falle des 229 StGB wäre hier bspw. das Vorliegen einer körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung i.s.d. 223 Abs. 1 StGB zu prüfen. b) Kausalität des Verhaltens für den Erfolg (wenn unproblematisch Handlung vorliegt) Nach der conditio-sine-qua-non-formel kann die Handlung nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn sich hingegen eine Abgrenzung zwischen aktives Tun/Unterlassen aufdrängt, gehen Sie bitte wie folgt vor: Bsp. Arzt A unterlässt trotz erkennbar bestehenden Risikos einer Hepatitis B Infektion entsprechende Untersuchungen bei sich. Dadurch bleibt unentdeckt, dass A sich selbst mit dem Virus infiziert hat. Er operiert 12 Patienten. Dabei kommt es zu einer Ansteckung mit dem Virus. 229 StGB wegen Ansteckung mit Hepatitis B zu Lasten der 12 Patienten 1. Tatbestand a) Erfolgseintritt 223 StGB (+) b) Handlung Problematisch erscheint hier, ob hinsichtlich des Eintritts des Erfolges auf die unterlassenen Untersuchungen (Unterlassen) oder auf die Operation (aktives Tun) abzustellen ist. Zur Abgrenzung aktives Tun/Unterlassen werden folgende zwei relevante Ansichten vertreten: Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit: Nach einer Auffassung sei für die Abgrenzung entscheidend, wo bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens liegt. Vorliegend stellt zwar auch das Unterlassen der gebotenen Kontrolluntersuchungen ein Fehlverhalten des A dar. Strafrechtliche Relevanz kommt demgegenüber jedoch erst der Operation im infektiösen Zustand zu. Denn erst durch sie werden die Patienten angesteckt und damit unmittelbar die Verwirklichung einer Körperverletzung i.s.d. 223 Abs. 1 StGB herbeigeführt. Folglich liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in der Operation und damit in einem aktiven Tun. Kriterium des Energieeinsatzes: Nach anderer Ansicht soll ein aktives Tun vorliegen, wenn der Erfolg durch den Einsatz von Energie hervorgerufen wurde. Von einem Unterlassen ist hingegen auszugehen, wenn der Erfolg dadurch eintritt, dass der Täter dem Geschehen seinen Lauf lässt und von der Möglichkeit des Eingreifens keinen Gebrauch macht. Die Ansteckung der Patienten wird durch die Operation herbeigeführt. Das Operieren stellt den Einsatz von Energie dar, weshalb auch nach dieser Ansicht von einem aktiven Tun auszugehen ist. Folglich ist für den Eintritt des Erfolges auf ein aktives Tun abzustellen.

c) Kausalität Nach der conditio-sine-qua-non-formel kann die Handlung Operieren der Patienten nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg Ansteckung mit Hepatitis-B entfiele. Folglich ist die Handlung kausal für den Erfolg. c) objektive Sorgfaltspflichtverletzung Objektiv pflichtwidrig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderlich Sorgfalt außer Acht lässt (Eselsbrücke: 276 Abs. 2 BGB). (Im Rahmen der Prüfung müssen Sie sich fragen, wie sich ein besonnener und gewissenhafter Dritter im Rahmen einer ex-ante-betrachtung in der konkreten Situation des Täters verhalten hätte.) Exkurs: Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr Danach braucht sich derjenige, der sich selbst verkehrsgerecht verhält, nicht vorsorglich auf alle Straßenverkehrswidrigkeiten anderer einzustellen, sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen z.b. als Kraftfahrer muss der Täter nicht sofort im Schneckentempo fahren, wenn ein Radfahrer oder Fußgänger auftaucht; tritt der Fußgänger plötzlich unbedacht auf die Straße und es kommt zum Zusammenstoß, dann kann der Kraftfahrer sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen, sofern er sich selbst ordnungsgemäß verhalten hat; anders ist die Bewertung freilich, wenn Kinder am Straßenrand spielen, der Fußgänger erkennbar betrunken ist oder es sich