Die Zukunft der Steuerberatung Zukunftsstrategien in der Steuerberatung Änderungen im Markt und mögliche Reaktionen von WP/StB Lothar Schulz, Reutlingen und WP/StB Dr. Karl-Heinz Maier, München* Der Markt für steuerberatende, rechtsberatende und wirtschaftsprüfende Dienstleistungen ist umkämpfter denn je. Neben der aktuellen konjunkturellen Situation ist seit vielen Jahren ein stetiger Anstieg der Anbieterzahlen auf dem Steuerberatungsmarkt zu beobachten. Zum 1.1.08 hatten folgende Berufsträger die Befugnis zur Durchführung von steuerberatenden Leistungen nach 3 StBerG: Berufsträger 3 StBerG Steuerberater 73.457 Wirtschaftsprüfer 13.206 vbp 3940 Anzahl der Berufsträger mit der Befugnis zur Steuerberatung Rechtsanwälte 146.906 1. Verdeutlichung der Entwicklung anhand von Zahlen Die Entwicklung im Zeitablauf verdeutlicht diese Entwicklung eindrucksvoll. Seit dem 1.1.90 hat sich die Zahl der Steuerberater von 45.142 um 62,7 % auf 73.457 erhöht. Die Zahl der Wirtschaftsprüfer hat sich in dem gleichen Zeitraum um 108,2 % erhöht und die der Rechtsanwälte sogar um 159,4 %. Das Marktvolumen und insbesondere die Anzahl der Kunden hat sich in dem gleichen Zeitraum jedoch nur geringfügig erhöht. Das Wettbewerbsumfeld ist unzweifelhaft härter geworden. Auch viele kleinere Städte verfügen bereits über eine hohe Dichte an steuerberatenden Kollegen. Zahl der Steuerberater stieg in den letzten 18 Jahren um mehr als 60 % * Die Autoren sind Mitglieder des Kompetenzteams Wirtschaftsprüfung von AUREN Deutschland. Kanzleiführung professionell 5 2009 84
In Zukunft ist mit keiner Änderung dieser Entwicklung zu rechnen. Alle Bemühungen der Berufsorganisationen und des Gesetzgebers deuten darauf hin, dass die Attraktivität der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe eher noch verbessert werden soll. Beispielhaft sei nur die Einführung von privilegierten Studiengängen nach 9a WPO genannt. Der Zugang zum Berufsstand des Wirtschaftsprüfers wird somit deutlich erleichtert und beschleunigt. Zugang zum Berufsstand der WP wird künftig deutlich erleichtert Die Anzahl der Kunden wird sich wohl kaum im gleichen Maße entwickeln, wie die Anbieterstruktur sich verändert. Auf Kundenseite erlebt man in den letzten Jahren in klassischen Kundensegmenten Konzentrationstendenzen von großem Ausmaß. Viele Kundengruppen sind nicht mehr vorhanden oder nur noch in einer Großkundenstruktur. Diese Tendenzen sind bei immer mehr Kundengruppen zu erkennen. Die Erfordernisse des Marktes erfordern in vielen Bereichen eine Konzentration. Nur ab einer kritischen Größe sind bestimmte Märkte noch zu bedienen. Mit der steigenden Größe der Kunden verändern sich die Anforderungen an das benötigte Beratungsspektrum. Darüber hinaus nimmt die Marktmacht auf der Kundenseite zu. Der Steuerberatungsmarkt wandelt sich immer stärker von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt. 2. Kanzleien müssen sich dem Wettbewerb stellen Diesen geänderten Wettbewerbsbedingungen müssen sich die Kanzleien stellen. Eine mittelfristige strategische Planung und Ausrichtung der Kanzleientwicklung auf diese Ziele ist für eine erfolgreiche Zukunft unerlässlich. Reichte früher die Ablegung des Examens und der Erwerb eines repräsentativen Kanzleischildes zur Gründung und zum Aufbau eines Beratungsunternehmens aus, haben sich die Zeiten geändert. Steuerberatungsunternehmen müssen sich wie andere Unternehmen in einem enger werdenden Markt intensiv mit der Positionierung des eigenen Unternehmens beschäftigen. Mittelfristige strategische Planung und Ausrichtung ist unerlässlich In diese strategische Positionierung der Kanzlei sind neben der eigenen IST-Situation, das Wettbewerbsumfeld und die Kundenstruktur mit einzubeziehen. Auf Basis einer detaillierten IST-Analyse sollte sich die Kanzlei