Gesundheitsziele in Deutschland



Ähnliche Dokumente
Kooperationsverbund gesundheitsziele.de: Neun Jahre gesundheitsziele.de in Deutschland eine Zwischenbilanz

Schutzziele im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz und Gesundheitsziele Kooperationsverbund gesundheitsziele.de

Gesund älter werden in Deutschland

Informationen über den Kooperationsverbund gesundheitsziele.de

Gesundheitsziele für Berlin-Mitte

Zielauswahlverfahren

Die nationale Präventionsstrategie:

Chancengleich gesund aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern. Dr. Sibylle Scriba, Ministerium für Soziales und Gesundheit

Umsetzung einer Nationalen Diabetesstrategie

Gesundheitsziele für Brustkrebs: Impulse, Entwicklungen und Herausforderungen

Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg- Generierung und Umsetzung von Gesundheitszielen im Rahmen einer Public Health Initiative

Neue Versorgungsformen in der TK bei psychischen Erkrankungen

Forum gesundheitsziele.de Gesundheitsziele auf Bundesebene 1

Warum sind Vernetzung, Koordination und Kooperation im Handlungsfeld Gesundheitsförderung und Prävention von besonderer Bedeutung?

Entschließung des Bundesrates zur Umsetzung eines Nationalen Diabetesplans

Leitfaden zur Stärkung der Querschnittsanforderung Gesundheitliche Chancengleichheit

Der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de

Fachtagung Gesund aufwachsen für alle! Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche im Stadtteil

Gesundheitszielprozesse und prioritäre Handlungsfelder des Themenbereichs Rauchfrei leben / Tabakkonsum reduzieren

Tabelle 2: Schnittmengen Ziele. gz.de BW BY BE BB HB HH HE MV. gz.de - 1 -

Sachstand. Informationsveranstaltung zur Landesrahmenvereinbarung Hamburg. zur Erarbeitung der Hamburger Landesrahmenvereinbarung

Qualitätssicherung und Zielorientierung der Beitrag der BZgA

Kooperationsverbund zur Weiterentwicklung des nationalen Gesundheitszieleprozesses initiiert und befördert durch das BMG und die GMK

Das Engagement der gesetzlichen Krankenversicherung in der kommunalen Gesundheitsförderung und Prävention

Von den Erfahrungen anderer lernen -Gesund aufwachsen- ein Baustein im Gesundheitszieleprozess in Sachsen. Stephan Koesling Hamburg, 21.

Abkürzungsverzeichnis... IV Abbildungsverzeichnis V Tabellenverzeichnis... VI. 1 Einleitung. 10

Ziel 9: Psychosoziale Gesundheit bei allen Bevölkerungsgruppen fördern

DIE KOMMUNE ALS GESTALTUNGSRAUM

Gesundheitliche Folgen von Arbeitslosigkeit Handlungsbedarf und aktuelle Entwicklungen

Wieviel Gesundheitsförderung macht das Präventionsgesetz möglich?

Was bedeutet das neue Präventionsgesetz für die Bundes-, Landes- und kommunale Ebene?

Kompetenz Gesundheit Arbeit (KoGA) Betriebliches Gesundheitsmanagement im Bundesdienst

Vorstellung Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit BW

Präventionsketten Chancen und Herausforderungen

Gesundheitsförderung im Setting Krankenhaus unterstützen: Der Kooperationsverbund Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten

Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention Herausforderungen und Chancen für die Kommunen

Gesundheitsleitbild Baden-Württemberg

Niedrigschwellige Bewegungsförderung in Berlin. das Zentrum für Bewegungsförderung als Landeskoordinationsstelle

Alkoholprävention als Querschnittsaufgabe kommunaler Präventionsketten

Präventionsketten als Chance einer gelingenden Zusammenarbeit in der Kommune. Sozialraumkonferenz 7. November 2016

Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.v.

Präsentation der regionalen BGF- Koordinierungsstelle Baden-Württemberg

Gesundheitszielprozesse und prioritäre Handlungsfelder des Themenbereichs Gesund älter werden

Holger Kilian, MPH Fachstelle Gesundheitsziele im Land Brandenburg

Über die Notwendigkeit von Mediation, Moderation, Koordination und Vernetzung in Gesundheitsförderung und Prävention

Weiterentwicklung des nationalen Gesundheitsziels Gesund aufwachsen. Ansätze und Diskussionen. Thomas Altgeld, AG 7 GVG e. V.

Gesundheitsförderung und Primärprävention Erfahrungen aus Deutschland

Daten für Taten reloaded. Gesundheitsziele und Gesundheitsdaten. Thomas Ziese Oktober 2006

Umsetzung des Präventionsgesetzes in den Bundesländern

Arbeitsgruppe Motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten. Arbeitsprogramm

Mobile Rehabilitation als neue Versorgungsform

Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit Bremen

Fachtagung des Caritasverbands in Frankfurt

Anschwung für frühe Chancen Service-Programm zur Unterstützung von 600 Initiativen für frühkindliche Entwicklung

BARMER Versorgungs- und Forschungskongress

So dick war Deutschland noch nie. Das Körpergewicht ist viel zu oft viel zu hoch. Prof. Dr. Helmut Heseker

BAGSO-Bildungsangebot. Im Alter IN FORM Gesunde Lebensstile in Kommunen fördern

FAKTENBLATT ZUM PROJEKT

Forum 3: Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Krankenkassen. Werner Mall Leiter Unternehmenseinheit Prävention der AOK Nordost

AUFBAU EINER STRATEGIE FÜR MEHR GESUNDHEITLICHE CHANCENGLEICHHEIT IN DEUTSCHLAND

Die Leitfäden der Bundesländer zur Früherkennung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche Ein systematischer Vergleich

Gesundheitszieleprozess in Thüringen

A Vorwort Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, New York

Gesundheitsleitbild. Gesundheitsamt. Gesundheitsförderung Prävention Versorgung vernetzen koordinieren initiieren Gesundheitsdialog Kommunikation

Psychische Gesundheit in Bayern - ein Überblick. Dr. Joseph Kuhn

Ziel Gesund leben und arbeiten

Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme

Gesundheit liegt uns am Herzen

Tabelle: Gesundheitsziele und prioritäre Handlungsfelder Eine Übersicht des Bundes und der Länder

Nationales Zentrum Frühe Hilfen

Guter Start ins Kinderleben. 4. Netzwerktreffen

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 1

Leitbild des Universitätsklinikums Bonn

Zentrale Begrifflichkeiten aus Gesundheitsförderung und Prävention in nichtbetrieblichen Lebenswelten

Präsentation der regionalen BGF- Koordinierungsstelle Bayern. 31. Januar 2018 vbw

Die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union (1997)

Ressourcen, Belastungen und Hilfebedarf junger Familien aus Sicht der Familienhebammen:

Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme

Frauenselbsthilfe nach Krebs e.v. Information und Entscheidungshilfen für PatientInnen

Gesundheitliche Chancengleichheit - partnerschaftlich in Bayern umgesetzt. Iris Grimm Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit

Nationale Strategie Palliative Care

Fachtagung Gesund aufwachsen für alle! Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche im Stadtteil

Projekt Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation 7. Sitzung des Lenkungsgremiums am Beschluss zum Projektbeginn und -vorgehen

Gesetzliche Rahmenbedingungen für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) durch die Krankenkassen

Neun Jahre gesundheitsziele.de Bilanzierung, Sachstand, Perspektiven

Wie gesund sind die Berliner Kinder?

