Finanzplatz Frankfurt: Akteure, Rahmenbedingungen, Perspektiven. Ausarbeitung im Rahmen des Finanzplatzmonitorings der hessischen Landesregierung

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Transkript:

Finanzplatz Frankfurt: Akteure, Rahmenbedingungen, Perspektiven Ausarbeitung im Rahmen des Finanzplatzmonitorings der hessischen Landesregierung Dr. Johannes Harsche Uwe van den Busch unter Mitarbeit des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung Report Nr. 696 Wiesbaden 2006

Eine Veröffentlichung der HA Hessen Agentur GmbH Postfach 31 07 D-65021 Wiesbaden Abraham-Lincoln-Straße 38-42 D-65189 Wiesbaden Telefon 0611 / 774-0 Telefax 0611 / 774-313 E-Mail info@hessen-agentur.de Internet http://www.hessen-agentur.de Geschäftsführer: Martin H. Herkströter Dr. Dieter Kreuziger Ansprechpartner im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung: Dr. Eugen Paravicini Nachdruck auch auszugsweise ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Finanzplatz Frankfurt: Akteure, Rahmenbedingungen, Perspektiven Ausarbeitung im Rahmen des Finanzplatzmonitorings der hessischen Landesregierung Inhalt Seite Einleitung 1 Grundlagen und Aufbau der Arbeit 4 I Akteure 6 1 Der Bankensektor am Finanzplatz Frankfurt 6 1.1 Charakteristika des deutschen Bankensystems 6 1.2 Strukturelle Veränderungen in der Bankenlandschaft 7 1.3 Konzentrationsprozesse im Bankensektor 9 1.4 Internationalisierung im Bankensektor 16 1.5 Bedeutung der Banken für die Arbeitsmärkte 18 1.6 Ertragssituation der Banken 22 1.7 Fazit 26 2 Die Börsen am Finanzplatz Frankfurt 28 2.1 Marktkapitalisierung der Börsen im internationalen Vergleich 28 2.2 Bedeutung der Frankfurter Börsen im internationalen Vergleich 29 2.2.1 Aktienmarkt 29 2.2.2 Rentenmarkt 31 2.2.3 Derivatemarkt 32 2.3 Konsolidierung der Europäischen Börsenlandschaft im Überblick 33 2.4 Die Frankfurter Wertpapierbörse im nationalen Wettbewerb 37 2.5 Die Rolle der Frankfurter Wertpapierbörse für den Finanzplatz Frankfurt 39 2.6 Fazit 40 3 Die Versicherungsbranche: Eine wichtige Komponente des Finanzplatzes Hessen 41 3.1 Einleitung 41 3.2 Strukturelle Veränderungen in der Versicherungsbranche 41 3.3 Die Versicherungswirtschaft in Deutschland 42 I

Finanzplatz Frankfurt Inhalt Seite 3.3.1 Entwicklung der verschiedenen Sparten der Versicherungswirtschaft 42 3.3.2 Regionale Struktur der Versicherungsbranche 48 3.4 Die Versicherungswirtschaft in Hessen 51 3.4.1 Unternehmen und Beschäftigte der Versicherungswirtschaft 51 3.4.2 Internationalität der Versicherungswirtschaft 51 3.5 Die Ansiedlung des EU-Aufsichtsgremiums für das Versicherungswesen am Finanzplatz Frankfurt 55 3.6 Fazit 57 II Rahmenbedingungen 60 1 Marketingaktivitäten für die Finanzplätze London, Paris und München im Vergleich zu Frankfurt 60 1.1 London 60 1.1.1 IFSL International Financial Services London 60 1.1.2 Bürgermeister der City of London (Corporation of London) 61 1.1.3 London First und Think London 61 1.1.4 Zwischenfazit London 62 1.2 Paris 63 1.2.1 Paris Europlace 63 1.2.2 Zwischenfazit Paris 65 1.3 München 66 1.3.1 Finanzplatz München Initiative 66 1.3.2 Zwischenfazit München 67 1.4 Marketingaktivitäten für den Finanzplatz Frankfurt 68 1.4.1 Finanzplatzrelevante Initiativen im engen Sinn 69 1.4.2 Finanzplatzrelevante Initiativen im weiteren Sinn 72 1.4.3 Allgemeines Marketing für den Standort Frankfurt / Rhein-Main 76 1.4.4 Fazit Frankfurt 78 2 Die Rolle der Finanzmarktaufsicht für den Finanzplatz Frankfurt 80 2.1 Strukturelle Veränderungen auf den internationalen Finanzmärkten 80 2.2 Institutionen der Finanzaufsicht auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene 81 2.3 Europäische Komponenten der Finanzmarktaufsicht 87 Exkurs: Finanzkonglomerate 90 II

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Inhalt Seite 2.4 Fazit 92 3 Bildungs- und Forschungsinfrastruktur am Finanzplatz Frankfurt 94 3.1 Einleitung 94 3.2 Struktur des deustchen Bildungswesens im internationalen Vergleich 95 3.3 Bildungs- und Forschungsinstitutionen am Finanzplatz Frankfurt 97 3.4 Fazit und Ausblick 101 4 Vergleich der an den Finanzplätzen Frankfurt, London und Paris vorherrschenden steuerlichen Rahmenbedingungen 104 4.1 Einleitung 104 4.2 Das Steuersystem als Standortfaktor für einen Finanzplatz 106 4.3 Die Abgaben- und Steuerbelastung an den Finanzplätzen Frankfurt, Paris und London 108 4.4 Fazit 116 5 Die betriebliche Mitbestimmung im Zusammenhang mit der Standortdiskussion 118 5.1 Vorbemerkungen 118 5.2 Ökonomische Analyse der Funktion von Betriebsräten 120 5.3 Die Verbreitung von Betriebsräten in Deutschland 122 5.3 Die Folgewirkungen von Betriebsräten für die Unternehmensentwicklung 124 5.4 Fazit 125 III Perspektiven 127 1 Entwicklungstrends und Absatzpotenziale für innovative Finanzprodukte 127 1.1 Einleitung 127 1.2 Entwicklung des Geldvermögens der privaten Haushalte in Deutschland 128 1.3 Finanzprodukte für private und institutionelle Anleger 130 1.3.1 Rentenpapiere 130 1.3.2 Investmentfonds 137 1.3.3 Hedgefonds 146 1.3.4 Real Estate Investment Trusts 160 III

Finanzplatz Frankfurt Inhalt Seite 1.4 Beteiligungskapital als Instrument zur Unternehmensfinanzierung 171 1.5 Kreditderivate und Kreditverbriefungen 175 1.6 Fazit und Ausblick 180 2 Zukunftsperspektiven der privaten Altersvorsorge in Deutschland und ihre Bedeutung für den Kapitalmarkt 184 2.1 Vorbemerkungen 184 2.2 Potentiale der privaten Altersvorsorge 186 2.3 Die Entwicklung der Vermögensbildung der privaten Haushalte in Deutschland 187 2.4 Vergleich der Renditen unterschiedlicher Teilbereiche der privaten Altersvorsorge 188 2.5 Fazit 191 3 Finanzierungsstruktur und Kapitalausstattung mittelständischer Unternehmen in Deutschland 194 3.1 Vorbemerkungen 194 3.1.1 Potentiale, Forderungen und Vorschläge aus Sicht von Finanzplatz- Akteuren 194 3.1.2 Abgrenzung des Mittelstandes in Deutschland 195 3.2 Bedeutung der Mittelstandsfinanzierung für den Finanzplatz Frankfurt 197 3.3 Finanzierungsstruktur mittelständischer Unternehmen 200 3.4 Fazit 210 Tabellenverzeichnis 213 Abbildungsverzeichnis 215 Literaturverzeichnis 217 IV

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Einleitung Der umfassende Wandel im Finanzsystem, der durch fortschreitende Globalisierung, dynamisches Wachstum der internationalen Handelsbeziehungen und weitere Harmonisierungen in einem größer werdenden gemeinsamen Europa noch akzentuiert wird, "bietet dem Finanzstandort Deutschland große Chancen[ ]", so einleitend der jüngste Finanzmarktbericht der Initiative Finanzplatz Deutschland IFD. Der Finanzplatz Frankfurt als unbestritten bedeutendster Standort für Banken und Finanzdienstleistungen in Deutschland, ja ganz Kontinentaleuropa, kann hiervon in besonderer Weise profitieren. Zahl und Bedeutung von Kreditinstituten, Börse, Finanzintermediären, aber auch fachbezogener Wissenschaftseinrichtungen sichern dem Rhein-Main-Gebiet bereits eine Stellung, die europaweit nur von der City of London übertroffen wird. Dass der Standort in der Zukunft seine Position in Konkurrenz zu Finanzzentren wie Paris oder aufstrebenden Zentren sowohl in EU-Beitrittsländern als auch in Staaten Asiens oder des Nahen Ostens hält und im Vergleich zu globalen Zentren wie Tokio oder New York möglichst ausbaut, bedingt angesichts der dynamische Entwicklung der Finanzplätze in aufstrebenden Ländern einschl. der Golfregion, stetige Bemühungen aller Beteiligten. Für die hessische Landesregierung ist die Zukunft des Finanzplatzes Frankfurt von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Wirtschaftskraft des Landes, den Erhalt und die Schaffung von qualifizierten, hochwertigen Arbeitsplätzen, die Standortqualität und die Zukunftssicherung der gesamten Region. Mit dem Regierungsprogramm 2003 sollte den geschilderten Herausforderungen begegnet und mit einer breiten Palette von Maßnahmen Entscheidendes zur Sicherung und Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt wie im Interesse der Belange der Financial Community beigetragen werden. Die Landesregierung hat sich diesem politischen Schwerpunkt im Rahmen der laufenden Kommentierung finanzmarktrelevanter Ereignisse und im Zuge der aktuellen Diskussion intensiv gewidmet, was sich in der Erstellung einer umfassenden Finanzplatz-Datenbank beim Hessischen Wirtschaftsministerium niederschlug. Aus den dort dokumentierten vielfältigen Ansatzpunkten für eine Fortentwicklung des Finanzplatzes entwickelte die Landesregierung eine ganze Reihe von Maßnahmen, die das Kabinett im Januar 2005 verabschiedete und die aus unterschiedlichstem Blickwinkel zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des Finanzzentrums Frankfurt Rhein-Main beitragen sollen. Bundesrats- und Gesetzesinitiativen gehören e- 1

Finanzplatz Frankfurt Akteure benso hierzu wie ein eigenes landespolitisches Maßnahmenpaket mit den zentralen Ansatzpunkten eines verbesserten Marketings und eines wissenschaftlich fundierten, umfassenden Finanzplatz-Monitorings. Dessen Kernbestandteil wird ein System von Finanzplatz-Indikatoren sein, die ein aktuelles, vergleichendes Benchmarking auf der Grundlage zum großen Teil neu entwickelter, seriös gewichteter und fortzuschreibender Kriterien in Form einer kontinuierlichen Rasterbeobachtung zulassen. Mit der vorliegenden Studie wird zunächst eine aktuelle Zustandsbeschreibung der wichtigsten Gegebenheiten am Finanzplatz Frankfurt veröffentlicht. Sie umfasst eine Übersicht zu den vorhandenen Rahmenbedingungen und Akteuren am Platz ebenso wie einen nationalen und internationalen Standortvergleich in Bezug auf Kriterien, die als entscheidende Determinanten für eine positive Entwicklung eines Finanzzentrums gelten - namentlich die steuerlichen und bildungs-infrastrukturellen Voraussetzungen. Ein Vergleich der vorhandenen Marketing-Ansätze mit den Verhältnissen in London, Paris und München rundet diesen Teil ab. Der deskriptive Teil der vorliegenden Arbeit konnte sich nicht auf die Beschreibung von Akteuren und Rahmengegebenheiten beschränken, sondern musste zur Ableitung von notwendigen Konsequenzen für künftiges Handeln auch die Situation in den wichtigsten interessierenden Sektoren der Finanzmärkte darlegen und bereits erkennbare Entwicklungen aufzeigen. In der Erkenntnis, dass sich zwei "große Wachstumstreiber der kommenden Jahre" (IFD) auf den Märkten schon klar abzeichnen, nämlich die kapitalmarktnahe Unternehmensfinanzierung und die kapitalgedeckte Vorsorge, kam diesen Themen in der vorliegenden Arbeit ein besonderer Stellenwert zu (Kapitel 1 und 5 sowie 6). Die Darstellung geriet hier bewusst etwas breiter, um der zu erwartenden dynamischen Entwicklung neuer Finanzinstrumente in der privaten Alterssicherung und der Unternehmensfinanzierung auf internationalisierten Märkten gerecht zu werden. Aus diesem Grunde ist auch die Darstellung im Kapitel über innovative Finanzprodukte ausführlicher geraten. Vorliegendes präsentiert sich weitgehend im Charakter einer Situationsanalyse und Kommentierung des gegenwärtigen Geschehens am Finanzplatz Frankfurt. Auf Handlungsempfehlungen in den einzelnen Sachkapiteln wurde gleichwohl nicht verzichtet, soweit dies im fachlichen Rahmen angezeigt erschien. Die z.t. unterschiedliche Gewichtung einzelner Abschnitte wurde bereits begründet und ist partiell auch ihrem Entstehen in unterschiedlichen Phasen der Bearbeitung der Gesamt-Untersuchung geschuldet. Um Verzögerungen des Erscheinens zu vermeiden, wurden Aktualisierungen des Zahlenmaterials auf Fälle beschränkt, wo sich abzeichnende Tendenzänderungen dies erforderten. 2

