Der normative Kern der Beratung Professionalität, Kommunikation und gesellschaftliche Verantwortung als Bausteine einer Beratungsethik Univ. Doz. Dr. Ralph Sichler Fachhochschule Wiener Neustadt Fachbereich Management-, Organisations- und Personalberatung
Das normatives Fundament der lebensweltlichen Praxis Praktiken unserer Lebenswelt besitzen einen normativen Kern. Vorhaben und Leistungen der im Rahmen einer Lebenspraxis interagierenden Personen unterliegen Zweck- und Zielsetzungen, stehen in Relation zu gesellschaftlichen Interessen und orientieren sich an konstitutiven Regeln und Normen. Diese normativen Bezüge geben den Praktiken in unserem Leben ihre Bedeutsamkeit. Ohne normativen Kern können Praktiken und darauf aufbauende Institutionen nicht existieren. Elemente lebensweltlicher Praktiken Interessen und Zielsetzungen Interaktionen Normen und Regeln
Das normative Fundament der Beratungssituation Idealtypisch besitzt auch Beratung einen inhärenten normativen Kern: Aufgrund ihrer fachlichen und sozialkommunikativen Kompetenz geben Beratende Ratsuchenden (fachliche, prozessbezogene etc.) Unterstützung bei der Erreichung ihrer Ziele.
Normative Elemente der Beratung Normative Elemente in der Beratung Die gute Beratungskraft Das Gute in der Beratung Das Gute an der Beratung Berufsethos (Selbstverständnis der Beratenden) Ethik in der Kommunikation Gesellschaftliche Verantwortung (CSR) Expertise und Kompetenz als Bedingungen für Professionalität in der Beratung Unterstützende Funktion der Beratenden in der Beratungssituation Ziele der Ratsuchenden bzw. der Beratung
Professionelle Beratung Professionelles Handeln in der Beratung Kenntnis des Berufs, seiner Werte, Prinzipien und Praktiken Fachliches und überfachliches Kompetenzprofil Kontinuierliche Weiterbildung Hohe Maßstäbe für den Dienst am Kunden Akzeptanz eigener Grenzen Authentisches Auftreten und Handeln
Beratungsbeispiel für unrealistische Versprechungen
Fallsituationen: Professionalität in der Beratung Beispiele für Expertise und Kompetenz in der Beratung Sachlich begründete Einschätzung des Beratungsziels (keine unrealistischen Versprechungen) Übernahme von nur solchen Aufträgen, bei denen die eigene Expertise und Kompetenz ausreicht, den Beratungsprozess professionell abzuwickeln (ansonsten Weiterempfehlung an kompetente Kolleginnen und Kollegen) Auftragsklärung: Professionelles Handling bei der Entwicklung des Beratungsauftrags (insbesondere des impliziten Auftrags) Trennung zwischen Auftraggeber und Klientel Transparenz über Leistungen und Prozessschritte (Zeitpläne, Kosten, Leistungen etc.) Evaluation der Ergebnisse und Nachwirkungen aus dem Beratungsprozess
Beratungsbeispiel vertrauliche Kommunikation Beratungsbeispiel Teamentwicklung Auftraggeber ist Leiter eines größeren Unternehmensbereichs (Bereichsleiter) Auftrag: Stärkung des Teamgedankens und der Teamkompetenzen der Arbeitsgruppen im Unternehmensbereich Umsetzung: Teamworkshops dabei wurde auch intensiv über die Führungskultur und das Verhalten einzelner Vorgesetzter gesprochen! Nach den ersten Workshops möchte der Auftraggeber die Ergebnisse und Informationen über Gesagtes aus den Workshops übermittelt bekommen. Ethischer Konflikt: Offene Kommunikation Vertrauliche Kommunikation
Ethik in der Beratungskommunikation Ethikregeln für die Beratungskommunikation Offene und vertrauliche Kommunikation mit allen Akteuren im Beratungsprozess Ausschluss von rein manipulativen Techniken (Grenzfall: Systemische Beratung) Wahrung der Unabhängigkeit der Beratenden Schaffung einer auf Respekt, Wertschätzung, Transparenz und Vertrauen basierenden Atmosphäre Klärung und Einführung von Regeln für den Beratungsprozess Keine Toleranz von Diskriminierungen hinsichtlich Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion etc.