Handlungsansätze für ein betriebliches Gesundheitsmanagement in Krankenhäusern

DGUV-Fachbereich Gesundheit im Betrieb. Dipl.-Ing. Gudrun Wagner - Berufsgenossenschaft Holz und Metall

Das neue Gesundheitsziel Rund um

Ausbildungsabbrüche vermeiden - neue Ansätze und Lösungsstrategien

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 1

Strukturierung des Charta-Prozesses

Qualifizierungskonzept Werkstatt Quartier zur Gesundheitsförderung in der Kommune. Iris Grimm, Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit

Tabelle 1: Gesundheitsziele und prioritäre Handlungsfelder auf Bundes- und Länderebene. Gesundheitsziele und prioritäre Handlungsfelder

Psychosoziale Beratung im Kontext von pränataler Diagnostik

Wir über uns. Das MRE-Netz Mittelhessen. Dr. med. Martin Just. Gesundheitsamt Landkreis Marburg-Biedenkopf

Volkskrankheit Depression

Qualitätsbericht der IKK Brandenburg und Berlin

Kleine HeldInnen in Not

P R E S S E M I T T E I L U N G

Transkript:

Gesundheitsziele in Deutschland Eine Analyse über Effektivität und Implementierung auf Bundes- und Länderebene Masterarbeit Jacqueline Kopitzki

Kopitzki, J. (2010): Gesundheitsziele in Deutschland. Eine Analyse über Effektivität und Implementierung auf Bundes- und Länderebene Ausgewählte Veröffentlichungen des Studiengangs Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung an der Hochschule Magdeburg-Stendal Publikationen mit ISBN / ISSN Kategorie: Abschlussarbeiten Themenschwerpunkt: Prävention und Gesundheitsförderung Quelle Deckblatt: http://de.wikipedia.org/

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts Name, Vorname Titel Erstgutachter Zweitgutachterin Abgabeort Kopitzki, Jacqueline Gesundheitsziele in Deutschland. Eine Analyse über Effektivität und Implementierung auf Bundes- und Länderebene Prof. Dr. Thomas Hartmann Dr. Kerstin Baumgarten Magdeburg Abgabetermin August 2010 Studiengang Fachbereich Hochschule Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung Sozial- und Gesundheitswesen Hochschule Magdeburg-Stendal Stand Korrigierte und überarbeitete Fassung: 10/2010

Die Verfasserin, Jacqueline Kopitzki, studierte von Oktober 2005 bis September 2010 Gesundheitsförderung und -management (B.A.) sowie Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung (M.A.) an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Kontakt Jacqueline Kopitzki Olvenstedter Straße 24 D-39108 Magdeburg E-Mail: Jacqueline.Kopitzki@gmx.de oder Prof. Dr. Thomas Hartmann Hochschule Magdeburg-Stendal Breitscheidstraße 2 D-39114 Magdeburg E-Mail: thomas.hartmann@hs-magdeburg.de 2010 Jacqueline Kopitzki Alle Rechte bei Jacqueline Kopitzki Dieses Werk ist durch das deutsche und internationale Urheberrecht und andere Gesetze geschützt. Weitergabe, Nachdruck, Fotokopie und Speicherung auf Datenträger jeder Art sind erlaubt. Ein Veröffentlichungs-, Verbreitungs- oder kommerzielles Verwertungsrecht besteht nicht. Der Verkauf, Abdruck in Printmedien, Veröffentlichung auf Vorträgen bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung der Autorin. Widerrechtliches Handeln kann eine straf- und zivilrechtliche Verfolgung nach sich ziehen. Online-Version auf http://www.gesundheitsfoerderung.info Band: 18 Satz: Vorlage der Autorin Druck: Hochschule Magdeburg-Stendal, Eigendruck 2010 (15 Exemplare) Verlag: Blauer Punkt Verlag ISBN: 978-3-941117-82-2 Preis: 20,00 Euro

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung... 1 2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen... 4 3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de... 8 3.1 Organisationsstruktur des Kooperationsverbundes... 8 3.2 Definition von Gesundheitszielen... 10 3.3 Auswahlkriterien zur Zielbestimmung... 13 3.4 Aufgaben und Bedeutung von Gesundheitszielen... 15 4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern... 17 4.1 Gesundheitsziele auf nationaler Ebene... 17 4.2 Gesundheitsziele in den Bundesländern... 23 5. Stellenwert der Gesundheitsziele in der Gesetzgebung... 26 6. Evaluation der Bundesgesundheitsziele... 31 6.1 Evaluationskonzept für das Gesundheitsziel Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, PatientInnen-Souveränität stärken... 33 6.2 Evaluationskonzept für das Gesundheitsziel Tabakkonsum reduzieren 36 6.3 Evaluationskonzept für das Gesundheitsziel "Depressive Erkrankungen: verhindern, früher erkennen, nachhaltig behandeln... 39 7. Diskussion und Schlussfolgerungen... 46 8. Zusammenfassung... 56 9. Abstract... 58 10. Literaturverzeichnis... 59 Anhang I

Abkürzungsverzeichnis AG BB BE BGF BL BMELV BMFSFJ BMG BW BY BZgA GKV GMK GVG HB HE HH KiTa MV NI NW RKI RP SH SL SN ST TH WHO Arbeitsgruppe Brandenburg Berlin Betriebliche Gesundheitsförderung Bundesland Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Baden-Württemberg Bayern Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Gesetzliche Krankenversicherung Gesundheitsministerkonferenz der Länder Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.v. Bremen Hessen Hamburg Kindertagesstätte Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Robert Koch-Institut Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Weltgesundheitsorganisation II

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Organisation des Forums gesundheitsziele.de...9 Abb. 2: Aktionszyklus gesundheitsziele.de...12 Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Teilziel Transparenz erhöhen...34 Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Teilziel Kompetenz entwickeln...35 Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Teilziel PatientInnenrechte stärken...35 Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Teilziel Beschwerdemanagement verbessern...36 Basismaßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Gesundheitsziel Tabakkonsum reduzieren...37 Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Aufklärung...39 Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Prävention...40 Abb. 10: Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Diagnostik, Indikationsstellung und Therapie...41 Abb. 11: Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Stärkung der PatientInnen und Betroffenen...42 Abb. 12: Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Rehabilitation...43 Abb. 13: Maßnahmen und Erfolgsindikatoren für das Aktionsfeld Versorgungsstruktur...44 III

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Die 21 Ziele des Rahmenkonzeptes Gesundheit für alle für die Europäische Region der WHO 5 Phasen des Gesundheitsziele-Prozesses..16 Zielkonkretisierung des Gesundheitsziels Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung...22 Überblick über die Gesundheitsziele auf Länderebene nach Anzahl und Abstufung der Ziele mit weiterführenden Quellenhinweisen (Stand: 07/2010)...24 Übersicht über die Gesundheitsdienstgesetze der Bundesländer in Deutschland und deren Bezug zu Gesundheitszielen..27 Übersicht über Teilziele/Aktionsfelder, Maßnahmen und Erfolgsindikatoren ausgewählter Bundesgesundheitsziele.33 Am häufigsten genannte Zielbereiche bzw. fokussierte Handlungsfelder auf Länderebene nach Anzahl und Bundesländern...50 Tabellenverzeichnis (Anhang) Tab. Anhang 1: Tab. Anhang 2: Datenblätter zu den Gesundheitszielen in den Bundesländern Übersicht über Themenbereiche der Gesundheitsziele nach Häufigkeit und Bundesländern (alphabetisch sortiert) IV