hierbei um einen älteren Menschen handelt; hier muss der Kraftfahrer besonders besonnen reagieren und seine Fahrweise der jeweiligen Situation anpassen. Tut er dies nicht und es kommt zum Zusammenstoß, kann er sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen. d) objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges Hier ist zu hinterfragen, ob nach Lage der Dinge mit dem Eintritt des Erfolges zu rechnen war oder ob vielmehr ein atypischer Kausalverlauf vorlag, den der Täter in dieser Form nicht vorhersehen konnte. (Ist Letzteres gegeben, so hat sich im Erfolg eine andere als die vom Täter geschaffene Ausgangsgefahr realisiert letztendlich geht es hier also nur um die Frage, ob der Kausalverlauf noch innerhalb oder bereits außerhalb allgemeiner Lebenserfahrung gelegen hat) e) objektive Zurechnung (siehe auch Annex) Sie ist nur dann zu bejahen, wenn sich die vom Täter durch den objektiv pflichtwidrigen Sorgfaltspflichtverstoß begründete Gefahr auch tatsächlich im Erfolg konkretisiert hat (sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang). (Hinweis: Teilweise wird gleichrangig neben dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang der sog. Schutzzweckzusammenhang genannt; m.e. stellt dieser aber einen Unterfall des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs dar und ist nur in bestimmten Fallkonstellationen zu prüfen, siehe hierzu im Annex den Beispielfall 2!) Bsp.: Radfahrerfall (vgl. BGHST 11, 1; siehe auch NStZ 2003, 581) Der LKW- Fahrer L überholt den Radfahrer R mit zu geringen Sicherheitsabstand. R wird getötet. Der Unfall wäre jedoch auch bei Einhaltung des Sicherheitsabstandes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschehen, da R mit seinem Rad aufgrund des Alkoholgenusses erheblich hin und her schwankte.

Vermeidbarkeitstheorie oder pflichtgemäßes Alternativverhalten (h.m.): Der tatbestandliche Erfolg wird dem fahrlässig handelnden Täter als sein Werk zugerechnet, wenn der Taterfolg bei fehlerfreien Verhalten sicher vermeidbar gewesen wäre. Wenn aber nicht auszuschließen ist (ernsthafte Möglichkeit wird bereits als ausreichend angesehen), dass der Erfolg auch bei rechtlich fehlerfreiem Verhalten des Täters eingetreten wäre, darf dem Täter dieser Erfolg nicht als sein Werk zugerechnet werden. Unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes in dubio pro reo wäre also im Beispielsfall der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen. Risikoerhöhungslehre (a.a.): Für die Zurechnung wird es bereits als ausreichend angesehen, wenn der Täter durch seine Handlung zumindest das Risiko des Erfolgseintritts erhöht bzw. gesteigert hat; der Zweifelsgrundsatz in dubio pro reo soll erst greifen, wenn nicht zu klären ist, ob der Täter durch seine Handlung ein erhöhtes Risiko für den Erfolgseintritt geschaffen hat. Im Beispielsfall hat der LKW- Fahrer durch die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes das Risiko eines Zusammenstoßes und damit des Erfolgseintrittes erhöht. Folglich wäre nach dieser Ansicht der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu bejahen. Argumente gegen Risikoerhöhungslehre: - Erfolgsdelikte werden contra legem als Gefährdungsdelikte behandelt - Einschränkung des Zweifelsgrundsatzes in dubio pro reo II. Rechtswidrigkeit (beachte: kein subj. Rechtfertigungselement; Täter muss lediglich zum Zweck der ihm durch den Rechtfertigungsgrund gegebenen Befugnis handeln) III. Schuld Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung und Vorhersehbarkeit des Erfolges Täter war nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande, die objektive Sorgfaltspflichtverletzung zu erkennen und die sich daraus ergebenden Sorgfaltspflichtanforderungen zu erfüllen!

