Fachprüfung im Privatrecht I vom 4. Juni Lösungen. Fall 1



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Transkript:

Fachprüfung im Privatrecht I vom 4. Juni 2012 Lösungen Fall 1 1. Abschluss eines Kaufvertrages setzt Konsens (Art. 1 OR) über die objektiv wesentlichen Vertragspunkte (Art. 184 OR) voraus. Der Kaufvertrag betrifft eine ihrer Gattung nach bestimmte Kaufsache. Vereinbart wurde der Kauf von Gärfutter gegen einen festgelegten Preis. Ausserdem wird der Leistungszeitpunkt festgelegt: Das Gärfutter ist am Nachmittag des 12. September 2011 zu übergeben und der Kaufpreis innert zehntagen seit der Übergabe des Gärfutters zu bezahlen. Schliesslich haben die Parteien eine Bringschuld vereinbart: Der Verkäufer hat das Gärfutter an die Adresse des Käufers zu liefern. 2. Es ist aufgrund des Volumens der Lieferung anzunehmen, dass die Parteien mit der Festlegung des Liefertermins nicht nur die Fälligkeit der Leistung (dazu N 5 unten) regeln wollten, sondern auch die Erfüllbarkeit. Daher war der Käufer berechtigt, eine vorzeitige Lieferung abzulehnen. (Entscheidet man sich für den Gläubigerverzug des Käufers, so wäre dieser spätestens mit Ablauf des 12. Septembers 2011 beseitigt, wenn der Verkäufer bis dahin die Leistung weder angeboten noch mit befreiender Wirkung hinterlegt [Art. 92 OR] hat). 3. Zu prüfen ist, ob der Käufer berechtigt war, die Annahme des mit siebenwöchiger Verspätung gelieferten Gärfutters zu verweigern. Voraussetzung dafür wäre, dass der Käufer das Recht gehabt hätte, auf die Leistung zu verzichten. 4. Der Schuldnerverzug ist in Art. 102 ff. OR geregelt. Die besonderen Bestimmungen des Kaufrechts sind nicht anwendbar: Art. 190 OR betrifft den Kauf im kaufmännischen Verkehr und die Art. 214 f. OR betreffen den Schuldnerverzug auf Käuferseite, wobei im konkreten Fall die Verkäuferin mit ihrer Leistung in Verzug gerät. 5. Fälligkeit der Leistung ist gegeben, verzugshindernde Gründe liegen nicht vor. Die Leistung ist noch möglich (es liegt höchstens eine vorübergehende subjektive Unmöglichkeit des Verkäufers vor, die Leistung termingerecht zu erbringen). Ist die Leistung fällig, gerät der Schuldner mit der Mahnung des

Gläubigers in Verzug (Art. 102 Abs. 1 OR). Die Mahnung des Käufers ist aber nicht erforderlich, wenn die Parteien einen Verfalltag vereinbart haben (Art. 102 Abs. 2 OR). Es ist zu prüfen, ob die Verkäuferin in Schuldnerverzug geriet. In concreto haben die Parteien einen Verfalltag vereinbart, nämlich einen durch genaue Nennung eines Datums festgelegten Leistungszeitpunkt. Daraus ergibt sich, dass die Verkäuferin mit Verstreichen des 12. Septembers 2011 in Verzug geriet, auch wenn der Käufer nicht mahnte. (Entscheidet man sich gegen die Annahme eines Verfalltags, könnte in der Erklärung des Käufers, er akzeptiere die angekündigte Verspätung nicht und behalte sich sämtliche Rechte vor, eine Mahnung erblickt werden). 6. Damit der Käufer auf die Leistung der (vorleistungspflichtigen) Verkäuferin verzichten kann, müsste er ihr eine angemessene Nachfrist zur Leistung angesetzt haben. Wenn Art. 107 Abs. 1 OR von einer Berechtigung des Gläubigers zur Nachfristansetzung spricht, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Gläubiger grundsätzlich eine angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung setzen muss, um die in Art. 107 Abs. 2 OR genannten Wahlrechte ausüben zu können. 7. Fraglich ist, ob ein Tatbestand vorliegt, der von der Nachfristansetzung dispensiert hätte (Art. 108 OR). Denkbar ist Art. 108 Ziff. 1 OR, wonach die Ansetzung einer Nachfrist nicht erforderlich ist, wenn aus dem Verhalten des Schuldners hervorgeht, dass sie sich als unnütz erweisen würde. Hier kann argumentiert werden, dass die Verkäuferin mit der Ankündigung, sie werde frühestens am 3. Oktober 2011 also mit mindestens dreiwöchiger Verspätung liefern können, deutlich gemacht hat, dass sie auch im Falle einer Nachfrist (von z.b. einer Woche) nicht vorher liefern werde. Andere Tatbestände nach Art. 108 OR sind nicht ersichtlich (insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte für ein relatives Fixgeschäft nach Art. 108 Ziff. 3 OR). 8. War der Käufer zur Ansetzung einer Nachfrist verpflichtet, so hat er das unterlassen. Die Voraussetzungen für die Ausübung der in Art. 107 Abs. 2 OR genannten Wahlrechte waren mithin nicht alle gegeben. Hält man aber dafür, dass der Käufer gestützt auf Art. 108 Ziff. 1 OR von der Nachfristansetzung dispensiert war, so hätte er um auf die Leistung der Verkäuferin verzichten zu dürfen den Verzicht unverzüglich erklären müssen (Art. 107 Abs. 2 OR). Solange er das nicht tat, durfte und musste die Verkäuferin annehmen, sie sei weiterhin zur Erfüllung ihrer Vertragspflicht, d.h. zur Lieferung des Gärfutters, verpflichtet.