1. Einleitung 1. Einleitung Prävention und Gesundheitsförderung haben im Rahmen gesundheitspolitischer Reformdiskussionen seit dem Ende der 1990er Jahre einen neuen Stellenwert erhalten. Neben dem Bundesministerium für Gesundheit übernehmen Institutionen wie beispielsweise die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung, die Landesvereinigungen für Gesundheit, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Kooperationsverbund Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten die Erarbeitung, Koordination und Kommunikation im Präventions- und Gesundheitsförderungsbereich (RKI 2009). Das deutsche Gesundheitswesen stellt sowohl in der Vergangenheit als auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Landschaft aus vielfältigen gesundheitsbezogenen Kampagnen, Studien und Untersuchungen, Aktionsplänen und Strategien sowie Gesetzesentwürfen und Debatten mit jeweils unterschiedlichen Zielstellungen und Ansätzen dar. Die Initiierung von Gesundheitszielen bildet einen weiteren Baustein im Rahmen des gesundheitspolitischen Engagements ab. Im Jahr 2000 haben sich in Deutschland Leistungserbringer, Kostenträger, Politik und Verwaltung aus Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, Industrie, Wissenschaft und Verbänden unter dem Kooperationsverbund gesundheitsziele.de zusammengeschlossen. Mit der abgestimmten Erarbeitung von gesundheitsbezogenen Zielsetzungen sollen präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen vernetzt und anhand eines gemeinsam geschaffenen Handlungsrahmens den dringendsten Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung entgegengewirkt werden (ebd.). Die WHO, welche Gesundheit im Jahr 1946 folgendermaßen definierte: Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity. (vgl. WHO 1946), sprach sich bereits gegen Ende der 70er Jahre für die Einführung und Erarbeitung von Gesundheitszielen aus und entwickelte auf nationaler und internationaler Ebene entsprechende Orientierungen (vgl. WHO 1998). Mittlerweile gibt es Gesundheitsziele in Deutschland nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und kommunaler Ebene. 1

1. Einleitung Die ins Leben gerufenen gesundheitsbezogenen Zielsetzungen sollen zu einer Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im sektoral und föderal gegliederten deutschen Gesundheitssystem beitragen und letztendlich durch die Kooperation von im Gesundheitswesen tätigen Institutionen und Organisationen zu einem verbesserten Gesundheitszustand in der Bevölkerung führen. Angesichts der mittlerweile auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene bestehenden gesundheitsorientierten Zielsetzungen mit zahlreichen Schnittstellen, aber teilweise auch sehr unterschiedlichen Themenbereichen und Zielrichtungen, stellt sich an dieser Stelle zum Einen die Frage, welche Gesundheitsziele konkret in Deutschland und den einzelnen Bundesländern erarbeitet und implementiert werden; zum Anderen inwiefern die Gesundheitsziele inmitten der Vielzahl an gesundheitspolitischen Aktivitäten, Maßnahmen, Initiativen und Projekten tatsächlich koordiniert und vernetzt werden und mit welchem Maß an Aufwand und Engagement deren Umsetzung auf Bundes- und Länderebene gelingt. Das Ziel dieser Master-Arbeit ist es die Gesundheitsziele in Deutschland auf nationaler und föderaler Ebene umfassend darzustellen und nach deren Effektivität und Bedeutsamkeit innerhalb gesundheitspolitischer Strategien und Initiativen sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung zu fragen. Dazu gehören neben der Aufarbeitung des Entstehungsprozesses von Gesundheitszielen ausgehend von den eingangs erwähnten internationalen Entwicklungen der WHO auch deren Definition, die Kriterien für ihre Auswahl und deren vorgesehene Aufgaben und Bedeutung. Ergänzend zu den konkreten Zielprozessen auf nationaler Ebene und in den einzelnen Bundesländern, exemplarischen Projektbeispielen aus der Praxis und den jeweils zugehörigen Zuständigkeitsbereichen wird die Verankerung in der Gesetzgebung bzw. den Landesgesundheitsdienstgesetzen untersucht. Im Anschluss daran werden die Evaluationskonzepte für ausgewählte Gesundheitsziele auf Bundesebene vorgestellt und geplante Maßnahmen und Kriterien zur Überprüfung deren Erfolges beschrieben. Anhand dieser Aufarbeitungen wird herausgefunden auf welchem Stand sich der Gesundheitsziel-Prozess, dazu gehört auch dessen Bewusstsein in Politik und Bevölkerung, in Deutschland befindet. Die Herausforderung besteht dabei 2

1. Einleitung darin, aus der Fülle der vorhandenen Quellen, Daten und weiterführenden Informationen zu den vielseitigen Gesundheitszielen und den damit verbundenen Maßnahmen, Kooperationspartnern, Projekten, Initiativen etc. die Kernelemente herauszugreifen und Strukturen sichtbar und deutlich zu machen. Der Forschungsstand bezüglich der Gesundheitsziele kann den Recherchen zufolge größtenteils als fortgeschritten bezeichnet werden, so finden sich neben unterschiedlichem Literaturmaterial beispielsweise auch im Internet zahlreiche Informationsquellen, wobei sich das vorliegende Quellenmaterial jedoch in vielen Fällen nicht auf dem aktuellen Sachstand befindet. 3

2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen 2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen Im Folgenden wird zunächst ein kurzer geschichtlicher Abriss gegeben und die Entwicklungsgeschichte der Gesundheitsziele erläutert um Gesundheitsziel- Programme bzw. den Zielprozess auf nationaler und föderaler Ebene umfassender betrachten zu können. Die Entstehung der Gesundheitsziele reicht in ihrer Grundidee bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1977 das Rahmenkonzept Gesundheit für alle auf der Weltgesundheitsversammlung vorstellte (WHO 1998). Das Konzept machte den Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik sichtbar, denn während sich diese bis dato überwiegend auf Maßnahmen der Gesundheitsversorgung konzentriert hatte, lagen die Prioritäten nach und nach mehr auf den übrigen Determinanten des Gesundheitswesens, welche Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung nehmen Umwelt- und Wohnungspolitik, Arbeitsschutz, Unfallversicherung und Rehabilitationswesen, Gewerbehygiene, Renten-, Familien-, Frauen- und Jugendpolitik, Stadtplanung sowie Sozialhilfe (Waller 2006). In Folge der Deklaration von Alma Ata aus dem Jahr 1978 verabschiedete die WHO Health for All als erstes weltweites Gesundheitsziele-Programm (Wismar u. Schwartz 2004), diesem folgte das 1980 verabschiedete auf Europa bezogene Handlungsprogramm Gesundheit 2000, welches 1984 in 38 Einzelzielen konkretisiert (Waller 2006, S. 129; zit. nach WHO 1985) und im Jahr 1991 aktualisiert wurde, wobei den Zielen jeweils spezielle Indikatoren zugeordnet wurden, um ihre Umsetzung zu beurteilen (Waller 2006, S. 130; zit. nach WHO 1992). Ende der 90er Jahre veröffentliche die WHO die Publikation Gesundheit 21 Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert, wobei die Hauptziele des Rahmenkonzeptes Gesundheit21 in dem Schutz und der Förderung der Gesundheit der Bevölkerung während der gesamten Lebensspanne sowie der Reduzierung der Inzidenz der wichtigsten Krankheiten und Verletzungen und der Minderung der damit verbundenen Leiden lagen (WHO 1998). Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die 21 vorgegebenen Ziele, welche dem spezifischen Handlungsbedarf in der europäischen Region entsprechen und anhand derer sich Fortschrit- 4

2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen te bezüglich eines verbesserten Gesundheitsschutzes und reduzierter Gesundheitsrisiken feststellen lassen (ebd.). Tab. 1: Die 21 Ziele des Rahmenkonzeptes Gesundheit für alle für die Europäische Region der WHO (nach WHO 1998) Ziel 1 Ziel 2 Ziel 3 Ziel 4 Ziel 5 Ziel 6 Ziel 7 Ziel 8 Ziel 9 Ziel 10 Ziel 11 Ziel 12 Ziel 13 Ziel 14 Ziel 15 Ziel 16 Ziel 17 Ziel 18 Ziel 19 Ziel 20 Ziel 21 Solidarität für die Gesundheit in der Europäischen Region Gesundheitliche Chancengleichheit Ein gesunder Lebensanfang Gesundheit junger Menschen Altern in Gesundheit Verbesserung der psychischen Gesundheit Verringerung übertragbarer Krankheiten Verringerung nichtübertragbarer Krankheiten Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle zurückzuführenden Verletzungen Eine gesunde und sichere natürliche Umwelt Gesünder leben Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak verursachten Schäden Settings zur Förderung der Gesundheit Multisektorale Verantwortung für die Gesundheit Ein integrierter Gesundheitssektor Qualitätsbewusstes Management der Versorgung Finanzierung des Gesundheitswesens und Ressourcenzuweisung Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben Forschung und Wissen zur Förderung der Gesundheit Mobilisierung von Partnern für gesundheitliche Belange Konzepte und Strategien zur Gesundheit für alle Das Konzept wurde anhand einer gründlichen Analyse über die gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung in der europäischen Region entwickelt und möchte neben der Verbesserung der Gesundheit Strategien beschreiben, mit deren Hilfe Länder, Organisationen und Bürger auf lokaler Ebene länderspezifische Konzepte und praxisnahe Programme umsetzen können (ebd.). 5

