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Transkript:

www.ssoar.info Die "Europäische Gelehrtenrepublik" des 18. Jahrhunderts : eine netzwerkanalytische Rekonstruktion des Netzes wissenschaftlicher Korrespondenznetzwerke Krempel, Lothar; Hächler, Stefan; Mauelshagen, Franz; Ruisinger, Marion; Stuber, Martin Veröffentlichungsversion / Published Version Konferenzbeitrag / conference paper Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Krempel, Lothar ; Hächler, Stefan ; Mauelshagen, Franz ; Ruisinger, Marion ; Stuber, Martin: Die "Europäische Gelehrtenrepublik" des 18. Jahrhunderts : eine netzwerkanalytische Rekonstruktion des Netzes wissenschaftlicher Korrespondenznetzwerke. In: Rehberg, Karl-Siegbert (Ed.) ; Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) (Ed.): Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2. Frankfurt am Main : Campus Verl., 2008. - ISBN 978-3-593-38440-5, pp. 3371-3378. URN: http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-155711 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, nontransferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, noncommercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

Die»Europäische Gelehrtenrepublik«des 18. Jahrhunderts: eine netzwerkanalytische Rekonstruktion des Netzes wissenschaftlicher Korrespondenznetzwerke Lothar Krempel, Stefan Hächler, Franz Mauelshagen, Marion Ruisinger und Martin Stuber Einleitung Ausgedehnte Briefwechsel bilden einen konstitutiven Bestandteil jener Gelehrtenkultur, die zeitlich von Erasmus bis Voltaire reicht, räumlich ganz Europa umfasst und in der Vorstellung einer kosmopolitischen Gelehrtenrepublik ihren idealen Ausdruck findet. In einer solchen Perspektive beginnt man das gelehrte Europa als ein Netz von sich überkreuzenden Korrespondenznetzen zu sehen, mit unzähligen großen und kleinen Knotenpunkten, neuralgischen Stellen und Endpunkten. Untersuchungseinheiten solcher Studien sind so genannte egozentrierte Netze, die einzig die Briefkontakte zur jeweiligen Fokusperson in den Blick nehmen. Noch weitgehend inexistent sind dagegen Forschungen zu multipolaren Netzen, so zum einen zu Beziehungen und Aktionen zwischen sämtlichen Akteuren innerhalb eines einzelnen Korrespondenznetzes, zum anderen zu Beziehungen und Aktionen zwischen verschiedenen Korrespondenznetzen. Visualisierung Technisch kann man derartige Datensammlungen als mathematische Graphen repräsentieren und als Netzwerk analysieren. Die in den letzen Jahren entstanden Verfahren zur visuellen Repräsentation von Graphen erlauben es auch viele zusätzliche Eigenschaften der zugrundeliegenden Netze in deren Darstellung zu integrieren, sodass einfach zu lesende Darstellungen entstehen (Krempel 2005). Die neuen Techniken der Visualisierung von Netzen auf der Basis algorithmischer Operationen bieten die Chance solche enormen Datenmengen, die auf andere Weise nicht zu überschauen wären, zu analysieren.

3372 A D- H O C - G R U P P E: N E T Z W E R K A N A L Y S E Das Netz der Haller Korrespondenten In der Haller-Datenbank wurden für die rund 1.200 Haller-Korrespondenten sämtliche Briefdaten verzeichnet, die in Brief- und Korrespondentenlisten, in Briefeditionen sowie in der biographischen Forschungsliteratur greifbar sind. Für insgesamt 654 Korrespondenten (56 Prozent aller Haller-Korrespondenten) sind Briefkontakte zu anderen Haller-Korrespondenten nachgewiesen. Derartige Mengen an Beziehungen sind aber auf herkömmlichen Seitenformaten kaum darstellbar. Abbildung 1 geht deshalb von einem Schwellenwert aus. In einer rekursiven Definition beschränkt er sich auf diejenigen Haller-Korrespondenten, die mit mindestens fünf anderen Haller-Korrespondenten Briefe austauschen, die ihrerseits mit mindestens fünf Haller-Korrespondenten in Briefkontakt stehen. Abbildung 1: Haller-Korrespondenten mit Briefbeziehungen zu mindestens fünf anderen Haller- Korrespondenten. (Quelle: eigene Darstellung.) Schon in der zeitgenössischen Wahrnehmung bestimmen sich Rang und Bedeutung eines Gelehrten nicht zuletzt durch seine starke Vernetzung. Anhand der Größen der Darstellung (die der Anzahl der Verbindungen mit anderen Korrespondenten entspricht, dem Degree der Knoten) treten bedeutsame Akteure dieses Korres-

