1. Männlichkeiten und Sucht. (von Axel Stühlmeyer)



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Transkript:

1. Männlichkeiten und Sucht (von Axel Stühlmeyer) Die Grundprinzipien männlicher Sozialisation sind nach Böhnisch und Winter (1993) weiterhin durch Rationalität, Kontrolle, Körperferne, Stummheit, Gewalt und Externalisierung bestimmt. Die traditionelle männliche Rolle erwartet von einem Mann, dass er sich über seine Leistung definiert; feminine Eigenschaften vermeidet, Abenteuer und Risiken sucht und Schwächen verbirgt (Brannon 1976, Courtenay 2000). Die Auswirkungen der traditionellen Männerrolle in der gegenwärtigen Gesellschaft werden von O`Neil (1932) exemplarisch in folgenden sechs Zwängen der Männerrolle zusammengefasst: 1) das eingeschränkte Gefühlsleben 2) Die Homophobie als eine Angst vor Nähe zu anderen Männern 3) Kontroll-, Macht- und Wettbewerbszwänge 4) Ein gehemmtes sexuelles und affektives Verhalten 5) Die Sucht nach Leistungen und Erfolg 6) Der unsorgsame Umgang mit der eigenen Gesundheit Männlichkeit macht krank jedenfalls wenn sie im traditionellen Sinne verstanden und gelebt werden. Die einseitige Leistungs- und Kontrollbereitschaft setzt die eindimensionale Konzentration auf äußere Erfolgsziele voraus. Diese Veräußerung verlangt von Männern die Abspaltung von Emotionen, Skrupeln, Moralen und persönlichen Überzeugungen. Die Folge ist Entfremdung und Leere und induziert eine Suchtentwicklung. Entwicklungsaufgaben von Männern: Faltermaier (2007) spricht von Entwicklung von Kompetenzen und Unterstützungspotenzialen für einen angemessenen Umgang mit sozialen und kritischen Lebensereignissen (Trennungen, Verlusten.) Daneben seien Strategien der Stressbewältigung zu erlernen, um riskantes Fluchtverhalten (Alkohol, Drogen, Glücksspiel, Medienkonsum) wie auch aggressive Lösungen zu vermeiden. Diese Kompetenzen betreffen auch den Bereich der Beziehungsarbeit, damit Männer

besser in die Lage versetzt werden, soziale Netzwerke aufzubauen und reziproke soziale Unterstützung in Beziehungen zu leisten. Insgesamt muss von Männern das Verhältnis zu Risiken überdacht werden, da es gilt, die eigene Leistungsfähigkeit im Beruf, im Privaten und der eigenen Gesundheit zu erhalten und Grenzen zu akzeptieren. (Aus: Handbuch Männlichkeiten und Sucht S. 15) 2. Schöpferische Kraft (Spiritualität): laut Wörterbuch: Geistigkeit als Gegensatz von Materialität Spiritus = Hauch, Atem (Lebensgeist) Spiritus = Weingeist, Alkohol Die dem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Ganzheit und einer höheren Macht versucht der süchtige Mensch auch mit Hilfe von Suchtmitteln zu stillen. Der Suchtmittelkonsum und der Rausch entwickeln sich dabei zunehmend zum Ersatz für das Eigentliche (Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Beachtung) oder werden zum Hilfsmittel, aus unangenehmen Lebenssituationen zu entfliehen (Langeweile, Frust, Angst, Depressionen, Sinnlosigkeit, Trauer). Sucht bedeutet, Werte zu verlieren. Allmählich bekommt das Suchtmittel / Suchtverhalten eine größere Bedeutung als die Familie, die Kinder, die eigene Gesundheit, die Ehrlichkeit usw.. Daneben entsteht innere Leere, die zunehmend andere Aktivitäten vernachlässigt werden. Der Suchtmittelkonsum / Suchtverhalten entwickelt sich zum zentralen Lebensinhalt. Suchttherapie muss von daher auch eine neue Sinnfindung und das Aufbauen neuer individueller Wertehaltungen beinhalten. Als genereller Wert ist die erneute Übernahme von Verantwortung zu nennen, für sich selbst, für andere und die Umwelt. Werte wie, Liebe und Mitgefühl, Ehrlichkeit und Authentizität, Klarheit, Bereitschaft zum Wachstum, Verantwortung und Disziplin, Gelassenheit, Weisheit, Verständnis wie auch Dankbarkeit und Bescheidenheit etc.. (aus: Handbuch Männlichkeiten und Sucht S. 210, 2009)

3. Eindimensionalität des männlichen Lebensentwurfes - Emotionale Kontrolle - Homophobie - Kontroll-, Macht- u. Wettbewerbszwänge - Hemmung sexuellen affektiven Verhaltens - Sucht nach Leistung und Erfolg - (Erwerbs-) Arbeitssucht - Defizitäres Gesundheitsverhalten 4. Der (männliche) Rausch - Übertreten des Wachbewusstseins - Abbau von Blockaden - Aufhebung von Begrenztheit - Verlust von Kontrolle - Über sich Hinauswachsen - Antriebssteigerung - Reduktion des Schmerzempfindens - Substanz / wirkungs- statt beziehungsfixiert - Kompensation - Risikobereitschaft / Aggressions- / Gewaltbereitschaft - Regelverletzung / Tabubruch - Eroberung des Öffentlichen Raum - Initiationsritus 5. (Alkohol-) Berauschter Mann / Konstruktion von Männlichkeit

- Unverletzlichkeitsfantasien - Größenwahn und Gruppenerleben - Kampf- und Komatrinken, Quantifizierung - Trophäen sammeln - Demonstration von Stärke und Macht - Symbolisierung die Sprache des Alkohols - Kleine Fluchten vor sich selbst 6. Suchtursache für Männer: Unsicherheit in der männlichen Geschlechtsrolle (nach Jakob Müller) - Geschlechtsunsicherheit durch abwesende männliche Bezugsperson - Keine vorgelebten Identifikationsangebote - Männliche Rollenzwänge prädestinieren zum A.-Konsum - Alkohol/ Sucht: Ersatz für blockierte Gefühlswahrnehmungen - Konfliktregulierungsmittel - Alkohol als ideales Medium eines Schweinwelt mit positiven Selbstbild und emotionalem Erleben 7. Männerdämmerung: Sucht ein Ausdruck des Zu-Wenig: - Vater - Orientierung - Sinn - Innere Stärke (Balance) - Beziehungs-, Liebesfähigkeit - Vorbereitung auf Herausforderungen an Männer durch psycho-soziokulturellen Umbruch

8. Indizien für die MOA-These: Männliche Verbot Opfer zu sein Macht Ohnmacht Alkoholkonsum - Bedürfnis nach Macht - erlebte Ohnmacht Alkoholkonsum - Dominanzstreben bei der stärksten Konsumgruppe - Need for power-hypothese: der Wunsch nach vergrößerter persönlicher Macht korreliert mit starkem Trinken Axel Stühlmeyer Dipl. SozPäd./ Suchttherapeut Suchthilfe Kiel Beratungs- u. Behandlungsstelle Wall 38, 24103 Kiel Tel.: 0431-26044 500 Mail: axel.stuehlmeyer@stadtmission-kiel.de Kiel, den 25.10.2013