Nachhaltiger Tourismus in Österreich Eine Kurzstudie zu Ökologie, gesellschaftlicher Authentizität und regionaler Wertschöpfung Zusammenfassung AutorInnen: Christian Baumgartner, Cathrine Schwenoha Erstellt durch Naturfreunde Internationale Im Auftrag des Bundesministeriums für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
ZUSAMMENFASSUNG Insgesamt legen die Ergebnisse dieser Untersuchung mit allen methodischen und zeitbedingten Unschärfen und Ungewissheiten nahe, dass nachhaltiger Tourismus einen wesentlichen und vor allem steigenden Beitrag zum Tourismus in Österreich generell beiträgt, aber daneben auch eine Reihe von positiven zusätzlichen Effekten etwa direkte Wertschöpfung für ländliche Bevölkerung bewirkt. Die zusammengefassten Ergebnisse im Detail: Ökologie Im Rahmen dieser Studie wird die touristische Entwicklung innerhalb der österreichischen Schutzgebietsgemeinden in Nationalparks, Naturparken und Biosphärenparken erläutert, da sich annehmen lässt, dass in diesen ökologisch verträglicher Tourismus stattfindet. Die touristische Entwicklung lässt sich anhand von Ankünften, Nächtigungen, Betten und Auslastung beschreiben. Hierbei wurde zwischen Schutzgebietsgemeinden und Nicht-Schutzgebietsgemeinden unterschieden. Aufgrund der Tatsache, dass das Tourismusaufkommen in Städten wie Wien und Gemeinden wie Schwechat nicht (ausschließlich) aufgrund der unter Schutz gestellten Gebiete resultiert, wurden diese aus dem Datensatz genommen. Ankünfte Stetige Steigerung in durchschnittlichen jährlichen Ankünften pro Gemeinde in Schutzgebieten von 15.521 auf 17.537 (+13 %), bzw. von 14.660 auf 17.605 (+20 %) in Nicht- Schutzgebieten zwischen 2004 und 2013. Insgesamt sind die jährlichen Ankünfte in Schutzgebieten von rund 3,8 Mio. auf 4,5 Mio. (+20 %) pro Jahr gestiegen und in Nicht-Schutzgebieten von 17,9 Mio. auf 22,2 Mio. pro Jahr (+24 %) In den Jahren der Wirtschaftskrise (2008-2010) weisen die durchschnittlichen jährlichen Ankünfte pro Gemeinde in Schutzgebieten eine stärkere Steigerung (+3,28 %, 2010-2011 wieder eine Steigerung) auf, während die restlichen Gemeinden in den Jahren eine weniger starke Entwicklung (+3,11 %) der Ankünfte verzeichnen. Nächtigungen Die durchschnittliche jährliche Anzahl an Nächtigungen pro Gemeinde ist in Nicht- Schutzgebieten (+35 %) zwischen 2004 und 2013 weiter gestiegen als jene in Gemeinden, die in Schutzgebieten liegen (+ 1,1 %;von 73.432 auf 74.249) Insgesamt sind im Zeitraum 2004-2013 die jährlichen Nächtigungen in Schutzgebieten von 18,1 Mio. auf 19,4 Mio. um rund 7,2 % gestiegen und in Nicht-Schutzgebieten von 84,9 auf 92,9 Mio. um 9,5 %. Die Nächtigungen sind während der Krisenjahre 2008-2010 in Schutzgebiets-Gemeinden schneller (2010, +0,64 %) angestiegen als jene in Nicht-Schutzgebiets-Gemeinden (2010, +0,45 %).Schutzgebiete sind in Hinsicht auf die Ankünfte krisenresistenter als jene außerhalb der Schutzgebiete und haben sich in den Jahren 2007-2010 schneller wieder erholt. Beispielsweise betrug die Steigerung in Mayrhofen rund +2,1 %, während in Zell am See ein Minus von 1,03 % zu verzeichnen war. 2
Auslastung und Betten: Bettenkapazität: Die Gesamtanzahl der Betten ist im Zeitraum 2004-2013 in Schutzgebieten von 204.138 auf 208.896 um 2,33 % gestiegen, wobei sie außerhalb der Schutzgebiete von 964.233 auf 957.687 leicht gesunken ist (-0,68 %). Die durchschnittliche Auslastung in Gemeinden in Schutzgebieten (+0,78 %) ist weniger stark angestiegen als jene in Nicht-Schutzgebieten (+1,66 %). Hinsichtlich der Krisensicherheit zeigt sich, dass die Auslastung zwar nur leicht und gleich spät, aber dennoch stärker in den Schutzgebietsgemeinden als in den