Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Generalisierter Angststörung

Ähnliche Dokumente
Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Agoraphobie mit und ohne Panikstörung

Faktenbox Psychotherapie bei Agoraphobie mit und ohne Panikstörung

Faktenbox Antidepressiva

Faktenbox Antidepressiva

Faktenbox Bewegung und Sport bei Depressionen

Faktenbox Kombinationsbehandlung (Antidepressiva und Psychotherapie) bei schweren Depressionen

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Borwin Bandelow: Medikamentöse Therapie der generalisierten Angststörung

Faktenbox Kombinationsbehandlung (Antidepressiva und Psychotherapie) bei schweren Depressionen

2. Was versteht man unter vegetativem Nervensystem? Welches sind berühmte Personen, die mit Depressionen gelebt haben? 26

Fragen zu Depression in der Allgemeinbevölkerung

Generalisierte Angststörung im Alter: Diagnose sichern, mit Pregabalin therapieren

Entscheidungshilfe Depressionen: Wie wird eine Depression behandelt?

Seroquel Prolong ermöglicht kontinuierliche Therapie über alle Phasen

BPtK-Checkliste für Psychiatrie und Psychosomatik 1 :

Medikamentöse Therapie der wichtigste Schritt zur Genesung

Faktenbox Kortikoid-Injektionen bei Arthrose des Kniegelenks

Unerwünschte Wirkungen bei Antidepressiva

epressionen überwinden Niemals aufgeben! 6., aktualisierte Auflage

Zwangserkrankungen. Zwangserkrankungen. Kein Zwang! Kein Zwang!

BPtK-Checkliste für Psychiatrie und Psychosomatik 1 :

Medikamentöse und andere biologische Behandlungsansätze

Depressiven und suizidalen Menschen begegnen

Psychiatrie, Sucht, Psychotherapie. Klinikum am Europakanal

DR. ARZT MUSTER MEIN TEAM MEIN TEAM. Ich freue mich, dass Sie meine Ordination gewählt haben. Herzlich willkommen in meiner Ordination!

Generalisierte Angststörung: Wirksame Therapiestrategien, auch bei Nonresponse

Psychische Folgen von Behinderungen / chronischen Erkrankungen. LWL-Klinik Münster Prof. Thomas Reker

Epilepsie und Depression

Faktenbox zur palliativen Versorgung nach Lungenkrebsdiagnose

TDM= therapeutisches Drug Monitoring

Rehazentrum Bad Dürrheim Klinik Hüttenbühl der Deutschen Rentenversicherung Bund. Vortrag zum Thema: Psychopharmaka

KURZ & KNAPP. Fibromyalgie-Syndrom. Die wichtigsten Informationen über Ihre Erkrankung leicht verständlich zusammengefasst.

Faktenbox Darmkrebs-Früherkennung durch kleine Darmspiegelung*

Wir helfen Ihnen, Hilfe zu finden

HORNHEIDE-GRAZ-SCREENING-INSTRUMENT H G S I

VALDOXAN (Agomelatin)

Unerwünschte Wirkungen bei der Behandlung mit Antidepressiva

Hegerl/Niescken Depressionen bewältigen

1. Interventionssetting. 2. Multimodale Behandlung. ambulant teilstationär stationär X. SPZ Klinikum Dortmund. 2.1 Aufklärung und Beratung der Eltern

Depressionen im Alter - Neue Herausforderungen für die Therapie: Diagnosestellung und Polypharmazie

Depression Wenn alles im Leben grau aussieht

Patienteninformation AOK-Curaplan Diabetes mellitus Typ 2

Faktenbox Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie

Antidepressiva Risiko Suizidalität, Suizid

Depressive Störungen bei Frauen und Männern mit koronarer Herzerkrankung: Behandlungsraten und Einstellungen zu antidepressiver Therapie

Mit einer Krebserkrankung zurechtkommen wie kann die Psychoonkologie helfen?

Medikamentöse Therapie der wichtigste Schritt zur Genesung

MEDIKAMENTÖSER SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH

Welt Lymphom Tag Seminar für Patienten und Angehörige 15. September 2007 Wien

Inhalt. Vorwort 10. Zum Thema 15. Stimmungstief Trauer Depression 17. Mögliche Ursachen von Depressionen 33

GESUNDHEIT ANDERS BETRACHTET

Hilfe für psychisch kranke Beschäftigte

Integrierte Versorgung Depression DAK-HMK Modell. Ingeborg Behling-Hass, Nervenärztin Harburg Hans-Peter Unger, Ltd.Arzt, Asklepios Klinik Harburg

Das Wichtigste in Kürze zu Leitlinie 145/004: Fibromyalgiesyndrom aktueller Stand: 03/2017. AWMF-Register Nr. 145/004 Klasse: S3

Leben Sie Ihr Leben!

