KINDERRECHTE UND PARTIZIPATION Institutioneller Kinderschutz in der Schule durch Strukturen für Beteiligung und Beschwerde Hamm, 17.03.2015 Milena Bücken Serviceagentur Ganztägig Lernen NRW
Fachkräfte im Kinderschutz berichten, dass die Kinder und Jugendlichen keine Lust hätten oder nicht in der Lage seien, sich zu beteiligen fürchten, dass Kinder und Jugendliche eine noch größere Verletzlichkeit entwickeln, wenn sie von Fachkräften direkt und offen auf ihre Probleme angesprochen werden Kinder und Jugendliche erzählen, sie seien überhaupt nie in adäquater Weise angesprochen und gefragt worden wünschen sich, dass die FK das offene Gespräch mit ihnen suchen und auch Probleme direkt thematisieren und dass mit ihnen vermehrt über Problemsituationen und über mögliche Lösungswege gesprochen wird fürchten, dass ihre Aussagen zu Missverständnissen mit ihren Eltern führen
PARTIZIPATIVER KINDERSCHUTZ Grundannahme Kinderschutz ist nicht erster Linie deswegen nötig, weil junge Menschen schwach und verletzlich sind, sondern, weil die Gesellschaft oder das Umfeld der Heranwachsenden (und bei manchen in besonderem Maße) kinderfeindlich oder nicht kindgerecht ist und ihnen schadet. Ein Recht auf Schutz zu haben, ist etwas anderes, als aus Wohlwollen, Mitleid oder gutem Willen geschützt zu werden. (vgl. Liebel 2010)
BEZUGSPUNKT KINDERRECHTE Kinder sind wie Erwachsene Menschen, haben aber entwicklungsbedingt spezifische Bedürfnisse. Protection Provision Participation
PARTIZIPATION VON KINDERN UND JUGENDLICHEN Partizipation von Kindern und Jugendlichen läuft darauf hinaus, einen Teil der Verfügungsgewalt über die eigene gegenwärtige wie zukünftige Lebensgestaltung von den Erwachsenen auf die Kinder und Jugendlichen zu übertragen. Es geht dabei um Entscheidungen, von denen die Partizipationsbeteiligten unmittelbar betroffen sind. Ernstgemeinte Partizipation verändert die Entscheidungsprozesse sowie die -ergebnisse und wirkt sich auf die Lebenswelt der betroffenen Kinder und Jugendlichen aus. Stellungnahme Bundesjugendkuratorium 2009
GRUNDSATZFRAGE Wer kann bei was, wann und wo, wie und wie viel Einfluss auf Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse nehmen? (Kriener)
PARTIZIPATION UND SCHULE KEINE LEICHTE KOMBINATION (traditionelle) Schulezeichnet sich aus durch: Unterschiedlichen Machtstatus durch Aufgaben und Leistung UnterschiedlichenWissen-Status: Lehrende und Lernende Korrekte Bewertung individueller Leistungen Hierarchie und Top-Down-Prozesse Partizipationzeichnet sich aus durch: Gleichheit in Bezug auf das Recht auf Beteiligung Annahme, dass alle Personen Kompetenzen zur Beteiligung haben Streben nach kooperativen Lösungen und angemessenen Entscheidungen Selbst und Mitbestimmung, Lernen in der Gemeinschaft Nach B. Sturzenhecker 2005
WIE GELINGT PARTIZIPATION VON SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN IN DER SCHULE? Die Grenzen der Partizipation sind derzeit weniger bei den Kindern und Jugendlichen als vielmehr bei den Erwachsenen zu suchen (BJK 2009) Vorhandene partizipative Strukturen in der Schule werden aktiviert Jugendhilfe bietet Angebotsbausteine, in denen Partizipation umgesetzt wird Schule verankert Partizipation in Unterricht und Schulleben Lehrkräfte, Fachkräfte und Schüler schaffen gemeinsam eine partizipative Schulkultur
STUFEN DER PARTIZIPATION Mitverantwortung Partnerschaft Selbstbestimmung Mitbestimmung Beteiligung Passivität Keine Partizipation Information Schüler werden informiert z. B. über Unterrichtsziele Konsultation Schüler können ihre Meinung sagen, z.b. bei Umfragen Entscheidun -gen schließen Meinungsäußerungen der Schüler ein Schüler entscheiden selbst z. B. bei SV Schüler beteiligen sich mit eigenen Aktivitäten bzw. Projekten Schüler machen Vorschläge und entscheiden gleichberechtigt über die Umsetzung Schüler entwickeln eigene Ideen und setzen sie eigenverantwortlichum Tilman Langner/Umweltbüro Nord e.v., nach: BMZ und BLK-Programm 21 Nachhaltigkeits-Erklärung des Max-Weber-Berufskollegs Düsseldorf
FOLGEN DER NICHT-BETEILIGUNG Die Nicht-Beteiligung von Kindern und Jugendlichen verstärkt Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins fördert Verantwortungslosigkeit und Passivität begünstigt Opferkarrieren Quelle: Maywald, Jörg
