Epidemiologie und Präven1on der invasiven Meningokokken- Erkrankungen in Deutschland

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Transkript:

Epidemiologie und Präven1on der invasiven Meningokokken- Erkrankungen in Deutschland J. Leidel 65. Wissenscha-licher Kongress des BVÖGD und des BZÖG Rostock 23. 25. April 2015

Meningokokken GramnegaHve Diplokokken, die ausschließlich beim Menschen vorkommen. Sie können die Schleimhaut des Nasopharynx (und der Genitalien) besiedeln, ohne Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Etwa 10% der Bevölkerung sind Keimträger, in Internaten oder Kasernen auch deutlich mehr. Die Bakterien auf der Schleimhaut gesunder Träger sind zwar häufig wenig virulent. Dennoch können Träger Ausgangspunkt von Erkrankungen sein. Die Ansteckung erfolgt als TröpfcheninfekHon.

Klinik Invasive Meningokokken- Erkrankungen (IME) verlaufen in ca. zwei Dri_el der Fälle als MeningiHs, in einem Dri_el als Sepsis, die bei 10% bis 15% als sephscher Schock (Waterhouse- Friedrichsen- Syndrom) mit hoher Letalität au-reten kann. Mischformen sind häufig. Die Letalität beträgt 8% (MenB) bis 11% (MenC). 10% der Überlebenden weisen schwerwiegende Folgeschäden auf (Hörverlust, neurologische Schäden, AmputaHonen).

Epidemiologie Die Anzahl invasiver Meningokokken- Erkrankungen ist in Deutschland seit 2003 konhnuierlich gesunken. Während von 2001 bis 2003 jährlich zwischen 736 und 782 Fälle au-raten, erkrankten von 2011 bis 2013 durchschni_lich pro Jahr etwa 356 Personen. Dieser Trend setzt sich mit 275 gemeldeten Fällen im Jahr 2014 fort. Höchste Inzidenz invasiver Meningokokken- Erkrankungen in den beiden ersten Lebensjahren und im Jugendalter (15-19 J.). Von den typisierten Fällen enjielen 2011 72,7% auf MenB, 20,1% auf MenC für und die restlichen 7,2% auf die Serogruppen A, W135 und Y.

Inzidenz von IME in der Gesamtbevölkerung 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 gesamt Men B Men C

RKI: InfekHonsepidemiologisches Jahrbuch 2013

Hellenbrand, RKI

Hellenbrand, RKI

Impfstoffe Am 14.01.2013 wurde in Europa erstmals ein Impfstoff gegen Meningokokken B zugelassen (Bexsero ). Seit Ende 2013 ist er in Deutschland auch verfügbar. Zuvor gab es nur monovalente Impfstoffe gegen Men C bzw. tetravalente Impfstoffe gegen Men A, C, W 135 und Y. Im Gegensatz zu den Impfstoffen gegen Meningokokken A, C, W135 und Y beruht Bexsero nicht auf den (konjugierten) Polysacchariden der Bakterienkapsel, sondern auf immunogenen Proteinen, welche durch ein innovahves Verfahren (reverse Vakzine- Entwicklung) gewonnen werden.

Impfempfehlungen der STIKO Seit 2006 ist die MenC- Impfung für alle Kinder ab dem Beginn des 2. Lebensjahres empfohlen. Die tetravalente Impfung gegen Men A, C, W 135 und Y wird von der STIKO nur als IndikaHonsimpfung empfohlen (Reise, Immundefizienz, Asplenie, berufliche Gefährdung). Für die Impfung gegen Men B gibt es derzeit keine Empfehlung der STIKO.

Individuelle Betrachtung Invasive Meningokokkenerkrankungen sind lebensbedrohliche Erkrankungen. Die meisten IME (70%) werden durch Men B verursacht. Es gibt einen zugelassenen und verfügbaren Impfstoff. Zugelassen heißt, dass Wirksamkeit und Sicherheit gemäß den geltenden Regeln mit pos. Ergebnis geprü- worden sind. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten als freiwillige Satzungsleistung. Ich würde einen Enkel in entsprechendem Alter wahrscheinlich impfen.

Betrachtung aus Public Health- Sicht Hier geht es nicht darum, ein Individuum möglichst gut zu schützen, sondern die Impfstrategie so zu gestalten, dass möglichst viele Fälle von Erkrankung, Tod und bleibenden Schäden vermieden werden. Dafür ist es wichhg, die Stammabdeckung insbesondere bei Säuglingen zu kennen, die Dauer der Immunität und Effekte auf die Besiedlung der Schleimhäute (Trägertum).

Bislang unveröffentlichte Modellierungen zeigen, dass die Zahl der verhinderten Krankheitsfälle in der geimp-en Kohorte bei der Impfung der Säuglinge aufgrund der hohen Krankheitslast am größten wäre. Allerdings sind in dieser Zeit ohnehin bereits recht viele Imp-ermine vorgesehen. Die relahv hohe Reaktogenität des Impfstoffs (weshalb vielfach empfohlen wird, den Säuglingen prophylakhsch Paracetamol zu geben) wird bei einer Ko- AdministraHon noch gesteigert. Je nach der gewählten Impfstrategie und dem Ausmaß der Effekte auf das Trägertum liegt die NNV zwischen ca. 20.000 und 140.000

Stellungnahme STIKO zu MenB (8. 9. 2014) Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Bexsero vor invasiven Erkrankungen durch einen großen Teil der hier zirkulierenden MenB- Stämme schützen kann. Vorhandene Daten reichen aber für evidenzbasierte Entscheidung der STIKO noch nicht aus: Altersspezifische Stammabdeckung (bes. Säuglinge) Persistenz schützender Ak Effekt auf Trägertum (Herdenschutz) Häufigkeit seltener UAW (< 1: 1.000) ImplemenHerbarkeit in Imptalender Impfstoff ist aber zugelassen und verfügbar und kann unabhängig von fehlender STIKO- Empfehlung verimpi werden.

Die STIKO dankt für Ihre Aufmerksamkeit!