insbesondere mit folgenden Fragen beschäftigen: Wo stehen wir heute? Wo wollen wir in 5 Jahren sein? Welche Erträge soll die Kanzlei dann erwirtschaften? Wer sind unsere Kunden in 5 Jahren? Welche Leistungen benötigen diese Kunden? Wie können wir diese Leistungen erbringen? Wer sind unsere Wettbewerber in 5 Jahren? Die Geschwindigkeit der Veränderungen ist nicht mehr mit früheren Entwicklungen vergleichbar (Technologien, Internationalisierung usw.). Die Komplexität der Beratungsfelder hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Eine klare Zukunftsausrichtung der Kanzlei ist für Kunden und Mitarbeiter wichtig. Kanzleiführung professionell 5 2009 85
Die Einzelheiten sind ein einem schriftlichen Strategiekonzept mit messbaren Meilensteinvereinbarungen festzuhalten. Messbare Größen führen automatisch zu einem höheren Zielerreichungsgrad. Die Ziele müssen auch an die Mitarbeiter kommuniziert werden, da sie eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Kanzlei spielen. Die Umsetzung des Strategiekonzeptes ist regelmäßig anhand von Soll/Ist-Vergleichen zu überprüfen. Ohne Überprüfung wird das beste Strategiekonzept nicht umgesetzt. Welche Strategie eine Kanzlei im Einzelfall wählt, hängt sicherlich auch von der Ausgangssituation und den Möglichkeiten der Kanzlei ab. Eine Positionierung der Kanzlei nach dem Motto eines Bauchladens: Wir beraten Unternehmen aller Größen, aller Branchen und aller Rechtsformen wird nur bedingt zukunftsfähig sein. Dies ist derzeit die strategische Ausrichtung der meisten Steuerberatungsunternehmen und daher für eine Unterscheidung am Markt untauglich. Entscheidend für die strategische Grundausrichtung der Kanzlei ist die Definition des künftigen Zielkunden. Umsetzung des Strategiekonzeptes ist ständig zu überprüfen Definition der künftigen Zielkunden Kleinere Kunden wählen ihren Berater normalerweise, um damit den bestmöglichen Berater für eine steuerberatende Standardleistung (Rechnungswesen, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen usw.) zu bekommen. Diese Kunden erwarten dabei ein gewisses Maß an Zusatzberatungsleistungen. Aufgrund des hohen Gebührenanteils für die Standardleistungen reagieren diese Kunden meist mit Widerstand, wenn die Zusatzberatungsleistungen mit nennenswerten Stundensätzen abgerechnet werden sollen. Ergänzende Beratungsleistungen lassen sich dort nur schwer als strategisches Geschäftsfeld mit bedeutenden Umsatzanteilen entwickeln. Die zusätzlichen Beratungsleistungen werden auch von kleineren Kunden geschätzt, dienen jedoch in diesem Zusammenhang mehr der Kundenbindung, denn der Erzielung neuer Dienstleistungsumsätze. Die Akquisition von diesen kleineren Kunden erfolgt überwiegend durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Oftmals handelt es sich um Einzelkanzleien bzw. kleinere Sozietäten bei denen das Marketing in der Regel vollständig auf die Kanzleiinhaber abgestellt ist. Diese Kanzleien führen meist auch den Namen der Kanzleiinhaber. Zur Bindung der kleinen Kunden mit einem hohen Bedarf an Standardleistungen ist es erforderlich, neben der Qualität auch die Wettbewerbsfähigkeit der Preise zu beachten. Der Preisdruck für die abrechnungsintensiven Leistungen wird künftig weiter steigen. Kanzleien in diesem Segment sollten daher eine Strategie der Kostenführerschaft anstreben. Preisdruck für die abrechnungsintensive Leistungen wird steigen Größere beratungsintensive Kunden sind oftmals in der Lage Standardleistungen durch eigene personelle Ressourcen abzudecken. Dieses Kundensegment sucht Berater, die aufgrund eines möglichst breiten Beratungsspektrums die Anforderungen erfüllen. Systemanbieter für beratungsintensive mittelständische Kunden haben in der Zukunft sicherlich die Möglichkeit erhebliche Umsatzsteigerungen zu erzielen. Große Beratungsgesellschaften haben Schwierigkeiten den Wunsch dieser mittelgroßen Kunden nach einer persönlichen Beratung zu erfüllen. Aufgrund Kanzleiführung professionell 5 2009 86