2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen International umfangreiche Vorhaben bezüglich der Bestimmung von Gesundheitszielen und deren Implementierung in das Gesundheitswesen gibt es seit Beginn der 70er Jahre, so wurden nationale Programme beispielsweise in Australien, England, Finnland, Neuseeland sowie den USA und regionale Ziele in Katalonien, schwedischen Regionen und Wales als fester Bestandteil der Gesundheitspolitik erarbeitet (Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern; Landesvereinigung für Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern 2004). Des Weiteren verfolgen auch Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande, Portugal und Spanien Zielprogramme, sodass die Anzahl der internationalen Gesundheitszielprogramme auf regionaler Ebene mittlerweile kaum noch zu überblicken ist und sich auch auf kommunaler Ebene der Gesundheitszielgedanke verfestigt hat (Wismar 2003). In Deutschland hat die 72. Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) im Juni 1999 beschlossen, dass Gesundheitspolitik in Deutschland künftig auf allen Ebenen zielorientierter als bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen müsse und wendete sich mit diesem Beschluss an Verantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen mit der Absicht die Verabschiedung tragfähiger Gesundheitsziele zu beschleunigen (GMK 1999; Klus et al. 2007). Dieser Beschluss kann als wichtiges Startsignal für das Forum zur Entwicklung und Umsetzung der Gesundheitsziele in Deutschland gesundheitsziele.de verstanden werden (ebd.). Im Jahr 2000 erteilte daraufhin das Bundesministerium für Gesundheit den Auftrag an die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.v. (GVG) sich mit nationalen Gesundheitszielen zu befassen, sodass sich letztendlich mehr als 70 Organisationen an dem Zielprojekt beteiligten, darunter politisch Verantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen, Krankenversicherungen, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, Wissenschaftler etc. (Waller 2006). Anhang 1 listet die Partner im Kooperationsverbund zur Weiterentwicklung des nationalen Gesundheitszieleprozesses auf (Stand 2007). Die beiden Hauptziele des oben genannten Modellprojektes waren die Erarbeitung exemplarischer Gesundheitsziele für Deutschland sowie deren zu bereits 6

2. Entstehung und Entwicklung von Gesundheitszielen bestehenden Instrumenten der Gesundheitspolitik komplementäre Etablierung (Klus et al. 2007). Doch bereits vor dem Start des Modellprojektes gesundheitsziele.de des Bundes im Dezember 2000 konnten einzelne Bundesländer schon auf Erfahrungen im Zusammenhang mit länderspezifischen Gesundheitszieleprozessen zurückgreifen (Hess; Rische 2007). Auch im Rahmen der GVG wurde sich bereits seit 1997 im Ausschuss Medizinische Orientierung im Gesundheitswesen mit der Thematik der Gesundheitsziele beschäftigt, zum damaligen Zeitpunkt unter dem Blickwinkel, inwiefern sich Gesundheitsziele aus Sicht der Selbstverwaltung entwickeln und umsetzen lassen (Klus et al. 2007). Die 79. Gesundheitsministerkonferenz im Juni 2006 bestätigte den im Jahr 1999 gefassten Beschluss und konkretisierte das Vorhaben der Politik damit, dass das stark gegliederte deutsche Gesundheitssystem einer stärkeren inhaltlichen Orientierung bedarf, welche durch die Entwicklung von nationalen Gesundheitszielen unter-stützt werden kann (vgl. GMK 2006). Diese Entwicklung wurde als Grundlage einer zielorientierten Gesundheitspolitik auf nationaler E- bene angesehen, wobei die Länder den Prozess weiterhin inhaltlich unterstützen sollten (ebd.). Auf föderaler Ebene haben mittlerweile alle Bundesländer in Deutschland Gesundheitsziele, Präventionsziele oder sonstige prioritäre Handlungsfelder und Aktionsprogramme entwickelt oder sind im Begriff diese umzusetzen (GVG 2007c). 7

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de 3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de 3.1 Organisationsstruktur des Kooperationsverbundes Der Kooperationsverbund zur Weiterentwicklung des nationalen Gesundheitszieleprozesses, gesundheitsziele.de, besteht aus Akteuren aus Bund, Ländern, Kommunen, Leistungserbringern, Kostenträgern, Selbsthilfe- und Patient- Innenorganisationen, Gewerkschaften, Industrie, Wissenschaft und Wohlfahrtsverbänden (www.gesundheitsziele.de). Er wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Gesundheitsministerkonferenz der Länder initiiert und befördert (vergleiche hierzu auch GMK 1999 und GMK 2006) und hat im Dezember 2000 seine Arbeit als Modellprojekt der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und gestaltung e.v. und des BMG aufgenommen (ebd.). Gesundheitsziele.de finanzierte sich im Zeitraum 2000-2006 durch das Bundesministerium für Gesundheit als ein von diesem initiiertes Modellprojekt und seit dem Jahr 2007 durch seine Akteure selbst (Hess 2010). Die Finanzgeber des Kooperationsverbundes sind seit 2007 die Verbände der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Verband der Privaten Krankenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, der Bundesverband Medizintechnologie sowie die GVG (GVG 2010a). Teilprojekte wie zum Beispiel einzelne Veranstaltungen, Publikationen oder die Erstellung von Evaluationskonzepten werden des Weiteren vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert (ebd.). Die GVG koordiniert als Geschäftsstelle die für das Projekt verantwortlichen Gremien (BMG 2003). Die Gesellschaft wurde 1947 gegründet und möchte allen BürgerInnen qualitativen und quantitativen (Versicherungs-)Schutz bei Eintritt zentraler Lebensrisiken bieten indem ein freiheitliches, pluralistisches System sozialer Sicherung gewährleistet wird (www.gvg-koeln.de). Mitglieder der GVG sind die privaten Kranken-, Pflege-, Lebens- und gesetzlichen Sozialversicherungen, betriebliche und berufsständische Einrichtungen der sozialen Sicherung, Ärzte, Zahnärzte und sonstige Leistungserbringer im Gesundheitswesen wie nicht-ärztliche Medizinberufe, Apotheker, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hersteller von Medizintechnologie, die Phar- 8

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de maindustrie sowie weitere gesellschaftlich relevante Institutionen und Wissenschaftler (GVG 2010b). Anhang 2 verzeichnet eine aktuelle Auflistung der Mitglieder der GVG. Die GVG bearbeitet verschiedene Themen und wirkt derzeit durch folgende Ausschüsse (www.gvg-koeln.de): Alterssicherung Europäische Union Medizinische Orientierung im Gesundheitswesen (= gesundheitsziele.de) Ökonomische Orientierung im Gesundheitswesen Pflege und Rehabilitation Telematik im Gesundheitswesen. Die Organisationsstruktur von gesundheitsziele.de gliedert sich in den Ausschuss, den Steuerungskreis, die Arbeitsgruppen und den Evaluationsbeirat (www.gesundheitsziele.de). Die Abbildung 1 stellt den gesamten Kooperationsverbund gesundheitsziele.de dar: 70 Akteure aus dem Gesundheitswesen Arbeitsgruppen Evaluationsbeirat Externe Sachverständige Zuschussgeber Ausschuss Geschäftsstelle (GVG) Steuerungskreis Abb. 1: Organisation des Forums gesundheitsziele.de Quelle: nach www.gesundheitsziele.de Der Ausschuss ist das zentrale Beschlussgremium von gesundheitsziele.de und mit einer Vielzahl relevanter Akteure des Gesundheitswesens besetzt (BMG 2003). Er fungiert als Entscheidungsträger über grundlegende Vor- 9

