UNTERNEHMERVERBAND DEUTSCHES HANDWERK. Merkblatt. Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes - Kündigung in Kleinbetrieben -

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Transkript:

UNTERNEHMERVERBAND DEUTSCHES HANDWERK Merkblatt Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes - Kündigung in Kleinbetrieben - Abteilung: Arbeitsmarkt, Tarifpolitik und Arbeitsrecht Berlin, September 2009

- 2 - INHALTSVERZEICHNIS I. Einleitung...3 II. Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes...3 1. Sachlicher Anwendungsbereich...4 2. Persönlicher Anwendungsbereich...4 a) Bestehen eines Arbeitsverhältnisses...4 b) Erfüllen der Wartezeit...5 3. Betrieblicher Anwendungsbereich...6 a) Bestimmung der Betriebsgröße - Schwellenwerte...6 b) Berechnung der Arbeitnehmerzahl...8 c) Betrieb als maßgebliche Bezugsgröße...10 III. Kündigung im Kleinbetrieb...11 IV. Formalien einer Kündigung...11 1. Schriftformerfordernis...11 2. Kündigungsfrist...12 V. Geltung des besonderen Kündigungsschutzes...13 VI. Soziale Rechtfertigung der Kündigung nach dem KSchG...15

- 3 - I. Einleitung Wird ein Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet, gewährt das deutsche Arbeitsrecht dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Kündigungsschutz. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sein Kündigungsrecht zwar ausüben kann, die Wirksamkeit der Kündigung sich jedoch an kündigungsschutzrechtlichen Vorgaben messen lassen muss, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft. Der Kündigungsschutz soll der existenzsichernden Funktion des Arbeitsplatzes für den Arbeitnehmer Rechnung tragen. Geregelt ist dieser sogenannte allgemeine Kündigungsschutz im Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Danach ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Kündigungsschutz genießt, nur rechtswirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das bedeutet, dass für jede Kündigung ein Kündigungsgrund vorliegen muss. In Betracht kommen dabei Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen sowie dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Das KSchG garantiert jedoch nicht allen Arbeitnehmern Bestandsschutz für ihr Arbeitsverhältnis. Ob ein Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt, hängt neben persönlichen auch von gesetzlich festgeschriebenen betrieblichen Voraussetzungen ab. Anwendung findet das KSchG insbesondere erst ab einer bestimmten Betriebsgröße. Entsprechend werden sogenannte Kleinbetriebe vom Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen mit der Folge, dass Kündigungen dort grundsätzlich ohne besondere Voraussetzungen ausgesprochen werden können. Unter welchen konkreten Voraussetzungen Arbeitgeber vom KSchG und den damit verbundenen besonderen Kündigungsbeschränkungen befreit sind, soll im Folgenden erläutert werden. II. Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes Ob der Arbeitgeber bei der Kündigung eines Arbeitnehmers das KSchG beachten muss, richtet sich nach dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Dieser ist gemäß 23 KSchG nur eröffnet, wenn der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung ausspricht (sachlicher Anwendungsbereich), der Gekündigte zum geschützten Personenkreis gehört, also Arbeitnehmer ist, und sein Arbeitsverhältnis zum Kündigungszeitpunkt ohne Unterbrechungen länger als sechs Monate (Wartezeit) im Betrieb oder Unternehmen bestanden hat (persönlicher Anwendungsbereich) und im Betrieb regelmäßig "mehr als zehn Arbeitnehmer", ausschließlich der Auszubildenden, beschäftigt werden (betrieblicher Anwendungsbereich),

- 4 - wobei dieser Schwellenwert nur für ab dem 01.01.2004 neu eingestellte Arbeitnehmer gilt. Für Arbeitnehmer, die schon vor diesem Datum im Betrieb tätig waren, ist ein Schwellenwert von "mehr als fünf Arbeitnehmern" maßgebend. 1. Sachlicher Anwendungsbereich Das KSchG gilt nur für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers unterliegt dagegen regelmäßig nur den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das KSchG erfasst im Wesentlichen ordentliche, fristgemäße Arbeitgeberkündigungen. Außerordentliche, also fristlose Arbeitgeberkündigungen aus wichtigem Grund müssen sich grundsätzlich nicht an den Kündigungsbeschränkungen des KSchG messen lassen. Das Recht zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen (z. B. Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags, Aufhebungsvertrag) bleibt vom KSchG unberührt. 