Annex - Fallgruppen, bei denen der Pflichtwidrigkeitszusammenhang im Rahmen der objektiven Zurechnung problematisch sein kann: 1. Beispielfall: T und O haben schon einiges getrunken. Zusätzlich hat O ein paar Valiumtabletten geschluckt. Schließlich holt T ein Heroingemisch aus einer Tasche, das sich T und O spritzen. T erkennt zwar die Gefahr, die durch den Mix von Alkohol/Drogen für Leib und Leben des O bestehen, vertraut aber darauf, dass nichts passieren wird, zumal er weiß, dass O bereits Erfahrung mit Rauschgift gesammelt hat. O wird jedoch aufgrund des Tabletten- und Heroingemisches ohnmächtig und verstirbt. 222 StGB Problem: Pflichtwidrigkeitszusammenhang Erfolg muss auf dem Sorgfaltspflichtverstoß (Überlassen des Heroins) beruhen; dagegen könnte sprechen, dass O sich das Heroin selbst gespritzt hat eigenverantwortliche Selbstgefährdung O, der seine eigenen Rechtsgüter in freiverantwortlicher Weise selbst verletzt oder gefährdet, trägt dafür grds. die alleinige Verantwortung Wann ist eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung nicht mehr gegeben? Eigenverantwortliche Selbstgefährdung hört schließlich dort auf, wo der Betroffene die Gefahr für seine geschützten Rechtsgüter nicht mehr vollumfänglich zu erfassen vermag. O wusste jedoch, was ihm durch die Einnahme von Heroin und anderen Substanzen passieren kann. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung: Überlassen des Heroins Erfolg: Tod des O Eigenverantwortliche Selbstgefährdung: Spritzen des Heroins durch O selbst kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang

2. Beispielfall: Autofahrer A fährt in München 10 km/h schneller als erlaubt und kommt dadurch 10 Minuten früher in Nürnberg an, wo er trotz Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit mit einem Radfahrer zusammenstößt und diesen verletzt. 229 StGB Problem: Pflichtwidrigkeitszusammenhang Erfolg muss auf Sorgfaltspflichtverstoß (Überschreiten der Geschwindigkeit in München) beruhen. Dagegen könnte sprechen der Schutzzweck der Norm Bei einer rechtlich relevanten Gefahr genügt nicht jeder Verstoß gegen eine Verhaltensnorm, man muss auf den Schutzzweck der Norm achten, d.h. nur wenn die verletzte Sorgfaltnorm gerade dazu diente, Erfolge wie den eingetreten zu verhindern, wird überhaupt erst ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen. Dies bildet die Grundlage dafür, dass man dem pflichtwidrig Handelnden den konkreten Erfolg als sein Werk zurechnen kann. Es ist also fraglich, ob A durch seine Geschwindigkeitsübertretung in München eine rechtlich relevante Gefahr in Bezug auf den Unfall in Nürnberg geschaffen hat. Das OLG Karlsruhe (NJW 1958, 430) bejahte einen Pflichtwidrigkeitszusammenhang, da der Autofahrer A bei ordnungsgemäßer Geschwindigkeit in München den Unfallort in Nürnberg zeitlich später erreicht hätte und somit der Unfall vermeidbar gewesen wäre. (siehe hierzu auch Ebert, Jura 1979, 561, 571). Aber diese Erwägungen verfehlen den Schutzzweck der einschlägigen Sorgfaltsregeln. Der Sinn und Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung ist darin zu sehen, dass der Fahrer in einer kritischen Verkehrslage vor Ort und Stelle also in München und nicht in Nürnberg noch frühzeitig genug adäquat reagieren kann, um einen Unfall zu vermeiden. Er besteht jedoch nicht darin, zeitlich später an einem anderen Ort anzukommen und dadurch Unfälle zu vermeiden. Sorgfaltspflichtverstoß in München Unfallgeschehen in Nürnberg kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang

3. Beispielfall (sog. Massenkarambolage-Fall nach BGHSt 30,228; siehe auch NStZ 2003, 581): Auf einer Autobahn kommt es zu einer Massenkarambolage. O kann sich unversehrt aus seinem Pkw befreien. In diesem Augenblick nähert sich T mit seinem Fahrzeug und überhöhter Geschwindigkeit der Unfallstelle, erfasst den O und verletzt diesen tödlich. Nur wenige Sekunden später fährt D mit seinem Lkw auf die verunglückten Fahrzeuge auf und schiebt diese ineinander. Bei diesem Vorgang wäre auch O erfasst und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich verletzt worden. Problem (1): Kausalität Nach der conditio-sine-qua-non-formel darf die Handlung nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Denkt man sich das zu schnelle Zufahren auf die Unfallstelle durch T weg, so wäre O durch den LKW-Fahrer D trotzdem ums Leben kommen. Keine Kausalität? sog. Reserveursache: Abzustellen ist auf den Erfolg in seiner konkreten Form, etwaige hypothetische Kausalverläufe bleiben bei der rechtlichen Bewertung außen vor! Kausalität (+) Problem (2): Pflichtwidrigkeitszusammenhang Erfolg muss auf dem Sorgfaltspflichtverstoß (zu schnelles Fahren) beruhen. Hätte sich T verkehrsgerecht verhalten, wäre der Erfolg trotzdem nicht vermeidbar gewesen, denn O wäre wenig später durch den Lkw-Fahrer D getötet worden. Kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang? auch hier sog. Reserveursache Entscheidend ist der konkrete Erfolg und der diesen bedingenden Sorgfaltspflichtverstoß! Objektive Sorgfaltspflichtverletzung: Zu schnelles Fahren des T Erfolg: Tod des O Reserveursache: O wäre kurze Zeit später durch Lkw-Fahrer D getötet worden. Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben

4. Beispielfall: A und B fahren auf einer 5 m breiten Straße jeweils einen Kleinbus, mit dem sie Arbeiter zu ihrer Arbeitsstelle bringen. Wegen des starken Nebels orientieren sich beide am Mittelstreifen und missachten das Rechtsfahrgebot ( 2 Abs. 2 StVO). Es kommt zu einem Frontalzusammenstoß der Kleinbusse, bei dem einige Arbeiter schwere Prellungen und Knochenbrüche erleiden. Der Unfall wäre nur vermieden worden, wenn beide Busse die äußerste rechte Fahrbahnseite benutzt hätten. Problem (1): Kausalität Denkt man sich das Fehlverhalten von A weg, würde die Verletzung der Arbeiter trotzdem eintreten durch das Fehlverhalten des B! Für B gilt umgekehrt das Gleiche! Die Handlungen von A und B können also jeweils alternativ hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Modifizierung der Äquivalenztheorie dahingehend, als das jede Ursache als kausal zu betrachten ist, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden kann, ohne das der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Kausalität ist folglich zu bejahen. Problem (2): Pflichtwidrigkeitszusammenhang Der eingetretene Erfolg wäre bei sorgfaltsgemäßem Verhalten des A (Einhalten des Rechtsfahrgebotes) nicht vermeidbar gewesen aufgrund des Sorgfaltsverstoßes des B. Für B gilt umgekehrt das Gleiche. Hier können sich jedoch A und B nicht über ihren eigenen Sorgfaltspflichtverstoß hinwegsetzen im Vertrauen darauf, der andere werde sich schon sorgfaltsgemäß verhalten. Denn hätten sich beide sorgfaltsgemäß verhalten, wäre der Erfolg gerade nicht eingetreten. In der Folge beruht der Erfolg sowohl auf dem Sorgfaltspflichtverstoß des A als auch des B. Sorgfaltspflichtverstoß des A: Missachten des Rechtsfahrgebotes Erfolg: Verletzung der Arbeiter durch Frontalzusammenstoß Sorgfaltspflichtverstoß des B: Missachten des Rechtsfahrgebotes Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben