Lösungsskizze zur 1. Klausur



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Transkript:

ÜBUNG IM STRAFRECHT FÜR VORGERÜCKTE (WS 05/06) Juristische Fakultät der Universität Freiburg Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Prof. Dr. Roland Hefendehl sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts Lösungsskizze zur 1. Klausur 1. Tatkomplex: In der Bank I. Strafbarkeit des A wegen Raubes, 249 I 1. Qualifizierte Nötigungsmittel: Vorhalten der Pistole = Gewalt? Nach der Rspr. (BGHSt 23, 126, 127) ja (wegen der psychosomatischen Nebenwirkungen); vorzugswürdig: Ablehnung der Gewalt, da ohne motivatorische Wirkung; jdfs. aber Drohung (+): Umstand, dass die Pistole nicht geladen war, ist unschädlich. Es kommt lediglich darauf an, dass der Täter den Eintritt des Übels als von seinem Willen abhängig darstellt und das Opfer die Ankündigung ernst nimmt. Problem: Adressatin der Drohung (K) und derjenige, dem das Übel zugefügt werden soll (R), nicht identisch; nach hm ist in einer solchen Dreipersonenkonstellation erforderlich, dass auch der Nötigungsadressat unter psychischem Zwang steht. Dies soll dann der Fall sein, wenn das Wohl des Dritten für diesen von Bedeutung ist (RGSt 17, 82; BGHSt 31, 195, 201) oder der Dritte für den Genötigten eine Sympathieperson darstellt (Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT/1 9. Aufl. 2005 42/24). Andere stellen darauf ab, ob die Reaktion des Genötigten vernünftig (quasi-gerechtfertigt) oder verständlich (quasi-entschuldigt) ist. Dann sei der Täter für diese Reaktion verantwortlich (NK/Kindhäuser 2. Aufl. [2005] Vor 249 Rn. 31 ff.). Hier bestand zwischen K und R kein besonderes Näheverhältnis. Deshalb ist R nicht als Sympathieperson anzusehen. Die beiden anderen Ansichten würden hier eine für 249 ausreichende Drohung annehmen, da das Wohl eines Kunden für die Bank und ihre Mitarbeiter durchaus von Bedeutung ist bzw. sich die Übergabe des Geldes als vernünftig darstellt, wenn man sich an den Maßstäben von 34 orientiert. 2. Wegnahme: Gewahrsamswechsel (+), Problem: Einverständnis? An dieser Stelle hat die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung zu erfolgen. a) Rspr.: Äußeres Erscheinungsbild entscheidend; bei Nehmen Raub; bei Geben Erpressung. K händigte A das Geld aus, das er sich selbst nicht hätte verschaffen können, also Geben, Folge: 253, 255 vorrangig. b) Gegenmeinung: 253, 255 setzen eine Vermögensverfügung voraus. Liegt eine solche vor, ist 249 mangels Wegnahme abzulehnen, da sich nach dieser Ansicht Raub und Erpressung tatbestandlich ausschließen. Die Anforderungen an Vermögensverfügung sind wiederum umstritten (innere Vorstellung des Opfers; Mitwirkungsnotwendigkeit des Opfers). Hier ist jedenfalls eine Vermögensverfügung gegeben, 249 I scheidet auch nach dieser Ansicht aus. Damit kann der Streit dahinstehen. 3. Ergebnis: A hat sich nicht nach 249 I strafbar gemacht. II. Strafbarkeit des A wegen schwerer räuberischer Erpressung, 253, 255, 250 I Nr. 1 a), I Nr. 1 b) 1. Objektiver Tatbestand: Nötigungsmittel und -erfolg liegen vor (s.o.). Zwischen beiden besteht auch ein (nach hm bei 253, 255 im Gegensatz zu 249 erforderlicher) Kausalzusammenhang. Auch eine Vermögensverfügung ist sollte sie erforderlich sein zu bejahen. Beim Vermögensschaden stellt sich die Frage, wie das Auseinanderfallen von Genötigtem (K) und Geschädigtem (der Bank) zu behandeln ist. Die Rspr. fordert insoweit ein Näheverhältnis (BGHSt 41, 123, 125); in der Literatur wird dagegen teilweise darauf abgestellt, ob die Nötigung zur Überwindung von Widerstand