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de gehensweisen, leitet sämtliche Ergebnisse und Teilergebnisse als Empfehlungen an die Politik weiter (ebd.) und setzt für konkrete Aufgaben die Arbeitsgruppen ein (www.gesundheitsziele.de). Der Steuerungskreis, der Empfehlungen zur Ausrichtung und Organisation des Programms gibt und für die Strukturierung der Arbeit des Ausschusses zuständig ist, ist ein weiteres wichtiges Gremium. Diese Strukturierung erfolgt durch inhaltliche und zeitliche Vorgaben für Teilprojekte, Begleitung von deren Umsetzung und Diskussion von Zwischenergebnissen. Der Gesamtprozess wird vom Steuerungskreis evaluiert. Der Steuerungskreis koordiniert und prüft des Weiteren die Arbeit der Arbeitsgruppen, die Ergebnisse werden nach Beschluss des Ausschusses als Empfehlungen für Politik und Akteure im Gesundheitswesen kommuniziert (ebd.). Die Arbeitsgruppen leisten die Facharbeit, also die Entwicklung der Ziele und Teilziele, und bestehen aus fachlich qualifizierten Personen aus Ministerien, den Bundesländern, den Kommunen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst, aus leistungserbringenden und finanzierenden Organisationen und Institutionen, aus Patientenorganisationen und themenspezifisch aus Verbänden, Wissenschaftlern, Praktikern und Interessen- und Selbsthilfegruppen (BMG 2003). Der vom Ausschuss eingesetzte Evaluationsbeirat erarbeitet Konzepte um einzelne Gesundheitsziele und den Gesamtprozess zu evaluieren (Maschewsky- Schneider et al. 2009). Die GVG sieht ihre Arbeit und deren Ergebnisse selbst als anschlussfähig an, neben vielen Impulsen und erarbeiteten Beiträgen liefert das Projekt gesundheitsziele.de viele Konzepte und Maßnahmen, die auch außerhalb der GVG- Gremien und Arbeitsgruppen tragfähig sind (Angele 2005). Mobilisierung, Strukturierung und Vernetzung sind damit die prioritären Aufgabenbereiche des Forums (ebd.). 3.2 Definition von Gesundheitszielen Gesundheitsziele können definiert werden als politisch erarbeitete Vorgaben, die innerhalb eines bestimmten festgelegten Zeitraumes erarbeitet bzw. erreicht werden sollen (von Troschke 2008) und sind als verbindliche Vereinbarungen verantwortlicher Akteure im Gesundheitssystem zu verstehen (GVG 2007c). 10

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de Nachdem in Deutschland die Entwicklung von Gesundheitszielen auf Länderebene begann, finden sich Gesundheitsziele mittlerweile des Weiteren auch auf Bundesebene, den Kommunen und bei Trägern der Selbstverwaltung (BMG 2006). Für Prävention und Gesundheitsförderung können sie von großer praktischer und politischer Bedeutung sein, indem sie direkt auf die Verbesserung der Gesundheit in spezifischen Bereichen oder für spezielle Gruppen ausgerichtet sind und Einfluss nehmen auf Strukturen, die den Gesundheitszustand der Bevölkerung determinieren (Wismar u. Schwartz 2004). Von der herkömmlichen Gesundheitspolitik unterscheiden sich die Gesundheitsziele dahingehend, dass sie nicht an Versorgungsstrukturen und beispielsweise damit verbundenen Arztzahlen, Krankenhausbettenanzahl usw., sondern an den gesundheitlichen Ergebnissen ansetzen wie zum Beispiel mehr Lebensqualität und mehr Lebensjahre für die Bevölkerung (ebd.). Die Konsensplattform gesundheitsziele.de ermöglicht eine Kooperation unterschiedlicher Akteure im Gesundheitswesen und leitet die Entwicklung und Umsetzung der Gesundheitsziele in Deutschland (www.gesundheitsziele.de). Dabei wird ein umfassender Ansatz zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung verfolgt, sektorenübergreifend werden die Bereiche Prävention, Aufklärung, Behandlung und Rehabilitation mit eingeschlossen (ebd.). Zentrales Anliegen ist dabei die Stärkung von PatientInnen und Betroffenen (ebd.). Das Forum gesundheitsziele.de unterscheidet folgende Themenbereiche (Klus et al. 2007): Gesundheitsziele mit Krankheitsbezug Gesundheitsziele für Bevölkerungs- und Altersgruppen Gesundheitsziele mit Bürger- und Patientenorientierung Gesundheitsziele mit Gesundheitsförderungs- und Präventionsbezug. Die Gründe für die Berücksichtigung unterschiedlicher Zielgruppen sind dabei vielfältig, so sollen die verschiedenen Perspektiven beispielsweise verdeutlichen, dass neben der Krankheitsversorgung auch ausdrücklich Prävention und die Belange der PatientInnen und BürgerInnen fokussiert werden (BMG 2003). Dadurch, dass nicht ausschließlich krankheitsbezogene Zielbereiche berücksichtigt werden, sollen auch Bevölkerungsgruppen erreicht werden, für die der 11

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de Bezug zu bestimmten Erkrankungen nicht vordergründig ist. Es bestehen bewusst Überschneidungen zwischen den unterschiedlichen Zielbereichen, sodass bei der Umsetzung eines Zielbereiches die Fortschritte in den übrigen Zielbereichen im Auge behalten werden und künftig nutzbare Erfahrungen gewonnen werden können (ebd.). Die Abbildung 2 beschreibt den Aktionszyklus des Forums gesundheitsziele.de: Abb. 2: Aktionszyklus gesundheitsziele.de Quelle: nach www.gesundheitsziele.de Gesundheitsziele sollen nicht als ein planwirtschaftliches Element verstanden werden, welches von oben festgelegt und operationalisiert von unten vollzogen wird, stattdessen fungieren sie als im Konsens vereinbarte Entscheidungshilfen für alle Ebenen (Bergmann; Bergmann 2000). Mit Gesundheitszielen verbindet sich die Vision der tatsächlichen Vermeidung von verhinderbaren Gesundheitsproblemen, Beeinträchtigungen, Unfallverletzungen, Behinderungen, gesundheitlichen Fehlentwicklungen oder Todesfällen, sinnvolle Gesundheitsziele müssen jedoch abseits von utopischen Vorstellungen und anhand genauer Kenntnis über die gesundheitliche Lage der Bevölkerung vereinbart werden (ebd.). 12