MISSVERSTÄNDNISSE Partizipation darf nicht dazu missbraucht werden, die Verantwortung der Erwachsenen für das Kindeswohl auf die Kinder zu übertragen. Machtunterschiedezwischen Kindern und Erwachsenen sind nicht nur unvermeidbar, sie sind auch erforderlich. Allerdings müssen die Erwachsenen ihre Machtmittel und ihren Wissens-und Erfahrungsvorsprung konsequent im Interesse der Kinder einsetzen. Quelle: Maywald, Jörg
WAHRUNG DER KINDERRECHTE DURCH Beteiligung Offenheit, Vielfalt der Konzepte, pädagogische Grundhaltung Beschwerde Anlassbezogen, subjektive Rechtsverletzung, Institutionsinterne Klärung Rechtsprechung Anlassbezogen, objektive Rechtsverletzung vorgeschriebene Institutionen und Verfahren
DEFINITION: ANLASS FÜR BESCHWERDE Person sieht ihre Rechte (subjektiven, unveräußerlichen Grundbedürfnisse) verletzt Rechte wurden durch eine Institution bzw. durch Vertreter einer Institution verletzt
INDIVIDUELLE RECHTE IN UNTERSCHIEDLICHEN INSTITUTIONEN Beschwerdemöglichkeiten sind umso wichtiger für die Wahrung der Kinderrechte, je mehr die jungen Menschen auf die jeweiligen Institutionen angewiesen sind. Daraus ergibt sich in der Ganztagsschule ggf. ein Spannungsfeld zwischen Jugendhilfe und Schule
UMGANG MIT BESCHWERDEN: BESCHWERDEMANAGEMENT Beschwerdemanagement stellt sicher, dass die Beschwerden gehört werden, die Beschwerden geprüft werden, Anlässe für begründete Beschwerden beseitigt werden
BESONDERHEITEN IM VERHÄLTNIS VON JUGENDHILFE UND SCHULE ggf. unterschiedlicher Grad von Verbindlichkeit der Teilnahme ggf. unterschiedliche Erfahrungen und Traditionen im Umgang mit Beschwerden Über-Kreuz-Beschwerden
DIE WICHTIGSTEN BAUSTEINE FÜR EIN BESCHWERDEMANAGEMENT einfach, schnell, erreichbar, ohne Umwege, bekannt, klar, ernsthaft, Information: alle wissen, worüber man sich beschweren kann und wo Beschwerden entgegengenommen werden Anlaufstellen: Beschwerden werden an unterschiedlichen Stellen entgegengenommen Bearbeitung: Beschwerden werden je nach Thema in unterschiedlichen Kontexten geklärt Konsequenzen: Beschwerden werden an zentraler Stelle ( Beschwerdekommission ) ausgewertet, Konsequenzen werden auf den Weg gebracht
KINDER UND JUGENDLICHE haben Konflikte mit Personen Konflikte mit Strukturen und Regeln (grundsätzliche) Veränderungswünsche und persönliche Unzufriedenheiten sind unsicher, ob Beschwerden legitim sind wägen die möglichen Reaktionen der Mitarbeitenden ab befürchten den Entzug von Zuwendung, befürchten einen Konflikt mit dem ganzen Team benötigen eine explizite Beschwerde-Erlaubnis beziehen sich auf Rechte und Gerechtigkeit Rechtekataloge / Verhaltensampeln vermitteln mehr Sicherheit kennen, einschätzen können, vertrauen gehen vorsichtig mit den Beschwerdemöglichkeiten um, weil ihnen Beziehungen wichtig sind Quelle: Nina Jann / Ulrike Urban-Stahl
WAS IST (NICHT) ERLAUBT? Rote Lampe = dieses Verhalten ist immer falschund dafür können Lehrerinnen, Lehrer, Jugendhilfemitarbeiterinnen und mitarbeitersowie die Schulleitung angezeigt und bestraft werden Gelbe Lampe = dieses Verhalten ist pädagogisch kritischund für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht förderlich Grüne Lampe = dieses Verhalten ist istpädagogisch o.k., gefällt Kindern und Jugendlichen aber nicht immer Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit! Kinder und Jugendliche haben ein Recht sich zu wehren und Klärung zu fordern! Kinder und Jugendliche haben das Recht, Erklärungen zu bekommen und ihre Meinung zu äußern! Quelle: Hochdorf - Ev. Jugendhilfe im Kreis Ludwigsburg e.v., Claudia Obele
Eine an den Kinderrechten ausgerichtete und beschwerdefreundliche Haltung von Lehr-und Fachkräften und die Erfahrung, dass sie gehört werden, wenn sie sich über subjektiv empfundene Benachteiligung bzw. Ungleichbehandlung äußern, dass diese Themen in der Klasse oder in der Gruppe besprochen werden und dass Interessenausgleich und Lösungen gesucht werden, gibt Kindern und Jugendlichen auch den Mut, sich bei Grenzverletzungen oder Übergriffen zu Wort zu melden. Somit stellen Beteiligungs-und Beschwerdemöglichkeiten in der Ganztagsschule eine wichtige Grundlage für den kooperativen und partizipativen Schutz von Kindern und Jugendlichen dar!
IHRE ERFAHRUNGEN, IDEEN, FRAGEN Wer kann bei was, wann und wo, wie und wie viel Einfluss auf Entscheidungsund Willensbildungsprozesse nehmen??
DANKESCHÖN!