K R E M P E L U. A.: E U R O P Ä I S C H E G E L E H R T E N R E P U B L I K 3373 pondenznetzes hervor: Formey als Sekretär der Berliner Akademie, Gessner als Zentralfigur der Zürcher Gelehrtenwelt, Gottsched als deutscher Literaturpapst, G.E. Haller als ältester Sohn Albrecht von Hallers, Linné als die botanische Referenz des 18. Jahrhunderts schlechthin, und Christoph Jakob Trew als Redaktor von Zeitschriften wie des Commercium litterarum und der Acta physico medica der Leopoldina, Voltaire als das»haupt«der (französischen) Aufklärung und Wargentin als Sekretär der Stockholmer Akademie. Haller-Korrespondenten und europäische Gelehrtengesellschaften Mit einer zweiten Matrix (Abb. 2) kann die Mitgliedschaft der Haller Korrespondenten in Gelehrtengesellschaften respektive Akademien beschrieben werden, die in wichtigsten europäischen Staaten eine zentrale Stellung einnehmen und gleichzeitig europäische Ausstrahlung besitzen: Accademia delle Scienze dell Istituto di Bologna, Académie des Sciences Paris, Akademie der Wissenschaften Petersburg, Akademie der Wissenschaften Stockholm, Royal Society London. Eine erste Ausnahme stellen die deutschen Territorien dar, für die wegen der fehlenden Dominanz einer einzigen gleich vier Gelehrtengesellschaften aufgeführt werden: Akademie der Wissenschaften Berlin, Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen, Leopoldina, Bayrische Akademie der Wissenschaften München. Ein zweiter Spezialfall ist die Eidgenossenschaft, die überhaupt keine auf das gesamte Territorium ausgerichtete Gelehrtengesellschaft aufweist. Als Alternative untersuchen wir die Helvetische Gesellschaft und die Oekonomische Gesellschaft Bern.

3374 A D- H O C - G R U P P E: N E T Z W E R K A N A L Y S E Abbildung 2: Mitgliedschaften der Haller-Korrespondenten in 11 wichtigen europäischen Gelehrtengesellschaften (mind. 2 Mitgliedschaften) (Quelle: eigene Darstellung.) Ein Netzwerk von Korrespondenznetzwerken Ein drittes Netzwerk entsteht durch die Kombination einer Reihe von Korrespondenznetzwerken. Hierbei werden unterschiedliche historische Quellen kombiniert. Dabei wurde versucht, alle drei Typen botanischer Korrespondenz abzudecken, so die wissenschaftlich-botanischen Korrespondenzen von Albrecht von Haller (1708 1777), Lorenz Heister (1683 1758), Carl von Linné (1707 1778) und Christoph Jakob Trew (1695 1769) und die auf ökonomischen Nutzen ausgerichteten Korrespondenzen von Joseph Banks (1743 1820) und der Oekonomischen Gesellschaft Bern (OeG Bern, gegründet 1759) sowie die von persönlicher botanischer Liebhaberei motivierten von Jean-Jacques Rousseau (1712 1778).

K R E M P E L U. A.: E U R O P Ä I S C H E G E L E H R T E N R E P U B L I K 3375 Das Supernetz der Korrespondenzen Die Verschränkung diverser Korrespondenznetze ist ein Two-mode-Graph (Abb. 3). Dieser beschreibt die Beziehungen zwischen den Focuspersonen und ihren Korrespondenten. Die Nähe in den graphischen Repräsentationen klassiert die Korrespondenten hinsichtlich ihrer strukturellen Äquivalenz wer mit identischen Forschern Kontakt hat. Abbildung 3: Supernetz der Korrespondentennetze von Banks, Haller, Heisler, Linné, Trew, Rousseau und der OeG Bern, mind. 3 Beziehungen (Quelle: eigene Darstellung) Deutlich wird hier eine Chronologie sichtbar: Die beiden ältesten Zentralfiguren Heister (aktiv ab ca. 1703, gestorben 1758) und Trew (aktiv ab ca. 1715, gestorben 1769) überschneiden sich untereinander sehr stark, nur sehr gering dagegen mit den jüngsten OeG Bern (aktiv ab 1759) und Banks (aktiv ab ca. 1763). Linnés und Hallers Netze, die beide um 1725 zu wachsen beginnen, stehen chronologisch in der Mitte und besitzen sowohl untereinander als auch mit sämtlichen anderen Netzen große Schnittmengen. Für die besonders stark ineinander

