TATKRAFT Gesund im Alter durch Betätigung Einleitung Zu Beginn des neuen Jahrtausends hat sich der Deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE) mit Fragestellungen zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung befasst und verschiedene Veröffentlichungen zu diesem Thema herausgebracht. Das Ergebnis eines Projektes im deutschsprachigen Raum (D, A, CH, Südtirol) macht deutlich, über welches Wissen und welche Kompetenzen speziell Ergotherapeuten verfügen und damit einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsförderung und Prävention leisten. Auf der Grundlage der DACHS-Veröffentlichung aus dem Jahr 2007 und der DVE- Broschüre von 2006 zu diesem Thema wurde im Jahr 2009 vom DVE eine Projektgruppe ins Leben gerufen, die ein konkretes Konzept zur Gesundheitsförderung für ältere Menschen erstellen sollte. Ein solches Konzept wurde erarbeitet und liegt als ausgearbeitetes Programm vor. Es besteht aus einem Theorieteil und einem Manual mit praktisch umsetzbaren Inhalten. Das Programm TATKRAFT- Gesund im Alter durch Betätigung zur Gesundheitsförderung beruht auf der DVE-Broschüre, den Erkenntnissen aus dem DACHS-Projekt, entspricht dem Leitfaden Prävention der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung von 20 und 20a SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 2. Juni 2008 (Spitzenverbände der Krankenkassen 2000/2008) und orientiert sich an der Ottawa-Charta (WHO 1986). Das Programm stützt sich auf die Aussagen des Sachverständigenrats (2009) und der Berliner Altersstudie (2010). Zu Grunde gelegt sind das CMOP/CMOP-E sowie das Lifestyle- Redesign-Program (Mandel et al.1999) und Lifestyle Matters (Craig, Mountain 2007). 1 Das vorliegende Manual hat die Absicht, praktisch orientiert und anwendbar zu sein. Für eine erfolgversprechende Durchführung und Evaluation des Programm TATKRAFT- Gesund im Alter durch Betätigung ist es unabdingbar, dass das Programm so wie es hier vorliegt, in allen verpflichtend vorgegebenen Einzelkomponenten und Evaluationsinstrumenten angewendet wird. Es ist notwendig, die tatsächlichen Bedürfnisse älterer Menschen in Deutschland zu berücksichtigen, um die einzelnen Module so genau wie möglich hierauf abstimmen zu können. Daher wird die Umsetzung längerfristig durch die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen begleitet und evaluiert. Daraus resultierende Ergebnisse werden in die Überarbeitung des Programms einfließen. 1 Hierbei handelt es sich um die Varianten eines Gesundheitsförderprogramms, das zunächst in den USA unter dem Namen Lifestyle-Redesign-Program entwickelt, erprobt und evaluiert wurde (Mandel et al. 1999). Von 2005 bis 2008 wurde dieses Programm im Rahmen eines Projektes des European Network of Occupational Therapy in Higher Education (ENOTHE) in Großbritannien, Belgien, Norwegen, Niederlande und Portugal kulturspezifisch angepasst und erprobt (ENOTHE 2008). Zur britischen Variante, dem Lifestyle Matters liegt ein umfangreiches Handbuch vor (Craig, Mountain 2007).