2. Persönlicher Anwendungsbereich Das KSchG findet grundsätzlich nur auf Arbeitnehmer Anwendung, die bereits länger als sechs Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen arbeiten. a) Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Das KSchG gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, also auch für Aushilfs- und Teilzeitarbeitnehmer sowie befristet Beschäftigte. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dazu zählt nicht, wer als arbeitnehmerähnliche Person lediglich wirtschaftlich abhängig ist, wie etwa Handelsvertreter oder freie Mitarbeiter. Ob jemand tatsächlich als Arbeitnehmer tätig wird, hängt maßgeblich von den Umständen ab, unter denen er seine Dienstleistung zu erbringen hat, nicht aber von der Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben oder einer von ihnen gewünschten Rechtsfolge. Entscheidend sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Mit Modifikationen findet das KSchG auch auf leitende Angestellte Anwendung. Keine Geltung erlangt es dagegen für die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vertreter juristischer Personen und Gesellschaften, wie beispielsweise Geschäftsführer, Vorstände oder vertretungsberechtigte Gesellschafter oder für Auszubildende. Für letztere gelten die eigenständigen Kündigungsregelungen des Berufsbildungsgesetzes. Nach diesem Gesetz ist eine ordentliche Kündigung des Auszubildenden nur in der Probezeit möglich, danach ist nur noch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässig.

- 5 - b) Erfüllen der Wartezeit Das KSchG gilt ferner nur für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs länger als sechs Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen beschäftigt sind (sogenannte Wartezeit). Die Fristberechnung für die Wartezeit richtet sich nach den 187 ff BGB. Ist das Arbeitsverhältnis beispielsweise am 01.01. begründet worden, endet die Wartezeit bzw. beginnt der Kündigungsschutz am 01.07. um 00:00 Uhr. Die Wartezeit ermöglicht es dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer zu erproben, bevor das KSchG greift. Während dieser Zeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers frei kündigen, ohne dass die Kündigung den Beschränkungen des KSchG unterliegt und damit sozial gerechtfertigt im Sinne des KSchG sein muss. Die Kündigung darf allerdings nicht willkürlich oder sittenwidrig sein oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Maßgebend für den Beginn der Wartezeit ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses. Auf den tatsächlichen Dienstantritt kommt es grundsätzlich nicht an. Tatsächliche Unterbrechungen, wie etwa Urlaub, Krankheit, Kur oder Streik, sind für den Ablauf der Wartezeit unerheblich. Die 6-Monats-Frist wird dadurch nicht unterbrochen oder verlängert. Ein Arbeitnehmer schließt am 16.06.2009 einen Arbeitsvertrag ab. Als Arbeitsbeginn ist der 06.07.2009 vereinbart. Vom 06.07. bis 09.07.2009 ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Die Wartezeit beginnt trotz Erkrankung des Arbeitnehmers am 06.07.2009. Sie endet mit Ablauf des 05.01.2010. Wird die Arbeitsleistung nicht unterbrochen, sondern das Arbeitsverhältnis beendet und schließt sich daran ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar ein neues bei demselben Arbeitgeber an, werden die Zeiten des früheren Beschäftigungsverhältnisses auf die Wartezeit angerechnet. Ein Arbeitnehmer ist zunächst im Rahmen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags vom 01.09.2008 bis 31.07.2009 beschäftigt. Ab dem 01.08.2009 schließt sich eine Elternzeitvertretung bis zum 31.07.2010 an. Da dem neuen Beschäftigungsverhältnis eine Vorbeschäftigungszeit von mehr als sechs Monaten bei demselben Arbeitgeber vorausgegangen ist, muss die 6-monatige Wartezeit nicht erneut absolviert werden. Die Vorbeschäftigungszeit wird vielmehr angerechnet. Schließt sich ein neues Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar an das vorangegangene an, werden die Vorbeschäftigungszeiten nur dann auf die Wartezeit angerechnet, wenn das neue Arbeitsverhältnis mit dem früheren in einem engen sachlichen Zusammenhang steht. Bei der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs kommt es u. a. auf den Anlass und die Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an. Die Umstände, die für einen sachlichen Zusammenhang sprechen, müssen dabei umso gewichtiger sein, je länger die zeitliche Unterbrechung andauert. Im Einzelfall ist es ratsam, sich in Fragen der Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten an die zuständige Innung bzw. den Fachverband zu wenden, da jeder Sachverhalt anders gelagert ist und das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung noch keine verlässliche zeitliche Grenze festgelegt hat.

