1 Einleitung. 1 Einleitung 1 UND BARKAWI 2012, S. XXII].



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Transkript:

1 Einleitung 1 1 Einleitung Die Treibhausgasemissionen sollen bis zum Jahr 2020 um 40 % und bis 2050 um 80 % gegenüber 1990 in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gesenkt werden [BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT UND BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (BMWI) 2010, S. 5]. Im Jahr 2010 wurden deshalb in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie u.a. folgende Ziele festgelegt: Die Energieproduktivität 1 soll bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 verdoppelt werden [UMWELTBUNDESAMT 2012]. Der Primärenergieverbrauch soll bis zum Jahr2020 um 20 % gegenüber 2008 gesenkt werden [BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT UND BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (BMWI) 2010, S. 5]. Das Erreichen der oben genannten Ziele wird nur durch eine Kombination von verschiedensten Maßnahmen in allen Bereichen möglich sein. Die Diversität der potenziellen Ansatzpunkte spiegelt sich in den vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) identifizierten Hauptstellhebeln wieder. Die Beschlüsse des Energiekonzepts von 2010 und der Energiewende 2011 identifizieren die Bereiche Energieerzeugung (bspw. erneuerbare Energien, Kernenergie, fossile Kraftwerke, Netzinfrastruktur), energetisches Bauen (bzw. Gebäudesanierung), Mobilität, Ausschöpfen von Energieeffizienzpotenzialen in der Industrie sowie Produktion (bspw. Energiemanagementsysteme) und Energieforschung (bspw. Technologien). [BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT UND BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (BMWI) 2010] Diese Arbeit ist im Bereich der Produktion und Produktionslogistik angesiedelt und soll einen Beitrag zur Ausschöpfung von Energieeinsparpotenzialen in der Produktion leisten, da bei der Gestaltung von Produktionsprozessen und deren logistischen Prozessen hohe energetische Einsparpotenziale gesehen werden. Dies wird durch die Studie Energieeffizienz in der Produktion der Fraunhofer Gesellschaft gestützt, welche in der gesamten industriellen Produktion Energieeinsparungen von 25 % bis 30 % aufzeigt [FRAUNHOFER GESELLSCHAFT 2008, S. 3]. Des Weiteren beansprucht das produzierende Gewerbe mit einem Anteil von insgesamt 43,7 % des gesamten deutschen Primärenergieverbrauchs den prozentual höchsten Anteil des wirtschaftlich genutzten Energieverbrauchs, weshalb Energieeinsparpotenziale gerade in diesem Bereich auszuschöpfen sind [STATISTISCHES BUNDESAMT 2012]. Neben den gesellschaftlichen Gründen führen gestiegene Energiekosten in der Bundesrepublik Deutschland dazu, dass sich Produktionsunternehmen mit einer energieeffizienten Produktion auseinander setzen müssen. Insbesondere in den Jahren von 2005 bis 2010 sind die Energiekosten um ca. 70 % gestiegen [BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (BMWI) 2013, S. Reiter 27]. Verstärkt wird dieser Effekt durch immer stärkere Auflagen und Verpflichtungen der Politik, bspw. durch Internalisierung externer Kosten in Form von Ökosteuern und dem Emissionszertifikatehandel [BRETZKE UND BARKAWI 2012, S. XXII]. Die Planung und der Betrieb von energieeffizienten Produktionsprozessen stellt aus diesen Gründen eine Herausforderung der industriellen Produktion und der Produktionslogistik der Zukunft dar. Die oben beschriebenen politischen Rahmenbedingungen werden zusätzlich durch die Megatrends der 1 Energieproduktivität ist das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt (BIP) und erzeugter Einheit Primärenergie