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de Gesundheitsziele dürfen nicht verwechselt werden mit Präventionszielen, welche auf die Vorbeugung von Unfällen und Krankheiten in der Arbeitswelt gerichtet sind und eine verbesserte Überprüfung des präventiven Handelns ermöglichen (Initiative Gesundheit und Arbeit 2005). Gesundheitliche Prävention in der Arbeitswelt umfasst Maßnahmen der Gesundheitsförderung im Betrieb und des Arbeitsschutzes (ebd.). Durch zielgerichtete Maßnahmen sollen deutliche Erfolge im Bereich der Prävention erreicht werden, wobei es jedoch derzeit kein standardisiertes Verfahren zur Entwicklung dieser Ziele gibt (www.wikipedia.de). Dennoch wurden im Rahmen der Initiative Gesundheit und Arbeit, im Vorlauf zum sich in der Entstehung bzw. Diskussion befindlichen Präventionsgesetz, bereits Verfahren entwickelt zur Ermittlung von Präventionszielen für die Arbeitswelt und zur Vorlage bei den gesetzlichen Krankenversicherungen (ebd.). In den Jahren 2008 und 2009 sollten von den Gesetzlichen Krankenkassen freiwillig gesetzte bundesweite Präventionsziele umgesetzt werden, bis 2012 sollen diese Ziele fortgeführt werden (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und GKV-Spitzenverband 2009). Der Fokus dieser Ziele liegt dabei auf dem Setting-Ansatz in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sowie auf der betrieblichen Gesundheitsförderung (ebd.). 3.3 Auswahlkriterien zur Zielbestimmung Die Kriterien für die Auswahl der Gesundheitsziele werden unter pragmatischen, wissenschaftlich reflektierten und zugleich handlungsorientierten Gesichtspunkten aufgestellt (Klus et al. 2007). Der pragmatische Ansatz geht dabei davon aus, dass die Prioritätensetzung und der Auswahlprozess weder rein partizipativ noch rein wissenschaftlich erfolgen können, stattdessen bedarf es einer Mischung aus beidem (BMG 2003). Zum Einen verdeutlicht wissenschaftliche Fundierung die Sinnhaftigkeit der Ziele, zum Anderen benötigt man einen Konsens und Partizipation um deren Umsetzung in der Praxis gewährleisten zu können, da ohne Unterstützung und Mitwirkung der Beteiligten und deren Einverständnis die Chancen zur Erreichung der Ziele sinken (ebd.). Neben den ökonomischen und ethischen Kriterien werden auch normative Aspekte wie beispielsweise Patientenbeteiligung, Chancengleichheit und Bürgerbeteiligung sowie gesundheitspolitische/pragmatische Kriterien wie zum Bei- 13

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de spiel das Vorhandensein umsetzungsbereiter Akteure sowie der Stellenwert des Problems in Politik und Bevölkerung betrachtet (ebd.). Eine bedeutende Rolle bei der Auswahl der Gesundheitsziele spielen wissenschaftliche Kriterien wie Verbreitung und Verbesserungschancen des gesundheitlichen Problems, Messbarkeit, Morbidität, Mortalität sowie vorhandene Instrumente und Verfahren zur Verbesserung des Problems (ebd.). Die GVG benennt die Auswahlkriterien (alphabetisch sortiert) wie folgt (Klus et al. 2007): Beteiligungsmöglichkeit der betroffenen Bevölkerungsgruppen an der Problemlösung Chancengleichheit Ethische Aspekte Machbarkeit Messbarkeit Priorität des Problems aus Sicht der Bevölkerung Schweregrad Verbesserungspotential Verbreitung Volkswirtschaftliche Relevanz. Zusammenfassend müssen folgende Kriterien bzw. Aspekte erfüllt werden: das Gesundheitsproblem ist weit verbreitet, es verursacht hohe Mortalität, Krankheitslast und direkte Kosten in Form stationärer Behandlungen und Krankengeld (BMG 2003). Neben hohen Chancen zur Verbesserung des Gesundheitsproblems existieren Instrumente und Verfahren zur Verbesserung und Akteure zur Umsetzung des Gesundheitszieles (ebd.). Des Weiteren müssen Fortschritte messbar und das Problem wichtig für Politik und Bevölkerung sein, es dürfen keinen ethischen Bedenken gegenüber dem Gesundheitsziel vorliegen, die Möglichkeiten zur Verbesserung gesundheitlicher Ungleichheit sollten ebenso vorhanden sein wie ein ermöglichter Beitrag von BürgerInnen und PatientInnen zur aktiven Umsetzung des Zieles (ebd.). 14

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de 3.4 Aufgaben und Bedeutung von Gesundheitszielen Da zukunftsorientiertes Handeln einer klaren Zielorientierung bedarf, muss Gesundheitspolitik, wenn sie an konkreten Verbesserungen gesundheitlicher Probleme in der Bevölkerung interessiert ist, fundierte Ziele setzen und damit einen Orientierungspunkt für die Ausrichtung gesellschaftlicher Anstrengungen und ein Richtmaß für erreichte und eingehaltene Zielvorgaben legen (Schoppa 2001). Gesundheitsziele sollen bezüglich besonderer Gesundheitsprobleme und Risiken Prioritäten setzen (von Troschke 2008). Des Weiteren sollen sie die politische Debatte über die Weiterentwicklung von Prävention, Gesundheitsförderung, Rehabilitation und Kuration vorantreiben sowie die finanziellen Mittel, die für die Gesundheit zur Verfügung stehen, lenken und neue Impulse für Leistungserbringung und Management setzen (Wismar u. Schwartz 2004). Rosenbrock und Gerlinger (2006) verstehen die Gesundheitsziele als vermittelndes Element zwischen Gesundheitspolitik und Gesundheitsberichterstattung. Gesundheitsziele sollen verschiedene gesundheitspolitische Aspekte integrieren und einen Fachkompetenzen bündelnden und Wissen bereitstellenden Handlungsrahmen bilden (www.gesundheitsziele.de). Des Weiteren unterstützen sie planmäßiges Handeln, fördern die Transparenz, Wahrnehmung und Lösung von aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens und optimieren neben dem Einsatz von Ressourcen auch die Versorgungsqualität durch Zielorientierung (ebd.). Das Forum der GVG begründet die Existenz bzw. Initiierung der Gesundheitsziele damit, dass in einem stark gegliederten und pluralistischen Gesundheitssystem wie in Deutschland eine gemeinsame Zielorientierung unter Mitwirkung aller Beteiligten benötigt wird, um Gefahren und Herausforderungen mit Hilfe des Aktionsbündnisses strategisch begegnen zu können (ebd.). Die Ziele sollen gemeinsame Problemwahrnehmungen und -lösungen aller Akteure fördern (BMG 2006). Bei der Entwicklung und Implementierung von Gesundheitszielen soll es nicht darum gehen, bereits bestehende Strukturen und Kompetenzen aufzuheben oder zu beschränken (Angele 2005). Vielmehr geht es darum, die vorhandenen und erfolgreichen Aktivitäten zu bündeln und solche, die über vielversprechen- 15

3. Kooperationsverbund gesundheitsziele.de de Ansätze und Ideen verfügen, verstärkt und unterstützend auf den Weg zu bringen (ebd.). Durch diese Ressourcenbündelung werden Kosten gespart und Erkenntnisse und Strukturen verbunden und gemeinsam genutzt (ebd.). Das Projekt gesundheitsziele.de durchläuft seit seiner Einrichtung im Jahr 2000 verschiedene Phasen, die in Tabelle 2 dargestellt werden. Tab. 2: Phasen des Gesundheitsziele-Prozesses (nach Hess 2010) Phase Zeitraum Fokus 1 2000-2003 Entwicklung von Ober- und Teilzielen, Maßnahmen für die ersten fünf Gesundheitsziele 2 2004-2005 Umsetzung, Dokumentation, Evaluation 3 2006 Strukturelle Verankerung des Prozesses 4 2007 Evaluation des Gesamtprozesses 5 2008-2009 Evaluation und Aktualisierung der Gesundheitsziele 6 2010ff. Politische und strukturelle Verankerung der Gesundheitsziele, Entwicklung von Umsetzungsstrategien 16