3376 A D- H O C - G R U P P E: N E T Z W E R K A N A L Y S E verwobenen Netze von Heister und Trew ist die zeitliche Nähe zwar die allgemeine Voraussetzung, der eigentliche Grund dafür liegt aber in deren Lehrer-Schüler-Verhältnis, respektive dem daraus entstandenen engen Kontakt und der thematischen Nähe. Weil eben alle der hier zur Diskussion stehenden Korrespondenznetze einen nicht bei allen zentralen, aber doch überall vorhandenen botanischen Fokus aufweisen, verwundert es neben der chronologischen Identität der Netze von Linné und Haller nicht, dass die beiden botanischen Koryphäen des Jahrhunderts mit den anderen Netzen die meisten Überschneidungen aufweisen und demzufolge als Kreise mit den größten Durchmessern erscheinen. Einzig beim Gelegenheitsbotaniker Rousseau beschränkt sich die Kombination von orange (Linné) und gelb (Haller) auf bloß fünf Köpfe. Und bezeichnenderweise handelt es sich bei diesen in keinem Fall um einen professionellen Botaniker mit dem universitären Abschluss eines Dr. med., sondern zum einen um die Liebhaberbotaniker Claret de la Tourette und Stuart und zum anderen um die allgemeinen Vermittlerfiguren Felice, Formey und Vautravers. Chronologisch könnte Rousseau (aktiv ab ca. 1732, gestorben 1778) mit allen anderen Netzen in Kontakt treten, die Berührungspunkte sind aber trotz dessen botanischem Interesse vergleichsweise gering. Ausgeprägt zeigt sich die vergleichsweise dichte Vernetzung der vier älteren Korrespondenznetze untereinander. Auf dieser rechten Seite ist die Mehrheit der dargestellten Personen gleichzeitig mit Haller, Heister, Linné und Trew verbunden und damit strukturell äquivalent (Breyne, Brückmann, Gmelin, G.E. Haller, Moehring, Pontedera, Séguier, Sloane, van Swieten, Zinn). Zudem ergibt sich eine zweite Reihung mit strukturell äquivalenten Personen, die ebenso mit Haller, Linné und Trew, aber anstelle von Heister mit Banks in Briefbeziehung stehen (Burman, Sibthorp, Murr, Pennant). Gut sichtbar sind die Vermittlerfiguren mit mindestens fünf abgebildeten Beziehungen. Neben den sieben Zentralfiguren sind dies in der Mitte Formey (mit Banks, Haller, Heister, Linné, Rousseau), auf der rechten Seite Schmidel (mit Banks, Linné, Haller, Trew, Heister) und auf der linken Vautravers (mit Banks, Haller, Linné, OeG Bern, Rousseau).

K R E M P E L U. A.: E U R O P Ä I S C H E G E L E H R T E N R E P U B L I K 3377 Abbildung 4: Supernetz der Korrespondenznetze von Banks, Heller, Heisler, Linné, Trew, Rousseau und der OeG Bern, mind. 4 Beziehungen. (Quelle: eigene Darstellung) Resümee Die neuen Techniken der Visualisierung von Netzen auf der Basis algorithmischer Operationen bieten die Chance, enorme Datenmengen, die auf andere Weise nicht zu überschauen wären, zu analysieren. Diese Techniken leisten mehr als nur die Veranschaulichung der Forschungsergebnisse, sondern stellen vielmehr selbst Forschungsinstrumente dar. In Verbindung mit diesen Verfahren erlaubt es gerade die Kombination verschiedener historischer Quellen das historische Material tiefer zu erschließen.

3378 A D- H O C - G R U P P E: N E T Z W E R K A N A L Y S E Literatur Martin Stuber u.a. (2006),»Exploration von Netzwerken durch Visualisierung. Die Korrespondenznetze von Banks, Haller, Heister, Linné, Rousseau, Trew und der Oekonomischen Gesellschaft Bern«, in: Regina Dauser u.a. (Hg.), Wissen im Netz. Botanik und Pflanzentransfer in europäischen Korrespondenznetzwerken des 18. Jahrhunderts, Berlin. Krempel, Lothar (2005), Visualisierung komplexer Strukturen. Grundlagen der Darstellung mehrdimensionaler Netzwerke, Frankfurt a.m.