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Im Interesse ihrer Authentizität wurden Studienergebnisse auch dort in die Ausarbeitung aufgenommen, wo sich nur wenige zwingende Handlungsempfehlungen entwickeln ließen (so im Kapitel "Mitbestimmung"), für den Gesamtansatz aber relevante Sachverhalte ermittelt werden konnten. Mancher Leser mag hingegen an anderer Stelle Wichtiges vermissen, wie vor allem eine ausführliche Darstellung sonstiger Finanzinstitutionen bzw. der Finanzintermediäre. Der Verzicht geschah mit Rücksicht auf anstehende eigenständige Arbeiten zu diesem Sektor von grundsätzlicher Bedeutung und ist nicht als Versäumnis zu verstehen. 3

Finanzplatz Frankfurt Akteure Grundlagen und Aufbau der Arbeit Eine Grundlage der Arbeiten ist die im Hessischen Wirtschaftsministerium aufgebaute Finanzplatzdatenbank. In dieser Datenbank sind Vorschläge und Forderungen von unterschiedlichen Akteuren der Financial Community zur Weiterentwicklung des Finanzplatzes Frankfurt zusammengestellt. Quellen der Datenbank sind zum einen Stellungnahmen von Vertretern von Verbänden, Banken und der Wissenschaft zur öffentlichen Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses zur Förderung des Finanzplatzes Deutschlands im Juni 2003, zum anderen Positionspapiere der Initiative Finanzstandort Deutschland sowie des Zukunftsforums Finanzplatz Frankfurt der CDU Hessen. Die in der Datenbank enthaltenen rund 480 Maßnahmevorschläge wurden vom Wirtschaftsministerium nach Themenfeldern und nach der zeitlichen Realisierbarkeit gegliedert. Nach Absprache mit dem Ministerium hat die Hessen Agentur im Rahmen ihrer Arbeiten zum Finanzplatzmonitoring die folgenden Themen auf Grundlage der Datenbank bearbeitet: Versicherungswirtschaft, Steuerwesen, Mittelstandsfinanzierung, Forschungs- und Bildungswesen, betriebliche Mitbestimmung und private Altersvorsorge. Die weiteren Ausarbeitungen in der vorliegenden Studie umfassen Themen, die von den Fachvertretern des Wirtschaftsministeriums im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt als prioritär eingestuft worden sind. Hierbei handelt es sich um die Themenfelder Banken, Börsen, innovative Finanzprodukte, Finanzaufsicht und Marketing. Die Studie ist wie folgt gegliedert: In Abschnitt I werden die Akteure des Finanzplatzes betrachtet. Banken und Börsen bilden gleichsam seinen Nukleus. In Kapitel 1 und 2 werden die strukturellen Veränderungen in der Banken- und Börsenlandschaft aufgezeigt. Versicherungen sind ein weiterer wichtiger Akteur auf dem Finanzplatz. In Kapitel 3 werden daher die Struktur der Versicherungswirtschaft in Deutschland und Hessen sowie internationale Verflechtungen dargestellt. 4

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Abschnitt II befasst sich mit den Rahmenbedingungen des Finanzplatzes Frankfurt. Zu Beginn werden die Marketingaktivitäten der konkurrierenden Finanzplätze London, Paris und Frankfurt mit Frankfurt verglichen. Die Auswahl der weiteren Themenfelder in diesem Abschnitt erfolgte im Wesentlichen auf Grundlage der vom Hessischen Wirtschaftsministerium erstellten Finanzplatzdatenbank. Betrachtet werden die Themen Finanzaufsicht, Bildungs- und Forschungsinfrastruktur, Steuern und betriebliche Mitbestimmung. Die Ausarbeitung zu diesen Themenfeldern orientiert sich eng an den von den verschiedenen Akteuren geäußerten Maßnahmenvorschlägen. In Abschnitt III Perspektiven werden Entwicklungstrends von innovativen Finanzprodukten, Zukunftsperspektiven der privaten Altersvorsorge sowie die Finanzierungsstrukturen mittelständischer Unternehmen in Deutschland betrachtet, wobei herausgearbeitet wird, welche Potenziale sich durch diese Trends für den Finanzplatz Frankfurt eröffnen (können). 5

Finanzplatz Frankfurt Akteure I Akteure 1 Der Bankensektor am Finanzplatz Frankfurt 1.1 Charakteristika des deutschen Bankensystems Die gegenwärtige Diskussion über die Struktur des Bankensektors bezieht sich vor allem auf zwei Aspekte, nämlich zum ersten auf das in Deutschland vorherrschende Drei-Säulen-System aus Privatbanken, öffentlich-rechtlichen Banken und Genossenschaftsbanken und zum zweiten auf die im internationalen Vergleich sehr hohe Anzahl an Banken und Bankzweigstellen. So sind von Vertretern der privaten Kreditwirtschaft immer wieder Forderungen nach einer Konsolidierung bzw. Deregulierung des Bankensektors zu vernehmen. Gemeint ist hiermit insbesondere eine Öffnung des öffentlichen Banken- bzw. Sparkassensektors für die private Kreditwirtschaft. In derartigen Diskussionen werden häufig auch die Raiffeisenbanken genannt, obwohl sich dieser Sektor sehr ausgeprägt von den öffentlich-rechtlichen Banken unterscheidet. Vollziehen könnte sich ein Strukturwandel unter anderem über die Übernahme von Sparkassen bzw. Landesbanken durch private Banken. Begründet werden die betreffenden Forderungen in erster Linie mit der Marktstruktur, und zwar im Wesentlichen mit einer angeblich zu geringen Wettbewerbsintensität aufgrund einer starken Zersplitterung des deutschen Finanzsektors bzw. einer weitgehenden Abschottung der Märkte für das Privatkunden- und Firmenkundengeschäft durch die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die genannten Argumente leiten sich insbesondere von der Tatsache her, dass sich die deutschen Privatbanken durch eine im internationalen Vergleich eher geringe Kapitalrentabilität bzw. Faktorproduktivität auszeichnen. Infolge der Ertragsprobleme und der zunehmenden Konkurrenz durch ausländische Wettbewerber, Versicherungen und Finanzvertriebsunternehmen sind in zahlreichen deutschen Banken umfangreiche Umstrukturierungsprozesse im Gange. In Zukunft werden in noch verstärktem Maße industrielle Fertigungsprozesse Einzug halten, was sich gravierend auf die Palette der angebotenen Finanzdienstleistungen und die Fertigungstiefe auswirken wird. In anderen Branchen so etwa in der Automobil-, der Industriegüter- und der Elektroindustrie haben sich analoge Veränderungsprozesse schon vor Jahrzehnten vollzogen (vgl. LAMBERTI, H.-J. (2004), S. 370-375). Zweifellos zeichnet sich das Bankensystem in Deutschland im Vergleich zu demjenigen in anderen Ländern durch eine ganze Reihe von Charakteristika aus. So herrscht in Deutschland ein Universalbankensystem vor, dessen grundlegende Tätigkeitsfelder in 1 KWG definiert sind. Hingegen basiert etwa in den USA und dem Vereinigten Königreich das Finanzwesen sehr weitgehend auf den Kapitalmärkten, 6

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung weswegen die dortigen Banken in ihrer Funktion als Finanzintermediäre einem weit höheren Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. In Frankreich vollzog sich in den letzten Jahren ein Wandel von einem bankenbasierten Finanzsystem in Richtung eines kapitalmarktbasierten Finanzsystems, und auch in anderen europäischen Ländern waren ähnliche Entwicklungen zu beobachten. 1.2 Strukturelle Veränderungen in der Bankenlandschaft Sowohl in der EU als auch in Deutschland insgesamt unterlag der Bankensektor während der jüngeren Vergangenheit einem tiefgreifenden Strukturwandel, der sich in vielerlei Hinsicht manifestiert. Insbesondere sank die Gesamtzahl sowohl der Kreditinstitute als auch der Bankzweigstellen deutlich. Hierfür lässt sich eine ganze Reihe von Ursachen anführen. Von besonderer Bedeutung waren die Deregulierungen und Liberalisierungen innerhalb des Finanzsektors seit Mitte der 1980er Jahre. Hierdurch wurden die Banken dazu veranlasst, sich erstens neue Geschäftsfelder zu erschließen, so z. B. Investment Banking, Asset Management oder Versicherungswesen, und zweitens größere Unternehmensstrukturen zu bilden. Darüber hinaus hatte die Europäische Währungsunion eine Internationalisierung und geographische Diversifizierung des Bankgeschäfts zur Folge. Gleichzeitig erhöhte sich die Wettbewerbsintensität, was zu einer merklichen Vereinheitlichung der Finanzprodukte und einer Steigerung der Preistransparenz führte. Eine weitere maßgebliche Ursache für die Strukturveränderung im Bankwesen ist der technologische Fortschritt. Dieser hat vor allem eine deutliche Erhöhung der Arbeitsproduktivität, jedoch auch eine Intensivierung der Arbeitsteilung und Standardisierung der Finanzprodukte so z. B. der Konsumentenkredite bewirkt. Daneben haben technologische Veränderungen zu einer räumlichen Dispersion des Bankengeschäfts und zu neuen Vertriebsformen geführt. Inwieweit technologische Entwicklungen zum Tragen kommen, hängt allerdings in hohem Maße von der Unternehmensstruktur und den bereits vorhandenen technischen Kapazitäten ab. Gerade in Großbanken, Landesbanken oder Großsparkassen lassen sich über technische und organisatorische Veränderungen hohe Ertragssteigerungen erzielen, während beispielsweise kleine Sparkassen oder Raiffeisenbanken für sich alleine unter Umständen in geringerem Maße Vorteile aus derartigen Fortschritten erzielen können. Dies trägt zu einer Entwicklung hin zu größeren Finanzunternehmen bzw. zu vertieften Finanzverbünden bei. In diesem Rahmen haben die Finanzunternehmen nicht benötigte Überkapazitäten abgebaut. Grundsätzlich liegt ein positiver Zusammenhang zwischen der technischen Infrastruktur und der Arbeitsproduktivität vor. Von besonderer Bedeutung dürften hierbei die in einem Bankinstitut bereits vorhandenen technischen Kapazitäten sein. Auch in der Kreditwirtschaft existiert wohl eine in ökonomischer Hinsicht sinnvolle Erneuerungsfrequenz der technischen Ausstattung, 7

Finanzplatz Frankfurt Akteure so dass unter Umständen die aus einer Investition in Realkapital so beispielsweise in die EDV-Infrastruktur erzielten marginalen Ertragserhöhungen vergleichsweise gering sein können. Als weitere treibende Kraft für die strukturellen Veränderungen in der Bankenlandschaft ist die makroökonomische Entwicklung anzusehen. Während der 1990er Jahre trugen vor allem das in zahlreichen Industrieländern überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum, der aus dem Boom an den Aktienmärkten resultierende Anstieg der Provisionseinnahmen und die Entwicklung des allgemeinen Zinsgefüges zu einem merklichen Wachstum der Bankerträge bei, was eine Aufstockung der Rücklagen zur Folge hatte. Dies führte nicht zuletzt zu einem sowohl intern als auch extern ausgerichteten Wachstum der Finanzunternehmen. Ein gegenläufiger Trend folgte während des Zeitraums 2001 bis 2003, in dem sich die Bankerträge deutlich verringerten, was einen Rückgang der Expansionsaktivitäten der Kreditinstitute zur Folge hatte. Ein weiterer Einflussfaktor, der in Zukunft das gerade in Deutschland so bedeutsame öffentlich-rechtliche Bankwesen in besondere Weise tangieren wird, ist die zu Beginn des Jahres 2005 vollzogene Abschaffung der Gewährträgerhaftung der öffentlichen Hand. Hierdurch soll langfristig erreicht werden, dass öffentlich-rechtliche und private Kreditinstitute unter möglichst gleichen Rahmenbedingungen agieren. Vor allem die Landesbanken werden hiervon in erheblichem Maße betroffen sein, denn diese sind in Zukunft dazu angehalten, ihren umfangreichen Kapitalbedarf unter veränderten Refinanzierungsbedingungen decken zu müssen. Hierbei stehen sie im Blickfeld der Rating-Agenturen, welche über ihre Bonitätsbeurteilungen einen großen Einfluss auf die Finanzierungskonditionen ausüben. Um dem entgegenzukommen, müssen die Landesbanken seither in noch stärkerem Maße als zuvor auf ihre Bilanzstruktur und Ertragsfähigkeit achten. Im Hinblick auf dieses Ziel dürften sie in naher Zukunft vornehmlich eher risikoaverse Geschäftsstrategien präferieren, weswegen das Retail Banking im Vergleich zu eher riskanten Aktivitäten so etwa im Investment Banking und im Auslandsgeschäft den Vorzug finden wird. Aber auch die privaten Geschäftsbanken haben in jüngerer Zeit die sich vergleichsweise kontinuierlich entwickelnden Erträge aus dem herkömmlichen Privatkundengeschäft wieder zu schätzen gelernt. Alles in allem haben die vorgenannten Einflussfaktoren sicherlich zum Trend zu größeren Finanzunternehmen beigetragen. Von Bedeutung war hierbei auch, dass die Kreditinstitute im Zuge des infolge der Europäischen Währungsunion verschärften Wettbewerbs auf den Finanzmärkten bestrebt sind, ihre Marktanteile zu erhöhen, was wiederum zu einem Unternehmenswachstum geführt hat. Nachfolgend wird auf die unterschiedlichen Facetten der strukturellen Veränderungen im Bankensektor eingegangen. 8

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung 1.3 Konzentrationsprozesse im Bankensektor Innerhalb Europas stellte sich die jüngere Entwicklung der Bankenlandschaft sehr unterschiedlich dar. Hierbei hängt die in den einzelnen EU-Ländern beobachtete Dynamik des Strukturwandels eng mit den jeweiligen strukturellen Ausgangsvoraussetzungen zusammen. In nahezu sämtlichen EU-Ländern hat sich zwar während des vergangenen Jahrzehnts die Anzahl der Kreditinstitute beachtlich verringert, jedoch folgte die Anzahl der Bankstellen einem eher divergierenden Entwicklungsmuster (vergleiche Tabelle 1). Letztere hat sich nämlich in einigen Ländern etwa in Finnland, Spanien oder Italien erhöht, während sie beispielsweise in Deutschland und den Niederlanden noch einmal deutlich zurückgegangen ist. Eine Ausnahme unter den EU-Ländern bildet Schweden, denn dort hat sich die Anzahl der Banken wie auch die der Bankstellen kaum verändert. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der skizzierte Strukturwandel in hohem Maße aus Unternehmensübernahmen und Fusionen resultiert (vgl. EUROPÄISCHE ZENTRALBANK (2005a)). Tabelle 1: Anzahl der Kreditinsitute und der Zweigstellen in ausgewählten EU-Ländern, 2000 und 2004 Anzahl der Kreditinstitute Anzahl der Zweigstellen Anzahl der Zweigstellen je 1.000 Einwohner 2000 2004 2000 2004 2000 2004 Deutschland 2.742 2.148 56.936 45.505 69 55 Frankreich 1.099 897 25.657 26.370 42 45 Italien 861 787 28.177 30.946 49 53 Österreich 848 796 4.570 4.360 57 54 Polen* 711 653 4.080 5.006 11 13 Niederlande 586 461 5.983 3.649 38 22 Vereinigtes Königreich 491 413 14.756 14.001 25 23 Finnland 341 363 1.202 1.585 23 30 Spanien 368 346 39.311 40.621 98 96 Schweden 211 212 2.059 2.034 23 23 EU 25* 9.363 8.374 206.265 199.606 46 44 * für die EU-25 und Polen Werte für 2001 und 2004. Quelle: Europäische Zentralbank (2005b). Die Marktstruktur gestaltet sich in den betrachteten EU-Ländern ebenfalls sehr heterogen. Als Indikatoren für die Marktkonzentration dienen in der vorliegenden Untersuchung der aggregierte Anteil der fünf größten Kreditinstitute sowie der Herfindahl- 9

Finanzplatz Frankfurt Akteure Index des aggregierten Geschäftsvolumens der Kreditinstitute. 1 Beide Indikatoren weisen darauf hin, dass gerade in einigen kleineren EU-Ländern die Kreditwirtschaft auf hoch konzentrierten Märkten operiert (siehe Tabelle 2). Genannt seien etwa Finnland, die Niederlande oder Schweden. Besonders ausgeprägt ist die Marktkonzentration in den sehr kleinen EU-Ländern wie beispielsweise den baltischen Staaten, Zypern und Malta, jedoch auch in den Niederlanden, die im internationalen Vergleich ein sehr wettbewerbsstarker Finanzstandort sind. Demgegenüber zeichnen sich Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich durch eine verhältnismäßig geringe Marktkonzentration in der Bankenlandschaft aus. (Vgl. hierzu EURO- PÄISCHE ZENTRALBANK (2005b)). Tabelle 2: Marktstruktur innerhalb des Bankensektors in ausgewählten EU-Ländern, 2000 und 2004 Aggregierter Anteil der 5 größten Kreditinstitute am aggregierten Geschäftsvolumen, v. H. Herfindahl-Index des aggregierten Geschäftsvolumens der Kreditinstitute 2000 2004 2000 2004 Deutschland 20 22 151 178 Frankreich 47 45 587 623 Italien 23 26 190 230 Österreich 43 44 548 552 Polen* 54 50 821 692 Niederlande 81 84 1.694 1.726 Vereinigtes Königreich 28 35 264 376 Finnland 87 83 2.050 2.680 Spanien 46 42 581 482 Schweden 57 54 800 854 EU 25* 38 40 506 569 * für EU 25 und Polen Werte für 2001 und 2004. Quelle: Europäische Zentralbank (2005b). Zu beachten ist hier allerdings, dass sich aus Angaben über die Marktstruktur nur eingeschränkt Schlussfolgerungen über die tatsächliche Wettbewerbsintensität eines Marktes ziehen lassen. Hierzu sind zusätzliche Einblicke in das Marktverhalten notwendig. Gleichwohl wurde in der jüngeren Vergangenheit im Rahmen verschie- 1 Der Herfindahl-Index wurde als Summe der quadrierten Anteilswerte der einzelnen Banken berechnet. Beispielsweise ist gemäß der Definition der Wettbewerbsaufsicht in den USA ab einem Herfindahl-Index in Höhe von 1.800 von einem konzentrierten Markt auszugehen. 10

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung dener Studien untersucht, ob innerhalb der Bankenlandschaft die Marktstruktur einen merklichen Einfluss auf die Wettbewerbsintensität hat. Die hierbei von den Verfassern gewonnenen Untersuchungsergebnisse belegen, dass in den meisten EU- Ländern die Kreditwirtschaft die Marktform einer monopolitischen Konkurrenz aufweist. In einem solchen Fall bieten die Banken zwar durchaus ähnliche, in der Wahrnehmung der Kunden jedoch nicht gleiche Finanzprodukte an. Dies impliziert, dass ein Nachfrager für einen bestimmten Anbieter bestimmte Präferenzen hat. Die Differenzierung erfolgt hierbei vor allem über die Produktgestaltung, die Preissetzung oder die Werbung. Letztlich sind sich die Finanzprodukte aber so ähnlich, dass sie in einer direkten Substitutionskonkurrenz zueinander stehen. Ferner kommen mehrere Autoren zu dem Schluss, dass innerhalb des Bankensektors ein höherer Konzentrationsgrad mit einer gesteigerten Wettbewerbsintensität einhergeht. Die häufig von Vertretern der Kreditwirtschaft, aber auch von Politikern geäußerte Forderung, dass zur Erhöhung der Wettbewerbsintensität eine zunehmende Marktkonzentration unabdingbar sei, lässt sich mit dieser Folgerung durchaus begründen. (Vgl. etwa BIKKER UND HAF (2002), S. 2191-2214; CLAESSENS UND LAEVEN (2004), S. 563-584.) Im Hinblick auf den Strukturwandel im Bankensektor in Deutschland kann man zwischen den einzelnen Gruppen von Banken deutliche Unterschiede erkennen. 2 Bezüglich der Anzahl der Kreditinstitute wird auf der einen Seite deutlich, dass sich insbesondere in der Gruppe der Genossenschaftsbanken und in weniger ausgeprägtem Maße in derjenigen der Sparkassen während der jüngeren Vergangenheit die Anzahl der selbständigen Kreditinstitute deutliche verringerte. In der Gruppe der Genossenschaftsbanken erfolgte im Zeitraum von 2000 bis 2004 ein Rückgang von 1.795 auf 1.338 Kreditinstitute und in der Gruppe der Sparkassen eine Verringerung von 562 auf 477 Kreditinstitute, was einer Verminderung um 25 % bzw. 15 % entspricht. Die Zahl der Kreditbanken erhöhte sich hingegen merklich, und zwar von 314 im Jahre 2000 auf 356 im Jahre 2004. Dies hat seine Ursache vor allem in der Ausdehnung der Präsenz der ausländischen Banken, deren Zweigstellen gegenwärtig zu zwei Dritteln in Hessen ansässig sind. Als Regionen, die auf ausländische Kreditinstitute eine besondere Anziehungskraft ausüben, lassen sich eindeutig Hessen und Bayern identifizieren. So wurden im Laufe des Jahres 2004 von ausländischen Banken in Frankfurt 12 und in München 7 neue Zweigstellen eröffnet (vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (2005a)). Beachtlich ist auch die Entwicklung im Branchensegment der Kapitalanlagegesellschaften. Die Anzahl der Finanzunternehmen dieser Kategorie, die insbesondere während der 1990er Jahre erheblich angestiegen war, ist seit 2000 wieder leicht zu- 2 Zu beachten ist hierbei, dass sich Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank bei ihren Analysen der Bankenlandschaft verschiedener Erhebungsmethoden bedienen. 11

Finanzplatz Frankfurt Akteure rückgegangen, nämlich von 81 auf derzeit 76, wovon knapp zwei Drittel auf Hessen entfallen. Tabelle 3: Entwicklung der Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland und in Hessen von 1995 bis 2004 Deutschland Hessen Kreditinstitute 1995 2000 2004 1995 2000 2004 Großbanken 3 4 4 3 3 3 Regionalbanken und sonstige Kreditbanken 1) 259 223 224 93 71 78 Zweigstellen ausländischer Banken 47 87 128 69 58 85 Landesbanken 13 13 12 2 2 2 Sparkassen 624 562 477 39 35 35 Genossenschaftliche Zentralbanken 4 3 2 2 2 1 Kreditgenossenschaften 2.591 1.795 1.338 211 143 112 Realkreditinstitute 35 31 25 7 7 5 Banken mit Sonderaufgaben 17 15 18 8 5 5 Bausparkassen 35 31 27 5 4 4 Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung 39 39 42 2 2 2 Kapitalanlagegesellschaften 65 81 76 38 44 45 Wertpapiersammelbanken 2 1 1 2 1 1 Bürgschaftsbanken 28 26 25 2 2 2 Insgesamt ohne Deutsche Postbank AG 3.784 2.911 2.399 461 379 380 Deutsche Postbank AG 1 1 1 Insgesamt einschl. Deutsche Postbank AG 3.785 2.912 2.400 461 379 380 1) Einschließlich Wertpapierhandelsbanken und sonstige Kreditbanken. 2) Genossenschaftsbanken zuzüglich sonstiger dem BVR angeschlossener Kreditinstitute. Quelle: Deutsche Bundesbank (verschiedene Jahrgänge). Was die Anzahl der Bankzweigstellen anbelangt, so ist auch hier für nahezu sämtliche Kategorien von Kreditinstituten ein fortwährender Strukturwandel festzustellen, denn die Ausdünnung des Zweigstellennetzes hat sich weiter fortgesetzt. Im Vergleich der Jahre 1995 und 2004 weisen die Großbanken mit einer relativen Verminderung um 39 % einen deutlicheren Rückgang der Zweigstellenzahl auf als die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die eine Verringerung um jeweils 23 % verzeichneten. Gleichwohl war in den vergangenen Jahren eine Verlangsamung des Umstrukturierungsprozesses zu beobachten, denn während der jüngeren Vergangenheit sind die jährlichen Verringerungsraten zurückgegangen. (Vgl. hierzu 12

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung beispielsweise INITIATIVE FINANZSTANDORT DEUTSCHLAND (2005a), Finanzstandort Bericht Nr. 1, S. 22 f.) Tabelle 4: Entwicklung der Anzahl der Bankzweigstellen in Deutschland und in Hessen von 1995 bis 2005 Deutschland Hessen Kreditinstitute 1995 2000 2003 1995 2000 2003 Großbanken 3.624 2.873 2.221 263 185 155 Regionalbanken und sonstige Kreditbanken 1) 3.636 3.567 2.861 191 221 219 Zweigstellen ausl. Banken 2) 45 80 23 8 9 3 Landesbanken 433 638 571 5 6 5 Sparkassen 19.071 16.892 14.757 1.961 1576 1378 Genoss. Zentralbanken 43 25 12 2 2 0 Kreditgenossenschaften 3) 17.205 15.332 13.201 1.933 1.592 1.221 Realkreditinstitute 290 192 76 23 16 10 Banken mit Sonderaufgaben 139 18 31 16 4 4 Bausparkassen 3.721 3.677 2.822 260 233 183 Wohnungsunternehmen mit Spareinrichtung 2 2 3 0 0 0 Kapitalanlagegesellschaften 8 11 21 2 1 3 Wertpapiersammelbanken 6 0 0 0 0 0 Bürgschaftsbanken 1 0 0 0 0 0 Insgesamt ohne Deutsche Postbank AG 48.224 43.307 36.599 4.630 3.845 3.181 Deutsche Postbank AG 19.706 13.629 10.645 1.838 1.324 898 Insgesamt einschl. Deutsche Postbank AG 67.930 56.936 47.244 6.468 5.169 4.079 1 ) einschließlich Wertpapierhandelsbanken und sonstige Kreditbanken. 2) Außer der in Anlage 1 aufgeführten Zweigstellen (die erste Zweigstelle einer ausländischen Bank im Bundesgebiet wird gem. 53 Abs. 1 KWG als Kreditinstitut erfasst). 3) Genossenschaftsbanken zuzüglich sonstiger dem BVR angeschlossener Kreditinstitute. Quelle: Deutsche Bundesbank (verschiedene Jahrgänge). Die Umgestaltung des Zweigstellenetzes geht einher mit organisatorischen Veränderungen, die vor allem Effizienzsteigerungen zum Ziel haben. Hierbei liegt das Schwergewicht einerseits auf einer weiteren Straffung der technischen Abwicklung und andererseits auf einer Ausdehnung und Professionalisierung des Beratungsangebotes für solche Kunden, welche für die Kreditinstitute ein lohnenswertes Geschäftspotential mit sich bringen. Letztlich geht es darum, die vor allem an den zentralen Standorten sehr kostspieligen Betriebskapazitäten in diejenigen Unterneh- 13

Finanzplatz Frankfurt Akteure mensbereiche zu lenken, welche die günstigste Relation zwischen Erträgen und Aufwendungen aufweisen. Am Finanzplatz Frankfurt hat sich während der vergangenen zehn Jahre die Bankenlandschaft ebenfalls merklich verändert. Auch wenn die Zahl der Banken, deren Unternehmenssitz sich in Frankfurt befindet, seit 1995 in etwa konstant geblieben ist, so hat sich doch die Anzahl der insgesamt am Standort ansässigen Kreditinstitute von 425 auf nunmehr 333 verringert. Gleichzeitig verzeichnete die Proportion der Auslandsbanken einen Zuwachs, was sich allerdings teilweise auf Verlagerungsprozesse zurückführen lässt, denn die Zahl der Repräsentanzen ausländischer Banken ging während des Untersuchungszeitraums zurück. Offenbar haben zahlreiche Auslandsbanken je nach Einschätzung der zukünftigen Geschäftsentwicklung ihre Repräsentanzen entweder geschlossen oder in eine Filiale bzw. Tochtergesellschaft umgewandelt. Eine Rolle dürfte hierbei auch der oben skizzierte Konzentrationsprozess in zahlreichen Ländern gespielt haben. Abbildung 1: Anzahl der Kreditinstitute am Finanzplatz Frankfurt Banken in Frankfurt insgesamt Banken mit Sitz in Frankfurt Auslandsbanken Banken mit Sitz außerhalb Frankkfurts Repräsentanzen ausländischer Banken 1995 2000 2005 0 100 200 300 400 500 Anzahl Quelle: Deutsche Bundesbank (2005h). Unter den derzeit etwa 330 in Frankfurt operierenden Banken bilden die Auslandsbanken mit einer Anzahl von rund 150 eine sehr bedeutende Gruppe, wozu noch die ungefähr 50 Repräsentanzen ausländischer Banken hinzuzuzählen sind. So ist die Position Frankfurts als des am stärksten international geprägten Finanzzentrums innerhalb Deutschlands unangefochten. Eine Ausnahme hiervon bilden allerdings die Verflechtungen mit der arabischen Welt, denn die bedeutenden Banken dieses Raumes präferieren offenbar bei ihrer Standortwahl Hamburg stärker als Frankfurt. 14

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Von den in Frankfurt präsenten Auslandsbanken sind etwa 50 aus anderen EU- Ländern, 20 aus den USA und 5 aus Japan. Weitere 30 Banken haben ihre Mutterhäuser in anderen Industriestaaten und 25 sind in Schwellenländern oder Entwicklungsländern domiziliert. Am Finanzplatz Paris sind gegenwärtig etwa 180 ausländische Kreditinstitute ansässig. Im Vergleich zu Frankfurt weist der Finanzplatz London eine deutlich andere Struktur der Bankenlandschaft auf, denn von den dort ansässigen 280 Auslandsbanken entfallen rund 100 auf die EU, 35 auf die USA und 10 auf Japan. Knapp 50 der in London tätigen ausländischen haben ihre Konzernzentralen in anderen Industrieländern, und gut 80 sind den Schwellenländern und Entwicklungsländern zuzuordnen. Der Anteil dieser Bankengruppe beläuft sich also in London auf etwa 30 %, verglichen mit 20 % in Frankfurt. 3 Die Dynamik des Finanzzentrums London lässt sich auch in historischer Perspektive vor allem im Hinblick auf die Anzahl der dort präsenten Banken ( Banks known in London ) aufzeigen. Dies sei anhand von einigen historischen Daten noch einmal verdeutlicht. So waren am Bankplatz London im Jahre 1912 1.211 Bankhäuser tätig, 1938 waren es bereits 2.445. Hiervon entfiel zu beiden Vergleichszeitpunkten etwa die Hälfte auf europäische Finanzinstitute. Von Mitte der vierziger Jahre bis zum Ende der sechziger Jahre hatte sich jedoch die Anzahl der in London präsenten ausländischen Bankhäuser signifikant vermindert, nämlich auf 110, um dann jedoch wieder merklich anzusteigen. Bemerkenswert ist hierbei der sich langfristig vollziehende Wandel des geographischen Schwerpunktes des Londoner Bankgeschäftes, denn während der vergangenen drei Jahrzehnte ging der prägnante Bedeutungsgewinn europäischer Finanzhäuser einher mit einem merklichen Rückgang des zahlenmäßigen Gewichtes asiatischer und US-amerikanischer Banken, wozu allerdings auch die zahlreichen Fusionen und Übernahmen innerhalb der USA beitrugen. Wie in der Vergangenheit, so ist auch in der Gegenwart das bedeutendste in der City of London betriebene Geschäftsfeld das Wholesale Banking und weniger das Retail Banking, auch wenn gerade britische Banken in letzterem Marktsegment sehr erfolgreich sind. Darüber hinaus gehört London neben New York und Chicago zu den weltweit drei bedeutendsten Zentren des Rohstoffhandels (vgl. MITCHIE, R. C. (2000, Hrsg.)). Aus alledem wird einmal mehr die weltweit herausragende Stellung des Finanzplatzes London deutlich. Dies gilt ebenfalls für die engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit den Ländern Afrikas, Südasiens und des Nahen Ostens, die insbesondere aus dem ehemaligen Status als Hauptstadt des Britischen Weltreiches resultieren. Auf die Auslandsverflechtungen des Finanzplatzes Paris trifft dies in ähnlicher, wenngleich abgeschwächter Weise zu. Vor allem Banken aus nord- bzw. westafrikanischen Ländern sind nämlich in ausgeprägtem Maße auf den Standort Paris fo- 3 Vgl. hierzu vor allem die Angaben des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland, der Vereinigung der Repräsentanten ausländischer Banken in Deutschland und der Association of Foreign Banks der City of London. 15

Finanzplatz Frankfurt Akteure kussiert, wozu nicht zuletzt ein auf der Verrechnungswährung CFA-Franc basierender gemeinsamer Währungsraum beigetragen hat. Nicht zu vergessen sind hier auch die historisch bedingten Beziehungen zu Südostasien. Im Vergleich hierzu hat der Finanzplatz Frankfurt generell eine weitaus schwächere internationale Verankerung. Zudem befindet sich das Geschäft mit den Commodities in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Die derzeit einzige deutsche Börse für Warentermingeschäfte hat ihren Standort nicht in Frankfurt, sondern in Hannover. 1.4 Internationalisierung im Bankensektor In den vergangenen Jahren war die Kreditwirtschaft durch eine zunehmende Internationalisierung geprägt. Dies erfolgt in zweierlei Hinsicht. Zum einen können Banken Dienstleistungen grenzüberschreitend anbieten, falls die rechtlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Beispiele hierfür sind die Gewährung von Krediten an ausländische Kunden oder das Angebot von Beratungsleistungen im Ausland. Zum anderen können Banken durch Direktinvestitionen ihre Präsenz auf ausländischen Märkten über die Einrichtung von Niederlassungen bzw. Tochtergesellschaften oder die Kapitalbeteiligung an ortsansässigen Kreditinstituten verstärken. Offensichtlich haben die deutschen Kreditinstitute in jüngerer Zeit auf beide hier genannten Arten ihre Geschäftstätigkeit in anderen Ländern ausgeweitet. So hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Summe der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten deutscher monetärer Finanzinstitute (ohne Deutsche Bundesbank) um ein Drittel erhöht. Ende 2004 betrugen die Forderungen inländischer Banken an das Ausland etwa 1,5 Billionen Euro, die Verbindlichkeiten lagen bei knapp 1 Billion Euro. Von den Forderungen resultierten ungefähr zwei Drittel aus Geschäftsbeziehungen innerhalb der EU, wovon wiederum ein Drittel dem Vereinigten Königreich zuzurechnen war. Jeweils ein Fünftel des Geschäftsvolumens bezog sich auf die USA bzw. auf weitere westliche Industrieländer. Auf die Off-Shore-Finanzzentren entfielen gut 6 % der Forderungen (vgl. DEUTSCHE BUN- DESBANK (2005b), S. 29-41). Die ausländischen Direktinvestitionsbestände deutscher Banken folgten ebenfalls einer dynamischen Entwicklung. So beliefen sich die Direktinvestitionsbestände der deutschen Banken, die 1999 noch bei 54 Mrd. Euro gelegen hatten, Ende 2002 auf 100 Mrd. Euro. Hiervon entfiel ungefähr die Hälfte auf die USA und ein Drittel auf andere EU-Länder. Darunter war wiederum ein Drittel im Vereinigten Königreich investiert, was einmal mehr die herausragende Bedeutung des Finanzplatzes London für die deutsche Kreditwirtschaft unterstreicht. Diese Gewichtung schlug sich auch in der Standortwahl nieder. Weit mehr als 300 der insgesamt 1.400 Tochtergesellschaften und Niederlassungen haben ihren Sitz in den USA, rund 250 sind im Vereinigten Königreich domiziliert. Weitere begehrte Standorte sind Luxemburg, Frankreich, Österreich, die Niederlande und Polen. Insgesamt beschäftigen die 16

