Übung Europäische Geldpolitik II. 2. Veranstaltung Wintersemester 2007/08



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Transkript:

Übung Europäische Geldpolitik II 2. Veranstaltung Wintersemester 2007/08

1. Zielsetzung der Europäischen Zentralbank (EZB) 1.1 Der politische Auftrag der EZB allgemeine Definition

Die Aufgabe der EZB

Artikel 105 EG-Vertrag Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an die in Artikel 3 a genannten Grundsätze.

Zieldefinition der EZB Preisstabilität ist definiert als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr. Preisstabilität muss mittelfristig gewährleistet werden Der EZB-Rat gab bekannt, dass er beim Streben nach Preisstabilität darauf abzielt, mittelfristig eine Inflationsrate nahe 2 % beizubehalten. (Pressemitteilung der EZB vom 8. Mai 2003

Der Politische Auftrag der EZB: Zusammenfassung Die rechtliche Basis und somit der politische Auftrag für das Handeln der EZB ist in Artikel 105 des EG-Vertrages festgeschrieben: Das vorrangige Ziel der EZB ist die Wahrung von Preisstabilität Untergeordnetes Ziel der EZB ist die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftpolitik, im Euro-Währungsgebiet, sofern dies möglich ist, ohne das primäre Ziel der Preisstabilität zu gefährden. Die untergeordneten Ziele der EZB sind in Artikel 2 des EG-Vertrags zusammengefasst und bestehen vor allem aus: Beständigem Wachstum Konvergenz der Wirtschaftsleistung, und Hohem Beschäftigungsniveau

1.2 Operationalisierung des Endziels Preisstabilität Der Gesetzgeber hat in Artikel 105 keine quantitative Festlegung des Ziels der Preisstabilität vorgenommen. Daher hat die EZB selbst eine quantitative Definition des Ziels der Preisstabilität bekannt gegeben.

Quelle: Eurostat Zusammensetzung des HVPI Warenpreise Dienstleistungen 40.90% 59.10% 8.20% 7.60% 31.60% 11.70% Unverarbeitete Nahrungsmittel Verarbeitete Nahrungsmittel Industrieerzeugnis (ohne Energie) Energie

Preisstabilität "Preisstabilität" bei einem Inflationsziel von 1,75% Anvisiertes Preisniveau 300 250 200 150 100 50 0 1990 1993 1996 Anvisiertes Preisniveau Inflationsziel 1999 2002 2005 2008 50 Jahre später (in the year 2040)... Warenkorb kostet ca 250 Warenkorb kostet 100 2011 2014 2017 2020 2023 2026 2029 2032 2035 2038 2041 3 2.5 2 1.5 1 0.5 0 Inflationsziel

Probleme bei der Erfassung von Inflation Warum behauptet die EZB, die Preise seien stabil, wenn die Inflation nahe bei, aber unter zwei Prozent liegt? Qualitätsverbesserungen Substitutionseffekte Einführung neuer Produkte Sonderangebote

Probleme bei der Erfassung von Inflation All diese Faktoren führen dazu, dass die statistisch ausgewiesene Inflationsrate die tatsächliche Geldentwertung überzeichnet: Studien für USA und Kanada haben ergeben, dass die Effekte solcher Verzerrungen sich auf 0,2% bis 2% belaufen. Für Deutschland hat der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft eine Inflationsrate von 2% als noch vereinbar mit dem Ziel der Geldwertstabilität erklärt.

Zeitliche Dimension der angestrebten Zielerreichung Das Ziel der Preisniveaustabilität soll mittelfristig erreicht werden, d.h. kurzfristige Abweichungen der tatsächlichen Inflationsraten vom Zielwert sind nicht als Zielverfehlung zu interpretieren. Zuzahlungen bei Medikamente, Mehrwertsteuererhöhungen, Ölpreiserhöhungen

Ist es nötig, dass die EZB ihr Ziel konkret definiert? Ein konkreter Zielwert erleichtert es konkrete geldpolitische Maßnahmen nachzuvollziehen (die Transparenz steigt) Ein konkreter Zielwert dient als Messlatte für die Güte der Geldpolitik der EZB. Falls längerfristige Abweichungen vom Zielwert auftreten, muss die EZB diese plausibel erklären (die Rechenschaftspflicht der EZB wird erhöht) Die Zielinflationsrate dient als Anker für die Erwartungsbildung der Akteure über zukünftige Preisentwicklungen