9. Fazit: Die Verkäuferin ist im Recht. Der Käufer ist nicht berechtigt, die Annahme des am 3. Oktober 2011 gelieferten Gärfutters zu verweigern. Indem er das trotzdem tut, gerät er in Gläubigerverzug (Art. 92 ff. OR). Fall 1, Variante I 10. Ausgangslage ist wiederum ein Vertrag betreffend den Kauf von Gärfutter gegen einen festgelegten Preis. Fraglich ist, ob der Käufer aufgrund eines angekündigten Lieferverzugs von zwei Tagen berechtigt ist zu erklären, dass er am Vertrag nicht mehr festhalte und auf die Lieferung des Gärfutters verzichte. 11. Die Erklärung des Käufers: Aufgrund der von Ihnen angekündigten Lieferungsverspätung erkläre ich hiermit, an unseren Vertrag nicht länger gebunden zu sein und auf die Lieferung zu verzichten, ist als Rücktrittserklärung i.s. von Art. 109 Abs. 1 OR zu verstehen. Zu prüfen ist mithin, ob die Voraussetzungen für den Vertragsrücktritt i.s. der erwähnten Gesetzesbestimmung erfüllt sind. 12. Damit der Gläubiger gemäss Art. 109 Abs. 1 OR vom Vertrag zurücktreten kann, muss sich der Schuldner im Verzug befinden (dazu schon N 5 oben) und auch nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist nicht geleistet haben (Art. 102 OR und Art. 107 Abs. 1 OR). Vom Erfordernis einer Nachfrist für die nachträgliche Erfüllung kann in bestimmten Fällen (Art. 108 OR) abgesehen werden. Im konkreten Fall gibt es keine Anhaltspunkte, wonach die Erfüllbarkeit der Leistung nach dem vereinbarten Leistungstermin vom 12. September wegfallen sollte. 13. Zu prüfen ist, ob der angekündigte Lieferverzug derart lang ist, dass der Käufer vom Ansetzen einer angemessenen Nachfrist absehen durfte, weil sich diese Nachfrist als unnütz erwiesen hätte (Art. 108 Ziff. 1 OR). Angekündigt wurde von der Verkäuferin eine Lieferverspätung von zwei Tagen. Hätte der Käufer der Verkäuferin eine Nachfrist gesetzt, so wären weniger als zwei Tage wohl unangemessen kurz gewesen, wogegen die Verkäuferin hätte remonstrieren dürfen. Der angekündigte Lieferverzug war mithin nicht derart lang, dass der Käufer von der Nachfristansetzung absehen durfte. 14. Fazit: Der Käufer hätte der Verkäuferin zunächst eine angemessene Nachfrist setzen müssen. Was angemessen ist, beurteilt sich nach der Art und dem Umfang der versprochenen Leistung und den Interessen der beteiligten Parteien. Die Frist darf nicht derart kurz sein, dass eine nachträgliche Erfüllung