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung deutschen Banken derzeit etwa 160.000 Mitarbeiter im Ausland, wovon allein 35.000 in den USA und 20.000 im Vereinigten Königreich tätig sind. Als Bestimmungsgrößen für die Auslandsinvestitionen deutscher Banken sind vor allem die Größe des Zielmarktes und das bilaterale Außenhandelsvolumen mit dem jeweiligen Zielland anzusehen (vgl. BUCH, C. M. UND LIPPONER, A. (2004)). Eine weitere wichtige Facette ist das fortwährende Wachstum der am Markt operierenden Kreditinstitute. Dieses vollzieht sich entweder über ein endogenes Unternehmenswachstum oder durch auch grenzüberschreitender Fusionen bzw. Ü- bernahmen. 4 Innerhalb Europas waren während der jüngeren vergangenen Vergangenheit nicht allzu zahlreiche grenzüberschreitende Mergers and Acquisitions zu verzeichnen, denn die Anzahl der Transaktionen lag im Mittel der Jahre 2000 bis 2004 bei 34, verglichen mit einer durchschnittlichen Gesamtzahl der rein inländischen Transaktionen von 77. Gleichwohl haben sich vor allem innerhalb des Benelux-Raumes und Skandinaviens einige regionale Cluster herausgebildet. Analoges gilt für Mittel- und Osteuropa, wo sich vor allem österreichische, französische und i- talienische Banken engagieren. Zu nennen sind hier ferner schwedische und belgische Kreditinstitute. In den einzelnen EU-Ländern war der Konzentrationsprozess innerhalb der Bankbranche sehr unterschiedlich ausgeprägt (vergleiche Tabelle 5). Tabelle 5: Jährliche Anzahl der Mergers and Acquistions in der Kreditwirtschaft in ausgewählten EU-Ländern, 2000 bis 2004 2000 2001 2002 2003 2004 Deutschland 10 9 8 14 11 Frankreich 10 12 12 8 11 Italien 31 24 23 22 13 Österreich 5 1 3 0 1 Polen * 6 5 1 2 Niederlande 0 2 2 2 2 Vereinigtes Königreich 1 13 12 10 13 Finnland 0 0 2 0 0 Spanien 7 5 3 4 1 Schweden 0 1 1 1 1 EU 25 86 93 75 73 60 * Wert für 2000 nicht verfügbar. Quelle: Europäische Zentralbank (2005b). 4 Ein aktuelles Beispiel für die derzeitigen Veränderungen in der deutschen Bankenlandschaft ist die Übernahme der Eurohypo durch die Commerzbank, die hierdurch innerhalb Deutschlands zur zweitgrößten Bank wird, nachdem sie selber ü- ber zwei Jahrzehnte hinweg immer wieder als potenzieller Übernahmekandidat gegolten hat. 17

Finanzplatz Frankfurt Akteure Besonders zahlreiche M&A-Transaktionen waren in den großen EU-Ländern zu beobachten, was aufgrund der dortigen Größenordnungen der Bankbranche auch zu erwarten wäre. Darüber hinaus fällt auf, dass sich in Spanien und Italien der Konzentrationsprozess über den Untersuchungszeitraum hinweg merklich verlangsamt hat, während im Vereinigten Königreich und in Deutschland eine eher unstetige Entwicklung zu verzeichnen war. 1.5 Bedeutung der Banken für die Arbeitsmärkte Der Strukturwandel in der Bankenlandschaft spiegelt sich auch in der Beschäftigung wider. Dies kann man insbesondere daran erkennen, dass in jüngerer Zeit in sämtlichen EU-Ländern die Anzahl der Bankbeschäftigten beachtlich zurückgegangen ist (vergleiche Tabelle 6). Im Vergleich der Jahre 2000 und 2004 war hierbei der Beschäftigtenabbau in den Niederlanden mit einer relativen Verminderung von 11 % am umfangreichsten, gefolgt von Polen mit 10 % und Deutschland mit 8 %. Diese Verminderung der Beschäftigtenzahl lässt sich vor allem mit der hohen Wettbewerbsintensität und dem fortwährenden Konzentrationsprozess begründen. Schließen sich mehrere Kreditinstitute zusammen, so hat dies nämlich in der Regel einen Arbeitsplatzabbau zur Folge Tabelle 6: Anzahl der Bankbeschäftigten in ausgewählten EU-Ländern, 2000 und 2004 Anzahl der Bankbeschäftigten Veränderung 2000/2004 Anzahl der Bankbeschäftigten je Zweigstelle Vermögensbestände je Beschäftigten, Tsd. Euro 2000 2004 in v. H. 2000 2004 2000 2004 Deutschland 775.800 712.300-8,2 13,6 15,7 7.816 9.244 Frankreich 1) 415.979 425.041 2,2 16,2 17,1 8.420 9.397 Italien 344.348 336.979-2,1 12,2 10,9 5.143 6.753 Österreich 73.648 72.858-1,1 16,1 16,7 7.168 8.720 Polen 2) 165.225 149.610-9,5 40,5 29,9 808 882 Niederlande 129.294 115.283-10,8 21,6 31,6 8.886 14.552 Vereinigtes Königreich 482.836 511.455 5,9 32,7 36,5 10.827 13.628 Finnland 25.167 25.377 0,8 20,9 16,0 5.086 8.371 Spanien 243.172 246.006 1,2 6,2 6,1 4.626 6.981 Schweden 41.995 39.181-6,7 20,4 19,3 10.350 14.878 EU 25 2) 3.177.779 3.057.528-3,8 15,4 15,3 7.768 11.077 1) Für Frankreich Werte für 2002 und 2003. 2) Für EU 25 und Polen Werte für 2001 und 2004. Die Verhältniszahlen für EU 25 wurden jeweils als ungewogenes arithmetisches Mittel berechnet. Quelle: Europäische Zentralbank (2005b). 18

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Im Hinblick auf die Anzahl der Beschäftigten je Bankstelle liegt Deutschland im Mittelfeld der hier untersuchten Länder. Ferner lässt sich für diesen Strukturindikator keine eindeutige Entwicklungsrichtung feststellen, denn er ist in einigen Ländern gestiegen und in anderen wiederum gesunken, was man teilweise mit dem Verlauf des Strukturwandels erklären kann. In solchen Ländern, in denen der Strukturwandel schon weit vorangeschritten ist, nimmt offenbar der Beschäftigtenbesatz je Zweigstelle zu, während er in Ländern, die sich noch in einer frühen Phase des Strukturwandels befinden, abnimmt. Das Volumen der Vermögensbestände je Bankbeschäftigten unterlag im Vergleich zwischen 2000 und 2004 einem erheblichen Zuwachs. Dieser fiel in den Niederlanden und in Finnland mit einer relativen Veränderung um jeweils etwa 64 % besonders deutlich aus, während er in Deutschland mit 18 % eher moderat war. Allerdings weisen die Banken in Deutschland derzeit im europäischen Vergleich je Beschäftigten eine verhältnismäßig hohe Vermögensausstattung auf. Bemerkenswerterweise ist für einige Länder, in denen die Arbeitsintensität des Bankgeschäfts schon im Jahre 2000 vergleichsweise niedrig war wie beispielsweise in den Niederlanden und in Schweden trotz alledem ein überproportionaler Anstieg der Aktiva je Beschäftigten zu verzeichnen. Was die Anzahl der bei den Frankfurter Kreditinstituten Beschäftigten anbelangt, so hatte diese im Jahre 2002 einen Spitzenwert von 80.000 erreicht. Seitdem hat sie sich wieder auf 73.000 ermäßigt, was einem Anteil von etwa zwei Dritteln der gegenwärtig in Hessen insgesamt in diesem Wirtschaftsbereich Beschäftigten entspricht. Analog hierzu sind in jüngerer Zeit der Anteil der Frankfurter Bankbeschäftigten an sämtlichen Beschäftigten in Frankfurt und der Anteil an sämtlichen Bankbeschäftigten in Deutschland gleichermaßen zurückgegangen. Beide Anteilswerte liegen derzeit bei etwa 10 %. Die relative Bedeutung der Banken als Arbeitgeber in Frankfurt hat sich also leicht ermäßigt. In Deutschland insgesamt bewegte sich während des Untersuchungszeitraums der Anteil der Anteil der Bankbeschäftigten an der Gesamtbeschäftigung zwischen 2,7 % und 2,8 %. 19

Finanzplatz Frankfurt Akteure Abbildung 2: Anzahl der Beschäftigten bei den Frankfurter Kreditinstituten, 1995 bis 2004 Tsd. Beschäftigte Anteil in v. H. 100 80 60 40 20 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 12 10 8 6 4 2 0 Bankbeschäftigte in Frankfurt, linke Skala Anteil an sämtlichen Bankbeschäftigten in Deutschland, rechte Skala Anteil an sämtlichen Beschäftigten in Frankfurt, rechte Skala Quelle: Deutsche Bundesbank (2005h). Aus den hier skizzierten Entwicklungen lässt sich schließen, dass auch in Zukunft die strukturellen Veränderungen innerhalb des deutschen Kreditgewerbes weiter voranschreiten werden. Der langfristige Trend geht offenkundig in Richtung größerer Bankstellen, einhergehend mit einer Ausdünnung des Bankstellennetzes. Dieser Prozess wird begleitet von einer fortwährenden Verringerung der Arbeitsintensität. Vor dem Hintergrund der mittlerweile sehr hohen Wettbewerbsintensität des Bankgeschäfts werden diese Entwicklungen den Finanzplatz Frankfurt in besonderer Weise tangieren, denn gerade in den Zentralen und Hauptniederlassungen der Kreditwirtschaft werden aufgrund der starken räumlichen Bündelung von Verwaltungsund Back-Office-Tätigkeiten Rationalisierungspotentiale sehr zügig erkannt, was i. d. R. einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen nach sich zieht. Darüber hinaus vollziehen sich hinsichtlich der Arbeitsplätze im Finanzsektor innerhalb des Rhein-Main-Raumes ähnliche Verlagerungsprozesse, wie sie auch in anderen europäischen Ballungsräumen zu beobachten sind. Beispielsweise siedeln sich und dies vor allem wegen der hohen Arbeitskosten und Immobilienpreise vornehmlich arbeitsintensive Unternehmensbereiche der Finanzindustrie sukzessive auf peripher gelegenen Standorten Londons bzw. Südostenglands, aber auch Mittelenglands und Nordenglands an. Im Ballungsraum Paris verlagern sich derartige Unternehmenszweige sukzessive aus der Kernstadt an andere verkehrsräumlich gut angebundene Standorte der Region Ile de France. Auch in der Region München sind schon seit langem Verlagerungen von Arbeitsplätzen in das Umland zu beobachten. Analog hierzu entwickelten sich innerhalb des Rhein-Main-Gebiets wäh- 20

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung rend der vergangenen zwei Jahrzehnte einige Nachbarstädte Frankfurts zu regionalen Beschäftigungszentren des Finanzsektors (vergleiche Abbildung 3). Abbildung 3: Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Wirtschaftsbereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen in ausgewählten Städten der Rhein-Main-Region, 2000 und 2004 Frankfurt Offenbach 178.000 182.400 Eschborn Hanau Bad Homburg Neu-Isenburg Oberursel Bad Vilbel Kronberg i. Ts. 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 2000 2004 Anzahl Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt (verschiedene Jahrgänge). In jüngerer Zeit stellten sich diese Suburbanisierungsprozesse jedoch vielschichtig dar. Ein Vergleich der Anzahl der Beschäftigten im Wirtschaftsbereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen 5 in verschiedenen Städten der Rhein-Main-Region verdeutlicht nämlich, dass in den vergangenen fünf Jahren vor allem Hanau, Neu-Isenburg und Bad Vilbel von Arbeitsplatz-Ansiedlungen profitieren konnten. Im Vergleich der Jahre 2000 und 2004 nahm etwa in Hanau die Anzahl der Beschäftigten von 7.500 auf 10.900 zu, in Neu-Isenburg stieg sie von 4.600 auf 7.000. In Frankfurt war hingegen eine Abnahme der Beschäftigtenzahl von 182.400 auf 178.800 zu verzeichnen. Allerdings musste offenbar auch die Gemeinde Eschborn, in der noch während der jüngeren Vergangenheit bedeutende Unternehmensansiedlungen der Finanzbranche zu beobachten waren, Arbeitsplatzverluste hinnehmen. Alles in allem ist zu konstatieren, dass sich Frankfurt offenbar trotz spezifischer Rahmenbedingungen wie etwa die höchsten Büromieten und den höchsten 5 Diese Kategorie lässt sich in etwa mit den für den Finanzplatz London ausgewiesenen City-Type Jobs vergleichen. Die Anzahl der zu dieser Kategorie zählenden Beschäftigten belief sich in London im Jahre 2004 auf 316.000 (vgl. Center for Economics and Business Research (2005). 21