Inflationsziele anderer Notenbanken Bofinger, (2001), S. 130

Vergleich zur EZB Bei der EZB ist der Zielkorridor sehr eng definiert. Die Zielinflationsrate von unter zwei Prozent ist sehr ambitioniert. In den USA hingegen wurde (unter Greenspann (1987-2005)) kein explizites Inflationsziel angegeben. Es existieren vier gleichberechtigte Ziele der Geldpolitik nebeneinander. BIP Wachstum Hoher Beschäftigungsstand Stabile Preise Moderate langfristige Zinsen

Kosten der Inflation Kosten von korrekt antizipierter Inflation Man spricht von korrekt antizipierter Inflation, wenn alle Wirtschaftssubjekte in der lage sind die tatsächliche Inflationsrate richtig zu prognostizieren. Trotzdem treten Kosten auf!

Kosten der Inflation Menue Costs Kosten die sich durch die Neubewertung von Preislisten entstehen, weil nominal fixierte Größen fortlaufend an die Inflationsrate angepasst werden müssen Preislisten, die erstellt werden müssen Lohnverhandlungen (geringere Tariflaufzeit) Umstellung von Automaten

Kosten der Inflation Steuersystem: Kalte Progression: Steuersystem basiert auf nominal fixierten Tabellen. Folge: Selbst wenn die Lohnerhöhungen einen Inflationsausgleich bringen erfolgt ein Verlust an realer kaufkraft; Zunahme der Staatsquote

Kalte Progression Steuersatz 60 50 40 30 20 10 0 0 20000 40000 60000 Einkommen

Kosten der Inflation Steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen hat Einfluss auf die Investitionsentscheidungen ohne Steuern i = r+ π r N N ( r π) Steuern ( π) ( π) rn ( 1 t)( r π ) r ( 1 t)( r π) N = i π r = + π mit i= r + t r+ = + = + π

Kosten der Inflation Differenz: π=0 π=3 π=6 ( t ) N N = ( + π ) r r r t somit : i 3% 6% 9% ( t ) N rn d r dπ = t > Mit zunehmender Differenz wird die Inflation größer. 0 r N r N t 3% 1,5% 3% 0% 3% -1,5%

Kosten der Inflation Suboptimale Kassenhaltung: Inflation wirkt wie eine Steuer auf die Bargeld, da in Höhe der Inflationsrate bei unverzinslichem Bargeld die Kaufkraft schwindet!

Kosten der Inflation i Geldnachfragefunktion i 1 =r+π 1 A B Wohlfahrtsverlust, wenn die Inflation von π 0 auf π 1 steigt i 0 =r+π 0 E D C 0 m 1 m 0 m=(m/p)

3.2 Kosten der Inflation 3.2.1 Kosten inkorrekt antizipierter Inflation Verschiebung relativer Preise: allokative Verzerrungen: Haushalte und Unternehmen sind insbesondere bei abgeschlossenen Verträgen (Tarifverträge, Kredite) von falschen Inflationsraten ausgegangen: bei hohen und variablen Inflationsraten sind die Prognosefehler größer

3.2 Kosten der Inflation 3.2.1 Kosten inkorrekt antizipierter Inflation Gütermärkte: Führt bei Preisinflexibilitäten zu einen Verlust an Konsumenten und Produzentenrente. Arbeitsmärkte: Lohnabschlüsse werde wesentlich von der erwarteten Inflationserwartung über den Vertragszeitraum bestimmt. (Bofinger (2001), S. 95) Reallohnabschlüsse sind niedriger als beim Tarifabschluss beabsichtigt, wenn die Inflationsrate in der Folgeperiode höher ausfällt als die Inflationserwartungen

3.2 Kosten der Inflation 3.2.1 Kosten inkorrekt antizipierter Inflation Kapitalmärkte: Schuldner entschädigt den Gläubiger für den realen Wertverlust, der diesem infolge der Inflation während der Vertragslaufzeit entsteht: i=r+π e π e t+1 >π t+1 : Vermögenstransfer von Schuldner zu den Gläubigern, da der veranschlagte Inflationsausgleich zu hoch ausgefallen ist.

3.2 Kosten der Inflation 3.2.1 Kosten inkorrekt antizipierter Inflation Konsequenz: Höhere Varianz der Inflationsrate führt bei risikoaversen Kapitalgebern zu einem Risikoaufschlag auf den Zins: i=r+π e +Prämie

Empirische Befund Inflation und Wirtschaftswachstum Barro (1995): +10% -0,2%; -0,4% Fisher (1993): +100% -3,9% Bullard/Keating (1998): +1% -0,5%- -1,5%