Nicht- Schutzgebietsgemeinden wieder ansteigt (erst 2012 2,49 % in Schutzgebieten, 2,45 % Nicht- Schutzgebieten). Gesellschaftliche und kulturelle Authentizität In der vorliegenden Studie wird der touristische Einfluss in einer Gemeinde im Verhältnis von Betten zur Einwohnerzahl dargestellt. Auch hier wurden datenverzerrende Gemeinden wie im Kapitel Ökologie aus der Berechnung genommen. Der touristische Einfluss auf eine Gemeinde zeigt sich durch die Anzahl der TouristInnen in einer Gemeinde. Durch einen höheren Stellenwert des Tourismus steigt auch die kulturelle Veränderung in der Gemeinde. Daher wird angenommen, dass dieser Einfluss bei einem Verhältnis 1 Bett zu 5 EinwohnerInnen geringer ist und damit ein nachhaltigeres Verhältnis zwischen Tourismus und Gemeinde besteht. In Österreich besteht in rund 63 % aller Tourismusgemeinden ein Verhältnis unter 1:5 Anzahl der touristischen Betten zu EinwohnerInnen. Obwohl es prozentual mehr Gemeinden in Österreich mit einem Verhältnis von unter 1:5 aufgrund der kleinen Gemeindestruktur gibt, befinden sich in Summe in den Schutzgebieten mehr Gemeinden im Bereich der Verhältnisse Betten:EinwohnerIn 1:4 1:2 (24 %) als in den restlichen österreichischen Gemeinden. Das bedeutet, dass in Schutzgebieten in diesem Bereich der touristische Einfluss auf Gesellschaft und Kultur geringer ausfällt. Ankünfte: Es zeigt sich, dass in Gemeinden mit einem Verhältnis Betten:EinwohnerIn von unter 1:5 der durchschnittliche Anstieg der Nächtigungen pro Gemeinde um 22,78 % (von 4,7 auf 5,8 Mio.) gestiegen ist, wobei die durchschnittlichen Ankünfte in Gemeinden mit einem höheren Verhältnis gefallen sind (bis zu - 33,23 %). Des weiteren zeigt sich, dass jene Gemeinden mit einem geringeren Verhältnis Betten:EinwohnerIn krisenresistenter sind als jene mit einer hohen Tourismusintensität. Nächtigungen: In Gemeinden mit einem Betten:Einwohner-Verhältnis von unter 1:5 zeigt sich auch bei den Nächtigungen eine gute durchschnittliche Steigerung (+ 10,43 %) der Nächtigungen. Davon sind 130 Gemeinden in Schutzgebieten. Auch bei den Nächtigungen zeigt sich, dass jene Gemeinden mit einem Verhältnis von 1:5 Betten: EinwohnerIn am resistentesten gegen die Krise sind. In absoluten Zahlen verzeichnen die Gemeinden mit einem Verhältnis über 1:1 (153 Gemeinden) mit 68,3 Mio. die meisten Nächtigungen und sind sie gefolgt von jenen mit einem Verhältnis von unter 1:1 (109 Gemeinden) mit rund 16 Mio. und jenen mit einem Verhältnis von 1:5 (1040) mit 15,85 Mio. 3
Auslastung: Jene Gemeinden mit einem Betten: Einwohner-Verhältnis von unter 1:5 (18,10 %) sind in der Auslastung nicht so stark wie die mit einem Verhältnis von 1:1 (27,75 %). Es jedoch lässt sich von 2004 bis 2013 eine leichte Steigerung von 2,1 % erkennen. Schutzgebiete mit niedrigem Verhältnis Bett zu EinwohnerIn Die Schutzgebietsgemeinden, welche ein Betten:Einwohner Verhältnis von unter 1:5 haben, machen mit 130 von 271 informationsbereiten Schutzgebietsgemeinden 47,48 % aus. Danach folgen 19 (7,0 %) Schutzgebietsgemeinden mit einem Verhältnis unter 1:4. In den Schutzgebietsgemeinden wiederum sind die Landeshauptstädte und Schwechat ausgenommen. Umweltzeichen Betriebe Österreich verfügt laut VKI im Dezember 2014 über 27.716 Gästebetten in Umweltzeichen- Betrieben. Diese sind von 2007 2014 um 75,3 % angestiegen. Auch die Anzahl der Umweltzeichen- Betriebe ist um 65,5 % gestiegen. Hiermit kann eine positive Tendenz in Richtung Umsetzung und Akzeptanz des Umweltzeichens in Österreich vermerkt werden. Urlaub am Bauernhof Laut Statistik Austria auf Basis der Agrarstrukturerhebung befindet sich mind. jedes 10. Gästebett in Österreich auf einem Land und forstwirtschaftlichen Betrieb. Österreich verfügt über 31.700 Gästebetten in der Vereinigung Urlaub am Bauernhof. Kultur, altes Wissen und authentische Gesellschaft zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis ist einige der Verkaufsargumente von Urlaub am Bauernhof. Urlaub am Bauernhof fördert er das Fortbestehen von Landwirtschaft, Bauernhöfen, Kulturlandschaften, Brauchtum, Tradition, Handwerk und Kulinarik. Hans Embacher: Es wird viel Alltagskultur vermittelt. 