Finanzierungsleasing Vorlesung Bankrecht Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Lehrstuhl f. Zivil- und Wirtschaftsrecht, insbes. Bank-, Kapital- und Verbraucherrecht Universität Hamburg
Grundlagen Erhebliche Bedeutung des Leasings in Deutschland seit Anfang der 1970er Jahre Bestehen von Leasinggesellschaften seit 1962 Grundkonzept: Leasinggeber (LG) kauft auf Veranlassung eines Interessenten ein Investitionsgut und überlässt dies dem Leasingnehmer (LN) für eine bestimmte Zeit LG somit im Verhältnis zum Lieferanten/Hersteller Käufer und im Verhältnis zum LN Vermieter und Finanzierer Gesetzliche Regelung: - In Deutschland ist der Finanzierungsleasingvertrag nicht legal definiert oder gesetzlich geregelt - Voraussetzung des von der Rechtspraxis geprägten Leitbilds des Leasing (BGH NJW 1982, 1747 (1748)) durch den Gesetzgeber; Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 2
Begriff Finanzierungsleasing = Leasingvertrag, der während einer festen unkündbaren Laufzeit auf die weitgehende Amortisation der vom LG für die Anschaffung der Leasingsache gemachten Aufwendungen und Kosten (Investitions- und Nebenkosten) gerichtet ist und bei dem der LN das Investitionsrisiko trägt Vertragsmodell der Vollamortisation ausschließlich durch die Zahlung der Leasingraten in der Praxis selten 3 unterschiedliche Vertragsmodelle der Teilamortisation: 1. LN muss bei Kündigung eine Abschlusszahlung i.h.d. Restwerts zahlen, darauf angerechnet Veräußerungserlös zu 90 % 2. Andienung des Leasingguts an den LN nach Ablauf der Grundmietzeit zu einem die Restkosten deckenden Festpreis 3. Leasinggut wird bei Ablauf der Mietzeit an Dritte veräußert und den LN trifft eine Pflicht zum Ausgleich der Differenz zwischen Erlös und Restkosten Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 3
Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte Vorteil gegenüber Kauf mit Eigen- oder Fremdmitteln, trotz höherer nominaler Kosten: Leasinggut finanziert sich als Produktionsfaktor selbst (sog. pay-as-you-can -Effekt) Grund: leasingtypische zeitliche Verteilung von Aufwendungen und Erträgen, sowie Verzinsung ersparten Eigenkapitals Beim Direktleasing starke Rationalisierungsmomente LG als typischerweise im Massengeschäft tätiger Wirtschaftsteilnehmer kann Liefersituation und deren Risiken nicht beurteilen, kennt das Leasinggut nicht und wählt es nicht aus Risiken (insbes. Sach- und Preisgefahr) bleiben aus diesem Grund beim LN Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 4
Dreiecksverhältnis LG Kauf-, Werk-, Werklieferungsvertrag (Eigentumserwerb des Leasingguts) Hersteller/ Lieferant/ Händler Überlassung des Leasingguts Entrichtung eines Nutzungsentgeltes zum Gebrauch LN Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 5
Dreieckstypische Konfliktlagen LN: mit LG rechtstechnisch nur ein Vertragspartner, Störungen des Vertragsverhältnisses können sich aber auch aus der Sphäre des Lieferanten ergeben; Vorgehen gegen Lieferanten aber nur aus abgetretenem Recht möglich; deshalb Kaufvertrag zwischen LG und Lieferant: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Fälle der Kollusion: 1. Kollusives Zusammenwirken von LG und Lieferant (z.b. Ansetzen des Kaufpreises/Anschaffungswerts in eklatanter Abweichung vom Verkehrswert; Errichtung eines Schneeballsystems) 2. Kollusives Zusammenwirken von LN und Lieferant (z.b. Abschluss eines Kaufvertrags über einen fiktiven Gegenstand zu deren Finanzierung sie einen Dritten als LG eintreten lassen; Risiko des Refinanzierungsausfalls geht dann zu Lasten dieses Dritten) Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 6
Besondere Konstellationen Eintrittsmodell: LN schließt ursprünglich mit dem Lieferanten den Kaufvertrag, LG übernimmt danach den Kaufvertrag vom LN Hersteller- oder Händlerleasing: echtes Finanzierungsleasing, LG und Lieferant sind identisch (Zweipersonenverhältnis) Sale-and-lease-back-Geschäft: Lieferant und LG sind identisch, Leasingsache wird vom LN als Lieferant verkauft und dann in der anderen Rolle als LN zurückgeleast (interessantes Bsp. hierfür ist der sog. Flowtex -Skandal; BGH WM 2005, 23) Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 7