- 6 - Um den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers auszuschließen, muss die Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer noch innerhalb der Wartezeit zugegangen sein. Zugang bedeutet, dass die Willenserklärung, also die Kündigung, so in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, dass damit zu rechnen ist, dass dieser bei Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse Kenntnis von der Erklärung erlangt hat. Auf den Tag, an dem das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, kommt es regelmäßig nicht an. Der Arbeitnehmer wird am 01.02.2009 eingestellt. Während der ersten sechs Monate der Beschäftigung ist eine zweiwöchige Kündigungsfrist vereinbart worden. Am 31.07.2009 erhält der Arbeitnehmer eine Kündigung zum 14.08.2009. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf den Kündigungsschutz berufen, da ihm die Kündigung einen Tag vor Ablauf der 6-monatigen Wartezeit zugegangen ist. Kündigungsschutz hätte erst am 01.08.2009 bestanden. Der Tag, an dem die Kündigungsfrist ausläuft, ist nicht maßgebend. Der Beweis des rechtzeitigen Zugangs der Kündigung obliegt dem Arbeitgeber. Bereits aus Beweisgründen ist es daher für ihn ratsam, den betreffenden Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben persönlich zu übergeben und sich die Übergabe sowie die inhaltliche Kenntnisnahme des Schreibens durch den Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen. 3. Betrieblicher Anwendungsbereich Der betriebliche Anwendungsbereich richtet sich vor allem nach der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer und dem Erfüllen des Betriebsbegriffs. a) Bestimmung der Betriebsgröße - Schwellenwerte Das KSchG findet schließlich erst ab einer bestimmten Betriebsgröße Anwendung. Sogenannte Kleinbetriebe, die regelmäßig nicht eine gewisse Mindestanzahl an Arbeitnehmern beschäftigen, sind vom KSchG ausgeschlossen. Sie sollen damit insbesondere von den arbeitsrechtlichen Folgekosten des Gesetzes entlastet werden, die sie im Verhältnis zu großen Unternehmen ungleich stärker treffen. Bis zum 31.12.2003 waren daher solche Kleinbetriebe vom Geltungsbereich des KSchG ausgeschlossen, in denen in der Regel nicht mehr als fünf Arbeitnehmer, ausschließlich der Auszubildenden, beschäftigt waren. Um Arbeitgeber in Kleinbetrieben zu Neueinstellungen zu animieren, hat der Gesetzgeber im Zuge der zum 01.01.2004 wirksam gewordenen Agenda 2010 eine Zusatzregelung für solche Arbeitnehmer geschaffen, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 31.12.2003 begonnen hat. Seitdem gilt das KSchG in betrieblicher Hinsicht mit differenzierten Schwellenwerten, die maßgeblich an den Zeitpunkt der Einstellung des Arbeitnehmers anknüpfen: Seit dem 01.01.2004 kann der Arbeitgeber bis zu zehn Arbeitnehmer einstellen, bevor das KSchG zur Anwendung gelangt. Dieser Schwellenwert gilt jedoch nur für neu eingestellte Arbeitnehmer, deren tatsächliche Arbeitsaufnahme nach dem 31.12.2003 erfolgt ist. Der Zeitpunkt des Ver-

- 7 - tragsabschlusses ist irrelevant. Die Neueingestellten bleiben bei der Addition mit den bereits am 31.12.2003 im Betrieb tätigen Arbeitnehmern (sog. Altarbeitnehmern) so lange unberücksichtigt, bis die Summe aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht die Schwelle von "mehr als zehn Arbeitnehmern" überschreitet. Übersteigt die Anzahl aller beschäftigten Arbeitnehmer diesen Schwellenwert, haben alle Arbeitnehmer, auch die Neueingestellten, Kündigungsschutz. Zu denken ist etwa an einen Betrieb, in dem bis zum 31.12.2003 sieben Altarbeitnehmer beschäftigt waren und ab dem 01.01.2004 vier Neueingestellte hinzukommen (7 Altarbeitnehmer mit Kündigungsschutz + 4 Neueingestellte ohne Kündigungsschutz = 11 Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz). Für Altarbeitnehmer sind zwei unterschiedliche Schwellenwerte zu beachten: Zum einen gilt der bisherige Schwellenwert von "mehr als fünf Arbeitnehmern" für solche Arbeitnehmer fort, die bereits am Stichtag des 31.12.2003 im Betrieb eingestellt waren. Zum anderen ist auch für Altarbeitnehmer der neue Schwellenwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" zu berücksichtigen. Dieser Messwert ist dann Grundlage für die Berechnung der Betriebsgröße - und damit für die Anwendung des KSchG -, wenn die Addition der Altarbeitnehmer und der Neueingestellten den Wert 10 übersteigt. Denkbar wäre dies etwa, wenn in einem Betrieb, der bis zum 31.12.2003 mit vier Altarbeitnehmern geführt wurde, ab dem 01.01.2004 sieben Neueingestellte beschäftigt werden (4 Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz + 7 Neueingestellte ohne Kündigungsschutz = 11 Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz). Durch diese gesetzliche Regelung kommt es quasi zu einer virtuellen Zweiteilung des Betriebs zwischen Altarbeitnehmern und Neueingestellten. Die für die jeweiligen Arbeitnehmergruppen maßgeblichen Schwellenwerte bestehen zeitlich unbefristet nebeneinander und sind entsprechend zu berücksichtigen. In der betrieblichen Praxis wirkt sich dies wie folgt aus: Der Betrieb A beschäftigt seit 2003 vier Arbeitnehmer. Neueinstellungen wurden nach dem 31.12.2003 nicht mehr vorgenommen. Kein Altarbeitnehmer im Betrieb A hat Kündigungsschutz, da der Schwellenwert von "mehr als fünf Arbeitnehmern" nicht überschritten wird. Im Betrieb B sind seit 2003 acht Arbeitnehmer tätig. Nach dem 31.12.2003 wurden keine Neueinstellungen vorgenommen. Alle acht Altarbeitnehmer im Betrieb B genießen Kündigungsschutz, da dieser "mehr als fünf Arbeitnehmer" beschäftigt. Der Betrieb C beschäftigt zehn Arbeitnehmer. Darunter befinden sich fünf Altarbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 tätig waren sowie fünf neue Arbeitnehmer, die erst nach dem 31.12.2003 eingestellt wurden.

- 8 - Kein Arbeitnehmer im Betrieb C hat Kündigungsschutz. Die Altarbeitnehmer genießen keinen Kündigungsschutz, weil sie als Personengruppe nicht die Schwelle von "mehr als fünf Arbeitnehmern" und in Addition mit den neu eingestellten Arbeitnehmern nicht den Grenzwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" überschreiten. Auch die Neueingestellten haben keinen Kündigungsschutz, wenn ihnen nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit gekündigt wird, weil der für sie allein maßgebliche Schwellenwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" im Betrieb nicht erreicht wird. Im Betrieb D sind elf Arbeitnehmer tätig. Die Belegschaft besteht aus sechs Altarbeitnehmern und fünf Neueingestellten, die erst nach dem 31.12.2003 Mitarbeiter des Betriebs geworden sind. Alle elf Arbeitnehmer des Betriebs haben Kündigungsschutz. Für die Altarbeitnehmer wird bereits der Schwellenwert von "mehr als fünf Arbeitnehmern" überschritten. Sie haben sofort Kündigungsschutz. Auch für die Neueingestellten wird der Grenzwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" erreicht, so dass auch sie - nach Ablauf der Wartezeit - Kündigungsschutz genießen (6 Altarbeitnehmer + 5 Neueingestellte = 11 Arbeitnehmer). Wird im Betrieb D erfolgreich eine Kündigung ausgesprochen, hat dies für die Gruppe der Altarbeitnehmer einerseits und der der Neueingestellten andererseits unterschiedliche Konsequenzen: Kündigung eines Neueingestellten: Wird ein Neueingestellter entlassen, verlieren alle Neueingestellten im Betrieb D ihren Kündigungsschutz, weil der für sie maßgebliche Schwellenwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" nicht mehr erreicht wird (6 Altarbeitnehmer (5 Neueingestellte 1 Neueingestellter) = 10 Arbeitnehmer). Für die Altarbeitnehmer bleibt die Kündigung des Neueingestellten ohne Konsequenzen. Ihr Kündigungsschutz geht ihnen nicht verloren, da die Gruppe der Altarbeitnehmer weiterhin "mehr als fünf Arbeitnehmer", hier konkret sechs Altarbeitnehmer, aufweist. Kündigung eines Altarbeitnehmers: Die Kündigung eines Altarbeitnehmers hat für alle Neueingestellten zur Folge, dass sie ihren Kündigungsschutz einbüßen, da die Gesamtbelegschaft des Betriebs D über nicht "mehr als zehn Arbeitnehmer" verfügt. Die im Betrieb D verbleibenden Altarbeitnehmer, die bislang aufgrund des Überschreitens des Schwellenwerts von "mehr als fünf Arbeitnehmer" Kündigungsschutz genossen, verlieren diesen nach der Kündigung eines anderen Altarbeitnehmers, wenn der alte Schwellenwert wie hier nicht mehr erreicht wird. Ab dem 01.01.2004 vorgenommene Neueinstellungen ersetzen ausscheidende Altarbeitnehmer insoweit nicht, als sie die Gruppe der Altarbeitnehmer zahlenmäßig nicht mehr erhöhen können. Die restlichen Altarbeitnehmer haben erst dann wieder Kündigungsschutz, wenn die Belegschaftszahl im Betrieb zusammen mit eventuellen Neueinstellungen über zehn Arbeitnehmer hinausgeht. b) Berechnung der Arbeitnehmerzahl Ob der Schwellenwert erreicht wird, hängt ab von der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Gemeint ist damit die den Betrieb charakterisierende Belegschaftsstärke. Zu deren Feststellung bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation des Betriebs sowie einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung. Zeiten außergewöhnlich niedriger oder hoher Auftragslagen bleiben dabei unberücksichtigt.

- 9 - Mitzuzählen ist auch der zu kündigende Arbeitnehmer und zwar selbst dann, wenn dessen Arbeitsplatz nach der Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers nicht mehr neu besetzt werden soll. Bei der Berechnung der Betriebsgröße zählen überdies alle Arbeitnehmer mit, auch solche, die noch keine sechs Monate im Betrieb tätig sind. Auch Familienangehörige zählen mit, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Mitzurechnen sind ferner die Arbeitnehmer, die sich etwa wegen Mutterschutz, Elternzeit, Wehrdienst oder Zivildienst in einem ruhenden Arbeitsverhältnis befinden, da sie weiterhin zur Belegschaft gehören. Wurde allerdings eine Ersatzkraft eingestellt, wird der Arbeitsplatz nur einmal gezählt. Nicht berücksichtigt werden die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Dazu gehören die Auszubildenden im Sinne des Berufsbildungsgesetzes sowie grundsätzlich alle Personen, die eingestellt werden zum Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen. Nicht mitgezählt werden zudem Zeitarbeitnehmer, die von einer Zeitarbeitsfirma rechtmäßig entliehen wurden. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer werden entsprechend ihrer wöchentlichen Arbeitszeit anteilig gezählt. Je nach Stundenvolumen werden sie mit folgenden Faktoren berücksichtigt: bis zu 20 Wochenstunden = Faktor 0,5 bis 30 Wochenstunden = Faktor 0,75 über 30 Wochenstunden hinaus = Faktor 1,0 (also volle Berücksichtigung). Ein Betrieb hat 12 Beschäftigte. Die Belegschaft setzte sich bis zum 31.12.2003 zusammen aus drei Gesellen mit einer Wochenarbeitszeit von 37 Stunden, einem Helfer mit 18 Wochenstunden, einer Büroangestellten mit 30 Wochenstunden sowie einer Reinigungskraft mit 7 Wochenstunden. Am 01.05.2008 stellte der Betrieb zwei weitere Gesellen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden, einen Helfer mit 28 Wochenstunden, eine Büroangestellte mit 15 Wochenstunden und zwei Auszubildende ein. Die Betriebsgröße errechnet sich wie folgt: Bis 31.12.2003: 3 Gesellen (37 Wochenstunden) = Faktor 3 1 Helfer (18 Wochenstunden) = Faktor 0,5 1 Büroangestellte (30 Wochenstunden) = Faktor 0,75 1 Reinigungskraft (7 Wochenstunden) = Faktor 0,5 Zahl der Altarbeitnehmer = 4,75 Ab 01.01.2004: 2 Gesellen (37 Wochenstunden) = Faktor 2 1 Helfer (28 Wochenstunden) = Faktor 0,75 1 Büroangestellte (15 Wochenstunden) = Faktor 0,5 2 Auszubildende = keine Berücksichtigung Zahl der neuen Arbeitnehmer = 3,25 Gesamtzahl berücksichtigungsfähiger Arbeitnehmer = 8,0 Obwohl 12 Beschäftigte im Betrieb tätig sind, genießt kein Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG, da der Betrieb nur eine rechnerische Größe von 8,0 Arbeitnehmern aufweist. Die Anzahl der Altarbeitnehmer übersteigt nicht den Schwellenwert von "mehr als fünf Arbeitnehmern". Auch zusammen mit den Neueingestellten, die lediglich auf einen rechneri-

- 10 - schen Wert von 3,25 Arbeitnehmern kommen, wird der Schwellenwert von "mehr als zehn Arbeitnehmern" nicht erreicht. Hinzuweisen ist darauf, dass es bei der Berücksichtigung der Wochenarbeitszeit von Teilzeitkräften nicht auf die vertraglich vereinbarte, sondern auf die regelmäßig und tatsächlich geleistete Arbeitszeit ankommt. Arbeitet eine Teilzeitkraft anstatt der vereinbarten 18 Wochenstunden regelmäßig 28 Stunden pro Woche, ist sie bei der Berechnung des Schwellenwerts mit dem Faktor 0,75 und nicht lediglich mit dem Faktor 0,5 zu berücksichtigen. Kurzzeitige Schwankungen der Wochenarbeitszeit bleiben jedoch außen vor. Aufgrund der anteiligen Berechnung von Teilzeitkräften wird es dem Arbeitgeber im Zuge der Neuregelung der Schwellenwerte ermöglicht, ab dem 01.01.2004 bis zu 20 Teilzeitkräfte mit einer maximalen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden einzustellen, ohne das dass KSchG greift (20 Teilzeitkräfte mit jeweils bis zu 20 Wochenstunden x Faktor 0,5 = 10 Vollzeitkräfte). c) Betrieb als maßgebliche Bezugsgröße Für die Berechnung der Arbeitnehmeranzahl ist allein der Betrieb des Arbeitgebers ausschlaggebend. Das KSchG enthält keine eigenständige Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher der allgemeine Betriebsbegriff. Dieser ist vom Unternehmensbegriff zu trennen. Während ein Unternehmen als organisatorische Einheit betrachtet wird, die aus einem oder mehreren Betrieben bestehen kann und durch einen gemeinsamen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verbunden ist, wird der Betrieb als organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Der Betriebsbegriff ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts extensiv auszulegen. Es ist insoweit zu überprüfen, ob der jeweilige Betrieb für sich allein eine funktionsfähige organisatorische Einheit darstellt. In arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen ist diese Frage oftmals dann streitbehaftet, wenn der Arbeitgeber mehrere Betriebsstätten unterhält, die räumlich voneinander getrennt sind. In diesen Fällen ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Gesamtschau vorzunehmen, in dessen Rahmen es nicht allein auf ein einziges Merkmal ankommen soll. Abzustellen sei dabei insbesondere auf die organisatorische Zusammenfassung und Leitung, so dass unter Umständen auch Betriebe, die räumlich weit auseinander liegen, jedoch keine eigenen Entscheidungskompetenzen mehr haben, als ein Betrieb betrachtet werden können. Als Merkmale für eine einheitliche Leitungsmacht können eine gemeinsame Buchhaltung, eine gemeinsame Lohnabrechnungsstelle, ein gemeinsamer Einkauf, eine räumliche Zusammenfassung, eine einheitliche Personalverwaltung u. ä. angesehen werden. Im Einzelfall - insbesondere bei Filialbetrieben - ist es ratsam, sich bezüglich der Frage, ob eine Betriebsstätte als ein Betrieb anzusehen ist, an die zuständige Innung bzw. den Fachverband zu wenden.