2 1 Einleitung Produktionsforschung gestützt. Diese zeigen ebenfalls einen Forschungsbedarf im Bereich der Energieeffizienz für die Produktion auf. Neben technischen Maßnahmen, wie bspw. die Verwendung effizienter Fertigungsverfahren oder Maschinen und Anlagen, werden auch organisatorische Maßnahmen zum sparsamen Umgang mit Materialien und Energie hervorgehoben. [ABELE UND REINHART 2011, S. 168f.] Organisatorische Maßnahmen lassen sich tendenziell schnell sowie kostengünstig umsetzen und haben eine mittlere Wirkung auf die Energieeinsparung [WULF UND HEINEN 2012b, S. 85]. Abele und Reinhart sehen im Bereich einer energie- und ressourcenorientierten Produktion u.a. folgende Forschungsschwerpunkte bzw. Forschungsbedarfe: [ABELE UND REINHART 2011, S. 168f.] Gestaltungsrichtlinien für energieeffiziente Produktionsanlagen Handlungsanweisungen zur strategischen, taktischen und operativen Gestaltung nachhaltiger Unternehmen Energie- und Ressourceneffizienzbewertung von Prozessketten Multikriterielle Bewertungsverfahren zur Integration von Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz und weiterer Nachhaltigkeitsaspekte in ganzheitliche Betrachtungsmodelle. Die Produktionslogistik hat mit ihren Aufgaben der Gestaltung, Planung und Steuerung der Produktion und den darin stattfindenden Prozessen einen maßgeblichen Einfluss auf die Energieeffizienz. Hauptbestandteile der Produktionslogistik sind die Programm-, Material-, Kapazitäts- sowie Terminplanung, das Logistikcontrolling und die Werkstattsteuerung [BÖGE 2013, S. T1]. In mehreren Arbeiten konnte bereits erfolgreich nachgewiesen werden, dass durch einen gezielten Eingriff in die Produktionsplanung, bspw. durch planerische Maßnahmen in der Reihenfolgeplanung und Maschinenbelegung, die Energieeffizienz gesteigert werden kann. Neben den energetischen Einsparpotenzialen wurden ebenfalls Auswirkungen auf klassische logistische Zielgrößen (Leistung, Durchlaufzeit etc.) nachgewiesen (vgl. bspw. [HAAG 2013], [WEINERT 2010], [RAGER 2008]). 1.1 Problemstellung Die oben beschriebenen Ausführungen zu den klimapolitischen Zielen und dem ermittelten Forschungsbedarf einer energieeffizienten Produktion führen zu einer Erweiterung der klassischen Leistungsziele der Produktion um die Zielgröße der Energie. Obwohl über 90 % aller Industriebetriebe in Deutschland kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind und diese zu einem Großteil zum Gesamtenergieverbrauch der BRD beitragen, fehlen gerade diesen Unternehmen spezifische Werkzeuge und Methoden, die untenstehenden Probleme lösen zu können [HERRMANN ET AL. 2013a, S. 10f.]. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass den Produktionsunternehmen Werkzeuge zur Ermittlung von Handlungsanweisungen, geeignete Bewertungsmethoden, Hinweise auf Gestaltungsrichtlinien und Methoden zur Beurteilung der Auswirkungen über getroffene Maßnahmen im Hinblick auf die Bewertung der Energieeffizienz fehlen (vgl. [JUNGE 2012], [HESSELBACH 2012]). Es besteht die Notwendigkeit eines erweiterten Prozessverständnisses, da eine einseitige energetische oder produktionstechnische Sicht nicht mehr ausreicht [JUNGE 2012, S. 20]. Die Wechselwirkungen zwischen energetischen und logistischen Zielgrößen müssen hierzu bewertbar sein. So ist neben der Integration und Weiterentwicklung bestehender Analyseverfahren auch die Entwicklung neuer leistungsfähiger Methoden nötig [SCHMITT UND FRISCHEMEIER 2010, S. 60]. Mit dem Dortmunder Prozessketteninstrumentarium steht ein geeignetes Werkzeug zur Prozessanalyse von logistischen Prozessen zur Verfügung, jedoch werden energetische Aspekte bisher nur unzureichend

