Die Autorin: Marie Esch, Arzthelferin, Krankenschwester mit der Weiterbildung für Stomapflege und Inkontinenz, langjährige Erfahrung als Fach- und Anwendungsberaterin der Stomatherapie für stationäre und ambulante Einrichtungen, Qualitätsauditorin, Kommunikationstrainerin, Gesundheitsmanagerin (MAS), freiberufliche Tätigkeit im Bereich Beratung und Training für Gesundheit und Gesundheitswesen.
Marie Esch Stomatherapie Anleitung Beratung Pflege Verlag W. Kohlhammer
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Vorwort Dieses Buch ist aus der Erfahrung meiner fast zehnjährigen Arbeit mit Stomabetroffenen erwachsen. Von den Betroffenen habe ich besonders viel gelernt. Sie waren es, die die Kniffe im Umgang mit Stoma und Beutel beherrschen, den Alltag meistern und mit ihrer schwierigen Lebenssituation fertig werden mussten. Ihnen gehört mein größter Respekt. Den Kolleginnen und Kollegen, die mich ausgebildet haben ich denke besonders an Marion Euler ist es gelungen, mich mit Geduld und Leichtigkeit an dieses komplexe Thema heranzuführen. Ich bin ihnen ebenso dankbar wie all jenen, mit denen ich meinen beruflichen Weg geteilt habe und die mir Unterstützung bei den vielfältigen Herausforderungen gegeben haben. Das so erworbene Wissen habe ich im vorliegenden Buch zusammengetragen fundiert, kurz und unmissverständlich. Ich möchte damit etwas zurückgeben und zugleich Ihnen Unterstützung bei der täglichen Arbeit bieten. Darüber hinaus soll dieses Buch Grundlage für die weitere Entwicklung der Stomatherapie sein. Wie jedes Fachbuch ist es eine Momentaufnahme der aktuellen Situation und sollte fortgeschrieben werden. Das Buch richtet sich an alle Menschen, die Betroffene mit Stomaanlage unterstützen und pflegen. Es befasst sich eingehend mit den Grundlagen der eigentlichen Stomatherapie, und zwar speziell mit dem Stoma und allem, was damit zusammenhängt. Die Themenbereiche Wundversorgung und Inkontinenzpflege, die zwar im Berufsbild der Stomatherapeuten/innen mit enthalten sind, überlasse ich anderer, themenzentrierter Fachliteratur. 5
Mein besonderer Dank richtet sich an Monika Henning, die mir einige der Bilder zur Verfügung gestellt haben, sowie an OA Dr. med. Dissemond, der als Hautarzt dermatologische Zusammenhänge treffend und verständlich übersetzt hat. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. Marie Esch Köln, im März 2005 6
Inhaltsverzeichnis Vorwort.... 5 1 Stomatherapie.... 13 1.1 Einleitung... 13 1.2 Aufgaben und Tätigkeitsbereiche... 18 1.3 Berufspolitische Situation... 25 1.3.1 Geschichte der Stomatherapie.... 25 1.3.2 Informationen zu den Fachverbänden.... 26 2 Rehabilitation... 31 2.1 Gesetzliche Grundlagen der Rehabilitation... 33 2.1.1 Gesetzgebung... 33 2.1.2 Gesetzliche Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation... 34 2.1.3 Gesetzliche Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation... 35 2.1.4 Gesetzliche Maßnahmen zur pädagogischen Rehabilitation... 37 2.2 Beruflicher Alltag... 37 2.3 Freizeit... 38 2.4 Reisen... 40 2.5 Ernährung... 40 2.6 Sexualität.... 45 2.6.1 Hilfsmittel für den Mann... 46 2.6.2 Hilfsmittel für die Frau... 48 2.7 Schwangerschaft... 48 7