1 Die Deutsche Reiseanalyse 2013 zeigt, dass sich 6,8 Mio. Deutsche (über 15 Jahre) für Urlaub am Bauernhof interessieren. Das entspricht 9,67 % der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 14, welche auch als Grundlage für die Deutsche Reiseanalyse dient. 9,9 % der am Urlaub am Bauernhof interessierten geben sogar an, sicher oder wahrscheinlich zwischen 2013-2015 Urlaub am Bauernhof zu verbringen. Laut dem Institut für Grundlagenforschung zeigen sich 60 % der ÖsterreicherInnen an Ferien auf einem österreichischen Bauernhof interessiert. 50 % der ÖsterreicherInnen haben bereits Erfahrung beim Urlauben am Bauernhof gesammelt, d.h. jeder zweite war bereits Gast bei Urlaub am Bauernhof. 2 Die Hauptkunden von UaB Angeboten sind (nach der T-MONA Auswertung der Sommergäste in Österreich 2011) Familien mit Kindern (47 % der Urlauber am Bauernhof). 1 Embacher, H, 2014, S. 3 2 Urlaub am Bauernhof, 2013, S. 10 4
Top Aktivitäten der Urlaub am Bauernhof-Gäste sind Spazieren gehen mit 55 % und Typische Speisen und Getränke aus der Region genießen mit 40 % aller Urlaub am Bauernhof-Gäste genannt. Regionale Wertschöpfung Der Tourismus spielt in Österreich eine wesentliche wirtschaftliche Rolle. Nach dem Tourismussatellitenkonto Stand November 2013 belaufen sich die Gesamtausgaben für Urlaubs- und Geschäftsreisen in Österreich im Jahr 2012 auf 31,64 Mrd. EUR. 3 2013 ist ein Anstieg um 1,6 % auf 32,15 Mrd. EUR zu verzeichnen. Nach Kettler und Siegrist beläuft sich in österreichischen Naturparken die touristische Wertschöpfung auf 144 Mio. EUR Im Bereich Urlaub am Bauernhof wird eine touristische Wertschöpfung von rund 320. Mio EUR generiert. Der Einkauf von regionalen Lebensmitteln in Bauernläden durch TouristInnen kann sich gezeigt anhand eines Beispiels im Lesachtal auf 80 % des Umsatzes dieser Bauernläden belaufen. Hinsichtlich der Vermarktung von Handwerk zeigt ein Beispiel aus Vorarlberg, dass regionale Produkte TouristInnen in der Region anziehen. Alleine ein Handwerkszusammenschluss in Vorarlberg generierte 40.000 50.000 Ausflugs-TouristInnen. Nach der Deutschen Reiseanalyse haben in Deutschland rund 5,8 Mio. TouristInnen bei regionalen Anbietern gekauft. Bei rund 11,4 Mio. deutschen Gästen in Österreich, stellt dies ein großes Potential für den Vertrieb von regionalen Produkten dar. Nachhaltige TouristInnen Österreich ist für die LOHAS Zielgruppe (Living of Health and Sustainability) attraktiv, da sie hierbei ihre Hauptinteressen wie Wandern und Ruhe genießen durchführen können. In Österreich kann man auf Basis der deutschen bzw. europäischen LOHAS rund 2,8 Mio. LOHAS hochrechnen. Basis hierfür ist die Einschätzung der Aachener Stiftung Cathy Bays und die Recherche von Mert. Et al aus dem Jahr 2010. Besonders im Interessensbereich für Freizeitaktivitäten der LOHAS, wie im Sommer Wandern, Reiten, Radfahren oder im Winter Schneeschuhwandern oder Weihnachtsmärkte besuchen, zeigt sich, dass hier die TOP Herkunftsmärkte Deutschland, Österreich und die Niederlande sind. Gründe für den Besuch Österreichs sind hierbei Landschaft und Natur, Ruhe und die Berge. Die TOP Herkunftsmärkte im österreichischen Tourismus sind Deutschland, Österreich, die