1 Einleitung 3 einbezogen. Zusammenfassend lassen sich folgende Probleme im Bereich der Produktionslogistik identifizieren: Fehlendes Know-how Die meisten Produktionsunternehmen sind sich der Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz bewusst, jedoch fehlt es in der betrieblichen Praxis oft an Erfahrungen und belastbaren Daten für energieeffiziente Lösungen [MÜLLER ET AL. 2008, S. 31]. Gerade in weniger energieintensiven Branchen wurde der systematische Aufbau von Energiekompetenzen im Fabrikbetrieb vernachlässigt; dies verdeutlicht eine Befragung von 90 Serien- und externen Produktionsplanern in einem Automobilwerk [ENGELMANN 2009, S. 30ff.]. Diese Vernachlässigung wird aufgrund fehlender Studiengänge oder Ausbildungsberufe begünstigt, da es aktuell für Unternehmen aufwändig und mühsam ist, dieses Knowhow aufzubauen [BAUERNHANSL ET AL. 2013, S. 222], [HESSELBACH 2012, S. 13]. Zusätzlich geben in der von der KFW Förderbank durchgeführten Befragung zum Thema Energieeffizienz ca. 20,6 % der Unternehmen zu hohe Informationssuchkosten als Grund an, weshalb Energieeffizienzpotenziale nicht genutzt werden [BUKOWSKI 2007, S. 9]. Fehlen von Werkzeugen zur Interpretation von Daten und Kennzahlen Ebenfalls führt das Fehlen benötigter Werkzeuge zur Erfassung relevanter Prozesse und Einflussfaktoren dazu, dass Energieeffizienzpotenziale nicht erschlossen werden [WEINERT 2010, S. 2]. Die Studie Energieeffizienz in der Produktion der Fraunhofer Gesellschaft zeigt, dass nur ein Drittel der befragten Unternehmen über Ansätze zur systematischen Bewertung der Energieeffizienz sowie zur Optimierung von Produktionsabläufen verfügt [FRAUNHOFER GESELLSCHAFT 2008, S. 3]. Aus diesem Grund werden Potenziale in Unternehmen nicht erschlossen, weil bspw. keine Daten zum Energieverbrauch vorliegen und somit bestehende Einsparpotenziale fehlerhaft eingeschätzt oder nicht identifiziert werden können (vgl. bspw. [MÜLLER ET AL. 2008, S. 31], [ENGELMANN 2009], [JOEST UND STREIBEL 2010], [FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR PRODUKTIONSTECHNIK UND AUTOMATISIERUNG-IPA 2011]). Neben einem ganzheitlichen Prozessverständnis und geeigneten Kennzahlen wird ein Konzept benötigt, dass auch die Wechselwirkungen angemessen einbezieht [JUNGE 2012, S. 74f.]. Die Ergebnisse der Studie zum Stellenwert von Energieverschwendung in ganzheitlichen Produktionssystemen zeigt, dass 63,5 % der befragten Unternehmen Wechselwirkungen bisher nur teilweise kennen oder noch nicht näher untersucht haben [SCHNELLBACH ET AL. 2013, S. 434]. Eine absolute Betrachtung des Energieverbrauchs (bspw. über Energiemonitoring-Systeme) führt ebenfalls nicht zwangsläufig zu einer Steigerung der Energieeffizienz; eine Verknüpfung von energetischen Verbräuchen und Produktionskennzahlen ist erforderlich [HESSELBACH 2012, S. 14]. Beim Betrieb von Fabriken kann zwar auf Ansätze des Umwelt- und Energiemanagements oder der Energieberatung zurückgegriffen werden, jedoch sind diese Methoden noch nicht hinreichend mit den Methoden und Instrumenten des Fabrikbetriebs verknüpft [MÜLLER ET AL. 2008, S. 31]. In der Studie Change to Green geben 60 % der Unternehmen ohne Green-Strategie an, dass ihnen geeignete Kennzahlen zur Bewertung der ökologischen Zielsetzung fehlen [FML LEHRSTUHL FÜR FÖRDERTECHNIK MATERIALFLUSS LOGISTIK 2009, S. 17]. Eine solide Datenbasis mit möglichst wenigen Daten ist erforderlich, um Zusammenhänge erkennen und das System quantitativ bewerten zu können [HESSELBACH 2012, S. 13]. Meiden von investitionsintensiven Maßnahmen Sofern eine Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen erfolgt, werden investitionsintensive Maßnahmen von der Industrie gemieden. Dies wird durch die Ergebnisse der Befragungen der KFW Bank

4 1 Einleitung und der IHK Pfalz belegt. Fehlendes Kapital (38,9 %/43,2 %) bzw. zu lange Amortisationszeiten für investive Maßnahmen (33,9 %/57,2 %) werden als Hauptgründe genannt (vgl. [BUKOWSKI 2007, S. 9], [IHK PFALZ 2007, S. 16]), obwohl ca. 71 % von befragten Logistikexperten aus Forschung und Wirtschaft angeben, dass die Energieeffizienz logistischer Systeme ein wichtiges bis sehr wichtiges Thema für die Zukunft darstellt [RÖSCH UND STRAUBE 2008, S. 20]. Umfangreiche Investitionen in neue Technologien und energetische Bilanzierungssysteme führen nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Energieeffizienz, da