Unternehmensrecht II Einführung in das Insolvenzrecht 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 1
A. Einführung I. Begriff der Insolvenz Der Schuldner ist insolvent, wenn er auf die Forderungen seiner Gläubiger nicht mehr leisten kann. Konkurs (lat. concursus creditorum) = Zusammenlaufen (der Gläubiger) Abgrenzung materielle./. formelle Insolvenz 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 2
A. Einführung II. Zahlen Jahr Insolvenzen gesamt Unternehmensinsolvenzen 1991 13.323 8.837 1999 34.038 26.476 2000 42.259 28.235 2004 118.274 39.213 2007 164.597 29.160 (Quelle: Statistisches Bundesamt Wirtschaft und Statistik 4/2008, S. 304) 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 3
A. Einführung III. Ziel des Insolvenzverfahrens, 1 InsO 1 InsO: gemeinschaftliche Befriedigung (S. 1) Möglichkeit zur Restschuldbefreiung für redliche Schuldner (S. 2) Abgrenzung Einzelzwangsvollstreckung./. Insolvenzverfahren ZPO./. InsO Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach ZPO: Titel, Klausel, Zustellung Problem: Wettlauf der Gläubiger 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 4
A. Einführung IV. Geschichte des Insolvenzrechts (2/2) Rechtslage vor Einführung der InsO: KonkursO 1877 GesamtvollstreckungsO VergleichsO Ziele des Gesetzgebers bei Einführung der InsO 1. Maßnahmen gegen Massearmut 2. bessere Abstimmung von Liquidation und Sanierung 3. einheitliches Verfahren 4. Förderung der außergerichtlichen Sanierung 5. Stärkung der Gläubigerautonomie 6. Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit 7. Einführung eines speziellen Verbraucherkonkurses mit der Möglichkeit zur Restschuldbefreiung 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 5
A. Einführung V. Möglichkeiten zur Gläubigerbefriedigung Regelverfahren, 1 S. 1 Alt. 1 InsO: Verwertung des Schuldnervermögens und quotale Verteilung des Erlöses Insolvenzplanverfahren, 1 S. 1 Alt. 2 InsO Sanierung des Unternehmensträgers übertragende Sanierung: Verkauf des Unternehmensvermögens, so dass die Gläubiger aus dem erlösten Kaufpreis befriedigt werden können Restschuldbefreiung 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 6
B. Verfahrensbeteiligte I. Schuldner Natürliche Personen Juristische Personen des Privatrechts Juristische Personen des öffentlichen Rechts, 12 InsO Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, 11 Abs. 2 InsO II. Insolvenzgericht, 2,3 InsO III. Insolvenzverwalter IV. Gläubiger dazu die Übersicht Rangfolge der Gläubigerbefriedigung im Insolvenzfall 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 7
B. Verfahrensbeteiligte IV. Gläubiger Rangfolge der Gläubigerbefriedigung im Insolvenzfall Aussonderungsberechtigte, 47 InsO Anspruch auf konkreten Gegenstand, Befriedigung außerhalb des Verfahrens Rang: außer Konkurrenz Absonderungsberechtigte, 49 InsO Anspruch auf Befriedigung aus einer Sicherheit, (vorrangige) Befriedigung im Verfahren Rang: Vorrang vor Masse- und Insolvenzgläubigern Massegläubiger, 53 f. InsO Befriedigung im Verfahren Rang: Vorrang vor Insolvenzgläubigern Insolvenzgläubiger, 38 InsO Befriedigung im Verfahren Rang: Vorrang vor nachrangigen Insolvenzgläubigern Nachrangige Insolvenzgläubiger, 39 InsO Befriedigung im Verfahren (erhalten regelmäßig nichts!) 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 8
C. Antragstellung I. Allgemeines: Antragserfordernis, 13 Abs. 1 S. 1 InsO Notwendig: rechtliches Interesse, 14 Abs. 1 InsO II. Schuldnerantrag: sog. Eigenantrag möglich Grundsätzlich besteht jedoch keine Antragspflicht Anders: Kapitalgesellschaften, 15a InsO III. Gläubigerantrag: Rechtliches Interesse nachzuweisen, 14 InsO: Glaubhaftmachung der Forderung Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes Fruchtlosigkeitsbescheinigung 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 9
D. Insolvenzgründe I. Zahlungsunfähigkeit, 17 InsO Zahlungsunfähigkeit = Schuldner ist unfähig, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Ermittlung einer Zeitpunkt-Illiquidität Unschädlich: bloße Zahlungsstockungen Innerhalb von drei Wochen Weniger als 10% der fälligen Gesamtverbindlichkeiten 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 10
D. Insolvenzgründe II. drohende Zahlungsunfähigkeit, 18 InsO Nur für Insolvenzanträge des Schuldners Zahlungsunfähigkeit droht lediglich: Zeitraum-Illiquidität Finanzplan 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 11