2.8 Emotionale Begleitung... 49 2.8.1 Emotionale Situation... 49 2.8.2 Was ist Krankheitsbewältigung?... 49 2.8.3 Kommunikation mit Angehörigen... 53 2.9 Beratung... 54 2.9.1 Methoden/Werkzeuge... 57 2.9.1.1 Klientenzentrierte Gesprächsführung nach ROGERS. 57 2.9.1.2 Lösungsorientierung.... 58 2.9.1.3 Neurolinguistisches Programmieren (NLP)... 60 3 Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre... 62 3.1 Verdauungsorgane... 62 3.1.1 Mundhöhle (Cavum oris)... 63 3.1.2 Rachen (Pharynx)... 63 3.1.3 Speiseröhre (Ösophagus)... 64 3.1.4 Magen (Ventriculus).... 64 3.1.5 Dünndarm (Intestinum tenue)... 65 3.1.6 Dickdarm (Intestinum crassum)... 68 3.1.7 Bauchfell (Peritoneum)... 70 3.2 Harnorgane... 72 3.2.1 Nieren (Renes)... 72 3.2.2 Harnleiter (Ureteren)... 74 3.2.3 Harnblase (Vesica urinaria)... 75 3.2.4 Harnröhre (Urethra).... 76 3.3. Krankheiten... 77 3.3.1. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED).. 77 3.3.1.1 Morbus Crohn (Enteritis regionalis, Enterocolitis granularis, regionale Ileitis)... 77 3.3.1.2 Colitis ulcerosa... 80 3.3.1.3 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)... 82 3.3.2 Nicht entzündliche Erkrankungen... 84 3.3.2.1 Kolorektales Karzinom... 84 3.3.2.2 Familiäre adenomatöse Polypose (FAP).... 86 3.3.2.3 Gardner-Syndrom... 86 3.3.2.4 Peutz-Jeghers-Syndrom... 86 8
3.3.2.5 Lynch-I- und Lynch-II-Syndrom.... 87 3.3.2.6 Blasenkarzinom.... 87 3.3.3 Angeborene oder erworbene Erkrankungen... 90 3.3.3.1 Spina bifida ( Spaltwirbel )... 90 3.3.3.2 Blasenekstrophie ( Spaltblase )... 91 3.3.3.3 Rektum- und Analatresie.... 91 3.3.3.4 Morbus Hirschsprung... 92 3.3.3.5 Neurogene Blasenfunktionsstörungen... 92 4 Das Stoma... 93 4.1 Geschichte der Stomachirurgie... 93 4.2 Stomachirurgie... 95 4.2.1 Stomaanlagen... 95 4.2.1.1 Doppelläufiges Stoma... 97 4.2.1.2 Endständiges Stoma... 99 4.2.2 Stomamarkierung... 100 4.2.3 Enterostomaanlagen... 102 4.2.3.1 Jejunostomie.... 102 4.2.3.2 Ileostomie... 103 4.2.3.3 Kolostomie... 104 4.2.4 Urostoma... 108 4.2.4.1 Ureterokutaneostomie... 108 4.2.4.2 Transureterokutaneostomie (TUUC)... 109 4.2.4.3 Conduit... 109 4.2.4.4 Kontinenzerhaltende Operationen... 110 4.3 Stomakomplikationen... 112 4.3.1 Einheilungsstörungen... 113 4.3.2 Parastomale Hernie... 113 4.3.3 Prolaps... 115 4.3.4 Stenose... 116 4.3.5 Retraktion... 116 4.3.6 Stomanekrose... 118 4.3.7 Stomaödem... 119 4.3.8 Schleimhautblutungen... 119 4.3.9 Stomaverletzungen... 120 9
4.3.10 Stomablockade... 120 5 Versorgungsmaterialien... 121 5.1 Anforderungen an Versorgungsmaterialien... 121 5.1.1 Beutel... 123 5.1.2 Filter... 125 5.2 Arten von Versorgungen... 125 5.2.1 Einteilige Versorgungen... 125 5.2.2 Zweiteilige Versorgungen... 126 5.2.3 Kolostomiebeutel... 126 5.2.4 Ileostomiebeutel... 126 5.2.5 Urostomiebeutel... 127 5.2.6 Kinderversorgungen... 127 5.2.7 Postoperative Versorgungen... 127 5.2.8 Fistelversorgungen.... 128 5.3 Zubehör.... 128 5.4 Patienteninformation zu gesetzlichen Zuzahlungen bei der Hilfsmittelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)... 129 5.5 Herstelleradressen... 131 5.5.1 Die größten Hersteller in Deutschland... 131 5.5.2 Die größten Hersteller in der Schweiz... 133 5.5.3 Die größten Hersteller in Österreich... 134 6 Pflege... 135 6.1 Hautpflege... 135 6.1.1 Anatomie und Physiologie der Haut.... 135 6.1.1.1 Anatomie... 136 6.1.1.2 Physiologie.... 140 6.1.2 Hautpflege und Pflegemittel.... 142 6.2 Versorgungswechsel... 147 6.2.1 Vorbereitung.... 147 10
6.2.1.1 Kompressen... 148 6.2.1.2 Entsorgungsbeutel... 148 6.2.1.3 Neue Stomaversorgung.... 148 6.2.1.4 Paste, Modellierstreifen und Hautschutzring... 148 6.2.1.5 Rasierer... 149 6.2.1.6 Schablone, Messinstrumente und Schere.... 149 6.2.1.7 Spiegel... 150 6.2.1.8 Handschuhe... 150 6.2.2 Durchführung... 150 6.2.2.1 Ablösen der alten Versorgung... 150 6.2.2.2 Reinigung... 151 6.2.2.3 Aufbringen der neuen Versorgung... 151 6.2.3 Nachbereitung... 151 6.2.4 Spezifische Anforderungen an die Stomapflege... 155 6.2.5 Leitlinie zur Stomatherapie ECET Deutschland e. V. (European Council of Enterostomal Therapy Europäische Stomatherapeuten-Vereinigung Deutschland e. V.)... 156 6.2.5.1 Ablauf der Stomapflege... 156 6.2.5.2 Versorgungsintervalle bei intakten Hautverhältnissen... 158 6.2.5.3 Material.... 159 6.3 Darmspülungen.... 160 6.3.1 Irrigation... 160 6.3.2 Spülung des abführenden Schenkels.... 164 6.3.3 Besonderheiten bei der Kinderversorgung... 165 7 Hautveränderungen bei Stomaanlagen... 167 7.1 Einleitung... 167 7.2 Primäreffloreszenzen... 169 7.3 Sekundäreffloreszenzen.... 170 7.4 Infektiöse Hauterkrankungen... 172 7.4.1 Bakterien als Krankheitserreger... 173 7.4.2 Viren als Krankheitserreger... 174 11