Rechtsnatur des Finanzierungsleasingvertrags (I) Qualifikation in erster Linie als Mietvertrag - Gängigste Ansicht: atypischer Mietvertrag ( 535 ff. BGB), weil Vertragsgegenstand entgeltliche Gebrauchs-verschaffung und -überlassung des Leasinggutes (Dauerschuldverhältnis) - Nur in erster Linie (BGH NJW 1996, 2860); d.h. wenn und soweit typische Besonderheiten des Finanzierungsleasings es erfordern, wird von den mietrechtlichen Regelungen abgewichen Keine Qualifikation als Kaufvertrag - Auffassung im älteren Schrifttum war die Einordnung als Kaufvertrag - Aber der Leasingvertrag kennt keine kauftypische Eigentumsverschaffungspflicht(vorbehaltlich besonderer Abrede bleibt das Eigentum beim LG) - Auch kein Mietkauf Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 8
Rechtsnatur des Finanzierungsleasingvertrags (II) Keine Qualifikation als Darlehensvertrag - Leasingvertrag zielt nicht auf die Überlassung von Geld ab und der dem LN zugute kommende Vorfinanzierungseffekt vollzieht sich nicht ihm gegenüber, sondern liegt in der Sphäre des LG - Es fehlt des Weiteren an der Übereignung und der gattungsmäßig geschuldeten Rückgabe; beim Leasingvertrag wird die Rückgabe des konkreten Leasinggegenstandes geschuldet Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 9
Abgrenzung zum Operating-Leasing Kennzeichnend für das Operating-Leasing ist, dass der Vertrag bei einem solchen keine bestimmte oder nur eine (im Verhältnis zur gewöhnlichen Nutzungsdauer) sehr kurze Vertragslaufzeit vorsieht und frei kündbar ist (BGH NJW 2003, 505 (507)) Keine finanzmathematische Kalkulation der Leasingraten, sondern auch Berücksichtigung der typischen Vermieterrisiken Ausschließliche Geltung von Miet- und Pachtrecht beim Operating-Leasing Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 10
Vertragsschluss Leasinggeschäft typischerweise Formulargeschäft Lieferant verwendet häufig Formulare des LG, so dass er im Verhältnis zum LN Antragender i.s.d. 148 BGB ist; kann aber auch Empfangsbote des LG für Vertragserklärungen sein LG kann Bindungs- und Annahmefristen von bis zu einem Monat betreffend dem Zustandekommen der Einigung vorsehen Auf Zugang der Annahmeerklärung kann gem. 151 BGB verzichtet werden Abreden, die fehlenden Widerspruch auf ein Angebot zur Annahme erklären (sog. Vertragsabschlussklauseln) sind auch in Verbrauchergeschäften zulässig Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 11
Sittenwidrigkeit des Leasingvertrages Gem. 138 Abs. 1 BGB Unter Anwendung der für das Darlehen entwickelten Grundsätze Aufgrund des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung Wenn der effektive Vertragszins den maßgeblichen Vergleichszins relativ um 100 % oder absolut um 12 % übersteigt Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 12
Formvorschriften und Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge Beim Immobilienleasing: Formvorschriften der 578 Abs. 1, 550 BGB Gem. 506 BGB Behandlung des Finanzierungsleasingvertrags zwischen Verbraucher ( 13 BGB) und Unternehmer ( 14 BGB) als Verbraucherdarlehensvertrag; Indizien für private Nutzung: fehlende Benennung einer bestimmten Nutzungsart im Leasingvertrag/Angabe der Privatanschrift des LN Konkreter Verweis durch 506 BGB auf die anzuwendenden Vorschriften Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 13
Anfechtung Lieferant nicht Dritter i.s.v. 123 Abs. 2 BGB wenn er mit Wissen und Wollen des LG einen Leasingvertrag anbahnt und dabei täuscht auf die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des LG bezüglich der Täuschung kommt es nicht an Unmittelbare Beteiligung des Lieferanten am Leasinggeschäft durch typische Verwendung von Formularen des LG schließt 123 Abs. 2 BGB aus Lieferant Verhandlungsgehilfe, dessen Handeln dem LG nach 278 BGB zuzurechnen ist (a.a.: nur, wenn echte Vertretereigenschaft i.s.d. 164 ff. BGB gegeben ist; (-) da leasingtypisches Dreiecksverhältnis so unnötig aufgespalten wird Der Lieferant kann allerdings auch Dritter als Sachwalter i.s.d. 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB sein Haftung aus c.i.c (z.b. bei mangelhafter Aufklärung über die Leasingsache) Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 14