D. Insolvenzgründe III. Überschuldung, 19 InsO Insolvenzgrund für juristische Personen Überschuldung = das Vermögen des Schuldners deckt die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr, 19 Abs. 2 InsO es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich Aktuell: geänderte Fassung des Wortlauts von 19 Abs. 2 InsO: Fassung bis zum 31.12.2013: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen. 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 12
E. Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren Sobald die Zulässigkeit des Insolvenzantrags feststeht, hat das Insolvenzgericht von Amts wegen alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine Masseschmälerung zu vermeiden, 21 InsO. Wichtigste Sicherungsmaßnahmen: Allgemeines Verfügungsverbot Verfügungsbeschränkungen (Verwaltervorbehalt) Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters Untersagung der Zwangsvollstreckung in bewegliche Gegenstände Problem: Lohnforderungen und Insolvenzgeld: Führt der InsoVw das Unternehmen fort, entstehen durch die Lohnforderungen der Mitarbeiter Masseschulden. Insolvenzgeld: gem. 183 SGB III zahlt die BA bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Lohnrückstände der letzten drei Monate Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitslohns. 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 13
F. Eröffnung des Insolvenzverfahrens, 27 ff. InsO Folgen für den Schuldner: Insolvenzbeschlag : Schuldnervermögen wird beschlagnahmt, 80 InsO Die Verfügungsmacht über die Massegegenstände geht auf den Verwalter über Mitwirkungs- und Auskunftspflichte des Schuldners, 97 InsO Zwangsvollstreckung in Massegegenstände ist für einzelne Insolvenzgläubiger verboten, 89 Abs. 1 InsO Rückschlagsperre, 88 InsO Schwebende Rechtsverhältnisse des Schuldners: meist hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 14
G. Anreicherung und Bereinigung der Masse Aus der Ist-Masse muss die Soll-Masse werden: Anreicherung: Forderungseinziehung, Insolvenzanfechtung Bereinigung: Aussonderung, Absonderung, Massegläubiger 47, 49, 53 InsO Insolvenzanfechtung, 129 ff. InsO: Voraussetzungen: Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Benachteiligung der Insolvenzgläubiger Anfechtungsgründe: Vorsatzanfechtung, 133 Abs. 1 InsO Schenkungsanfechtung, 134 InsO Kongruenzanfechtung, 130 InsO Inkongruenzanfechtung, 131 InsO Unmittelbarkeitsanfechtung, 132 Abs. 1 InsO Kaptialerhaltende Anfechtung, 135 InsO 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 15
H. Feststellung der Insolvenzforderungen Die Forderungen sind beim Insolvenzverwalter anzumelden Die Gläubiger haben bei der Anmeldung den Grund der Forderung anzugeben Die Begründetheit der Forderungen prüfen nur Insolvenzverwalter und Gläubiger Sofern kein Widerspruch gegen eine Forderung erhoben wird, gilt sie als festgestellt 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 16
J. Verwertung und Verteilung der Masse Der Insolvenzverwalter hat die Masse unverzüglich zu verwerten Die Art und Weise der Verwertung steht (grundsätzlich) im Belieben des Verwalters Unternehmensverkauf Unternehmenssanierung Übertragende Sanierung Reorganisation Stilllegung des Unternehmens Zur Verwertung Zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 17
K. Insolvenzplan, 217 ff. InsO Flexibler Rechtsrahmen für eine einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz Stärkung der Gläubigerautonomie Vss: Bildung von Gläubigergruppen Darstellender Teil des Plans Gestaltender Teil des Plans Minderheitenschutz Obstruktionsverbot, 245 InsO 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 18
L. Exkurs: Insolvenzstrafrecht, 283 ff. StGB Allgemeine Voraussetzung: Handeln des Täters in der Krise Besondere Voraussetzungen: objektive Bedingungen der Strafbarkeit, 283 Abs. 6 StGB: Gilt kraft Verweis für alle Insolvenzstraftaten, 283b Abs. 3, 283c Abs. 3, 283d Abs. 4 StGB Voraussetzungen (alternativ): Täter hat die Zahlung eingestellt Insolvenzverfahren über das Vermögen des Täters ist eröffnet Insolvenzverfahren ist mangels Masse abgewiesen worden Überblick über die Straftatbestände 26. November 2009 FG Zivilrecht II Prof. Dr. Uwe H. Schneider Wiss. Mitarbeiter Ass. jur. Stefan Holzner, LL.M. 19