Finanzplatz Frankfurt Akteure Gewerbesteuerhebesatz innerhalb der Rhein-Main-Region recht gut im Standortwettbewerb behaupten kann. 1.6 Ertragssituation der Banken Die Erträge der Kreditwirtschaft stellen das Resultat der Geschäftstätigkeit dar und sind folglich ein maßgeblicher Indikator für die Bewertung des unternehmerischen Erfolgs. Insbesondere ist dies bei den privaten Banken der Fall, und zwar vor allem bei den Großbanken, deren Börsenwert sich sehr eng an der Gewinnentwicklung orientiert. Im Unterschied hierzu gelten für die Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute auch noch andere Beurteilungskriterien wie etwa die Erfüllung kommunaler Aufgaben, so dass die Gewinnentwicklung nicht der vorrangige Bewertungsmaßstab ist. (Vgl. hierzu etwa ENGERER, H., SCHROTEN, M. (2005).) Die Ertragslage der deutschen Kreditinstitute hat sich zwar während der vergangenen zwei Jahre stabilisiert, von einer Trendwende kann jedoch noch nicht gesprochen werden. Insgesamt erwirtschaftete die Kreditwirtschaft in Deutschland im Jahre 2004 ein Betriebsergebnis von 22,7 Mrd. Euro, verglichen mit 17,3 Mrd. Euro im Jahre 2003. Diese Erhöhung kann man vor allem auf eine Absenkung der Wertberichtigungen zur Risikovorsorge zurückführen, die sich wiederum teilweise mit einer zurückgegangenen Zahl der Unternehmensinsolvenzen begründen lässt. Was das jeweilige aggregierte Betriebsergebnis in den einzelnen Bankengruppen anbelangt, so belief sich dieses im Jahre 2004 bei den Großbanken auf 6,8 Mrd. Euro (4,8 Mrd. Euro in 2003) und bei den Landesbanken auf 5,0 Mrd. Euro (2,3 Mrd. Euro), bei den Sparkassen auf 4,4 Mrd. Euro (4,6 Mrd. Euro) und bei den Kreditgenossenschaften auf 2,8 Mrd. Euro (2 Mrd. Euro). Somit konnten die Großbanken und die Landesbanken überproportionale Steigerungen des Betriebsergebnisses erzielen, während bei den Sparkassen eine Abnahme zu beobachten war (vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (2005f), S. 15-44). Die verbesserte Ertragssituation spiegelt sich auch im Verhältnis zwischen Aufwendungen und Erträgen wider. Die auf das operative Bankgeschäft bezogene Aufwand/Ertrag-Relation hat sich nämlich im Jahresvergleich 2003/2004 in der gesamten deutschen Kreditwirtschaft von 66,5 % auf 65,5 % verringert (siehe Tabelle 7). Besonders deutlich war die Verminderung bei den Genossenschaftlichen Zentralbanken und den Regionalbanken. Im Gegensatz hierzu verzeichneten die Großbanken und die Landesbanken sogar einen leichten Anstieg der Aufwand/Ertrag- Relation. 22

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Tabelle 7: Entwicklung der Aufwand/Ertrag-Relation in Deutschland Allgemeine Verwaltungsaufwendungen in Relation zu den Erträgen aus dem operativen Bankgeschäft 1) Kreditinstitute 2000 2001 2002 2003 2004 Großbanken 2) 79,0 83,8 77,9 79,5 80,8 Regionalbanken und sonstige Kreditbanken 70,2 75,4 69,2 66,9 62,2 Zweigstellen ausl. Banken 74,1 56,1 57,8 53,6 55,4 Landesbanken 55,9 57,1 56,1 53,1 53,5 Sparkassen 68,9 69,9 68,5 66,4 64,9 Genoss. Zentralbanken 51,8 62,5 52,5 63,1 59,1 Kreditgenossenschaften 74,5 76,7 73,1 69,6 68,7 Realkreditinstitute 31,4 33,4 35,6 37,8 35,0 Banken mit Sonderaufgaben 29,7 30,4 31,4 32,8 35,4 Alle Bankengruppen 68,4 71,4 67,2 66,5 65,5 1) Die Erträge aus dem operativen Bankgeschäft errechnen sich aus dem Rohertrag zuzüglich Netto-Ergebnis aus Finanzgeschäften sowie Saldo der sonstigen betrieblichen Erträge und Aufwendungen. 2) Seit 2004 ordnet die Deutsche Bundesbank die Deutsche Postbank AG im Rahmen der Ertragsberechnungen der Kategorie Großbanken zu. Quelle: Deutsche Bundesbank (verschiedene Jahrgänge). Die Differenzen in der Ertragsentwicklung haben ihre Ursache nicht zuletzt darin, dass in den verschiedenen Bankengruppen die Erträge und Aufwendungen in ganz unterschiedlichem Maße aus den einzelnen Sparten des Bankgeschäfts herrühren. So erwirtschafteten die Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Jahre 2004 ihre Überschüsse im operativen Geschäft zu jeweils etwa drei Vierteln aus der Zinsspanne, wohingegen der entsprechende Anteil bei den Großbanken lediglich bei rund 60 % lag (vergleiche Abbildung 4). Im Unterschied hierzu resultierten die Überschüsse der Großbanken zu einem Drittel, diejenigen der Sparkassen und Kreditgenossenschaften jedoch nur zu knapp 20 % aus Provisionsüberschüssen. Dies verdeutlicht wiederum, dass die verschiedenen Bankgruppen von den Entwicklungen auf den Finanzmärkten in sehr heterogener Weise tangiert werden. Verändert sich beispielsweise das Zinsgefüge, so trifft dies die Genossenschaftsbanken und die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute stärker als die privaten Großbanken. Umgekehrt haben die Entwicklungen auf den Aktienmärkten besonders gravierende Folgewirkungen auf die private Kreditwirtschaft, denn diese hängt in vergleichsweise hohem Maße von Provisionserträgen aus dem Wertpapiergeschäft und dem Investment Banking ab. 23

Finanzplatz Frankfurt Akteure Abbildung 4: Relatives Gewicht einzelner Ertrags- und Aufwandspositionen in unterschiedlichen Bankengruppen, 2004 Großbanken Regionalbanken Landesbanken Sparkassen Genossenschaftliche Zentralbanken Kreditgenossenschaften Realkreditinstitute -20 0 20 40 60 80 100 Saldo aus den sonstigen betrieblichen Erträgen und Aufwendungen Netto-Ergebnis aus Finanzgeschäften Prov isonsüberschuss Zinsüberschuss Anteil in v. H. Quelle: Deutsche Bundesbank (2005f). Ein weiteres Bewertungskriterium für die Ertragsstärke des Bankensektors ist die Eigenkapitalrentabilität. Bedingt durch eine vergleichsweise günstige Geschäftsentwicklung belief sich diese im Jahr 2004 innerhalb der gesamten deutschen Kreditwirtschaft auf 4,2 %, nachdem sie im Jahr zuvor noch 0,7 % betragen hatte (siehe Tabelle 8). Tabelle 8: Entwicklung der Eigenkapitalrentabilität der Banken in Deutschland 1) Kreditinstitute 2000 2001 2002 2003 2004 Großbanken 2) 6,34 4,96-3,14-12,85-3,97 Regionalbanken und sonstige Kreditbanken 11,58 4,13 8,99 4,53 5,67 Landesbanken 8,14 4,78 2,80-4,25 1,07 Sparkassen 13,39 9,16 8,15 10,89 9,86 Genoss. Zentralbanken 12,95 4,43 4,56 0,66 2,91 Kreditgenossenschaften 8,59 7,46 9,68 10,64 10,23 Realkreditinstitute 5,89 8,92 9,12 5,34 3,32 Alle Bankengruppen 9, 32 6,19 4,49 0,7 4,21 1) Berechnet als Relation zwischen dem Jahresüberschuss vor Steuern und dem durchschnittlichen Eigenkapital eines Jahres. 2) Seit 2004 ordnet die Deutsche Bundesbank die Deutsche Postbank AG im Rahmen der Ertragsberechnungen der Kategorie Großbanken zu. Quelle: Deutsche Bundesbank (2005f). 24

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Diese ansteigende Entwicklungsrichtung war zwar in allen Teilen der Kreditwirtschaft zu beobachten, es existieren jedoch gravierende Niveauunterschiede. Die Eigenkapitalrentabilität lag nämlich im genossenschaftlichen Bankwesen bei 10,2 % und im Sparkassensektor bei 9,9 %, während sie bei den Großbanken sogar im negativen Bereich lag. Trotz der hier aufgezeigten Ertragsverbesserungen weisen die deutschen Banken gleichwohl im internationalen Vergleich immer noch eine sehr geringe Eigenkapitalrentabilität auf. Nimmt man beispielsweise die mittlere Eigenkapitalrentabilität der jeweils fünf größten Bankgruppen innerhalb eines Landes zum Maßstab, so zeichnen sich gegenwärtig vor allem die Banken der Benelux-Länder, der Schweiz und des Vereinigten Königreichs durch eine überproportionale Ertragsstärke aus (vgl. DAUCHY, C. UND GOUTEROUX, C. (2005), S. 61-73). (Siehe Abbildung 6.) Abbildung 5: Entwicklung der Eigenkapitalrentabilität der jeweils fünf größten Bankkonzerne in ausgewählten Ländern Benelux-Raum Schweiz Vereinigtes Königreich USA Spanien Frankreich Italien Japan Deutschland 2003 2004-10 -5 0 5 10 15 20 25 v. H. Quelle: Dauchy, C., und Gouteroux, C. (2005). Im Jahre 2004 belief sich die betreffende Eigenkapitalrentabilität im Benelux-Raum auf 20,7 % und in der Schweiz auf 17,8 %, während sie in Deutschland lediglich bei 2,1 % lag. Immerhin konnten sich die hier berücksichtigten deutschen Bankengruppen in den Bereich einer positiven Rentabilität bewegen. Gleichwohl ist der Abstand zu den Banken in den meisten der hier erörterten Länder nach wie vor sehr groß. Hierbei stellt sich die Frage, auf welche Weise sich dies ändern ließe. So haben die deutschen Kreditinstitute in jüngerer Zeit ihre Wettbewerbsfähigkeit vor allem durch eine Senkung der Verwaltungsaufwendungen erhöht. Langfristig ist es jedoch un- 25

Finanzplatz Frankfurt Akteure abdingbar, dass auch auf der Ertragsseite neuartige Potentiale ausgeschöpft werden. Dies kann in mehrfacher Hinsicht erfolgen, so etwa über eine Verlagerung der Geschäftsfelder, die Adaption bereits gängiger Finanzprodukte oder Produktinnovationen. 1.7 Fazit Derzeit ist in sämtlichen europäischen Ländern ein Strukturwandel in der Bankenlandschaft zu beobachten. Dieser manifestiert sich in mehrfacher Hinsicht, und zwar bei einem langfristig steigenden Geschäftsvolumen vor allem in einem Rückgang der Anzahl der Kreditinstitute, der Zweigstellen wie auch der Bankbeschäftigten. Gleichzeitig erhöhte sich die Wettbewerbsintensität auf den europäischen und weltweiten Finanzmärkten. In einigen Ländern hat sich die jährliche Anzahl der Fusionen und Übernahmen innerhalb der europäischen Bankenlandschaft deutlich verringert, so dass sich zukünftig von dieser Seite her der Konzentrationsprozess eher verlangsamen dürfte. Am Finanzplatz Frankfurt vollzogen sich in jüngerer Zeit analoge Entwicklungen, während gleichzeitig die internationalen Geschäftsbeziehungen der Frankfurter Banken deutlich zugenommen haben. Nach wie vor ist am Standort Frankfurt zudem eine ausgeprägte Präsenz ausländischer Kreditinstitute zu beobachten. Hier ist allerdings zu erwähnen, dass sich die internationalen Verflechtungen der Rhein- Main-Region auch in Bezug auf andere Branchen deutlich intensiviert haben, der Finanzsektor insofern also keine Ausnahme darstellt. Zu beachten ist ferner das nach wie vor sehr hohe Gewicht dieses Wirtschaftszweiges auf dem Frankfurter Arbeitsmarkt. Nimmt man allein die Zahl der Bankbeschäftigen zum Maßstab, so machen diese gegenwärtig etwa ein Zehntel aller Frankfurter Beschäftigten aus. Die genannten Strukturveränderungen hängen eng mit der gegenwärtigen Ertragssituation der Banken zusammen. Auch wenn sich diese in Deutschland während der vergangenen Jahre etwas entspannt hat, so stellt sie sich doch im Vergleich zu anderen Ländern immer noch als zu gering dar. Zwar sind aufgrund der zunehmenden Ausdünnung des Zweigstellennetzes und der Umstrukturierung der Geschäftsprozesse für die nähere Zukunft weitere Kostensenkungen zu erwarten. Es fragt sich allerdings, ob dies langfristig ausreicht, damit die deutsche Kreditwirtschaft zu der in früheren Zeiten beobachteten Ertragsstärke zurückfinden wird. Zu diesem Zweck sind wohl zusätzliche strukturelle Anpassungen unausweichlich. Bei einer fortwährenden Zunahme der Arbeitsproduktivität werden sich diese wohl nicht zuletzt über einen weiteren Arbeitsplatzabbau vollziehen, der vor allem im Abwicklungsbereich von weiteren Auslagerungen ganzer Unternehmensteile begleitet werden dürfte. Generell ist für die Zukunft von einer forcierten Standardisierung und Industrialisierung des Bankgeschäfts auszugehen. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Ver- 26