Leistungsstörungen - Nichterfüllung 1. Fehlgeschlagene Lieferung - Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts - LG ist zur (rechtzeitigen) Gebrauchsüberlassung der Leasingsache verpflichtet, vgl. 535 Abs. 1 S. 1 BGB - LN kann bei fehlgeschlagener Lieferung vom LG Schadensersatz nach 280 Abs. 1, 283 BGB verlangen - Bei Ausbleiben der Lieferung: Kündigungsrecht gem. 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder Zurückbehaltung der Leasingraten aufgrund der Einrede des nichterfüllten Vertrags gem. 320 BGB 2. Mangelhafte Lieferung - Hier Anwendung des 320 BGB (-), weil 359 S. 3 BGB für den finanzierten Kauf das Fehlschlagen einer möglichen Nacherfüllung verlangt, bevor Verbraucher Leistung verweigern darf Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 15
Freizeichnung des LG von der Haftung für Sachmängel (I) Freizeichnung durch sog. Abtretungskonstellation bzw. Drittverweisungsklausel möglich (indem LG die Mängelrechte gegen den Lieferanten nach 433 Abs. 1 S. 2, 434 ff. BGB an den LN abtritt) Kombination von Haftungsausschluss und Abtretung typisch für Leasing, verleiht ihm seine besondere Prägung und bewirkt die leasingtypische Abweichung vom MietR Vollständiger Haftungsausschluss für Sachmängel auch gegenüber Verbrauchern wirksam (Umkehrschluss aus 536 Abs. 4 BGB) Abtretung muss nicht zwingend im Leasingvertrag angeführt sein, die Einräumung eines schuldrechtlichen Anspruchs genügt Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 16
Freizeichnung des LG von der Haftung für Sachmängel (II) Bei Vereinbarung der Abtretung im Leasingvertrag muss diese unbedingt und vorbehaltlos sein (Bedingungsfeindlichkeit) Abtretung vollzieht sich nach 398 ff. BGB Keine unangemessene Benachteiligung des LN nach 307 BGB, da die Abtretungskonstruktion dem LN Käuferrechte gegenüber dem Lieferanten einräumt Kein (formularmäßiger) Haftungsausschluss für die Unversehrtheit oder grobes Verschulden, vgl. 309 S. 1 Nr. 7 lit. a, b BGB Beschränkung auf Nacherfüllung nicht zulässig, vgl. 309 Nr. 8 lit. b. bb BGB Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 17
Vorzeitige Lösung vom Vertrag Gem. 542 Abs. 2 BGB i.d.r. befristete Grundmietzeit beim Leasing Meist vertragliche Festlegung, dass Vollamortisationsverträge bis zum Ablauf einer Grundmietzeit von min. 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht kündbar sind; Teilamortisationsverträge dem LN ein vertragliches Recht zur ordentlichen Kündigung nach Ablauf einer Grundmietzeit von min. 40 % und höchstens 90 % der betrieblichen Nutzungsdauer gewähren Ohne vertragliche Vereinbarung grds. nur außerordentliche Kündigung Nichtgewährung des Gebrauchs (z.b. eigenmächtige Zurücknahme der Leasingsache durch den LG) Recht zur außerordentlichen Kündigung des LN aus wichtigem Grund gem. 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB (geht 314 BGB vor); besteht aber nur bis zum Gefahrübergang, da sich die Verteilung der Sach- und Preisgefahr im Leasingvertrag nicht am MietR orientiert, sondern ähnlich wie beim Kauf gestaltet ist Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 18
Kündigungrechte des LG Bei Verzug des LN mit der Zahlung der Leasingraten (BGH NJW 1995, 1541 (1543)) gem. 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a BGB In den Fällen des 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB bei vertragswidrigem Gebrauch des Leasinggegenstandes: - erhebliche Gefährdung der Leasingsache - unbefugte Überlassung an Dritte 500, 498 BGB: Befugnis des LG zur Gesamtfälligstellung der Leasingsumme (dabei ist in die Feststellung des Zahlungsverzugs grundsätzlich die Gesamtbelastung des LN mit Leasingraten und Sonderzahlungen einzustellen) In der Insolvenz des LN: Kündigungsmöglichkeit nach 112 InsO, wenn der Verzug mit den Leasingraten nach Verfahrenseröffnung eintritt Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 19
Praktischer Fall Siehe Handout Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 20
Ausführlich nachzulesen in: Derleder/Knops/Bamberger-Mankowski/Knöfel, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2. Auflage 2009, 21. Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 21
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Kai-Oliver Knops Bankrecht 22