die isolierte Nutzung der Systeme oder neuen Anlagen potentielle Elemente der Ressourcenverschwendung nicht zwingend aufdeckt bzw. stabile Prozesse sogar behindern kann [ROBINSON 2011, S. 76]. Fehlende Transparenz kein Systemdenken Eine fehlende Transparenz der Energieflüsse (bzw. Energieverbräuche) und ein fehlendes Verständnis der Zusammenhänge der Prozesse im System 2 führt dazu, dass einfache und kostengünstige Energieeffizienzpotenziale durch eine fehlende Integration in den Planungsprozess von Produktionsunternehmen unberücksichtigt bleiben (vgl. [JUNGE 2012, S. 19], [HESSELBACH 2012, S. 13]). Investitionsarme Energieeffizienzmaßnahmen (i.d.r. planerische bzw. organisatorische Maßnahmen im Gegensatz zu technischen Maßnahmen) werden meist aufgrund der unbekannten Wechselwirkungen auf das Produktionssystem nicht genutzt, obwohl Energieeffizienzsteigerungen durch einen gezielten Eingriff in die Produktionsplanung zu erreichen sind (vgl. [RAGER 2008], [WEINERT 2010], [HAAG 2013]). Die oben beschriebenen Defizite eines fehlenden ganzheitlichen Prozess- und Systemverständnisses sowie das Fehlen einer soliden Datenbasis führen dazu, dass erforderliche Energieeffizienzmaßnahmen in Produktionsunternehmen oftmals nicht ergriffen werden, da Effekte auf den laufenden Betrieb nicht abschätzbar sind [HESSELBACH 2012, S. 13]. Zusammenfassend lassen sich folgende Defizite zur Identifizierung und erfolgreichen Verbesserung der Energieeffizienz für KMU für den Bereich der Produktion und Produktionslogistik identifizieren (vgl. [JUNGE 2012, S. 24ff.]): Tabelle 1-1: Zusammenfassung der Defizite Defizite Erläuterung Fehlendes Know-how Fehlende Werkzeuge Kein Einsatz von planerischen Energieeffizienzmaßnahmen Fehlende Transparenz und kein Systemdenken Es fehlt an abrufbarem Know-how, Energieeffizienz systematisch zu verbessern Wissensdefizite von Energieeinsparpotenzialen führen zu höheren Kosten und sinkenden Erträgen Unzureichende Informationen des Energieverbrauchs und eine hohe Komplexität an Wechselwirkungen führen dazu, dass keine Verbesserungsmaßnahmen erschlossen werden Investitionsstarke Maßnahmen werden gemieden Investitionsarme Maßnahmen bspw. aus der Produktionslogistik werden aufgrund unbekannter Wechselwirkungen und fehlender Quantifizierbarkeit nicht initiiert Es fehlt ein Prozessmodell, um Zielkonflikte zu erfassen und zu lösen Nur wenn eine Informations-Basis vorhanden ist, lassen sich geeignete Maßnahmen und Wechselwirkungen ermitteln 2 Für die Beschreibung eines Produktionsunternehmens (Fabrik) eignet sich der Systemansatz. Ein System ist eine Menge von Elementen und Beziehungen zwischen diesen Elementen [MÜLLER ET AL. 2008, S. 35].

1 Einleitung 5 Basierend auf den identifizierten Handlungs- und Forschungsbedarfen werden die Anforderungen und Ziele für diese Arbeit im nachfolgenden Kapitel abgeleitet und das Vorgehen zur Zielerreichung beschrieben. 1.2 Zielsetzung und Vorgehen zur Zielerreichung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine zielgerichtete Analyse und eine Ableitung von Energieeffizienzmaßnahmen für KMU unter Verwendung des PKI zu ermöglichen, welche ein ganzheitliches, systemorientiertes und erweitertes Prozessverständnis mit allen Eingangs- und Ausgangsgrößen unter Einbezug der Energieeffizienz sicherstellt [HERRMANN ET AL. 2010a, S. 94]. Abbildung 1-1 fasst die in Kapitel 1.1 identifizierten Handlungs- und Forschungsbedarfe sowie Anforderungen zusammen. Nachstehend wird das Vorgehen zur Lösung der Anforderungen beschrieben. Methode zur Potentialabschätzung von organisatorischen produktionslogistischen Energieeffizienzmaßnahmen Identifizierte Handlungs- und Forschungsbedarfe Produktionsunternehmen, insbesondere KMU, fehlt häufig Know-How und Transparenz zur Ausnutzung von Energieeffizienzpotentialen Es fehlen Prozessmodelle, welche ein ganzheitliches Prozessverständnis, geeignete Kennzahlen sowie Wechselwirkungen von eingesetzten Maßnahmen berücksichtigen können Trotz hohem Einsparpotential werden organisatorische Maßnahmen aufgrund von hohen Informationssuchkosten und mangelndem Wissen über Wechselwirkungen selten angewendet Es fehlen einfache Ansätze zur systematischen Bewertung von Energieeffizienzmaßnahmen Ableitung in Anforderungen und Ziele 1. Lösungsraumverkürzung zur Reduktion der Informationssuchkosten und Bereitstellung von Wissen zur Ausschöpfung von Energieeffizienzpotenzialen 2. Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Erhebung relevanter Informationen zur Verknüpfung von energetischen und prozessualen Zusammenhängen (Systemdenken) 3. Fokussierung auf investitionsarme Energieeffizienzmaßnahmen im Bereich der Produktionslogistik 4. Aufbau eines Prozessmodells zur quantifizierten Darstellung und Bewertung der Wechselwirkungen Energiebedarf und klassische Parameter der Produktionslogistik Abbildung 1-1: Ableitung der Anforderungen und Ziele 1. Verkürzung des Lösungsraums zur Reduktion der Informationssuchkosten und Bereitstellung von Wissen zur Ausschöpfung von Energieeffizienzpotenzialen Zur Verkürzung des Lösungsraums wird ein Prozessmodell zur Systembestimmung, Maßnahmenbestimmung und Potenzialabschätzung zur anwendungsfallorientierten Bewertung von Energieeffizienzmaßnahmen benötigt. Das Prozessmodell enthält relevante Informationen, um Energieeffizienzpotenziale in Produktionsunternehmen identifizieren, quantifizieren und ausschöpfen zu können. Zusätzlich stellt es das Methodenwissen zur Verfügung, Maßnahmen selektieren und ganzheitlich bewerten zu können. Zur Sicherstellung einer hohen Anwenderorientierung für KMU sollen die einzelnen Schritte in ein Vorgehensmodell überführt werden. 2. Entwicklung einer Vorgehensweise zur Erhebung relevanter Informationen zur Verknüpfung von energetischen und prozessualen Zusammenhängen (Systemdenken) Ziel der zu entwickelnden Methodik ist es, die Kenntnis für eine gezielte Verknüpfung des technischorganisatorischen-zusammenwirkens zur Verfügung zu stellen. Hierzu muss eine Vorgehensweise zur

6 1 Einleitung Systembestimmung entwickelt werden. Diese Phase enthält demnach ein definiertes Vorgehen zur Erhebung relevanter Datenbedarfe mit dem Ziel, eine Verknüpfung energetischer und prozessualer Zusammenhänge sicherzustellen. Das PKI muss befähigt werden, bei der Prozessaufnahme relevante energetische und prozessuale Datenbedarfe erheben und dokumentieren zu können. Über das ganzheitliche systemorientierte Verständnis des produktionslogistischen Systems sind Zielkonflikte zu erfassen und zu lösen, um geeignete Maßnahmen identifizieren und mögliche Wechselwirkungen ermitteln zu können [JUNGE 2012, S. 25]. 3. Fokussierung auf investitionsarme Energieeffizienzmaßnahmen im Bereich der Produktionslogistik Unternehmen meiden investitionsintensive Energieeffizienzmaßnahmen; organisatorische Maßnahmen im Bereich der Produktionslogistik sind ohne entsprechendes Know-how schwer zu identifizieren und deren Wechselwirkungen ohne ein ganzheitliches systemorientiertes Verständnis nicht abschätzbar. Demnach muss dem Anwender das Wissen in Bezug auf geeignete Energieeffizienzmaßnahmen anwendungsfallbezogen zur Verfügung gestellt werden, um nicht selbst entsprechende Maßnahmen im Anschluss an die Prozessanalyse entwickeln zu müssen. Hierzu sind Maßnahmen aus der Praxis zu recherchieren und dem Anwender in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich sind die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Stellgrößen sowie Wechselwirkungen zu systematisieren, so dass diese im Rahmen der Maßnahmenbestimmung selektiert und anwendungsfallbezogen qualitativ und quantitativ bewertet werden können. Zur qualitativen und quantitativen Bewertung, insbesondere der Energieverbrauchsprognose, sind geeignete Methoden zu identifizieren und für diese Arbeit zu entwickeln. 