7.4.3 Pilze als Krankheitserreger.... 174 7.4.4 Parasiten... 175 7.5 Infektiöse Hauterkrankungen bei Stomaanlagen... 175 7.5.1 Follikulitis... 175 7.5.2 Kandidose (DRG: B 35 49).... 176 7.5.3 Abszesse (DRG: L 029)... 177 7.5.4 Erysipel (DRG: A 46)... 177 7.6 Nicht infektiöse Hauterkrankungen... 178 7.7 Nicht infektiöse Hauterkrankungen bei Stomaanlagen... 180 7.7.1 Toxisches Kontaktekzem (DRG: L 24)... 180 7.7.2 Allergisches Kontaktekzem (DRG: L 23)... 181 7.7.3 Hyperkeratose.... 183 7.7.4 Hyperpigmentierung (DRG: L 81.0).... 184 7.7.5 Pyoderma gangraenosum (DRG: L 88)... 184 8 Adressen... 185 8.1 Selbsthilfegruppen... 185 8.2 Soziale Unterstützung.... 188 8.3 Berufsverbände... 189 Verzeichnis der Abbildungen.... 190 Farbabbildungen.... 193 Literatur- und Quellenverzeichnis... 212 Stichwortverzeichnis... 215 12
1 Stomatherapie 1.1 Einleitung Die Stomatherapie ist ein Fachgebiet der Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Krankenpflege. Ihre Aufgabe und Zielsetzung ist in erster Linie die physische, psychische und soziale Rehabilitation von Betroffenen mit Stomaanlage (künstliche Stuhl- oder Urinableitung). Dabei betrachtet sie den Menschen als Ganzes mit seinem Umfeld. Denn viele Betroffene sind nach der Anlage eines Stomas erheblich in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Nicht nur das traumatische Erlebnis der Operation, meist verbunden mit einer großen Operationsnarbe, muss verarbeitet werden, sondern besonders der unkontrollierte und sichtbare Abgang von Stuhl und/oder Urin macht den Betroffenen zu schaffen. Denn was als Kind mühsam erlernt wurde die Ausscheidungsorgane bewusst zu kontrollieren, geht durch die Stomaanlage verloren. Dieser Kontrollverlust ist häufig verbunden mit Scham-, Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühlen bis hin zum Erleben von persönlichem Versagen, aus denen gesellschaftlicher Rückzug und Verminderung der Lebensqualität erwachsen können. Ebenso ist es für Ehepartner und Familien gemeinsam mit den Betroffenen kein einfacher Weg bis zur Akzeptanz eines Stomas. Deshalb ist es wichtig, den Stomaträger und seine Angehörigen auf diese Situation behutsam vorzubereiten und sie bei der Bewältigung der neuen Aufgaben zu unterstützen. Daraus resultieren vielfältige Anforderungen an das Pflegepersonal: von der fachgerechten Pflege, Beratung und Anleitung über die professionell organisierte Überleitung bis hin zu Mitarbeiterschulungen. Dies setzt Beratungskompetenz, selbstständiges und eigenverantwortliches Handeln, Überzeugungskraft und Teamfähigkeit voraus. Diese Fähigkeiten werden in Fachweiterbildungen geschult und trainiert. 13
Durch diese Aufgaben haben die Pflegenden in der Stomatherapie schon seit längerem in den Bereichen Erfahrungen gesammelt, die aktuell durch die gesundheitspolitischen Entwicklungen von der Pflege gefordert werden: Integrierte Versorgung, das Denken in Behandlungspfaden verbunden mit der Prozessorientierung und die Prävention. Im Gesamtüberblick vereint die Stomatherapie folgende vier Bereiche: Stomapflege Rehabilitation Stomatherapie Prävention Integrierte Versorgung Abb. 1: Die vier Bereiche der Stomatherapie 14