Patienteninformation Ich bin schwanger. Warum wird allen Schwangeren ein HIV-Test angeboten?

Anamnesebogen Psychotherapie. (Ihre Angaben fallen unter die ärztliche Schweigepflicht und werden streng vertraulich behandelt!!!)

Wieder lernen zu leben ergänzende Therapieformen. Ich fühle mich so verwundbar. Wer hilft mir jetzt weiter?

Antidepressiva: Nutzen von Reboxetin ist nicht belegt Von Bupropion XL und Mirtazapin können Menschen mit Depressionen aber profitieren

Faktenbox Darmkrebs-Früherkennung durch Stuhltest

SCHLAFSTÖRUNGEN & TAGESMÜDIGKEIT BEI PARKINSON

Patientinnen-/ Patienten-Information für die Studie Neurofeedback-Behandlung bei akustischen Halluzinationen

Ältere Patienten unterschätzen die Risiken bei der Einnahme mehrerer Arzneimittel

HABE ICH DEPRESSIONEN? WAS MUSS ICH TUN UM SIE ZU LÖSEN?

Erwachsenen- Psychotherapie

Workshop-Programm am Samstag, den 12. September 2015

Depression entschlossen behandeln aber wie?

Meine persönliche Checkliste

Neue medikamentöse Behandlungsstrategien

Extra: Schilddrüsenprobleme. Alle wichtigen Heilmethoden Das können Sie selbst tun. Gesunde Rezepte für die Schilddrüse. natürlich behandeln

Der Ratgeber mit Informationen und Tipps rund ums Thema.

STARTHILFE. für die Basalinsulintherapie

Informationstag 2017 Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen

Diskussionsleitfaden für Studienteilnehmer von klinischen Studien

"Ich bilde mir den Schmerz doch nicht ein!"

Informationsbroschüre für Patienten

Was ist Angst? Panikattacken und Vermeidungsverhalten sind mit klinisch-psychologischen Verfahren gut behandelbar!

Deutsche Multicenter-Studien erforschen die Wirksamkeit der Psychotherapie chronischer Depression und ihre neurobiologischen Wirkmechanismen

Leben mit einem Lambert-Eaton Myasthenischen Syndrom

LWL-Klinik Lengerich. Depressionsstation.

MoodGYM_Deutschland: Das Online-Selbstmanagementprogramm MoodGYM für Menschen mit depressiven Erkrankungen

Als Krebspatient an einer Studie teilnehmen was sollte man wissen?

Gesundheitsinformation

Eigenes Geld für Assistenz und Unterstützung

Schmerzzentrum. Schmerzambulanz / Schmerztagesklinik Stationäre Behandlung. Zur Behandlung chronischer Schmerzen

Cholesterinsenker sind nicht schädlich für das Gedächtnis. - Schützen sie sogar vor der Vergesslichkeit?

Medikamenten- Wechselwirkungen

Ratgeber für Patienten. Reizmagen

Quetiapin : 11 Erfahrungen mit., Ich leide an einer Depression und hab das Medikament zum ALS Einschlafhilfe vom Psychiater verschrieben bekommen.

Erklärung von Fachbegriffen aus den Beipackzetteln für Cymbalta und Duloxetin Lilly

Statine für alle? Wann Cholesterinsenker gerechtfertigt sind

FREUNDE für Kinder. FREUNDE für Kinder ist ein Trainingsprogramm zur Prävention von Angst und Depression mit 10 Einheiten.