dient, mit dem gerechnet werden musste (NK/Kindhäuser 253 Rn. 25). Beide Kriterien sind hier wegen des Arbeitsvertrages zwischen K und der Bank erfüllt. Die Qualifikation nach 250 I Nr. 1 a) setzt eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug voraus. Die Anforderungen an das Bei-Sich-Führen im Sinne von 250 I Nr. 1 a) sind umstritten: Überwiegend wird es wegen der abstrakten Gefährlichkeit als ausreichend angesehen, dass die Waffe ohne weiteres einsatzfähig gemacht werden, wie dies beim Mitführen passender Munition in der Hosen- oder Jackentasche der Fall ist (BGH NStZ 1985, 547; Wessels/Hillenkamp BT/2 28. Aufl. [2005] Rn. 259). Die Gegenauffassung verlangt unbedingte Einsatzbereitschaft der Waffe und würde 250 I Nr. 1 a) ablehnen (MüKo-Schmitz [2003] 250 Rn. 14; Joecks 6. Aufl. [2005] 250 Rn. 7). Hier scheidet die Pistole als Waffe aber schon deswegen aus, weil sie nicht geladen und somit ungefährlich war. Aus diesem Grund ist sie auch kein anderes gefährliches Werkzeug. Folglich ist 250 I Nr. 1 a) nicht verwirklicht. 250 I Nr. 1 b) umfasst nach ganz hm dagegen Scheinwaffen und andere objektiv harmlose Gegenstände. Da A die ungeladene Pistole bei sich führte, ist die Qualifikation objektiv gegeben.

2. Subjektiver Tatbestand: 253, 255 erfordern Vorsatz und die Absicht rechtswidriger Bereicherung (hier [+]). Die Qualifikation nach 250 I Nr. 1 b) setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter das Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung zu verhindern oder zu überwinden. Entfällt diese Gebrauchsabsicht, wenn der Täter sich vorstellt, eine Waffe im Sinne von 250 I Nr. 1 a) bei sich zu führen? A glaubte, die passende Munition in der Hosentasche zu haben. Er stellte sich also eine Situation vor, in der nach hm ein Beisichführen isv 250 I Nr. 1 a) gegeben wäre. Die Gebrauchsabsicht des A wird davon jedoch nicht tangiert. Im Vorsatz des A zum Einsatz der geladenen und damit einsatzfähigen Pistole ist als Minus auch der Vorsatz zum Gebrauch eines harmlosen Mittels nach 250 I Nr. 1 b) enthalten. Der Vorsatz muss sich also nach hier vertretener Auffassung nicht auf die objektive Ungefährlichkeit des Mittels beziehen. Die gegenteilige Ansicht ist mit entsprechender Begründung ebenso vertretbar. 3. Rechtswidrigkeit (insbesondere Verwerflichkeit nach 253 II) und Schuld sind gegeben. 4. Ergebnis: A hat sich gemäß 253, 255, 250 I Nr. 1 b) strafbar gemacht. III. Strafbarkeit des A wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, 253, 255, 250 II Nr. 1, 22 1. Vorprüfung: Eine vollendete schwere räuberische Erpressung nach 253, 255, 250 II Nr. 1 scheidet aus, da die ungeladene Pistole objektiv keine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug ist (s.o.). Der Versuch ist strafbar nach 250 II, 23 I, 12 I. 2. Tatentschluss: Problematisch ist hier nur der Tatentschluss in Bezug auf das qualifizierende Merkmal Verwenden einer Waffe. a) Verwenden auch durch Drohung? hm: (+), da sich die Qualifikation ohne Einschränkung auf alle Tathandlungen erstrecke (BGHSt 45, 92; Schönke/Schröder/Eser 26. Aufl. [2001] 250 Rn. 29); aa: Drohung muss mit potenzieller Lebensgefährlichkeit verbunden sein (Mitsch NStZ 1999, 617); Arg.: Unrechtsgehalt muss dem gesteigerten Strafrahmen entsprechen. b) Verwendung auch durch Drohen mit einer ungeladenen Waffe, die erst einsatzbereit gemacht werden muss und kann (aus Tätersicht)? BGHSt 45, 249: Nein, bei Verwendung ist auf konkreten Einsatzzeitpunkt abzustellen; unerheblich, dass Munition in greifbarer Nähe (bzw. hier die entsprechende Vorstellung des Täters). Teilweise hält man dies in der Literatur für systematisch nicht überzeugend; logische Konsequenz der beiden Prämissen Auch eine noch nicht geladene Pistole kann eine Waffe sein (1) und Ein Verwenden kann auch in einer reinen Drohung liegen (2) sei die Bejahung von 250 II Nr. 1 in Fällen wie dem vorliegenden. 