Niederlande, die Schweiz und Italien. Deren Nachhaltigkeitsverhalten und touristisches Potential wurden auf Basis der Studie zu Nachhaltigkeit auf den Märkten der Österreich Werbung analysiert. Bei Übertragung der Daten der Deutschen Reiseanalyse auf Österreich kann man die Anzahl der österreichischen Nachhaltigkeits-Interessierten mit rund 2,4 Mio. beziffern. Rund 4,6 Mio. deutsche Österreich-UrlauberInnen wünschen sich auf Basis der Analyse der Märkte durch die Österreich Werbung nachhaltige Angebote. Dieselbe Analyse zeigt, dass durch die niederländischen Gäste (1,7 Mio.) relativ wenig Nachfrage für nachhaltige Produkte in Österreich besteht. 3 Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, 2013, S. 23 5
Auch beim Schweizer und Liechtensteiner Urlauber (1,3 Mio.), kann man hochrechnen, dass sich rund 40 % der Reisenden in Österreich für nachhaltige Angebote interessieren. Das macht damit einen potentiellen Markt für nachhaltige Urlaubsangebote bei Schweizer und Liechtensteiner Österreich-Urlaubern von rund 520.000. Rund 740.000 Österreich-UrlauberInnen aus Großbritannien, werden aufgrund des erst kürzlich eingesetzten Interesses an Nachhaltigkeit, in der Zukunft ein Potential für Nachhaltigkeit im Tourismus darstellen. Hinsichtlich der rund 1 Mio. Italienischen Gäste in Österreich und deren Interesse für Nachhaltigkeit im Bereich Beherbergung kann man annehmen, dass der Großteil der italienischen Gäste Interesse an nachhaltigen Unterkünfte hat. Programme und Maßnahmen für den nachhaltigen Tourismus Im Rahmen von Förderungen auf Europäischer, nationaler und Bundeländerebene gibt es Kriterien, welche auf Nachhaltigkeit im Tourismus abzielen. Beispielsweise die Ausschreibungen der General-Direktion Unternehmen und Industrie für die Entwicklung von nachhaltigen und grenzüberschreitenden Tourismusprojekten oder die österreichischen Top- Tourismus-Impuls-Förderung seitens der Österreichischen Hotel und Tourismusbank und des Bundes mit Kriterien zu Barrierefreiheit und Energiesparmaßnahmen. Auch auf Bundesländerebene sind beispielsweise der ÖkoBusinessPlan Wien oder die Tiroler Projektförderung für nachhaltige Entwicklung zu nennen. Neben der wachsenden Nachfrage nach Nachhaltigkeit im Tourismus in der Zukunft wird auch in der Tourismuspolitik durch den Fokus auf Qualität der Erhalt der Umwelt sowie eine Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensgrundlagen forciert werden. Aufgrund einiger fehlender Aufzeichnungen in den Statistiken wie die Ausgaben von TouristInnen für regionale Produkte wären die folgenden Themen für weitere Untersuchungen von Interesse: Analyse des Faktors Mobilität und des Faktors MitarbeiterInnen. Eine Umfrage zur Analyse der nachhaltigkeitsaffinen TouristInnen zu deren Präferenzen in den Urlaubsdestinationen, zu den Produkten oder Detailaktivitäten wäre interessant. Auch die erfolgreiche Gästekommunikation im Bereich der nachhaltigkeitsaffinen Gäste (im LOHAS-Bereich) wäre für die österreichische Tourismuswirtschaft in Hinsicht auf den potentiellen Anstieg dieser Zielgruppe von Interesse. Hinsichtlich der weiteren Tourismusentwicklung sehen alle interviewten ExpertInnen eine positive Entwicklung der Nachfrage nach nachhaltigen Tourismusangeboten. Auch die verstärkte Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien in nationale Strategiepapiere und Förderungen werden als notwendig und qualitätssteigernd für den österreichischen Tourismus der Zukunft erachtet. Dennoch hat die Studie auch gezeigt, dass Bedarf für die Aufzeichnung von Daten über die nachhaltigen Gäste und deren Verhalten notwendig ist, um zukünftig diese Zielgruppe zielgenauer bedienen zu können. 6