Judith Ohlmes. Pädosexuelle Täter. Merkmale und Strategien als Ansatzpunkte präventiver Maßnahmen



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Transkript:

Judith Ohlmes Pädosexuelle Täter Merkmale und Strategien als Ansatzpunkte präventiver Maßnahmen Johannes Herrmann J&J-Verlag Wettenberg 2005

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Umschlaggestaltung: 2005 Sebastian Ohlmes <http://www.designboat.de> ISBN 3-937983-04-X Erste Auflage 2005 Johannes Herrmann J&J-Verlag Lilienweg 9 35435 Wettenberg mail@jhjj.de <http://www.jhjj.de>

Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG... 9 2. KLÄRUNG DER BEGRIFFE... 12 2.1. Definition und Abgrenzung von Pädosexualität...12 2.2. Definition sexueller Missbrauch...15 3. DATEN UND FAKTEN ZU SEXUELLEM MISSBRAUCH... 19 3.1. Inzidenz... 20 3.2. Prävalenz... 21 3.3. Die Umstände der Tat... 23 3.3.1. Bekanntschaftsgrad von Tätern und Opfern...23 3.3.2. Dauer und Häufigkeit des Missbrauchs...25 4. THEORIEN ZUR PÄDOSEXUALITÄT... 27 4.1. Klassifikationssysteme und Typologien... 27 4.1.1. Klassifikation nach Groth... 27 4.1.2. Erweiterung der Typologie durch Simkins... 29 4.1.2.1. Ritualisierter Kindesmissbrauch... 30 4.1.3. Klassifikation nach Seibowski...30

4.2. Erklärungsmodelle... 32 4.2.1. Die psychoanalytische Schule: Bedeutung der frühen Kindheit... 32 4.2.2. Die feministische Perspektive: die patriarchalische Gesellschaft...33 4.2.3. Die Bedeutung biographischer Faktoren... 35 4.2.4. Soziale Lerntheorie... 36 4.2.5. Systemische Sichtweise... 37 4.3. Vier-Stufen-Modell nach Finkelhor... 39 4.3.1. Vorbedingungen nach Finkelhor...46 5. STRATEGIEN PÄDOSEXUELLER TÄTER... 52 5.1. Strategien jugendlicher Täter...53 5.2. Strategien erwachsener Täter... 54 5.2.1. Strategien zur Manipulation des Opfers... 54 5.2.1.1. Die Wahl der Opfer...55 5.2.1.2. Kontaktaufnahme...59 5.2.1.3. Grooming-Prozess I: Vorbereitung bzw. Verführung des Opfers... 61 5.2.1.4. Sexualisierung der Erwachsenen-Kind-Beziehung... 64 5.2.1.5. Grooming-Prozess II: die Aufrechterhaltung... 67 5.2.2. Strategien des Täterschutzes durch Institutionen und das Umfeld...72 5.2.3. Strategien zur Manipulation der Mutter...75 6. PRÄVENTION... 79 6.1. Formen von Prävention... 79 6.2. Prävention durch Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene... 80 6.2.1. Sexuellen Missbrauch als Gewalt benennen...80 6.2.2. Täter benennen und zur Verantwortung ziehen... 81

6.2.3. Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern... 82 6.2.4. Die Situation der Mütter unterstützen... 82 6.3. Präventionsarbeit mit Kindern... 84 6.3.1. Opferprävention... 85 6.3.2. Täterprävention...92 6.3.2.1. Präventionsarbeit mit Jungen als potentiellen Tätern...92 6.3.2.2. Rückfallprävention Arbeit mit sexuell gewalttätigen Jungen...95 6.3.2.3. Täterprävention mit männlichen Opfern sexuellen Missbrauchs... 98 6.4. Präventionsarbeit mit Erwachsenen... 100 6.4.1. Prävention durch Elternbildung... 100 6.4.2. Stop it now! Kampagne zur Prävention von sexuellem Missbrauch... 105 6.5. Prävention in Institutionen... 105 6.5.1. Arbeitsstrukturen...105 6.5.2. Bedingungen auf der Beziehungsebene... 107 6.5.3. Fachliche Bedingungen... 108 6.5.4. Räumliche Bedingungen...109 6.5.5. Haupt- und Ehrenamt... 110 7. FAZIT... 111 8. LITERATURVERZEICHNIS... 118 9. STICHWORTVERZEICHNIS... 135