3. Die weiteren Voraussetzungen wären hier gegeben. Bejaht man die 253, 255, 250 II Nr. 1, 22, steht diese Tat in Idealkonkurrenz ( 52) zum vollendeten Delikt (s.o. unter II.), um das jeweils verwirklichte Unrecht klarzustellen. IV. Strafbarkeit des A wegen erpresserischen Menschenraubs, 239 a 1. Objektiver Tatbestand: Durch das Vorhalten der Pistole hat A die physische Herrschaft über den R im Sinne einer Verfügungsgewalt über dessen Körper begründet, sich also seiner bemächtigt. 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+); Absicht, die Sorge des Opfers oder eines Dritten zu einer Erpressung auszunutzen? A wollte wie gesehen die Sorge der K um das Wohl des R ausnutzen und so eine Erpressung begehen. Aber Einschränkungstendenzen (Gründe: hoher Strafrahmen, Abgrenzung zu anderen Delikten mit Nötigungscharakter wie 253, 255): Der BGH (BGHSt 40, 350) geht davon aus, dass 239 a ein unvollkommen zweiaktiges Delikt ist. Der zweite Akt ist komplett in den subjektiven Tatbestand verlagert worden. Daraus leitet der BGH ab, dass ein zeitlicher und funktionaler Zusammenhang zu verlangen ist. Der Bemächtigungssituation muss eine eigenständige Bedeutung zukommen, wofür eine gewisse Stabilisierung der Zwangslage erforderlich ist. Daran fehlt es hier: A ging vom Sich-Bemächtigen direkt zur Erpressung über; also: Absicht (-); ebenso beim (subsidiären) 239 b. 3. Ergebnis: A hat sich nicht nach 239 a strafbar gemacht. V. Strafbarkeit des A wegen Hausfriedensbruchs, 123 I Generelle Zutrittserlaubnis (= tatbestandsausschließendes Einverständnis) für Geschäftsräume der Bank? A hat seine Pläne durch das Überziehen der Strumpfhose nach außen deutlich gemacht Zutrittserlaubnis entfällt. Weitere Voraussetzungen: (+); insbesondere Strafantrag ( 123 II) liegt vor. Ergebnis: A hat sich nach 123 I strafbar gemacht. - 2 -

2. Tatkomplex: Der Querschläger Strafbarkeit des A wegen fahrlässiger Körperverletzung, 229 1. Erfolg und Kausalität: A hat durch das Davonlaufen mit der Beute die Körperverletzung des Passanten verursacht: Sein Verhalten ist conditio sine qua non für das Eingreifen des Polizeibeamten. 2. Objektive Zurechnung: Hauptproblem in diesem Tatkomplex. Ein Erfolg kann dem Täter zurechnet werden, wenn er eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat und sich diese Gefahr im Erfolg realisiert hat. Für Zurechnung spricht die Parallele zu den Retterfällen: A hat Einschreiten der Polizei herausgefordert; deren Reaktion ist nicht unvernünftig; aber: Werden damit auch Dritte geschützt (Schutzweckzusammenhang)? Mögliche Gegenargumentation: Der Schuss fällt in erster Linie in den Verantwortungsbereich des Polizisten, daher stellt sich die KV nicht mehr als Werk des A dar; aa vertretbar, die weiteren Voraussetzungen des 229 wären dann zu bejahen. 3. Ergebnis: A ist nicht strafbar gemäß 229. 3. Tatkomplex: Die Auseinandersetzung mit J I. Strafbarkeit des A wegen gefährlicher Körperverletzung, 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5 1. Objektiver Tatbestand: Der Fausthieb und die Tritte gegen J stellen sowohl eine körperliche Misshandlung als auch eine Gesundheitsschädigung dar. Qualifikation nach 224 I Nr. 2: Körperteile sind wegen der Wortlautgrenze keine Werkzeuge, daher ist der Fuß allein kein gefährliches Werkzeug. Aber Springerstiefel des A ist geeignet, bei kräftigen Tritten erhebliche Verletzungen hervorzurufen und kann daher im Gegensatz zu leichten Turnschuhen als gefährliches Werkzeug angesehen werden. 