Epilepsie und Krampfanfälle in Schule und Kindergarten. Dr. Oliver Schneider

LEBEN MIT AML: MEINE PERSÖNLICHE CHECKLISTE

WENN SOGAR UMARMUNGEN WEHTUN DIE NÄCHSTEN SCHRITTE. Informationen für Patienten. besuchen Sie

Parkinson gezielter einsetzen

Schicksal Schlaganfall: Jede Minute zählt. Dr. med. Stefan Wolff Leitender Arzt Abteilung für Neurologie Stadtspital Triemli

Transkript:

Faktenbox Medikamentöse Therapie bei Generalisierter Angststörung Nutzen und Risiken im Überblick Jede medizinische Behandlung bringt Nutzen und Risiken mit sich. Diese Faktenbox kann Sie bei Ihrer Entscheidung und der Vorbereitung des Arztbesuchs unterstützen. Die folgenden Informationen und Zahlen basieren auf den derzeit besten wissenschaftlichen Erkenntnissen für die Bewertung der Behandlung bei Generalisierter Angststörung mit Medikamenten. Was passiert bei einer Behandlung mit Angstmedikamenten? Im Gehirn verlaufen Nervenbahnen, die man sich wie Kabel in einem elektrischen Gerät vorstellen kann. Die Nachrichtenübertragung im Gehirn verläuft sowohl auf elektrischem wie auch auf biochemischem Wege. Die Übertragung am Übergang zwischen zwei Nervenzellen kann hierbei gestört sein. Diese Übertragung geschieht mit Hilfe von Botenstoffen, sogenannten Neurotransmittern, wie zum Beispiel Serotonin oder Noradrenalin. Angstmedikamente greifen an dieser Stelle ein, indem sie die gestörte Nervenübertragung beeinflussen. Welche Unterschiede gibt es bei Angstmedikamenten? Die wichtigsten Gruppen der Angstmedikamente sind Antidepressiva wie: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Trizyklische Antidepressiva (TZA) Moclobemid Das bedeutet aber nicht, dass Sie wenn Sie damit behandelt werden auch gleichzeitig eine Depression haben. Es hängt damit zusammen, dass bei Angst und Depressionen ähnliche Botenstoffe im Gehirn beteiligt sind. Deshalb wirken diese Medikamente bei beiden Erkrankungen. Außerdem werden folgende Medikamente verschrieben: Pregabalin Opipramol Buspiron Wichtig: Manche Ärzte verschreiben bei Ängsten zunächst Beruhigungsmittel (sogenannte Benzodiazepine). Diese reduzieren Ängste sehr schnell, können aber abhängig machen und werden daher nicht empfohlen. Sie sollten nur in Ausnahmefällen (z. B. bei schweren Herzerkrankungen, wenn Standardmedikamente nicht geeignet sind oder bei Suizidgedanken) und nicht länger als vier Wochen eingenommen werden. 1

Für wen kommt die Behandlung mit Angstmedikamenten infrage? Angststörungen können gut behandelt werden. Ob eine Behandlung mit Angstmedikamenten infrage kommt, sollte mit dem Arzt in einem Informationsgespräch besprochen werden. Besonders folgende Aspekte sollten dabei eine Rolle spielen: Wirkeintritt (z. B. wie schnell ein Medikament anfängt zu wirken oder wie lange die Wirkung anhält) Nachhaltigkeit, unerwünschte Wirkungen und Verfügbarkeit. Die Behandlung kann neben einer medikamentösen Therapie auch durch psychotherapeutische Verfahren erfolgen. Beides kann auch kombiniert werden. Natürlich spielen auch persönliche Wünsche und Vorstellungen eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Behandlung. Nutzen und Vorteile Bei wie vielen Betroffenen haben sich die Beschwerden nach 8 bis 28 Wochen Behandlung verbessert? Behandlung mit Angstmedikamenten Behandlung mit einem Placebo 100 54 50 38 Bei 54 von 100 Patienten haben sich die Beschwerden nach der Behandlung verbessert. 0 Bei 38 von 100 Patienten haben sich die Beschwerden nach der Behandlung verbessert. Angstmedikamente wirken gut. Bei knapp über der Hälfte der Patienten, die eine Behandlung mit einem Angstmedikament erhalten haben, haben sich die Beschwerden (Sorgen, Zittern, Herzrasen, Schwindel, Übelkeit, Muskelverspannungen) gebessert. Bei Patienten, die ein Placebo (Scheinmedikament) erhalten haben, war es ein kleinerer Teil. 2