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern 4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern 4.1 Gesundheitsziele auf nationaler Ebene Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits erläutert wurde, werden unter dem Programm gesundheitsziele.de Akteure aus dem Bereich der Gesundheitspolitik zusammengeführt um konsensuale Gesundheitsziele zu entwickeln (von Troschke 2008). Als ergänzendes Steuerungssystem gesundheitspolitischer Aktivitäten wurden bisher die sechs folgenden nationalen Gesundheitsziele in den Expertengruppen erarbeitet, verabschiedet und in Berichten veröffentlicht (BMG 2010; BMG 2007): (1) Diabetes mellitus Typ 2 Senkung des Erkrankungsrisikos Früherkennung von Erkrankten und deren Behandlung (2) Brustkrebs Verhinderung der Mortalität Erhöhung der Lebensqualität (3) Depressive Erkrankungen Verhinderung Früherkennung Nachhaltige Behandlung (4) Tabakkonsum Reduzierung (5) Gesund aufwachsen Lebenskompetenz Bewegung Ernährung (6) Gesundheitliche Kompetenz Stärkung der Patientensouveränität Erhöhung der gesundheitlichen Kompetenz Depressive Erkrankungen ist das Gesundheitsziel, welches erst im Jahr 2006 entwickelt wurde, während die anderen fünf Ziele bereits im Jahr 2003 publiziert wurden (BMG 2006). 17

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern Im Zielekanon stellt Gesund aufwachsen bezüglich Kinder- und Jugendgesundheit das erste auf eine einzelne Alters- und Bevölkerungsgruppe abgestimmte Ziel dar (BMG 2010). Die Ziele in Bezug auf Diabetes, Brustkrebs und depressive Erkrankungen können als krankheitsbezogene Ziele verstanden werden, während Tabakkonsum ein präventionsbezogenes Ziel darstellt und die Stärkung der Patientensouveränität ein bevölkerungsbezogenes Ziel abbildet (ebd.). Im Jahr 2008 stand die Entwicklung und Bearbeitung eines neuen Gesundheitszieles zur Debatte, im Mittelpunkt standen dabei einerseits bisher nicht berücksichtigte Zielbereiche und andererseits Zielsetzungen, die nach Meinung der Beteiligten über hohe gesundheitspolitische Priorität verfügten (Maschewsky-Schneider et al. 2009). Zur Zielbestimmung wurden die Themen Chronische Rückenschmerzen, Herzinfarkt, Impfen und Gesund älter werden ausgewählt, nach einer Analyse der Bewertungskriterien hat das Forum gesundheitsziele.de Gesund älter werden als weiteres Gesundheitsziel für Deutschland ausgewählt (ebd.). Das Bundesministerium für Gesundheit wird in seinem Zielfindungsprozess dabei durch seine Fachbehörden, das Robert Koch-Institut (RKI) sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), unterstützt (BMG 2007). So engagiert sich die BZgA beispielsweise besonders bei den Gesundheitszielen bezüglich einer Reduzierung des Tabakkonsums und der Kinder- und Jugendgesundheit, während das RKI intensiv an Evaluationskonzepten mitwirkt und die Ergebnisse in seine konkrete Arbeit einbezieht (ebd.). Neben nationalen Befragungen und Untersuchungen mit entsprechenden gesundheitsspezifischen Modulen als ein Beitrag zur Evaluation gehört dazu beispielsweise auch die Präsentation der Ergebnisse im Rahmen einer kontinuierlichen Gesundheitsberichterstattung (ebd.). Die folgenden Angaben sollen die nationalen Gesundheitsziele näher erläutern und ihre Teilziele sowie ihre damit verbundenen Maßnahmen zur Umsetzung konkretisieren. Sie beziehen sich auf die 2010 erschienene Publikation der GVG gesundheitsziele.de. Forum Gesundheitsziele Deutschland.. Bezüglich Diabetes mellitus soll eine Reduktion des Auftretens des metabolischen Syndroms und der Inzidenz des Diabetes mellitus Typ 2 erreicht werden, 18

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern des Weiteren soll Diabetes mellitus Typ 2 in einem Krankheitsstadium diagnostiziert werden, in dem noch keine Folgeschäden aufgetreten sind. Die Lebensqualität der Betroffenen soll erhöht und Folgeprobleme und Komplikationen nachweislich verringert werden. Erreicht werden sollen diese Ziele durch eine bevölkerungsweite, lebensstilorientierte Präventionskampagne für eine gesunde Lebensweise. In Modellregionen soll ein Programm zur Risikofrüherkennung und Intervention bei gesunden Risikoträgern zur Prävention von Diabetes implementiert werden. Ein Diabetes- Mobil zur Frühdiagnostik kommt zum Einsatz, PatientInnen mit definierten Risikokonstellationen sollen anlässlich anderweitig veranlasster ambulanter Arztkontakte auf Diabetes untersucht werden. Die Teilziele in Bezug auf Brustkrebs beinhalten das frühzeitige Erkennen der Erkrankung, eine qualitativ hochwertige und evidenzbasierte Versorgung sowie das Erreichen eines hohen Wissensstandes bei PatientInnen und Nicht- Betroffenen. PatientInnen sollen über Therapieoptionen informiert und Partner- Innen im Entscheidungsprozess werden. Dadurch soll eine verbesserte Lebensqualität der Patientinnen gewonnen und flexibilisierte Angebote der Rehabilitation geschaffen werden. Des Weiteren gehört zu den Teilzielen die Errichtung klinischer Krebsregister in Verbindung mit der Kenntnis über verursachende Faktoren und ihre Zusammenhänge. Die Maßnahmen zur Zielerreichung sind dabei die Vermittlung von verständlichen, evidenzbasierten, qualitätsgesicherten und neutralen Informationen sowie qualitätsgesicherte Beratungs- und Informationsangebote. Neben einer bedarfsgerechten und qualitätsgesicherten psychosozialen Betreuung bzw. psychoonkologischen Behandlung sollen psychosoziale Aspekte in Disease- Management-Programme und Leitlinien integriert werden. Eine evidenzbasierte, an Leitlinien orientierte medizinische Behandlung soll sichergestellt werden, außerdem verpflichten sich die Versorgungseinrichtungen zur Transparenz hinsichtlich Angebot, Expertise und Ergebnisqualität. Des Weiteren soll die Selbsthilfe eingebunden werden. Bezüglich Depressionen sollen ein ausreichender Wissensstand über das Krankheitsbild in der Bevölkerung erreicht und das Auftreten und die Krankheitslast reduziert werden, des Weiteren stehen die Verhinderung von Suiziden, 19

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern die Verkürzung von Krankheitsphasen sowie das frühzeitige Erkennen von Erkrankten und deren umfassende und schnelle Behandlung im Fokus. Patient- Innen und Angehörige sollen in ihrer Position gestärkt werden und eine verbesserte Langzeitbehandlung Betroffener erfolgen. Ein bedarfsgerechter Zugang zu Versorgungsstrukturen soll geschaffen werden. Die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele sind dabei zum Beispiel allgemeinverständliche Informationen über das Krankheitsbild und deren Behandlungsmöglichkeiten sowie regionale Bündnisse gegen Depression. Flächendeckende niedrigschwellige Beratungs- und Hilfsangebote für Kinder psychisch kranker Eltern, die Verhinderung von Nachahmungssuiziden, eine sensible Medienberichterstattung, praxisbezogene und wiederholte Aus-, Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zu kommunikativer Kompetenz für Behandelnde der verschiedenen Professionen sowie Fortbildungsprogramme sind weitere Möglichkeiten der Maßnahmenumsetzung. Des Weiteren soll es evaluierte Indikationskriterien für die Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen geben, eine zu implementierende Leitlinie Depression sowie die fachgruppen- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit in vernetzten Versorgungsstrukturen. Tabakkonsum reduzieren beinhaltet als Teilziele, dass eine effektive Tabakkontrollpolitik eingeführt wird und die Anzahl entwöhnter RaucherInnen steigt, auch unter Kindern und Jugendlichen. Mehr Kinder und Jugendliche sollen NichtraucherInnen bleiben und weniger Personen Passivrauchen ausgesetzt werden. Dafür werden settingbezogene Informations- sowie Unterstützungsangebote und Ausstiegshilfen (Arbeitsplatz, Schulen, Bildungseinrichtungen) geschaffen, neben einem Werbeverbot für Tabak, rauchfreien öffentlichen Einrichtungen, der Tabakpreiserhöhung, Massenmedienkampagnen, Lebenskompetenzprogrammen und der Verbreitung von Informationen über die Risiken des Passivrauchen. Die Stärkung der gesundheitlichen Kompetenz bzw. PatientInnen- Souveränität beinhaltet als Teilziele die Erhöhung der Transparenz durch qualitätsgesicherte, unabhängige und zielgruppengerichtete Gesundheitsinformationen und Beratungsangebote. Gesundheitsbezogene Kompetenzen und Patient- 20