224 I Nr. 5: Nach der abstrakten und konkreter Betrachtungsweise (+) 2. Subjektiver Tatbestand: (+) 3. Rechtswidrigkeit: Rechtfertigung nach 32? Ein rechtswidriger Angriff liegt vor; dies ist unabhängig davon, ob sich J durch das Grafitto nach 303 II strafbar gemacht hat, da jede von der Gesamtrechtsordnung missbilligte Rechtsgutbeeinträchtigung ausreicht. Hier bestand jedenfalls eine Gefahr für das Eigentum des A. Jedoch war der Angriff nicht mehr gegenwärtig: J hatte das Grafitto bereits angebracht, und für weitere, unmittelbar bevorstehende Angriffe fehlt hier ein Anhaltspunkt. Daher ist A nicht durch Notwehr ( 32) gerechtfertigt. 4. Schuld: A handelte auch schuldhaft. 5. Ergebnis: A hat sich gemäß 223, 224 I. Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5 strafbar gemacht. II. Strafbarkeit des A wegen versuchten Mordes, 212 I, 211, 22 1. Tatentschluss: A rechnete bei seinen Tritten mit dem Tod des J und nahm ihn billigend in Kauf, also Eventualvorsatz (+). Als Mordmerkmal kommt hier ein sonstiger niedriger Beweggrund in Betracht. Darunter versteht man Motive, die sittlich auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (Lackner/Kühl 25. Aufl. [2004] 211 Rn. 5). Hier könnte man solche Motive bejahen, weil A aus einem nichtigen Anlass handelte, die in Kauf genommene Tötung also völlig außer Verhältnis zum Vorverhalten des J stand. Die gegenteilige Ansicht wäre wegen der gebotenen restriktiven Interpretation der Mordmerkmale ebenfalls vertretbar. 2. Unmittelbares Ansetzen: durch die Tritte gegen J. 3. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. 4. Rücktritt: Fraglich ist, ob hier zugunsten des A der persönliche Strafaushebungsgrund des 24 I eingreift. a) Dann dürfte es sich allerdings noch nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch handeln (Sch/Sch/Eser 24 Rn. 7 ff.; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, 35. Auflage 2005 Rn. 628 ff.). Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn die zur Ausführung vorgenommenen Handlungen ihr Ziel nicht erreicht haben und der Täter erkannt hat, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den tatbestandlichen Erfolg entweder gar nicht mehr oder zumindest nicht ohne zeitlich relevante Zäsur herbeiführen kann (Wessels/Beulke AT Rn. 628). Aus welcher Sicht ist Fehlschlagen zu beurteilen? Einzelaktstheorie: Jeder einzelne Ausführungsakt ist gesondert zu betrachten. Jeder Akt stellt dann einen fehlgeschlagenen Versuch dar (Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl. 1991 26/15 ff.). Kritik: Einheitlicher Lebensvorgang wird auseinander gerissen; Rück- - 3 -

trittsmöglichkeiten zu sehr einschränkt (Wessels/Beulke AT Rn. 629). Richtigerweise ist daher der Gesamtbetrachtungslehre zu folgen. Danach ist ein Versuch noch nicht fehlgeschlagen, wenn der Täter, wie er weiß, in unmittelbarem Anschluss an sein bisheriges Tun erneut zum Angriff ausholen oder ein neues bereitstehendes Mittel einsetzen kann. Es besteht dann die Möglichkeit, insgesamt vom Versuch zurückzutreten. Weiteres Argument: In der weiteren Ausführung liegt nur die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Tatentschlusses (Wessels/Beulke AT Rn. 629); daher hier: Versuch nicht fehlgeschlagen und zugleich unbeendet. Rücktritt durch Aufgabe der weiteren Tatausführung möglich. b) Gegen eine Aufgabe der Tat