4. Aufbau eines Berechnungsmodells zur quantifizierten Darstellung und Bewertung der Wechselwirkungen Energiebedarf und klassische Parameter der Produktionslogistik Mit Hilfe des dritten Elements Potenzialabschätzung müssen Energieeinsparpotenziale und die Effekte auf weitere Zielgrößen der Produktion (bspw. Qualität, Durchlaufzeit) anwendungsfallbasiert quantifiziert werden. Zur Darstellung von Wechselwirkungen sind ein Kennzahlensystem und ein Berechnungsmodell zur Maßnahmenbewertung zu entwickeln. Neben der oben beschriebenen Selektion und Bewertung von produktionslogistischen Energieeffizienzmaßnahmen müssen die Auswirkungen auf die klassischen logistischen Zielgrößen darstellbar sein, um eine potenzielle Maßnahmenumsetzung ganzheitlich bewerten zu können. Bei der Entwicklung der Vorgehensweise zum Berechnungsmodellaufbau ist darauf zu achten, dass die zu entwickelnde Methodik für KMU praktisch, einfach und mit einem akzeptablen Zeitaufwand anwendbar ist. 1.3 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen Nachdem in Kapitel 1, basierend auf die Einleitung und Problemstellung, das Ziel für die Arbeit definiert ist, werden in Kapitel 2 die wesentlichen Grundlagen in Bezug auf die Arbeit dargestellt. Die Schwerpunkte liegen auf dem erweiterten Prozessverständnis einer energieeffizienten Produktionslogistik und den Wechselwirkungen zwischen energetischen und logistischen Zielgrößen. Des Weiteren werden die Grundlagen zur Prozessanalyse (bspw. Prozessketteninstrumentarium) und Optimierung von produktionslogistischen Prozessen sowie die Vorgehensweise zur Bestimmung und Bewertung des Energieverbrauchs beschrieben. Zur Bewertung organisatorischer Maßnahmen erfolgt eine Darstellung von Kennzahlen und Kennzahlensystemen. Im dritten Kapitel werden die Grundsätze zur Modellierung von produktionslogistischen Systemen sowie eine detaillierte Beschreibung und Gegenüberstellung

1 Einleitung 7 bestehender Modelle zur Bestimmung und Ermittlung einer energieeffizienten Produktionslogistik dargestellt. Kapitel 2 und 3 bilden die Basis für die Ableitung des konkreten Handlungsbedarfs der zu entwickelnden Methodik, welcher in Kapitel 4 anhand von Anforderungen zusammengefast ist. In Kapitel 5 wird das Drei- Phasen-Modell zur Potenzialabschätzung entwickelt. Im ersten Schritt wird der allgemeine Bezugsrahmen sowie das dazugehörige Kennzahlensystem entwickelt, um dann die einzelnen Schritte und Phasen des Modells auszuarbeiten. Das entwickelte Drei-Phasen-Modell wird in Kapitel 6 anhand eines Anwendungsbeispiels validiert und auf seine Anwendbarkeit hin geprüft. In Kapitel 7 werden die Ergebnisse zusammenfasst und der weitere Forschungsbedarf abgeleitet. 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung 1.3 Vorgehen Grundlagen energieeffiziente Produktionslogistik Methoden und Modelle energieeffiziente Produktionslogistik 2 2.6 Ableiten Handlungsbedarf 3 2.1 Grundlagen Produktionslogistik 2.2 Modellierung / Optimierung von Prozessen 2.3 Bestimmung / Bewertung Energieverbrauch 2.4 Logistische / energetische Kennzahlen 2.5 Maßnahmen Reduktion Energiebedarf Abbildung 1-2: Aufbau der Arbeit Entwicklung relevante Bezugsgrößen der Methodik 4 Entwicklung des Drei-Phasen Modells zur Potenzialabschätzung 5 Validierung anhand Praxisbeispiel 7 3.1 Modellierungsgrundsätze 3.2 Modelle Energieeffiziente Produktion 3.3 Methodenbewertung und -vergleich 4. Anforderungen und Ziele der Methodik 5.1 Methodik zur Potenzialabschätzung 5.2 Entwicklung 1. Phase -Systembestimmung 5.3 Entwicklung 2.Phase - Maßnahmenbestimmung 5.4 Entwicklung 3.Phase - Potentialabschätzung 5.5 Fazit Drei-Phasen-Modell 6.1 Validierung 1. Phase -Systembestimmung 6 6.2 Validierung 2.Phase - Maßnahmenbestimmung 6.3 Validierung 3.Phase - Potentialabschätzung Fazit & 6.4 Fazit der Validierung Foschungsbedarf 7.1 Zusammenfassung & Fazit 7.2 Ausblick und Forschungsbedarf