1. Einleitung Fast täglich berichten die Medien über sexuellen Missbrauch von Kindern, so dass es nahezu unvorstellbar erscheint, dass dieses Thema bis Anfang der 80er Jahre tabuisiert wurde. Erst die Selbsthilfeinitiativen betroffener Frauen rückten die sexuelle Ausbeutung von Mädchen, aber auch die von Jungen, ins öffentliche Bewusstsein. Das gewonnene Wissen über die Alltäglichkeit dieses Verbrechens gegen die sexuelle Selbstbestimmung löste in der Bevölkerung zunächst tiefe Ungläubigkeit, dann Ratlosigkeit und Bestürzung aus. Die Bemühungen, die dem sexuellen Missbrauch Einhalt gebieten sollten, richteten sich vor allen Dingen auf tatsächlich und potentiell betroffene Opfer. Durch entsprechende Präventionsprogramme und Hilfsangebote sollte ihnen Schutz gewährleistet werden. Die Täter wurden kriminalisiert, der Besitz und die Herstellung von Kinderpornographie verboten. Eine intensivere Auseinandersetzung, sowohl hinsichtlich der Ursachen, als auch bezüglich der Strategien der Täter, fand zunächst nicht statt. Um eine umfassende Prävention zu ermöglichen ist es jedoch unabdingbar, dass die Merkmale und Strategien der Täter stärkere Berücksichtigung finden. Erst das Wissen um das Vorgehen Pädosexueller ermöglicht Eltern und PädagogInnen, potentielle

10 Einleitung Täter frühzeitig zu erkennen und ermächtigt sie zu präventivem Handeln. Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass Prävention nur dann effektiv sein kann, wenn die charakteristischen Merkmale und Strategien Pädosexueller berücksichtigt werden. Aufgrund der Tatsache, dass das Bewusstsein um die weibliche Täterschaft erst spät aufkam und deren Strategien noch nicht hinreichend untersucht wurden, beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf die Darstellung der Vorgehensweise von männlichen Tätern. Im ersten Teil werden zunächst die Begriffe Pädosexualität und sexueller Missbrauch definiert. Kapitel 3 beschreibt durch die Analyse der Prävalenz (Maß für die Anzahl der Fälle zu einem bestimmten Zeitpunkt) und Inzidenz (Maß für das Neuauftreten von Fällen pro Jahr) und der damit verbundenen Schwierigkeiten das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Auch die Umstände der Tat, d.h. Bekanntschaftsgrad zwischen Täter und Opfer, ebenso wie Dauer und Häufigkeit des Missbrauchs finden hier Berücksichtigung. Im Anschluss werden verschiedene Theorien zur Pädosexualität dargestellt. Ausgehend von unterschiedlichen Klassifikationssystemen und Typologien folgen Erklärungsmodelle, die jeweils unterschiedliche Ursachen für Pädosexualität in den Mittelpunkt stellen. Abschließend werden die relevantesten Annahmen im Ursachenmodell nach David Finkelhor in einen multikausalen Zusammenhang gebracht, da nicht davon auszugehen ist, dass eine Ursache allein für das Entstehen von Pädosexualität verantwortlich zu machen ist. Eine pädosexuelle Neigung alleine führt nicht dazu, dass ein potentieller zu einem tatsächlichen Täter wird. Die Vorbedingungen, die diesen Prozess unterstützen bzw. hemmen, sind nicht allein im Täter zu finden; zu berücksichtigen sind ebenfalls äußere Umstände, die im Modell der vier Vorbedingungen nach David Finkelhor integriert sind. In Kapitel 5 werden die Strategien Pädosexueller dargestellt, wobei zunächst zwischen jugendlichen und erwachsenen Tätern differenziert wird. Erstere wurden in der Forschung noch nicht

Einleitung 11 ausreichend beachtet. Erwachsene Täter haben im Laufe ihrer Täterkarriere unterschiedliche Strategien zur Manipulation des Opfers entwickeln können, die hier aufgeführt werden. So zeigt sich, dass hinter dem sexuellen Missbrauch von Kindern von der Wahl des Opfers, über die Kontaktaufnahme, der Sexualisierung der Beziehung bis hin zu der Aufrechterhaltung der Missbrauchssituation ein durchdachtes System steckt. Doch die Strategien der Täter richten sich nicht nur gegen das Kind, sondern beziehen sich genauso auf die Manipulation von Institutionen und Umfeld, wie auf die Beeinflussung der Mutter. Ausgehend von den Erkenntnissen, die die Untersuchung der Täterstrategien gebracht haben, werden in Kapitel 6 Präventionskonzepte dahingehend überprüft, ob sie die Strategien ausreichend berücksichtigen. Es findet dabei keine Beschränkung auf Modelle statt, die sich ausschließlich auf die Prävention mit Kindern richten, ob nun in Form einer Opfer- oder Täterprävention. Es werden gesellschaftliche Faktoren, die sexuellen Missbrauch von Kindern begünstigen, genannt. Dabei erweist es sich jedoch nicht als ausreichend, pädosexuellen Übergriffen nur durch gesellschaftliche Veränderung und Prävention mit Kindern Einhalt gebieten zu wollen; auch die Rolle der Erwachsenen, im Besonderen die der Eltern, wird untersucht, da sie aufgrund ihrer Ebenbürtigkeit eher in der Lage sind, die perfiden Strategien der Täter zu durchschauen. Um den Strategien der Täter weiter entgegenwirken zu können, werden abschließend institutionelle Voraussetzungen beschrieben, die das Risiko pädosexueller Übergriffe in der pädagogischen Arbeit senken können.