könnte aber sprechen, dass A sein Ziel dem J einen Denkzettel zu verpassen bereits als erreicht ansah. Problem: Sind solche außertatbestandlichen Handlungsziele zu berücksichtigen? Teilweise Lit.: Keine honorierungsfähige Umkehrleistung (Kühl AT 5. Aufl. [2005] 16 Rn. 39). Rspr. (BGH GS BGHSt 39, 221): Außertatbestandliche Handlungsziele sind unerheblich; ein Rücktritt sei auch bei Erreichung dieser Primärziele möglich, da mit Aufgabe der Tat nur die Tat im Sinne des jeweiligen gesetzlichen Straftatbestandes gemeint sei. Diese rücktrittsfreundliche Position wird außerdem mit Opferschutzaspekten begründet. Aus diesen Gründen ist hier eine ausreichende Aufgabe der Tat anzunehmen (aa gut vertretbar). c) A müsste auch freiwillig gehandelt haben. Die hm setzt zur Bestimmung der Freiwilligkeit das Begriffspaar heteronome autonome Motive ein. Hier wurde A nicht von äußeren Umständen motiviert; er war noch Herr seiner Entschlüsse. Daher waren seine Motive autonom; aa vertretbar: verbrechervernünftige Entscheidung. 5. Ergebnis: A hat sich nicht nach 212 I, 211, 22 strafbar gemacht. 4. Tatkomplex: Vor Gericht I. Strafbarkeit der F wegen falscher uneidlicher Aussage, 153 1. Objektiver Tatbestand: Dass F unter Eid aussagte, schließt nach hm trotz des Wortlauts ( uneidlich ) eine Strafbarkeit nach 153 nicht aus. Uneidlich ist von diesem Standpunkt aus kein Tatbestandsmerkmal. Auch der Umstand, dass A gleichwohl verurteilt wurde, ist unschädlich. 153 ist kein Erfolgs-, sondern abstraktes Gefährdungsdelikt. Aussage falsch? Sowohl nach objektiver als auch nach subjektiver Falschheitslehre zu bejahen. 2. Weitere Voraussetzungen: Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld sind zu bejahen. 3. Ergebnis: F hat sich nach 153 strafbar gemacht. II. Strafbarkeit der F wegen Meineids, 154 I Da F ihre Aussage beeidete, ist auch der Tatbestand des 154 erfüllt. 153 tritt gegenüber 154 I als subsidiär zurück. III. Strafbarkeit der F wegen versuchter Strafvereitelung, 258 I, IV, 22 1. Vorprüfung: 258 I setzt einen Vereitelungserfolg voraus. Dieser kann nach hm auch in einer nicht unerheblichen Verzögerung bestehen; hier: kein Anhaltspunkt, dass die Aussage der F die Verurteilung von A verzögert hat. Daher kommt nur Versuch nach 258 IV, 22 in Betracht. 2. Tatentschluss: Zumindest dolus eventualis hinsichtlich der Vereitelung. 3. Unmittelbares Ansetzen: Wegen der vollständig verwirklichten Tathandlung ist das unmittelbare Ansetzen hier unproblematisch zu bejahen. 4. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. 5. Persönlicher Strafausschließungsgrund: 258 VI greift nicht ein, da F keine Angehörige im Sinne von 11 I Nr. 1 ist. 6. Ergebnis: F ist strafbar gemäß 258 I, IV, 22. IV. Strafbarkeit des A wegen Anstiftung zum Meineid, 154 I, 26 1. Objektiver Tatbestand: F hat die erforderliche Haupttat begangen (s.o.). Das Bestimmen lässt sich nur verneinen, wenn man im Gegensatz zu der Ansicht, der die reine Verursachung des Tatentschlusses ausreicht, verlangt, dass der Haupttäter bewusst einem Gedanken des Anstifters folgt. 2. Subjektiver Tatbestand: A stellte sich eine unvorsätzliche Falschaussage durch F vor, also eine Situation der mittelbaren Täterschaft. Während üblicherweise von diesem Willen zur mittelbaren Täter- - 4 -

schaft auf den Anstiftervorsatz geschlossen wird (Plus-Minus-Überlegung), kommt diese Argumentation hier schon wegen des Strafrahmengefälles zwischen 154, 26 (Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren, 38 II) und 160 I (Geldstrafe bis Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) nicht in Betracht. Es fehlt also am Vorsatz hinsichtlich einer vorsätzlichen Haupttat. 3. Ergebnis: A ist nicht strafbar gemäß 154 I, 26. V. Strafbarkeit des A wegen Verleitung zur Falschaussage, 160 I 1. Objektiver Tatbestand: F hat einen falschen Eid geleistet. Fraglich ist aber, ob A sie dazu verleitet hat. Die hm setzt Verleiten mit Verursachen gleich und würde daher den Tatbestand bejahen. Die engere Gegenansicht sieht in 160 einen gesetzlich normierten Sonderfall der mittelbaren Täterschaft, die wegen der Eigenhändigkeit der Aussagedelikte nach den allgemeinen Regeln nicht möglich wäre. Ein Verleiten sei daher nur gegeben, wenn der Täter das Geschehen täterschaftlich steuert. Nach der überwiegend vertretenen Tatherrschaftslehre hätte A wegen des Vorsatzes von F keine Tatherrschaft. Für die engere Gegenauffassung, die nicht jede Verursachung ausreichen lässt, spricht der auffällig geringe Strafrahmen des 160 I, der auf eine reine Ergänzungsfunktion des Tatbestandes hindeutet. Die hm argumentiert dagegen mit einem Wertungswiderspruch, der entstehe, wenn der Hintermann, der eine vorsätzliche Falschaussage hervorrufe und damit nach den Strafdrohungen der 159, 160 schwereres Unrecht verwirkliche, milder bestraft werden könnte ( 23 II) als ein Hintermann, der eine unvorsätzliche Falschaussage verursacht. Je nachdem, welche Meinung vertreten wird, ist hier eine vollendete oder versuchte Verleitung zur Falschaussage gemäß 160 I (gegebenenfalls in Verbindung mit 160 II, 22) ohne weitere Problematisierung anzunehmen. 2. Ergebnis: A hat sich nach 160 I bzw. 160 I, II, 22 strafbar gemacht. VI. Strafbarkeit des A wegen Anstiftung zur versuchten Strafvereitelung, 258 I, IV, 22, 26 1. Tatbestand: A hat F dazu bestimmt (auf der Grundlage der Auffassung, die jede Verursachung ausreichen lässt), vorsätzlich falsch auszusagen und damit seine Bestrafung zu vereiteln. Zwar ging er von der Gutgläubigkeit der F aus. Dennoch ist sein Anstiftervorsatz zu bejahen: Anders als oben bei 160 kann man hier argumentieren, dass in seinem Vorsatz zur mittelbaren Täterschaft auch der Anstiftervorsatz enthalten war (vgl. LK/Roxin 11. Aufl. [1992] 25 Rn. 147). Da A auch die Vollendung der Haupttat in seinen Vorsatz aufgenommen hatte, her ist auch der subjektive Tatbestand erfüllt. 2. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. 3. Persönlicher Strafausschließungsgrund: Die Strafbarkeit des A entfällt aber gemäß 258 V, der auch gilt, wenn der Vortäter zum Teilnehmer an der späteren Strafvereitelung wird (NK/Altenhain 258 Rn. 71). 4. Ergebnis: A ist nicht nach 258 I, IV, 22, 26 strafbar. Gesamtergebnis und Konkurrenzen: F hat sich nach 154 I (der 153 verdrängt) sowie 258 I, IV, 22 strafbar gemacht. Die Taten stehen in Idealkonkurrenz ( 52). A hat im ersten Tatkomplex die 253, 255, 250 I Nr. 1 b) sowie gegebenenfalls tateinheitlich 253, 255, 250 II Nr. 1, 22 verwirklicht. Die durch das Vorhalten der Pistole ebenfalls verwirklichten 240, 241 treten zurück. Bezüglich des 123 I ist umstritten, ob Tateinheit oder Tatmehrheit zu der dadurch ermöglichten räuberischen Erpressung anzunehmen ist. Für letztere Position BGHSt 18, 29, 32 f. mit dem Argument, die bloße Gleichzeitigkeit mehrerer Tatbestandsverwirklichungen führe noch nicht zu Tateinheit. Im dritten Tatkomplex hat sich A gemäß 223, 224 I. Nr. 2 Alt. 2 strafbar gemacht. Im vierten Tatkomplex hat A wegen versuchter oder vollendeter Verleitung zur Falschaussage strafbar gemacht. Die in den verschiedenen Tatkomplexen verwirklichten Tatbestände stehen untereinander in Tatmehrheit ( 53). - 5 -