der Größe und der hohen Spezialisierung erfüllen sie die qualitativen Anforderungen. Die hohe Fluktuation und die räumliche Entfernung verhindern aber die angestrebte langfristige Partnerschaft. In diese Lücke könnten mittlere Beratungsgesellschaften springen, die es schaffen den Qualitätsanspruch und das Leistungsspektrum der großen Gesellschaften zu erreichen und gleichzeitig die regionale Nähe mit dem persönlichen Beratungsansatz zu verbinden. Für die Akquisition dieser größeren Mittelständler reicht es nicht mehr aus, dass von einem anderen Kunden eine Empfehlung ausgesprochen wird. Neben dieser Weiterempfehlung spielen objektive Faktoren wie: Anzahl Mitarbeiter/Berufsträger, Spezialisierungen, Anzahl Büros, Leistungsangebot, internationale Einbindung usw. eine erhebliche Rolle. Dies zeigt auch eine Analyse des Wettbewerbsumfeldes in diesem Bereich. Nahezu alle namhaften Anbieter in diesem Kundensegment sind überregional tätig und verfügen über eine internationale Anbindung. Eine kleinere Beratungskanzlei alleine kann nicht glaubwürdig auf diesem Niveau als Wettbewerber wahrgenommen werden. Allein die Anzahl der Spezialisten, die notwendig ist, um ein derart breites Beratungsspektrum anzubieten, kann durch eine einzelne Kanzlei nicht abgedeckt werden. Falls sich eine kleinere Beratungskanzlei für dieses Kundensegment entscheidet, ist ein Zusammenschluss oder zumindest eine Kooperation mit anderen Kanzleien notwendig. Weiterempfehlung reicht allein nicht mehr aus Für eine Spezialisierung ist eine Kooperation unvermeidbar 3. Darstellung der Umsetzung am Beispiel der Kanzlei AUREN Am Beispiel von AUREN in Deutschland sollen im Folgenden die Möglichkeiten einer solchen Zusammenarbeit dargestellt werden. 1. Rechtlicher Zusammenschluss oft problematisch Der rechtliche Zusammenschluss von ehemals selbstständigen Kanzleien gestaltet sich in der Praxis oft schwierig. Langjährig entwickelte Eigentümerstrukturen können im Rahmen eines rechtlichen Zusammenschlusses nicht beibehalten werden. Für viele Berufskollegen ist eine 50 % Beteiligung an einem kleineren Unternehmen nicht vergleichbar mit einer 10 % an einem Unternehmen, das fünf Mal so groß ist. Darüber hinaus ist die richtige und faire Bewertung der an dem Zusammenschluss beteiligten Kanzleien kompliziert. Falls der Zusammenschluss innerhalb des gleichen Markgebietes stattfinden soll, spielen auch Wettbewerbsbedenken eine Rolle. Rechtlich kaum zu lösen ist ein möglicher späterer Ausstieg und die daran zu knüpfenden wirtschaftlichen Folgen. Aus diesen und anderen Gründen werden viele eigentlich sinnvolle Zusammenschlüsse in der Praxis nicht realisiert. 2. Kooperationen von rechtlich selbstständigen Kanzleien Die in der Praxis weit verbreitete Kooperation von rechtlich selbstständigen Kanzleien unter deren eigenen Namen klammert diese schwierigen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen aus. Die rechtliche Struktur und die gesamte strategische Positionierung der Kanzlei bleibt eine eigenständige Entscheidung der einzelnen Kanzleien. Dieser hohe Grad an Selbstständigkeit führt in der Praxis meist dazu, dass die Effektivität in der Umsetzung von gemeinsamen Projekten unzureichend ist. Jedes an der Kooperation beteiligte Unternehmen wird sich zunächst um das eigene Unternehmen kümmern, bevor es aktive Beiträge zu der Kooperation leistet. Das Tagesgeschäft verhindert oftmals eine Weiterentwicklung der Kooperation. Kanzleiführung professionell 5 2009 87