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern Innen-Rechte sollen gestärkt und eine Verbesserung des Fall- und Beschwerdemanagements erreicht werden. Diese Ziele sollen durch unabhängige Einrichtungen zur Qualitätsbewertung im Gesundheitswesen und geeignete Anlaufstellen wie z.b. PatientInnenstellen umgesetzt werden, dazu gehören des Weiteren Beratungen, Schulungen und Kurse zur Förderung individueller kommunikativer und gesundheitsbezogener Kompetenzen in Schulen, Betrieben etc. Dadurch soll die Partizipation von BürgerInnen und PatientInnen an Beratungen und Entscheidungsprozessen im Gesundheitswesen gefördert und Informationen über individuelle und kollektive PatientInnenrechte verbreitet werden. Zusätzlich soll es Anbieter- und kostenträgerunabhängige Informationen, Beratung und Unterstützung bei Beschwerden über Fehler, Medizinschäden und Problemen mit Behandelnden oder Kostenträgern geben. Gesund aufwachsen beinhaltet eine Erhöhung der Lebenskompetenz von Kindern und Jugendlichen sowie eine Reduktion von Belastungen und belastenden Einflüssen für Kinder, Jugendliche und Familien. Die Bewegung von Kindern und Jugendlichen soll gefördert und verbesserte Rahmenbedingungen und Strukturen für Gesundheitsförderung in der KiTa, in der Schule und in Familie/Umfeld geschaffen werden. Dafür sollen Akteure der Kinder- und Jugendhilfe mit dem Ziel, Gesundheitsförderung als fachlichen Standard in der Kinder- und Jugendhilfe zu etablieren, sensibilisiert und das Thema Lebenskompetenz in der ErzieherInnen- sowie der LehrerInnenausbildung fächerübergreifend verankert und zeitgemäß und qualitätsgesichert weiterentwickelt werden. KiTas sollen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung durchführen und den Kindern täglich mindestens zwei kostenlose Mahlzeiten zur Verfügung stellen. Innerhalb des Sportunterrichts soll die Bewegungsfreude der Kinder und Jugendlichen gefördert und die praktische und theoretische Ernährungsbildung Bestandteil bestehender Schulfächer werden. Getränkeautomaten sollen abgebaut und Trinkwasserspender aufgestellt werden. Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet sowie deren Platzierung in und um Kindersendungen soll ebenso verboten werden. Des Weiteren sollen setting- und themenspezifische Qualitätssicherungsinstrumente entwickelt werden. 21

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern Das Bundesministerium für Gesundheit (2010) konkretisiert die Ziele in Bezug auf die Settings Familie/Umfeld, KiTa und Schule wie folgt: Tab. 3: Zielkonkretisierung des Gesundheitsziels Gesund aufwachsen: Lebenskompetenz, Bewegung, Ernährung (nach BMG 2010 und Köhler 2004, aktualisiert) Setting Zielbereich LEBENS- KOMPETENZ BEWEGUNG ERNÄHRUNG FAMILIE/ UMFELD Ziel 1: Erhöhte Lebenskompetenz von Kindern und Jugendlichen, reduzierte Belastungen und belastende Einflüsse Ziel 2: Förderung der Bewegung von Kindern und Jugendlichen, reduzierter Bewegungsmangel Ziel 3: Gesunde Ernährung von Familien, reduzierte Fehlernährung KITA Ziel 4: Erhöhte Lebenskompetenz von Kindern, reduzierte Belastungen und belastende Einflüsse Ziel 5: Förderung der Bewegung von Kindern, reduzierter Bewegungsmangel Ziel 6: Förderung eines gesunden Ernährungsverhaltens bei Kindern und Jugendlichen, reduzierte Fehlernährung SCHULE Ziel 7: Erhöhte Lebenskompetenz von Kindern und Jugendlichen, reduzierte Belastungen und belastende Einflüsse Ziel 8: Förderung der Bewegung von Kindern und Jugendlichen, reduzierter Bewegungsmangel Ziel 9: Förderung eines gesunden Ernährungsverhaltens bei Kindern und Jugendlichen, reduzierte Fehlernährung Ziel 10: Optimierte Rahmenbedingungen und Strukturen für Gesundheitsförderung in den Settings Familie/Umfeld, KiTa und Schule 22

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern 4.2 Gesundheitsziele in den Bundesländern Auf Länderebene begann die Entwicklung von Gesundheitszielen gegen Ende der 90er Jahre, als sich die Gesundheitsminister der Länder für eine zukünftig zielorientiertere Gesundheitspolitik als bisher aussprachen und für die Verabschiedung von Gesundheitszielen plädierten (vgl. GMK 1999). Mittlerweile ist der Zielprozess unterschiedlich weit fortgeschritten. Während einige Bundesländer sehr konkrete Gesundheitsziele und zu Oberzielen auch zugehörige Teil- bzw. Unterziele verfolgen, deklarieren andere Länder übergreifende Handlungsfelder oder Arbeitsgruppen. Auch die für die Implementierung der Ziele zuständige Organisation variiert auf föderaler Ebene, wobei bei den meisten Ländern die Gemeinsamkeit besteht, dass die Verantwortung beim für Gesundheit oder Soziales zuständigen Landesministerium liegt. Die Tabelle 4 gibt einen Einblick in den Zielprozess der einzelnen Bundesländer, eine detaillierte Auflistung der Ziele auf Länderebene verzeichnen die Datenblätter im Anhang (siehe Anhang 3). 23

4. Gesundheitsziele in Bund und Ländern Tab. 4: Überblick über die Gesundheitsziele auf Länderebene nach Anzahl und Abstufung der Ziele mit weiterführenden Quellenhinweisen (Stand: 07/2010) BL Umfang der Ziele Quellenverweise BW 3 Oberziele 14 Unterziele Ministerium für Arbeit und Soziales Baden- Württemberg 2009 Walker; Wuthe 2007 www.gesundheitsforum-bw.de www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de BY 6 Ziele www.stmug.bayern.de BE BB 1 Ziel 4 zielbezogene Arbeitsgruppen 5 Oberziele 18 Unterziele Fachstelle für Prävention und Gesundheitsförderung im Land Berlin 2009 Hachmann-Schöneck 2007 Hoff 2009 Landesgesundheitskonferenz Berlin 2007 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Geschäftsstelle Landesgesundheitskonferenz 2007 www.berlin.de Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg 2005 Von Braunmühl 2007 www.aidshilfe-potsdam.de www.buendnis-gesund-aufwachsen.de www.lago-brandenburg.de www.lsk-brandenburg.de HB 3 Ziele Pfuhl et al. 2007 www.gesundheit-in-bremen.de www.soziales.bremen.de HH HE 5 Ziele (1992) 3 Schwerpunkte Im Maßnahmenfindungsprozess Bezirksamt Altona, Dezernat Soziales, Jugend und Gesundheit, Fachamt Gesundheit 2009 Stender; Zimmermann 2007 www.hamburg.de Luetkens 2007 www.gesundheitsziele.de www.hsm.hessen.de MV 10 Ziele Ministerium für Soziales und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern 2008 Scriba; Baumann 2007 Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern; Landesvereinigung für Gesundheit Mecklenburg- Vorpommern 2004 www.aktionsbuendnis-gesundheit.lvg-mv.de 24