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung besserung der unternehmensinternen Risikokalkulation, zu der die Banken ja schon aufgrund der mit den Basel II-Richtlinien verbundenen Eigenkapitalvorschriften angehalten sind. Für die politischen Akteure stellt sich die Frage, wie sie den Strukturwandel im Bankensektor begleiten sollen bzw. können. Grundsätzlich wären Maßnahmen in dreierlei Richtungen denkbar, nämlich zum ersten eine Abbremsung des Strukturwandels, zum zweiten eine moderate Begleitung und zum dritten eine Forcierung. Vor dem Hintergrund der gravierenden Veränderungen auf den internationalen Finanzmärkten erscheint die erstere Option gleichsam aussichtslos, ganz zu schweigen von anderen ordnungspolitischen Einwänden, die sich gegen eine sozusagen künstliche Strukturkonservierung vorbringen ließen. Die Option einer moderaten Begleitung des Veränderungsprozesses erscheint da weitaus naheliegender. So ließe sich auch in Deutschland nach dem Beispiel anderer Länder eine Reform des Bankensektors durchführen. Ein prägnantes Beispiel hierfür bietet Italien, wo während der 1990er Jahre weite Teile des öffentlich-rechtlichen Bankwesens privatisiert wurden. Was die generellen Möglichkeiten zur politischen Beeinflussung der Bankenstruktur anbelangt, so liegen diese zu einem großen Teil bei den Regulierungs- und Aufsichtsgremien der EU. Demnach sind die unmittelbaren Gestaltungsspielräume des Landes Hessen eher begrenzt, jedoch lässt sich mittelbar über eine gezielte Interessenwahrnehmung auf die europäische Regulierungspolitik Einfluss nehmen. 27

Finanzplatz Frankfurt Akteure 2 Die Börsen am Finanzplatz Frankfurt 2.1 Marktkapitalisierung der Börsen im internationalen Vergleich Ende 2004 wurden an den Börsen der Welt Aktien von insgesamt 38.000 Unternehmen gehandelt. Der zusammengefasste Marktwert aller Unternehmensaktien erreichte die gigantische Summe von 37,2 Billionen US-Dollar. Das Rekordergebnis des Jahres 1999 von 35 Billionen US-$ konnte damit erstmals wieder übertroffen werden (vgl. WORLD FEDERATION OF EXCHANGES (2005)). Abbildung 6: Marktkapitalisierung heimischer Unternehmen nach Zeitzonen 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 in Billionen US-$ 18,0 18,2 Amerika 11,1 10,2 Europa / Afrika 7,9 6,7 Asien / Pazifik 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Quelle: World Federation of Exchanges (2005), Zusammenstellung der Hessen Agentur. Vom Volumen her gesehen hatten die Börsenmärkte der Triade Amerika, Europa/Afrika und Asien/Pazifik zu Beginn der 90er Jahre eine Marktkapitalisierung zwischen 2 und 4 Billionen US-$. Der amerikanische Markt hat sich im Verlauf der 90er Jahre allerdings deutlich vom europäischen und asiatischen absetzen können. Die asiatischen Börsen fielen in Folge der so genannten Asienkrise seit 1997 dann hinter die Entwicklung in Europa zurück. Dabei ähneln sich die Verläufe von Boom-, Einbruchs- und Erholungsphasen in den amerikanischen, europäischen und asiatischen Zeitzonen, was vor allem auf den hohen Verflechtungsgrad des Weltfinanzmarktes zurückzuführen sein dürfte. In den zurückliegenden 15 Jahren gab es markante Veränderungen in der Börsenlandschaft: moderne Börsen bieten ihren Kunden heute - neben der klassischen 28

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Aufgabe, ein Handelsplatz zu sein - eine Vielzahl weiterer Finanzdienstleistungen an; mit derivativen Finanzinstrumenten werden mittlerweile deutlich höhere Kontraktzahlen und Handelsvolumina realisiert als im klassischen Aktien- und Wertpapierhandel; die Börsen selbst werden zu Aktiengesellschaften, kooperieren oder fusionieren. Mit einer aktuellen Marktkapitalisierung (Stand: November 2005) von 8,6 Mrd. Euro liegt der Wert der Deutschen Börse AG dabei mit weitem Abstand vor dem der Euronext (3,8 Mrd. Euro) und der London Stock Exchange (LSE) (2,1 Mrd. Euro). 2.2 Bedeutung der Frankfurter Börsen im internationalen Vergleich 2.2.1 Aktienmarkt Zum Jahresende 2004 waren an der Frankfurter Wertpapierbörse Aktien von insgesamt 819 Unternehmen gelistet, 660 heimische und 159 aus dem Ausland. Die Marktkapitalisierung bzw. der Börsenwert der gelisteten heimischen Unternehmen belief sich auf knapp 1,2 Billionen US-$. Der Wert der täglich in Frankfurt gehandelten Aktien lag im Schnitt bei 6 Mrd. US-$. Obwohl die Frankfurter Wertpapierbörse damit zu den bedeutendsten Aktienmärkten der Welt zählt, spielen Aktien für die Unternehmensfinanzierung in Deutschland noch eine vergleichsweise geringe Rolle. Aus den für das Jahr 2003 vorliegenden internationalen Daten errechnet sich für die Frankfurter Wertpapierbörse ein Verhältnis des Aktienwertes der heimischen deutschen Unternehmen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 45 %. Für die Schweizer Börse übertrifft der zusammengefasste Unternehmenswert das BIP um das 2,3-fache, Hong Kong erreicht sogar den 4,5-fachen Wert. Aber auch Euronext (0,8-fach) und die Londoner Börse (1,4-fach) erzielen doppelt bzw. dreifach so hohe Werte wie Frankfurt. Die Aktienbaisse 2001/2002 und die Schließung des Neuen Marktes 2003 wirkten sich auch im Jahr 2004 noch extrem dämpfend auf den deutschen Aktienmarkt aus. Mit nur 6 neu gelisteten Unternehmen belegte die Frankfurter Wertpapierbörse im weltweiten Vergleich nur einen der unteren Plätze. In London (423 Unternehmen), Toronto (346 Unternehmen) und New York (Nasdaq:170 Unternehmen; NYSE: 152 Unternehmen) hat sich ein Vielfaches an Unternehmen neu aufgestellt. Ähnlich bescheiden fällt für die Frankfurter Wertpapierbörse auch ein Vergleich des neu emittierten Aktienvolumens aus. 2,5 Mrd. US-$ für Deutschland stehen 148 Mrd. US-$ (NYSE), 32 Mrd. US-$ (London) und 33 Mrd. US-$ (Toronto) gegenüber. Zwar war die Zahl der an der Euronext neu gelisteten Unternehmen mit 32 auch eher gering, 29

Finanzplatz Frankfurt Akteure allerdings erreicht die Mehrländerbörse mit Aktienemissionen in Höhe von knapp 45 Mrd. US-$ weltweit eine sehr gute Platzierung. 6 Tabelle 9: Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) im internationalen Vergleich: Aktienmarkt im Jahr 2004 Marktkapitalisierung durchschnittl. täglicher Umsatz Zahl gelisteter Unternehmen Börse in Mio. US-$ Börse in Mio. US-$ Börse absolut 1 NYSE 12.707.578 NYSE 46.104 BSE, The SE Mumbai 4.730 2 Tokyo SE 3.557.674 Nasdaq 34.790 TSX Group 3.604 3 Nasdaq 3.532.912 London SE 20.350 Nasdaq 3.229 4 London SE 2.865.243 Tokyo SE 13.082 London SE 2.837 5 Euronext 2.441.261 Euronext 9.545 Tokyo SE 2.306 6 Osaka SE 2.287.048 FWB 5.997 NYSE 2.293 7 FWB 1.194.517 BME Spanish Exchanges 4.794 Australian SE 1.583 8 TSX Group 1.177.518 Borsa Italiana 3.771 Euronext 1.333 9 BME Spanish Exchanges 940.673 Swiss Exchange 3.116 Hong Kong Exchanges 1.096 10 Hong Kong Exchanges 861.463 Taiwan SE Corp. 2.875 Osaka SE 1.090 11 Swiss Exchange 826.041 TSX Group 2.578 Bursa Malaysia 959 12 Borsa Italiana 789.563 American SE 2.353 NSE India 957 13 Australian SE 776.403 Australian SE 2.054 Shanghai SE 837 14 JSE South Africa 442.525 Korea Exchange 1.961 FWB 819 15 Taiwan SE Corp. 441.436 OMX Stockholm SE 1.828 Taiwan SE Corp. 702 16 Korea Exchange 389.473 Hong Kong Exchanges 1.765 Korea Exchange 683 17 BSE, The SE Mumbai 386.321 Shanghai SE 1.329 Singapore Exchange 633 18 OMX Stockholm SE 376.781 NSE India 1.025 Tel Aviv SE 578 19 NSE India 363.276 OMX Helsinki SE 884 American SE 575 20 Sao Paulo SE 330.347 Shenzhen SE 800 Shenzhen SE 536 Quelle: World Federation of Exchanges 2005, Zusammenstellungen der Hessen Agentur. Anzumerken ist noch, dass die meisten ausländischen Aktien in London OTC (over the counter), also zwischen den Marktteilnehmern direkt gehandelt werden. Die Umsätze werden aufgrund regulatorischer Bestimmungen jedoch der LSE gemeldet und zugerechnet. Der erhebliche Vorsprung der Londoner Börse beim durchschnittlichen täglichen Aktienumsatz, der mit 20 Mrd. US-$ fast das vierfache Volumen der Frankfurter Wertpapierbörse erreicht, ist zum Teil dadurch zu erklären. 6 Berücksichtigt werden sowohl Erstemissionen (IPO) als auch Kapitalaufstockungen bereits notierter Aktiengesellschaften, vgl. World Federation of Exchanges (2005), S. 69. 30