nicht realistisch ist. Kürzer als zwei Tage hätte diese Frist wohl nicht sein dürfen. Der Käufer hat das Rücktrittsrecht ausgeübt, obwohl die Voraussetzungen dafür (noch) nicht gegeben waren. Fall 1, Variante II 15. Es geht um den von der Verkäuferin unverschuldeten Untergang der geschuldeten Kaufsachen. Fraglich ist, wer im Zeitpunkt der Zerstörung des Gärfutters durch das Feuer die Gefahr für dessen zufällige Zerstörung trug. Es geht mithin um Gefahrtragung. Die Gefahrtragung ist in allgemeiner Weise in Art. 119 OR geregelt. Dessen Abs. 3 behält vertragliche Gefahrtragungsregeln und besondere Gesetzesnormen zur Gefahrtragung vor. 16. Im konkreten Fall hat die Grünental AG zwar eine Lieferungsverspätung angekündigt, doch der Schuldnerverzug trat dennoch nicht ein, weil sich die Parteien über einen neuen Lieferungstermin geeinigt hatten. In dieser Einigung kann entweder die Stundung der Leistungspflicht oder die Vereinbarung eines neuen Verfalltages erblickt werden. In beiden Fällen wird die Fälligkeit auf den Zeitpunkt des neuen Liefertermins aufgeschoben. 17. Für den Kaufvertrag sieht Art. 185 OR besondere Regeln betreffend den Nutzen und die Gefahr vor. Geht es wie im vorliegenden Fall um Gattungsschulden, dann geht die Gefahr für den zufälligen Untergang der Kaufsache erst mit der Ausscheidung der zu liefernden Sachen auf den Käufer über, und wenn der Verkäufer auch zur Versendung der Sachen verpflichtet ist, erst mit Vornahme der Versendung (Art. 185 Abs. 2 OR). 18. Im konkreten Fall haben die Parteien vereinbart, dass die Verkäuferin das bestellte Gärfutter dem Käufer an dessen Wohnort zu liefern hat (sog. Bringschuld). Das Gesetz hält für den Fall, da der Verkäufer die Kaufsache dem Käufer zu überbringen hat, keine Gefahrtragungsregel bereit. Dass in diesem Fall die Gefahr nicht schon bei Vertragsabschluss (Art. 185 Abs. 1 OR) oder mit der Aussonderung der Kaufsache (Art. 185 Abs. 2 OR) auf den Käufer übergehen kann, liegt auf der Hand, weil sonst der Käufer schlechter gestellt wäre als beim Versendungskauf, was ein offensichtlicher Wertungswiderspruch wäre. Nach richtiger Auffassung darf die Gefahr in diesem Fall erst dann auf den Käufer übergehen, wenn der Verkäufer die Leistung am Erfüllungsort erbracht hat und sie dem Käufer dort anbietet (h.l.). Erst dann hat der Verkäufer seine Vertragspflichten erfüllt, was den Gefahrübergang rechtfertigt. Begründen lässt sich diese Lösung entweder mit den besonderen Verhältnissen gemäss Art. 185