Beratungsbeispiel Erhöhung der Verkaufskompetenz Anfrage eines Einzelhandelsimmobilienunternehmens (Vermietung von Geschäftsflächen im Einzelhandel): Training der Leasingkräfte Ziel: Erhöhung der Abschlussmentalität Ethisches Problem: Abschlüsse sollten auch dann getätigt werden, wenn das Einzelhandelsgeschäft auf dieser Fläche keinerlei Erfolgsaussichten hat
Regeln zur Vereinbarung von gesellschaftlich verträglichen Ziele Regeln zur Vereinbarung gesellschaftlich verträglicher Ziele Verantwortungsethische Grundhaltung: Blick für komplexe organisationale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge Nachhaltigkeit entwickelter Lösungen Ablehnung von Beratungsaufträgen die gegen die Menschenrechte oder höhere ethische Prinzipien verstoßen Übernahme der Verantwortung für eigene Entscheidungen und selbst gesetzte Aktivitäten
Formulierung der Menschenwürde bei Immanuel Kant Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest. Immanuel Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten
Quellen Deutsche Gesellschaft für Beratung (o.j.): Beratungsverständnis. Online: http://www.dvbfachverband.de/fileadmin/medien/grundsatzpapiere_andere/beratungsverstaendnis_dgfb.pdf (Hochgeladen am 03.06.2015). Hallier, Helmut (Hrsg.) (2013): Gute Beratung zwischen Hybris und Bescheidenheit. BeraterInnen über sich, ihre Arbeit und ihren Anspruch an Professionalität. Berlin: Leutner. Heintel, Peter; Krainer, Larissa & Ukowitz, Martina (Hrsg.) (2006): Beratung Ethik. Praxis, Modelle, Dimensionen. Berlin: Leutner. Kaiser, Stephan/Kozica, Arjan (Hrsg.) (2012): Ethik im Personalmanagement. Zentrale Konzepte, Ansätze und Fragestellungen. München; Mering: Rainer Hampp Verlag. Lippitt, Gordon/Lippitt, Ronald (2006): Beratung als Prozess. Was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Leonberg: Rosenberger Fachverlag (4. Auflage). Österreichisches Normungsinstitut (2011): Unternehmensberatungsdienstleistungen. Austrian Standards Institute. Titscher, Stefan (2001): Professionelle Beratung. Was beide Seiten vorher wissen sollten. Frankfurt/Main: Überreuter (2., aktual. und erw. Aufl.).
Zusatzmaterial Für die Diskussion
HANDLUNG Das Handlungs-Akteursmodell A K T E U R etwas tun/unterlassen intentional etwas herbeiführen intendiert Ziel Mittel Ergebnis Folgen nicht intendiert final logisch kausal funktional etwas geschieht (nach Eckensberger 1977)
Begriff der Verantwortung Im Begriff der Verantwortung ist das Rede und Antwort stehen gegenüber anderen Personen vor einer beurteilenden Instanz enthalten. Verantwortung ist ein Interpretationskonstrukt. Das heißt: Verantwortung wird im Rahmen von Attributionen durch Akteure und Beobachter übernommen, eingefordert, auferlegt oder ausgehandelt. Verantwortung ist Ergebnis einer Selbstverpflichtung oder von sozialer Zuschreibung. Verantwortung wird handelnden Personen im Rahmen ihrer unterstellten kausalen Urheberschaft und normativen Verpflichtung zugeschrieben. (nach Lenk & Maring 1993)
Dimensionen von Verantwortung Jemand ist Verantwortungssubjekt, -träger (Personen, Korporationen) für etwas Handlungen, Handlungsfolgen, Zustände, Aufgaben, etc. gegenüber jemandem einem Adressaten, Betroffenen, etc. vor einer Instanz Sanktions-, Urteilsinstanz in Bezug auf ein Kriterium präskriptives, normatives Kriterium (Standards, Normen, Werte) im Rahmen eines bestimmten Bereiches Handlungs-, Verantwortungsbereich verantwortlich. (nach Lenk 1992)
Formen der Verantwortung Personalverantwortung Organisationsverantwortung Gesellschaftliche Verantwortung Ökologische Verantwortung (Sichler 2006)