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung 2.2.2 Rentenmarkt In Deutschland haben Wertpapiere auf Rentenbasis traditionell eine große Bedeutung sowohl zur Unternehmensfinanzierung als auch zur Finanzierung öffentlicher Haushalte. Zum großen Teil dürfte damit auch der bislang noch unterdurchschnittliche Beitrag von Aktien zur Unternehmensfinanzierung zu erklären sein. Der Handel mit Wertpapieren ist hochgradig automatisiert. Neben der Frankfurter Wertpapierbörse bzw. Eurex Bonds hat sich als weitere wichtige Handelsplattform in Deutschland die MTS Gruppe etabliert. Tabelle 10: Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) im internationalen Vergleich: Rentenmarkt im Jahr 2004 Zahl der gelisteten Papiere Gesamtumsatz des Rentenhandels Neuemissionen Börse absolut Börse in Mio. US-$ Börse in Mio. US-$ 1 Luxembourg SE 24.292 BME Spanish Exchanges 3.553.064 Luxembourg SE 1.336.064 2 London SE 10.243 London SE 2.793.040 FWB 490.531 3 Korea Exchange 8.740 OMX Stockholm SE 1.540.924 London SE 489.641 4 FWB 8.240 Copenhagen SE 1.181.879 Euronext 323.719 5 Irish SE 6.206 FWB 442.056 Copenhagen SE 193.051 6 Santiago SE 3.514 Istanbul SE 419.334 Istanbul SE 115.040 7 Euronext 3.433 Korea Exchange 337.532 NSE India 67.536 8 BME Spanish Exchanges 2.939 Colombia SE 235.322 Korea Exchange 48.081 9 NSE India 2.938 Euronext 231.775 Wiener Börse 40.003 10 Wiener Börse 2.846 NSE India 207.785 Swiss Exchange 37.255 11 Copenhagen SE 2.232 Borsa Italiana 188.244 Singapore 36.236 12 OMX Stockholm SE 1.480 Swiss Exchange 165.573 E h Shenzhen SE 33.366 13 BSE, The SE Mumbai 1.404 Santiago SE 115.095 Oslo Bors 29.369 14 Swiss Exchange 1.227 Oslo Bors 110.932 Warsaw SE 25.252 15 Oslo Bors 861 Tel Aviv SE 51.742 Taiwan SE Corp. 15.263 16 Buenos Aires SE 668 Irish SE 45.035 Tel Aviv SE 13.694 17 Borsa Italiana 443 Shanghai SE 36.939 Hong Kong 13.430 18 Tokyo SE 421 Buenos Aires SE 15.836 E h Budapest SE 11.647 19 Colombia SE 417 Tokyo SE 7.206 Buenos Aires SE 11.513 20 Singapore Exchange 403 Shenzhen SE 3.880 OMX Stockholm SE 10.922 Quelle: World Federation of Exchanges 2005, Zusammenstellungen der Hessen Agentur. Mit über 8.200 gelisteten Wertpapieren 5.700 von heimischen Unternehmen, 1.000 von öffentlichen Haushalten und 1.500 aus dem Ausland bietet die Frankfurter Wertpapierbörse nach Luxemburg (24.300), London (10.200) und Korea (8.700) ein sehr breit gefächertes Angebot. Die herausragende Bedeutung Luxemburgs ist dabei (ähnlich wie in Irland) auf seine Rolle als internationaler Offshore- 31

Finanzplatz Frankfurt Akteure Markt für Anleihen zurückzuführen. Rund 94 % aller in Luxemburg gelisteten Wertpapiere stammen aus dem Ausland (Irland: 81 %). Aber auch für London hat das Ausland (43 %) eine deutlich größere Rolle als in Deutschland (18 %). An der koreanischen Börse wiederum spielen ausländische Wertpapiernotierungen überhaupt keine Rolle: nur 7 der insgesamt über 8.700 Papiere stammen aus dem Ausland. Auf dem deutschen Rentenmarkt wurden im Jahr 2004 Wertpapiere im Gesamtwert von 491 Mrd. US-$ neu ausgegeben. Dies ist hinter Luxemburg weltweit das zweithöchste Emissionsergebnis. Dem standen aber nur knapp 2,5 Mrd. US-$ an Aktienneuemissionen gegenüber. Dies ist fast ausschließlich auf Kapitalaufstockungen bereits notierter Aktiengesellschaften zurückzuführen. 2.2.3 Derivatemarkt Die Erfolgsstory des Derivatehandels in Frankfurt begann im Jahr 1990 mit Gründung der Deutschen Terminbörse. Durch deren Zusammenschluss mit der SOFFEX (Swiss Options and Financial Futures Exchange) entstand im Jahr 1998 in Frankfurt die Eurex, die heute einer der weltweit größten Handelsplätze für die derivativen Finanzprodukte Optionen und Futures ist. Tabelle 11: Eurex im internationalen Vergleich: Märkte für Optionen und Futures im Jahr 2004 Optionen und Futures auf Aktien Optionen und Futures auf Aktienindices Börse in Mio. US-$ Börse in Mio. US-$ 1 International Securities Exchange (ISE) 799.708 Korea Exchange 26.542.543 2 Eurex (Frankfurt) 584.703 Chicago Mercantile Exchange (CME) 19.712.971 3 Chicago Board Options Exchange (CBOE) 560.792 Eurex (Frankfurt) 11.930.905 4 Euronext (Paris, Brüssel, Amsterdam, Lissabon) 422.424 Chicago Board Options Exchange (CBOE) 7.624.291 5 American SE 404.268 Euronext 5.985.024 6 National Stock Exchange India 385.145 Osaka SE 3.222.169 7 Sao Paulo SE 301.654 Chicago Board of Trade (CBOT) 1.422.963 8 Philadelphia SE 269.533 TAIFEX 1.270.194 9 Australian SE 224.954 Tokyo SE 1.078.586 10 Pacific SE 222.858 Hong Kong Exchanges 1.053.207 Optionen und Futures auf kurzfristige Zinsen Optionen und Futures auf langfristige Zinsen Börse in Mio. US- Börse in Mio. US-$ 1 Chicago Mercantile Exchange (CME) $ 437.133.564 Eurex (Frankfurt) 80.067.100 2 Euronext( Paris, Brüssel, Amsterdam, Lissabon) 343.424.643 Chicago Board of Trade (CBOT) 48.277.620 3 Chicago Board of Trade (CBOT) 83.236.115 National Stock Exchange India 23.344.087 4 National Stock Exchange India 12.332.279 TAIFEX (Taiwan) 9.064.590 32

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung 5 Osaka SE 10.365.798 Euronext (Paris, Brüssel, Amsterdam, Lissabon) 2.875.397 6 Singapore Exchange 6.748.333 Bursa Malaysia Derivatives 711.575 7 Bourse de Montreal 6.205.443 OMX Stockholm SE 278.344 8 MexDer 1.777.405 Bourse de Montreal 231.638 9 Eurex (Frankfurt) 713.792 Osaka SE 88.193 10 OMX Stockholm SE 607.629 Singapore Exchange 36.473 Quelle: World Federation of Exchanges 2005, Zusammenstellungen der Hessen Agentur. Nach den Daten der World Federation of Exchanges für das Jahr 2004 belegte die Eurex weltweit sowohl im Handel mit Aktien-, Aktienindices- und insbesondere langfristigen Zinsoptionen und -futures Spitzenpositionen. In diesen drei Teilmärkten liegt sie auch jeweils deutlich vor der Euronext, die im Jahr 2002 die LIFFE (London International Futures and Options Exchange) übernommen hat und damit zum Hauptwettbewerber der Eurex in Europa geworden ist. 2.3 Konsolidierung der Europäischen Börsenlandschaft im Überblick Die nationalen Börsen, die noch vor wenigen Jahren oft (Quasi-) Monopolstellungen innehatten, sind heute einem sich verstärkenden europaweiten Wettbewerb ausgesetzt. Dieser wird zum einen forciert durch die Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene (Stichwort: Level-playing-field ), durch technologische Weiterentwicklungen sowie nicht zuletzt durch den Druck der institutionellen Marktteilnehmer hin auf eine europaweite, kostengünstige Konsolidierung der Handels- und Abwicklungsplattformen. Außerdem ändern sich zunehmend die Eigentümerstrukturen der Börsen. Traditionell staatliche oder im Besitz der Hauptnutzer befindliche Börsen werden immer mehr selbst zu Aktiengesellschaften umgewandelt. Damit werden sie zu potenziellen Übernahmekandidaten. In Europa hat zunächst die Deutsche Börse AG abermals einen Versuch gestartet, die Londoner Börse zu übernehmen. Dem folgte ein Konkurrenzgebot der Euronext. Der weitere bis jetzt offene Fortgang mit dem Wechsel in der Führungsspitze und im Aufsichtsrat der deutschen Börse ist bekannt. Jüngste Beispiele in den USA sind die angestrebten gewaltigen Fusionen von NYSE und Archipelago oder Nasdaq und Instinet. Insbesondere in Europa dämpft allerdings die kulturelle, rechtliche, steuerliche und regulatorische Fragmentierung die rasche Vollendung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts. Offen ist auch, ob eine Integration in allen Bereichen realistisch ist, z.b. den Wholesale- und Retail-Markt oder alle Arten von Finanzinstrumenten und -dienstleistungen gleichermaßen erfassen wird. Nach der Osterweiterung zählt die Europäische Union mittlerweile 25 Mitgliedsstaaten und 21 offizielle Amtssprachen. Einige der Hindernisse auf dem Weg zur Integration wie etwa historisch 33

Finanzplatz Frankfurt Akteure gewachsene Marktpraktiken sind veränderbar, andere insbesondere die Sprachenvielfalt in der EU nicht. Das im Jahr 1999 begonnene ehrgeizige Unterfangen der Erstellung und Umsetzung eines Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen (FSAP) dauert absehbar länger als ursprünglich vorgesehen. Bis Ende Januar 2006 läuft ein FSAP-Bewertungsprozess, der in zwei Abschnitten durchgeführt wird: Teil I Analyse der Art und Weise, auf die die verschiedenen legislativen und nichtlegislativen Maßnahmen angenommen wurden. In diesem Zusammenhang werden die Verfahren, der FSAP-Rahmen und die Arbeitsmethoden untersucht. Der endgültige FSAP-Bewertungsbericht Teil I soll im April 2006 vorgelegt werden. Teil II eingehende wirtschaftliche und rechtliche Analyse der Auswirkungen des FSAP. Sie ist für den Zeitraum 2006-2008 vorgesehen, sobald alle FSAP- Maßnahmen von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden. Eine vollständige globale Bewertung des FSAP ist für 2008/ 2009 geplant. Nach wie vor konzentrieren sich insbesondere kleinere Marktteilnehmer und Investoren meist auf ihre lokalen und nationalen Märkte und auch im Aktienhandel überwiegt das nationale Engagement. So entfallen beispielsweise rund 90 % des gesamten Börsenumsatzes in Deutschland auf deutsche Aktien (DAI FACTBOOK, August 2004). Vor diesem Hintergrund wird der Wunsch vieler insbesondere institutioneller Marktteilnehmer nach einer Konsolidierung der europäischen Börsenlandschaft verständlich. Zudem hat die weitgehende Eliminierung von Wechselkursrisiken die relative Bedeutung von Länder- und Branchenrisiken verringert. Die Branchenrisiken sind eindeutig in den Vordergrund gerückt. Dabei vergleichen Investoren nicht mehr zwischen VW, Bayer und Allianz, sondern zwischen Fiat, Renault und VW. Die letztgenannten Werte müssen derzeit aber noch an verschiedenen Börsen mit verschiedenen Abwicklungssystemen gehandelt werden. 7 Die bestehenden Ineffizienzen im Clearing und Settlement gelten als wichtigstes Hindernis auf dem Weg zu integrierten Finanzmärkten in Europa. Unklar blieb bisher allerdings, welchen Umfang eine Konsolidierung haben soll. Sollen alle Börsen Europas oder nur die der EU einbezogen werden? Oder beschränkt sich die Forderung nach Konsolidierung nur auf den Euro-Raum, was den Londoner und Teile des skandinavischen Finanzmarktes ausschließen würde? Wird unter Konsolidierung eine Zusammenlegung von Marktplätzen verstanden oder wird nur eine technische Vereinheitlichung gewünscht? Wie verträgt sich der Wunsch nach einer wie auch immer gearteten europäischen Monopol -Börse mit den schon jetzt gegenüber nationalen Börsenbetreibern erhobenen Vorwürfen der Ausnutzung von Monopolstellungen? 7 Dieses Manko wurde bereits im Jahr 2003 in der FEH-Finanzplatzstudie so beschrieben. Daran hat sich nichts Wesentliches geändert. Vgl. Spahn, Bernd und van den Busch, Uwe (2003). 34

HA Hessen Agentur GmbH Wirtschafts- und Regionalforschung Unverändert gilt, dass jede Konsolidierung der europäischen Handels- und Abwicklungslandschaft, ob in horizontaler oder in vertikaler Richtung, für den Euro-Raum positiv ist, da die Effizienz erhöht wird und die laufenden Kosten verringert werden. Horizontale Konsolidierung der Zusammenschluss von Unternehmen auf gleicher Stufe der Wertschöpfungskette erlaubt die Realisierung von Größenvorteilen (economies of scale), vertikale Konsolidierung die Integration entlang der Wertschöpfungskette hingegen die Ausschöpfung von Verbundvorteilen (economies of scope). 35

Finanzplatz Frankfurt Akteure Abbildung 7: Die Europäische Börsenlandschaft 2001 und 2005 im Vergleich Stand: Juli 2005 Stand: November 2001 Quelle: World Federation of Exchanges (2005). 36