Ziel/ Absicht Das Programm TATKRAFT- Gesund im Alter durch Betätigung geht von den Grundgedanken der Salutogenese aus, deren wichtigstes Ziel die Stärkung des Kohärenzgefühls ist. Zur Vorbeugung von Anpassungsschwierigkeiten in Lebensübergängen und veränderten Lebenssituationen werden mit den Teilnehmern persönlich bedeutsame Lebensbereiche und Betätigungen identifiziert und zugänglich gemacht. Vorhandene Ressourcen werden gestärkt, neue entdeckt oder wiederentdeckt. Die Teilhabe und das Eingebundensein im sozialen Kontext jedes Einzelnen erfahren dabei einen hohen Stellenwert. Die Teilnehmer können eine eigenaktive und nachhaltige Rolle in ihrer persönlichen Gesundheitsfürsorge wahrnehmen und ihre Lebenskompetenz stärken. Zielgruppe Die Zielgruppe wird nicht an einem bestimmten Alter festgemacht, sondern richtet sich an ältere Menschen - in Lebensübergängen wie Übergang Beruf/Ruhestand, neue Wohnsituation, Verlust vom Partner, Verlust von sozialen Kontakten und ähnliches - denen durch derartige Übergangssituationen sinnvolle/erfüllende Betätigungen fehlen oder die solche Betätigungen nicht identifizieren können - mit dem Bedürfnis nach Betätigungswechsel Teilnahmevoraussetzungen Zur Teilnahme am Programm sind verschiedene Voraussetzungen notwendig: - Kognitive Ressourcen zur Selbstregulation und zur selbständigen Betätigungsanalyse (die Unterstützung dazu erfolgt durch die Teilnahme am Programm) - Aufsuchen des Veranstaltungsortes (körperliche Handicaps müssen durch entsprechende Hilfsmittel und Transportorganisation lösbar sein) - Persönlicher Wunsch nach bedeutungsvoller Betätigung und Teilhabe - Persönlicher Wunsch nach Veränderungen in der aktuellen Lebenssituation oder Bewältigung eines kritischen Lebensereignisses durch Veränderung im Betätigungsspektrum. Ausschlusskriterien - Eine medizinische Diagnose, die die notwendigen Teilnahmevoraussetzungen blockiert (z.b. Demenz wäre ein Ausschlusskriterium, Querschnittslähmung nicht). - Parallele medizinisch indizierte ergotherapeutische Behandlung, damit der Unterschied zur verordneten Therapie gewahrt und transparent bleibt. Allerdings könnte es sinnvoll sein, nach Abschluss der Behandlung in das Programm einzusteigen. - Fehlender persönlicher Veränderungswunsch. - Personen mit regelmäßiger und umfangreicher bezahlter Arbeitstätigkeit.
Betätigungsbasierte Konzeption Das Programm TATKRAFT- Gesund im Alter durch Betätigung versteht sich als Wegbereiter einer betätigungsorientierten Gesundheitsförderung für ältere Menschen, die der Aktivität und Betätigung im Alltag (wieder mehr) Raum geben möchten. Es bietet dem Klienten die Möglichkeit, sich seiner momentanen Lebenssituation und seiner Persönlichkeit bewusst zu werden. Zu Beginn steht eine Bestandsaufnahme mittels einer Betätigungsanalyse. Diese dient der persönlichen Entdeckung von Ressourcen und Stärken der Klienten. Folgende ergotherapeutische Kompetenzen kommen dabei zum Einsatz: Die Ergotherapeutin sucht gemeinsam mit dem Klienten Betätigungen, die zu seiner aktuellen Lebenssituation passen und sich im Alltag des Klienten integrieren lassen. Die Ergotherapeutin unterstützt den Klienten in seinen Wünschen und Vorstellungen im Betätigungsbereich und beginnt in Zusammenarbeit mit dem Klienten gewünschte Veränderungen umzusetzen. Die Ergotherapeutin wird hier sowohl beratend als auch koordinierend tätig. In einigen Modulen des Projektes geht es auch um die Vermittlung von Lerninhalten auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ziel der Einzelmodule ist es, dem Klienten die Möglichkeit zu geben, eine neue Perspektive in seiner aktuellen Lebenssituation zu sehen und durch die Interaktion mit anderen Teilnehmern des Programms und der Ergotherapeutin eine veränderte Betätigungssituation zu bewirken. So wird dem Klienten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Wohlbefinden und Gesundheit ermöglicht. Es ist wichtig, dass ältere Menschen die aktive Teilnahme an selbstversorgenden, freizeitlichen und produktiven Betätigungen erhalten können. Senioren brauchen auch Möglichkeiten ihre Betätigungen auszuwählen, die im Bereich ihrer Fähigkeiten und Stärken liegen und eine Bedeutung in ihrem Leben haben. Ergotherapeuten können Klienten mit ihrem Fachwissen und ihrer Kompetenz in diesem Bemühen unterstützen und gesundheitsfördernde Betätigungen aufdecken, die eine aktive und sichere Teilhabe für den Klienten ermöglichen. Evaluation und kontinuierliche Verbesserung Das Programm TATKRAFT- Gesund im Alter durch Betätigung sowie das zugehörige Manual haben die Absicht praktisch orientiert und anwendbar zu sein. Dazu ist es notwendig, bestimmte Evaluationsinstrumente einzusetzen. Diese sind dem Programm beigefügt.