Weitere Vorteile: Angstmedikamente wirken im Vergleich zu Psychotherapie relativ schnell bereits nach zwei bis drei Wochen. (Bei einer Psychotherapie tritt die Wirkung nach rund vier bis fünfzehn Wochen ein.) Die Behandlung erfordert im Vergleich zur Psychotherapie wenig Zeitaufwand. Untersuchungen zeigen weiterhin, dass sowohl die Behandlung mit Medikamenten als auch eine kognitive Verhaltenstherapie (Psychotherapie) bei Patienten mit einer generalisierten Angststörung gleich wirksam sind. Risiken und Nachteile Angstmedikamente können wie alle Medikamente unerwünschte Wirkungen haben. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über die möglichen Nebenwirkungen (u. a. Mundtrockenheit, Benommenheit, Schlafstörungen). Durch die individuelle Auswahl eines geeigneten Medikaments kann man es häufig erreichen, dass die Behandlung mit nur wenigen oder sogar ohne Nebenwirkungen abläuft. Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall, wenn die Behandlung fortgesetzt wird? Um zu untersuchen, ob es hilft, Angstmedikamente, die in der akuten Phase gewirkt haben, weiter zu nehmen, wenn die Symptome abgeklungen sind, wurden Patienten in einer Untersuchung entweder 6 Monate mit dem Angstmedikament (SSRI oder SNRI) oder einem Placebo (Scheinmedikament) weiterbehandelt. Behandlung mit Angstmedikamenten Behandlung mit einem Placebo 100 50 45 14 0 14 von 100 Patienten hatten einen Rückfall, wenn sie die Angstmedikamente über die Akuttherapie hinaus zur Vermeidung eines Rückfalls einnahmen. 45 von 100 Patienten hatten einen Rückfall, wenn sie das Placebo über die Akuttherapie hinaus zur Vermeidung eines Rückfalls einnahmen. Die Zahlen zeigen, dass von den Patienten, die mit einem Angstmedikament behandelt wurden, weniger Patienten einen Rückfall bekommen haben, als Patienten, die mit einem Placebo behandelt wurden. Auch wenn es Patienten wieder besser geht, sollten die Medikamente weiter eingenommen werden. Sind die Symptome ganz verschwunden, ist es trotzdem hilfreich, das Angstmedikament zur Verhinderung eines Rückfalls mindestens ein halbes Jahr weiter zu nehmen. 3

Die wichtigsten Fakten Angstmedikamente wirken gut bei Generalisierter Angststörung. Die Wirkung setzt schnell ein meist nach 2-3 Wochen. Medikamentöse Therapie ist in etwa genauso wirksam wie Psychotherapie. Es können Nebenwirkungen auftreten. Es ist wichtig, die Angstmedikamente nach dem Rückgang der Angstsymptome noch mindestens sechs Monate weiter einzunehmen, damit Rückfälle sicherer vermieden werden. Patienten erhalten möglicherweise keine Anleitung/Unterstützung, wie sie mit aufkommenden Ängsten und Sorgen umgehen können. Eine Entscheidungshilfe, die Sie Schritt für Schritt bei der Wahl der für Sie richtigen Behandlung unterstützt, finden Sie auf den Seiten von psychenet.de: http://entscheidungshilfen.psychenet.de Zusätzliche Informationen Diese Faktenbox wurde erstellt in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie. Autoren PD Dr. Rüya-Daniela Kocalevent, MPH (Diplom-Psychologin und Master of Public Health) Sarah Liebherz (Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin) Dr. Jörg Dirmaier (Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut) Prof. Dr. Dr. Martin Härter (Arzt, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut) Beteiligte Experten Prof. Dr. med. Borwin Bandelow Dr. Dipl.-Psych. Jörg Angenendt Angaben zur Aktualität und Gültigkeit Diese Faktenbox wurde im November 2015 erstellt. Weiterführende Informationen www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_s3_angstst%c3%b6rungen_2015-01.pdf www.psychenet.de Verwendete Quellen Alle Informationen entsprechen dem aktuellen Stand der Forschung und wurden aus den aktuellen Versorgungsleitlinien (www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_s3_angstst%c3%b6rungen_2015-01.pdf) entnommen, die von Vertretern vieler Fachgesellschaften erarbeitet wurden (Bandelow et al., 2014a, 2014b). 4

Haftungshinweis: Diese Faktenbox wurde mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt. Dennoch können wir keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Inhalte geben. Gleiches gilt insbesondere für die Inhalte externer Links. Insbesondere ersetzt die Faktenbox keinen Arztbesuch oder eine ärztliche Beratung und Untersuchung. Die in den Faktenboxen veröffentlichten Informationen sollen Ihnen als Unterstützung für die Vorbereitung des Arztgespräches dienen. 5