Abs. 1 OR oder mit einer Weiterentwicklung des Gedankens von Art. 185 Abs. 2 OR, wonach die Gefahr erst dann auf den Käufer übergeht, wenn der Verkäufer seine Vertragspflichten (z.b. die Versendungspflicht) erfüllt hat. 19. Im konkreten Fall lag die Gefahr für den zufälligen Untergang des Gärfutters bei der Verkäuferin. Damit trägt die Verkäuferin die Leistungsgefahr, d.h., sie ist weiterhin verpflichtet, das bestellte Gärfutter zu liefern. Ausserdem trägt die Verkäuferin mit Bezug auf das zerstörte Gärfutter auch die Preisgefahr: Sie hat keinen Anspruch auf die Bezahlung des Kaufpreises für das zerstörte Gärfutter. Dagegen hat sie selbstverständlich Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises für das Gärfutter, welches sie ersatzweise (anstelle des zerstörten Futters) liefert. Fall 1, Variante II, Zusatzfrage 20. Hätten die Parteien von vornherein für den 16. September 2011 eine Holschuld vereinbart, so ginge die Gefahr für den zufälligen Untergang der geschuldeten Kaufsache gemäss Art. 185 Abs. 2 OR auf den Käufer über. Tatbestandsmerkmale dieser Gesetzesbestimmung sind (1) eine Gattungsschuld des Verkäufers und (2) die Ausscheidung der Kaufsachen sowie wo Versendungsschuld vereinbart ist Abgabe zur Versendung. Im konkreten Fall ist der Tatbestand von Art. 185 Abs. 2 OR erfüllt, denn: - die Parteien haben eine Holschuld vereinbart; - die geschuldete Kaufsache ist eine Gattungsschuld; - die Kaufsache ist im Zeitpunkt des Brandes bereits ausgeschieden. 21. Ergebnis: Der Käufer trägt die Preis- und Leistungsgefahr. Er muss den Kaufpreis bezahlen, auch wenn er die (untergegangene) Leistung nicht erhält. Fall 2 22. Abschluss eines Kaufvertrages setzt Konsens (Art. 1 OR) über die objektiv wesentlichen Vertragspunkte (Art. 184 OR) voraus. Der Kaufvertrag betrifft einen bestimmten Kühlschrank, dessen Kaufpreis bestimmt ist.

23. Anspruch des K gegen V auf Mängelgewährleistung gemäss Art. 197 ff. OR. Es muss ein Sachmangel i.s. von Art. 197 OR im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Art. 185 OR) vorliegen. In Betracht kommt ein Sachmangel, der darin liegt, dass das Licht des Kühlschranks nicht funktioniert. Oder der Sache könnte eine zugesicherte Eigenschaft fehlen. K und V haben nicht besonders vereinbart, dass im Kühlschrank beim Öffnen des Kühlschranks ein Innenlicht brennen soll. Ein Sachmangel wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft liegt daher nicht vor. In Betracht kommt dagegen ein Mangel, der den Wert des Kühlschranks oder seine Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauche aufhebt oder erheblich mindert. Die Frage lautet: Ist das Vorhandensein eines funktionierenden Innenlichtes eine Eigenschaft, die vom Käufer nach Treu und Glauben vorausgesetzt werden kann, so dass ein defektes Innenlicht eine Abweichung von der gewöhnlich vorausgesetzten Beschaffenheit darstellt? Es ist üblich, dass im Kühlschrank das Licht brennt, wenn man ihn öffnet. Dank des Innenlichtes können die im Kühlschrank aufbewahrten Lebensmittel gesichtet werden. Ein funktionierendes Innenlicht gehört mithin zur gewöhnlich vorausgesetzten Beschaffenheit eines Kühlschranks. Das gilt im vorliegenden Fall insbesondere, da die Innenbeleuchtung im Beschrieb des Kühlschranks ausdrücklich erwähnt ist. Folglich liegt ein Sachmangel gemäss Art. 197 Abs. 1 OR vor. Dieser Sachmangel bestand vermutlich auch zum Zeitpunkt der Übergabe, mithin des Gefahrübergangs nach Art. 185 Abs. 1 OR. (Wer hier im Beschrieb des Kühlschranks zugesicherte Eigenschaften erblickt, argumentiert ebenfalls in vertretbarer Weise). 24. Dass der Verkäufer den Mangel nicht kannte, tut seiner Haftung nach Art. 197 ff. OR keinen Abbruch (Art. 197 Abs. 2 OR). An der Mangelhaftigkeit des Kühlschranks ändert auch die Einschätzung des Verkäufers, dass der Defekt ein Detail sei, nichts. 25. Aus dem Sachverhalt geht nicht hervor, dass der Käufer den Mangel gekannt haben könnte oder hätte kennen können. Art. 200 OR ist nicht anwendbar. 26. Der Käufer kann Mängelrechte nach Massgabe von Art. 197 ff. OR geltend machen. Dafür ist erforderlich, dass er dem Verkäufer den Mangel ohne Zuwarten anzeigt, also rechtzeitig rügt (Art. 201 OR). Gemäss Art. 201 Abs. 1 OR hat der Käufer nach Empfang der Kaufsache diese sobald wie möglich zu untersuchen und dem Verkäufer festgestellte Mängel anzuzeigen. Im konkreten Fall hat der Käufer den Mangel, den er bereits beim ersten Gebrauch des Kühlschranks festgestellt hat, am Tag nach dessen Feststellung gerügt. Damit ist das Erfordernis der rechtzeitigen Mängelrüge noch erfüllt.