- 11 - III. Kündigung im Kleinbetrieb Greift der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG nicht ein, kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer grundsätzlich ordentlich ohne besonderen Grund unter Beachtung der Kündigungsfristen wirksam kündigen. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht völlig schutzlos gestellt. Willkürliche und auf sachfremden Motiven beruhende oder diskriminierende Kündigungen des Arbeitgebers können sittenoder treuwidrig sein oder sich als unzulässige Maßregelung erweisen. So können etwa einmalige, nicht ins Gewicht fallende Fehler eines seit Jahrzehnten beanstandungsfrei beschäftigten Arbeitnehmers nicht ohne weiteres eine Kündigung rechtfertigen. Auch darf ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Soweit in Kleinbetrieben bei einer Kündigung unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, soll es der verfassungsrechtliche Schutz des Arbeitsplatzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip erfordern, dass der Arbeitgeber ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahrt. Dieses Mindestmaß ist regelmäßig dann unterschritten und die Kündigung in der Folge rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitgeber von mehreren auf den ersten Blick augenscheinlich vergleichbaren Arbeitnehmern den schutzwürdigsten entlässt. Der Arbeitgeber kann zur Rechtfertigung seiner Auswahlentscheidung allerdings betriebliche, persönliche oder sonstige Gründe vortragen, so dass letztlich die beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeneinander abzuwägen sind. Bei der Abwägung dieser Gründe kommt der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers gegenüber dem Gesichtspunkt der sozialen Rücksichtnahme ein wesentliches Gewicht zu. Selbst die betriebsbedingte Kündigung eines schutzwürdigen Arbeitnehmers bleibt damit praktisch zulässig, wenn der Arbeitgeber für seine Auswahlentscheidung sachliche Aspekte vorbringen kann. Sofern im Betrieb ein Betriebsrat existiert, ist dieser vor jeder Kündigung anzuhören. Wird dies versäumt, ist die Kündigung unwirksam. IV. Formalien einer Kündigung Eine Kündigung ist nur rechtmäßig, wenn sie schriftlich erfolgt und die Kündigungsfristen beachtet werden. 1. Schriftformerfordernis Jede Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das gilt sowohl für die Arbeitgeberkündigung als auch für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Eine in elektronischer Form ausgesprochene Kündigung, etwa per SMS oder Fax, ist unwirksam. Aus der Kündigungserklärung muss ferner eindeutig hervorgehen, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Einer Begründung bedarf die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich nicht. Nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei der Kündigung eines Auszubildenden nach der Probezeit, ist die schriftliche Mitteilung der Kündigungsgründe zwingend erforderlich.

- 12 - Die Kündigung muss stets vom Kündigenden bzw. dessen bevollmächtigtem Vertreter eigenhändig unterschrieben werden. Faksimile, Stempel, Kopien oder digitale Unterschriften reichen dazu nicht. Ohne eigenhändige Unterschrift ist die Kündigung unwirksam. Wird die Kündigung durch einen vom Arbeitgeber bevollmächtigten Vertreter ausgesprochen, bedarf dieser zum Kündigungsausspruch einer schriftlichen Vollmacht, die im Original der Kündigung beizufügen ist. Fehlt diese, kann der Kündigungsempfänger die Kündigung zurückweisen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat oder die Vertretungsmacht des Vertreters auf gesetzlicher Basis bzw. einer organschaftlichen Vertretung beruht. 2. Kündigungsfrist Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nur unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen zulässig. Die Vorschrift des 622 BGB gibt dazu Mindestkündigungsfristen vor. Die gesetzliche Grundkündigungsfrist beträgt für alle Arbeitsverhältnisse vier Wochen zum 15. des Monats oder zum Monatsende. Diese Frist verlängert sich nur für den Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer des jeweils zu kündigenden Arbeitnehmers im Betrieb oder Unternehmen. Entsprechend beträgt die Kündigungsfrist ab einer Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers von 2 Jahren = 1 Monat, 5 Jahren = 2 Monate, 8 Jahren = 3 Monate, 10 Jahren = 4 Monate, 12 Jahren = 5 Monate, 15 Jahren = 6 Monate, 20 Jahren = 7 Monate, jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Bei der Berechnung der Beschäftigungszeiten werden gemäß 622 Abs. 2 BGB die Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Ob diese Norm auch in Zukunft Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Sie ist gegenwärtig Gegenstand eines Vorlagebeschlusses beim Europäischen Gerichtshof, in dessen Rahmen überprüft werden soll, ob diese Regelung unter dem Blickwinkel der Altersdiskriminierung europarechtswidrig ist. Während einer vereinbarten Probezeit, die nicht länger als sechs Monate andauern darf, gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von zwei Wochen. Abweichungen von den gesetzlichen Kündigungsfristen sind möglich. So dürfen durch einen Tarifvertrag die gesetzliche Grundkündigungsfrist, die verlängerten Fristen und die Frist während der Probezeit abgekürzt werden. Die durch den Tarifvertrag verkürzten Fristen finden auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Anwendung, wenn ihre Geltung zwischen den Vertragsparteien einzelvertraglich vereinbart worden ist. Einzelvertraglich kann da-

- 13 - gegen nur dann eine kürzere als die gesetzliche Grundkündigungsfrist vereinbart werden, wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist und das Arbeitsverhältnis nicht länger als drei Monate dauert oder der Arbeitgeber regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei der Berechnung der Arbeitnehmeranzahl bleiben die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten außer Betracht. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer werden entsprechend ihrer regelmäßigen Wochenarbeitszeit berücksichtigt (vgl. Pkt. II. 3. b). Die vereinbarte Kündigungsfrist darf vier Wochen nicht unterschreiten. Stets möglich ist die tarif- oder einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen. Zu beachten ist dabei, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keiner längeren Frist unterliegen darf als die Kündigung durch den Arbeitgeber. V. Geltung des besonderen Kündigungsschutzes Selbst wenn der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG nicht zum Tragen kommt, haben auch Kleinbetriebe den sogenannten besonderen Kündigungsschutz zu beachten. Der besondere Kündigungsschutz gewährt bestimmten Personengruppen dadurch ein erhöhtes Maß an Schutz, dass ordentliche Kündigungen grundsätzlich ausgeschlossen sind bzw. eine Kündigung vor ihrem Ausspruch behördlich genehmigt werden muss. Dies gilt insbesondere für folgende Personengruppen: Schwangere und Wöchnerinnen: Nach dem Mutterschutzgesetz darf das Arbeitsverhältnis einer Frau während der Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung weder ordentlich noch außerordentlich gekündigt werden. Es besteht ein absolutes Kündigungsverbot. In Ausnahmefällen kann jedoch die für den Arbeitsschutz zuständige Behörde eine Kündigung auf vorherigen Antrag des Arbeitgebers für zulässig erklären. (Groß-)Eltern in Elternzeit: Ab dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer (Groß-)Elternzeit beantragt, besteht für den Arbeitgeber gemäß des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes ein absolutes Kündigungsverbot. Es setzt frühestens acht Wochen vor Beginn der Elternzeit ein und wird für dessen gesamte Dauer gewährt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer während dieser Zeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet oder, ohne Elterzeit zu beanspruchen, in Teilzeit tätig ist und Anspruch auf Elterngeld hat. Auch Mitarbeitern in (Groß-)Elternzeit kann nur bei vorheriger Genehmigung durch die für den Arbeitsschutz zuständige Behörde gekündigt werden.