3. Verbindung der Vorteile aus beiden Modellen Das Konzept von AUREN versucht die Vorteile beider Modelle miteinander zu verbinden. Unter Wahrung der rechtlichen Selbstständigkeit der Unternehmen arbeiten diese nach außen wie ein Unternehmen zusammen. Die Eigentümerstruktur und andere gesellschaftsrechtliche Fragen stimmen die einzelnen Kanzleien völlig selbstständig ab. Auch Investitions- oder Personalentscheidungen trifft jedes Unternehmen alleine. Es bestehen keine rechtlichen Verbindungen zwischen den einzelnen Unternehmen. 4. Vereinheitlichung des Außenauftritts Nur der Außenauftritt wird konsequent vereinheitlicht. Zu diesem Zweck werden alle Gesellschaften in AUREN umbenannt sowie das gesamte Layout und Marketing vereinheitlicht. Für den Kunden wird so der Anschein eines einheitlichen Unternehmens geschaffen. Durch umfangreiche Marketingaktionen (Publikationen, Seminare, Kulturevents, soziales Engagement usw.) wird der Namen an den jeweiligen Standorten bekannt gemacht. Die Zielkunden sind die anspruchsvollen mittelständischen Unternehmen mit einer starken Nachfrage nach beratungsintensiven Leistungen Danach wird auch das Marketing und die Kanzleientwicklung ausgerichtet. Steuerberatende Standardleistungen gehören unverändert zum Leistungsspektrum. Kleine Kunden haben dennoch einen hohen Stellenwert. In dem Außenauftritt orientiert sich AUREN jedoch an dem Leistungsangebot der großen Beratungsgesellschaften und verbindet dies mit einem regionalen und persönlichen Beratungsansatz. Dadurch, dass vor Ort die Eigentümer der Kanzleien tätig sind, ist für den Kunden eine langfristige Partnerschaft garantiert. Eine Fluktuation wie bei den großen Beratungsgesellschaften gibt es nicht. In jedem Wirtschaftsraum ist immer nur eine AUREN Gesellschaft ansässig. Dies verhindert jegliche Wettbewerbsbedenken zwischen den Mitgliedern von AUREN. Jedes Mitglied von AUREN ist verpflichtet an seinem Standort die Marke AUREN durch entsprechende Aktivitäten bekannt zu machen. 5. Vorteile des Einzelnen und der Gruppe Im Gegensatz zu Franchise-Modelle in der Steuerberatung bestehen bei AUREN keine wirtschaftlichen Interessen an neuen Mitgliedern. Außer einer Kostenteilung für gemeinsame Aktionen (Druckkosten, Seminarkosten usw.) sind keine Gebühren für die Mitgliedschaft zu zahlen. Diese Philosophie verhindert eine unkontrollierte Ausbreitung von AUREN. Der Nutzen eines neuen Mitglieds beschränkt sich auf die Steigerung der Bekanntheit der Marke AUREN. Neben dem Vorteil einer starken Marke in der Außendarstellung ermöglicht die Leistungsfähigkeit der gesamten Gruppe neue Möglichkeiten für jeden Einzelnen. In verschiedenen Kompetenzteams hat AUREN umfangreiches Spezialistenwissen aufgebaut. Die Umsetzung rechtlicher und technischer Neuerungen ist in einer Gruppe wie AUREN deutlich einfacher. Die Entwicklung neuer Dienstleistungen erfordert entsprechende personelle Ressourcen und eine gewisse Mindestanzahl von Kunden, die für diese Leistungen in Frage kommen. Auch dies ist innerhalb einer leistungsstarken Gemeinschaft leichter umsetzbar. Derzeit arbeiten in Deutschland ca. 140 Mitarbeiter an sechs Standorten. In naher Zukunft werden weitere Standorte hinzukommen. Weltweit arbeiten schon mehr als 1.500 Mitarbeiter in 9 Ländern nach diesem Konzept. Das Konzept wurde erstmals in Spanien im Jahr 1998 umgesetzt. Heute ist AUREN Spanien das siebtgrößte Beratungsunternehmen. In 15 spanischen Städten arbeiten etwa 700 Mitarbeiter. AUREN Deutschland strebt ebenfalls eine deutschlandweite Abdeckung mit ca. 15 bis 20 Mitgliedern an. Bei dieser Marktabdeckung wäre der Status eines ernsthaften Wettbewerbers für die große Beratungsgesellschaften im Markt der anspruchsvollen Mittelständler erreicht. Hinweis: Für Fragen zu dem Konzept von AUREN stehen Ihnen die Autoren als Mitglieder des Leitungsausschusses von AUREN Deutschland gerne zur Verfügung. Kanzleiführung professionell 5 2009 88