27. Der Einwand des Verkäufers, die Mängelrüge hätte schriftlich erfolgen müssen, ist unbeachtlich: Das Gesetz verlangt keine besondere Form der Mängelrüge; die mündliche Rüge reicht. 28. Bei rechtzeitiger Rüge kann K wahlweise als Mängelrechte die Wandelung oder Minderung verlangen (Art. 205/207 f. OR). Im konkreten Fall will K entweder die Wandelung oder eine Ersatzlieferung. Letztere fällt allerdings ausser Betracht, denn gemäss Art. 206 OR besteht ein Recht des Käufers auf Ersatzlieferung nur dort, wo der Kauf auf die Lieferung einer bestimmten Menge vertretbarer chen geht, mithin beim Gattungskauf. In concreto geht es aber um einen Stückkauf, ein Recht des K auf Ersatzlieferung besteht nicht. 29. Bleibt die Frage zu beantworten, ob die Voraussetzungen für die Wandelung (Art. 205 und 207 f. OR) gegeben sind. Gemäss Art. 205 Abs. 1 OR steht es dem Käufer frei, zu entscheiden, ob er die Wandelung des Kaufes verlangt oder eine Preisminderung fordern will. Das Recht auf Wandelung wird insofern eingeschränkt, als der Richter statt der verlangten Wandelung bloss Ersatz des Minderwerts zusprechen kann, sofern die Umstände es nicht rechtfertigen, den Kauf rückgängig zu machen. 30. Argumente gegen die Preisminderung: Im konkreten Fall stellt das Fehlen eines funktionierenden Innenlichtes einen Mangel dar, der den Gebrauch des Kühlschranks nicht unwesentlich beeinträchtigt. Bleibt es im Inneren des Kühlschranks nämlich dunkel, wenn man die Kühlschranktür öffnet, dann fällt es schwer, die darin verstauten Lebensmittel, deren Zustand und die auf der Verpackung gedruckten Ablaufdaten zu identifizieren. Besonders bei Dunkelheit erwiese sich der Gebrauch des Kühlschranks ohne Taschenlampe als schwierig. Das spricht gegen die Zulässigkeit einer Preisminderung, wenn der Käufer die Wandelung verlangt. Gegen die Preisminderung spricht auch, dass es unbillig wäre, wenn der Käufer den mangelhaften Kühlschrank gegen eine Kaufpreisreduktion behalten müsste, obwohl die Behebung des Mangels voraussichtlich relativ hohe Reparaturkosten verursachen würde. Anders wäre der Fall, wenn sich der Mangel durch eine einfache und kostengünstige Massnahme (z.b. Auswechseln der Glühbirne) beheben liesse.

Fall 2, Zusatzfrage 31. Im Unterschied zum Kauf des Ausstellungsmodells im Geschäft handelt es sich beim online-kauf eines Kühlschranks einer bestimmten Marke und eines bestimmten Modells um einen Gattungskauf, da die Kaufsache nicht bestimmt, sondern nur ihrer Gattung nach bestimmt wird. 32. Die Gewährleistung richtet sich auch beim Gattungskauf nach Art. 197 ff. OR. Dass der Kauf online, also im Internet gegen Kreditkartenbelastung, getätigt wurde, macht für die Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts nach Art. 197 ff. OR keinen Unterschied. 33. Qualifiziert man das defekte Innenlicht wiederum als Sachmangel i.s. von Art. 197 OR, so stünde K bei rechtzeitiger Mängelrüge (dazu N 21 oben) nicht nur das Wandelungsrecht (N 23 f. oben) zu, sondern er könnte die Nachlieferung nach Art. 206 Abs. 1 OR fordern. K könnte also den Eintausch des gekauften Kühlschranks gegen einen neuen Kühlschrank derselben Marke und desselben Typs verlangen.