Die TATKRAFT-Module Das Angebot ist klientenzentriert ausgerichtet, das heißt die Klientengruppe entscheidet, welche Wahlmodule sie auf dem Weg zu einer gesundheitsfördernden, betätigungsorientierten Lebensgestaltung nutzen möchte. Hierbei wird die Gruppe in ihrer Entscheidungsfindung durch die Ergotherapeutin unterstützt. Die Basismodule sind immer zu besuchen, wenn ein Klient dieses Programm gebucht hat. Die Module des Programms sind als Gruppenangebot konzipiert. In Einzelfällen kann bei Bedarf auch eine Einzelintervention angeboten werden. Die Gruppengröße umfasst circa 5-10 Klienten. Jedes Modul dauert zwischen 90 und 120 Minuten. Die Gruppe wird von 1 2 Ergotherapeuten/Moderatoren betreut. Modul 1 Basismodul Der erste Schritt zur Gesundheitsförderung Kennenlernen und Vorstellung des Programms Modul 2 Basismodul Kontakt mit anderen Wege und Möglichkeiten zur Kontaktpflege Aktivität mit anderen, Bewertung des Alleinseins Teil 1 Pflichtmodul für alle Teilnehmer Teil 2 fakultatives Modul, es findet eine gemeinsame Betätigung statt Modul 3 Basismodul Der Hände Werk Selbsterfahrung in der Arbeit mit den Händen und Bezug zum alltäglichen Leben Modul 4 Basismodul Carpe diem Nutze den Tag Betätigungsanalyse, Betrachtung der eigenen Situation und Reflektion des Veränderungsbedarfs. Modul 5 Basismodul Gesundheit durch Betätigung Erklärung des Begriffs Betätigung und Herstellung des Bezugs zwischen Gesundheit und Betätigung Modul 6 Wahlmodul Sicher im Alltag Sicherheit drinnen und draußen, Erkennen von Gefahren und Barrieren, Wohnraumanpassung Modul 7 Wahlmodul Ernährung und Betätigung Einfluss von Essen und Trinken auf die persönliche Tagesgestaltung und damit die Tagesstruktur
Modul 8 Wahlmodul Finanzen Erkennen der persönlichen Spielräume für Betätigung, Möglichkeiten der Hilfe bei finanziellen Fragen Modul 9 Wahlmodul Möglichkeiten der Unterstützung in der Umgebung Analyse eines möglichen Unterstützungsbedarfs, Ideenaustausch von Unterstützungsmöglichkeiten Modul 10 Wahlmodul Ehrenamt und seine Organisation Rolle, Wert und Bedeutung des Ehrenamts, Möglichkeiten innerhalb der eigenen Ressourcen. Modul 11 Wahlmodul Lebenslanges Lernen Neue technische Medien Zusammenhang zwischen lebenslangem Lernen und Gesundheit. Modul 12 Basismodul Abschluss Abschied nehmen, Bewertung des Programms, Pläne für die Zukunft Fakultativ ein Abschiedsfest außerhalb des geplanten Zeitraums Nachfolgetreffen Nach ca. 6 Monaten Umsetzung des Programms 1. Printmedium, erhältlich beim SKV, ISBN 978-3-8248-0882-3, 126 Seiten, 28,99 2. Fortbildung für Evaluationsteilnehmer 3. Evaluierung läuft derzeit 4. Überarbeitung des Handbuches nach Abschluss der Evaluation 5. Marketing Plakate, Flyer. 6. Fortbildung für Anbieter 7. Homepage (noch nicht terminiert) Entwickelt wurde das Programm durch eine Projektgruppe des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten (DVE) Reinhild Ferber (Projektleitung) Herta Dangl Annika Grote Daniela Kölling Dr. Ulrike Marotzki Moreen Rach Rainer Schmitt Kathrin Weiß Kontakt: tatkraft@dve.info